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Archiv "Arztzahlentwicklung: Alle müssen die Folgen tragen" (29.04.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen TAGUNGSBERICHT

Die vorhandene ärztliche Arbeit auf möglichst alle Ärzte zu verteilen müsse in den kommenden Jahren eines der obersten Ziele ärztlicher Berufspolitik in der Bundesrepu- blik Deutschland sein, erklärte Dr.

Jörg-Dietrich Hoppe, Vorstands- mitglied der Bundesärztekammer (und Erster Vorsitzender des Mar- burger Bundes), beim Berufspoliti- schen Seminar des Frühjahrs-Fort- bildungskongresses der Bundes- ärztekammer und der Österreichi- schen Ärztekammer in Meran. Dies sei zwar ein „gewerkschaftliches Argument", räumte Hoppe ein, aber es sei jedenfalls besser, als auf den Staat zu warten; zumal die Folgen der Arztzahlentwicklung nicht nur für die jungen Ärzte zum Problem werden würden.

Dr. Hoppe belegte noch einmal, daß alle Experten schon seit Jah- ren für die Mitte der 80er Jahre das

„Umschwappen" vorausgesagt hatten, nämlich den Zeitpunkt, zu dem es mehr Ärzte als ärztliche Arbeitsplätze geben wird. Dieser Zeitpunkt sei so gut wie erreicht.

Zur Zeit seien 3500 Ärzte in der Bundesrepublik als arbeitslos ge- meldet, während in Krankenhäu- sern (wegen der Neuregelung des Bereitschaftsdienstes), bei der Bundeswehr, in der Psychiatrie und für Werksärzte wohl nicht mehr als 5000 offene Stellen für angestellte Ärzte zur Verfügung stünden. Ausweichmöglichkeiten in die Nachbarländer gibt es nicht mehr: Die Zahl der Ärzte in den Mitgliedsländern der EG hat sich innerhalb von zwanzig Jahren fast verdoppelt, und den knapp 600 000 Ärzten in der EG stehen jetzt rund 400 000 Medizinstuden- ten gegenüber.

Die Ärzteschaft müsse in Zukunft noch mehr als bisher darauf ach- ten, daß eigentlich ärztliche Auf-

gaben nicht anderen Berufen überlassen werden, wie es zum Beispiel im psychiatrischen Be- reich droht. Ferner müsse man an einer Verbesserung der Zusam- menarbeit zwischen Krankenhaus und ambulantem Sektor im Inter- esse einer nahtlosen Versorgung der Patienten arbeiten, damit nicht etwa, so Dr. Hoppe, in Zukunft die Krankenhausärzte und die nieder- gelassenen Ärzte „auseinanderdi- vidiert" werden können. Auf die Auswirkungen irgendwelcher ge- setzlicher oder politischer Rege- lungen — wie einer Änderung der Approbationsordnung oder der Einführung einer Pflichtweiterbil- dung als Voraussetzung für die Zulassung von Allgemeinärzten zur Kassenpraxis, wie sie anschei- nend in Brüssel geplant wird — werde man ohnehin bis zum Ende des Jahrzehnts warten müssen.

Einen deutlichen Rückgang des Realeinkommens der niedergelas- senen Ärzte für den Rest des Jahr- zehnts sagte Dr. Günter Flatten, Ärztlicher Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, voraus. Auch hierfür ist der Hauptgrund, abgesehen von der nicht mehr möglichen Steigerung der Krankenversicherungsbeiträ- ge, der Ärztezuwachs. Dr. Flatten erwartet, daß sich der Nettozu- gang an Kassenärzten schon im Jahre 1983 gegenüber dem Vor- jahr mehr als verdoppeln wird. Die KBV begrüße in diesem Zusam- menhang die nunmehr geplante Einführung einer achtzehnmonati- gen Vorbereitungszeit vor der Kas- senzulassung, die aber nur eine Übergangslösung sein könne, bis die Approbationsordung novelliert wird.

Als nächstes müsse überlegt wer- den, ob die kassenärztliche Be- darfsplanung, die zur Behebung von örtlicher Unterversorgung ein- geführt worden war, so umfunktio-

niert werden kann, daß sie auch bei örtlicher Überversorgung mit Kassenärzten als Steuerungsin- strument benutzbar wird. Die Kas- senärztlichen Vereinigungen wür- den in Zukunft auch ihre Aktivitä- ten auf dem Gebiet der Nieder- lassungsberatung intensivieren müssen. Vor allem müsse der An- stieg der Praxiskosten nach Mög- lichkeit gebremst werden. Hierzu bietet sich an, die bereits erprob- ten Formen der Kooperation zwi- schen Kassenärzten zu intensivie- ren, sie vielleicht sogar honorar- politisch zu beeinflussen und neue Formen der Kooperation zu entwickeln. Dr. Flatten: „Es wird in Zukunft nicht mehr zu vertreten sein, daß in einer 250 Meter langen Straße in vier Kassenarztpraxen vier Röntgengeräte nebeneinan- der stehen."

Auf eine nennenswerte Auswei- tung des für den ambulanten Sek- tor zur Verfügung stehenden Ho- norarvolumens jedenfalls dürfe man nicht hoffen, warnte Dr. Flat- ten abschließend. Nach zwei Jah- ren Pause sei zwar eine Anhebung ab Mitte dieses Jahres unumgäng- lich, aber sie dürfe nicht zur finan- ziellen Schwächung der sozialen

Krankenversicherung führen.

Vier Stunden Seminar am „freien" Samstag

Nach einer nur kurzen Pause hör- ten die Teilnehmer an dem vier- stündigen Berufspolitischen Se- minar beim XV. Internationalen Seminarkongreß am Vormittag des Ostersamstags in Meran den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein (und Vorsitzenden des Hartmannbundes), Professor Dr.

Horst Bourmer, mit einem Über- blick über die gesundheitspoliti- sche Landschaft nach der Bun- destagswahl und nach dem Amts- antritt der neuen Koalition. Mit den wesentlichen gesundheitspo- litischen Aussagen in der Koali- tionsvereinbarung seien langjähri- ge Forderungen der Ärzteschaft erfüllt worden. So habe dann auch bei der Frühjahrssitzung der Kon- zertierten Aktion erstmals ein an-

Arztzahlentwicklung:

Alle müssen die Folgen tragen

Berufspolitisches Seminar beim Fortbildungskongreß in Meran

70 Heft 17 vom 29. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983

71,7 56,4 43,8 39,0 31,5 29,8 27,2 26,8 26,2 24,2 23,4 22,6 24,9 23,1 19,8 8,7 564,7

842,6 1 084,9 1 505,0 2 001,2 2 399,6 2 901,1 3 619,1 4 156,0 4 913,8 5 467,8 5 960,6 6 897,4 7 454,5 8 157,3 8 539,1 405,0

475,0 475,0 586,2 630,7 715,8 788,4 971,5 1 089,0 1 186,7 1 276,8 1 344,4 1 720,9 1 725,33) 1 613,7 3) 746,3') Staatsbeitrag

(in Mill.)

Netto-Kosteng) AWBZ (in Mill.)

Staatsbeitrag in Prozent der Nettokosten Jahr

Zahlen zur Pflegekostenversicherung in den Niederlanden')

1) Nach „Informations-Dienst 155" der Gesellschaft für Versicherungswissen- schaft und -gestaltung, Köln 3/1983

2) Netto-Kosten = totale Kosten minus Selbstbeteiligung 3) Vorläufige Angabe

4) Beeinflußt durch Sparmaßnahmen der Regierung Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen Arztzahlentwicklung

deres Klima als früher geherrscht, wenn auch der DGB noch einmal versucht habe, die Ärzteeinkom- men anzugreifen.

Man werde abwarten müssen, ob sich in den nächsten Jahren eine gesellschaftspolitische Atmosphä- re entwickelt, mit der die Ärzte le- ben können - daß die finanziellen Mittel knapper werden, darauf werde sich die Ärzteschaft auf je- den Fall einstellen müssen, fügte Professor Bourmer hinzu und hielt es sogar für möglich, daß in Zu- kunft Arztstellen im Krankenhaus wieder geteilt werden müssen. Im Interesse des Nachwuchses werde man in einem solchen Fall notfalls überlegen müssen, ob die Weiter- bildungsordnungen entsprechend geändert werden könnten.

Die Bedeutung der „Medizini- schen Orientierungsdaten", die im März der Konzertierten Aktion vor- lagen (die aber erst im Herbst aus- führlich beraten werden sollen), erläuterte Dr. Erwin Odenbach, Geschäftsführender Arzt der Bun- desärztekammer (Leiter der Abtei- lung Fortbildung und Wissen- schaft). Diese schwierigen Studien hätten bemerkenswerte Ergebnis- se zutage gefördert, die in Zukunft die Diskussionen um die einnah- menorientierte Ausgabenpolitik der Krankenversicherung in ver- nünftigere Bahnen lenken kön- nen, nämlich weg von der überzo- genen Betrachtung der Arztein- kommen und hin zu genaueren Analysen der Ursachen für die Ausgabenentwicklung: Gesetzge- bung, Rechtsprechung, demogra- phische Entwicklungen, medizini- sche Fortschritte. Damit werde es leichter sein, die Politiker zu kla- ren Entscheidungen darüber zu bringen, wer in Zukunft was aus welchem Topf zu bezahlen hat.

Im Mittelpunkt der Diskussionen standen praktische Hinweise zur Anwendung der neuen amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOA) und zur Negativliste, die Dr. Heinz- Peter Brauer, Geschäftsführender Arzt der Bundesärztekammer, und Dr. Flatten gaben. gb

KURZBERICHTE

Pflegeversicherung - Kostspielige Erfahrungen in den Niederlanden

Das Konzept einer (für alle Bürger obligatorischen) Pflegeversiche- rung wird von Politikern und Ver- bänden in der Bundesrepublik zu- nehmend diskutiert und auch im Koalitionspapier der neuen Bun- desregierung erwähnt. Offen ist al- lerdings noch die Frage, was eine solche Versicherung kosten wür- de und wer sie bezahlen soll.

Während der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ausgerechnet hat, daß die Versicherung etwa ein Prozent des Einkommens ausma- chen würde, hat sich eine solche Versicherung in den Niederlanden nach Darstellung von Dr. Louis Andriessen als erheblich kostspie- liger erwiesen. Der Sekretär der Verenigung van Nederlandse Zie- kenfondsen erläuterte die Erfah- rungen auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Gesellschaft für

Versicherungswissenschaft und -gestaltung und dem Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Köln.

Seit 1968 ist in den Niederlanden das Risiko des Pflegefalles durch das Allgemeine Gesetz „Besonde- re Krankheitskosten" (AWBZ) ab- gesichert. Vorher wurde zum Bei- spiel der Aufenthalt in einem Pfle- geheim - aber auch in Anstalten für Behinderte - nicht von der Krankenversicherung übernom- men. Zuständig waren nach dem Subsidiaritätsprinzip entweder der Patient, seine Familie oder die So- zialhilfe.

Einerseits seien dies Risiken ge- wesen, von denen sich potentielle Patienten kaum betroffen gefühlt hätten. Folglich hätte auch kaum eine Bereitschaft bestanden, sich privat abzusichern. Andererseits seien es Risiken, die, wenn sie ein- mal einträten, sehr kostspielig wä- ren, erläuterte Andriessen. Er nannte damit die gleichen Gründe,

72 Heft 17 vom 29. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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