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Archiv "Vorbereitung von Auslandseinsätzen: Helfen wollen reicht nicht aus" (30.04.1999)

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ehr und mehr Ärzte in Deutschland sind daran in- teressiert, mit einer Nothil- feorganisation oder einer Organisati- on der Entwicklungszusammenarbeit in Ländern der „dritten Welt“ zu ar- beiten. Sie stehen vor vielen Fragen:

Welche Einsatzmöglichkeiten und Hilfsorganisationen gibt es? Welche Anforderungen werden gestellt? Oder grundsätzlich: Was ist humanitäre Hil- fe? Sie ist als zeitlich begrenzte, reakti- ve Einmischung in die inneren Ange- legenheiten eines Staates gedacht, um akute Not zu lindern.

Bei der Bewältigung natürlicher Katastrophen kann die Illusion auf- rechterhalten werden, humanitäre Hilfe bewege sich im politischen Nie- mandsland der Barmherzigkeit. Bei politisch-militärischen Krisen muß sie auch während bewaffneter Auseinan- dersetzungen geleistet werden, noch bevor politische Lösungen gefunden sind. Der Autor Horand Knaup („Hil- fe, die Helfer kommen“) vertritt die These, humanitäre Hilfe lasse sich von der Politik instrumentalisieren und als Deckmäntelchen für deren Versagen mißbrauchen, sie ergreife Partei, an- statt neutral zu sein, stütze bestehen- de Machtsysteme, verlängere Kriege und zerstöre gewachsene Strukturen.

Wer im Rahmen eines medizini- schen Hilfseinsatzes tätig werden will, muß sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Hilfsprojekte und der eigenen Persönlichkeit auseinan- dersetzen. Viele Ärzte wollen eine Medizin ausüben, die den Menschen in den Vordergrund stellt. Eine Medi- zin, in der die fünf Sinne noch ihren Wert haben und in der mit einfachen technischen Mitteln gezielt diagnosti- ziert und behandelt wird. Sie möch- ten dort helfen, wo sie am nötigsten gebraucht werden, zum Ausgleich

der Ungerechtigkeiten zwischen Nord und Süd beitragen, Hilfe zur Selbst- hilfe geben oder mit ihren Kenntnis- sen zum Strukturaufbau beitragen.

Abenteuerlust und Fernweh so- wie die Herausforderung, sich unter schwierigen Bedingungen zu be- währen, sind tiefgründende An- triebe. Manche sind auch einer lang- jährigen Routine überdrüssig und möchten noch einmal beruflich „et- was erleben“. Die Flucht vor persön- lichen Problemen, zunehmend auch Arbeitslosigkeit, sind weitere Motive.

Tragfähige Motive

Entscheidend für das Gelingen ei- ner Auslandstätigkeit sind die indivi- duelle Belastbarkeit und die Trag- fähigkeit der Motivation. Sie müssen über Mißerfolge, Enttäuschungen und Heimweh hinweghelfen. Die beste Voraussetzung

bietet eine gesun- de Mischung der Motive.

Nothilfeein- sätze in der hu- manitären Hilfe erfordern eine ärztliche Tätig- keit in Krisenge- bieten, in denen Menschen durch Kriege, Naturka- tastrophen oder den Zusammen- bruch von Ge- sellschaftsstruk- turen akut in Not

geraten sind. Wichtig ist dort schnelle personelle und materielle Hilfe, um zerstörte Versorgungsstrukturen wie- der aufzubauen. Die Arbeit liegt überwiegend im medizinischen und

sozialen Bereich unter Einbeziehung von lokalen Strukturen und Personal.

Die langfristigen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit knüp- fen an, wo Not- und Katastrophen- hilfe enden – die Übergänge sind fließend. Basisgesundheitsdienste zur Verbesserung der Strukturen im Ge- sundheitswesen werden unterstützt und aufgebaut. Neben der Behand- lung akuter Krankheiten geht es unter anderem um Prävention, Gesund- heitsaufklärung, Verbesserung von Hy- giene, Ernährung und Unterkünften.

Qualifiziertes Personal wird lehrend und beratend zur Unterstützung ein- heimischer Programme entsendet.

Die verschiedenen Hilfsorganisa- tionen bieten je nach Einsatzwunsch und Qualifikation unterschiedliche Arbeitsplätze an. Der Arzt sollte sich also entscheiden, in welchem Bereich, Nothilfe oder Entwicklungszusammen- arbeit, und in welcher Funktion er

tätig werden möchte: als medizinisch tätiger Arzt, Berater, Gutachter oder medizinischer Koordinator.

Das Grundanforderungsprofil al- ler Organisationen ist eine mehrjähri- A-1114 (30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Vorbereitung von Auslandseinsätzen

Helfen wollen reicht nicht aus

Die Bereitschaft von Ärzten, sich in der humanitären Hilfe zu engagieren, wächst. Bei der Vielzahl von Hilfsorganisationen ist das „Wie und Wo“ häufig ein Problem.

M

Nothilfe im Kosovo 1998: Das Team der mobilen Klinik von „Ärzte ohne Grenzen“

hat die Apotheke unter freiem Himmel geöffnet. Foto: Myriam Gaume, Ärzte ohne Grenzen

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ge, mindestens zweijährige Berufser- fahrung, eine Facharztweiterbildung ist empfehlenswert. Hilfreich sind Er- fahrungen in Chirurgie, Geburtshilfe und Gynäkologie. Gerade in den Langzeitprogrammen sollte der Arzt in der Lage sein, selbständig einen Kaiserschnitt, eine abdominale Hyster- ektomie oder eine Appendektomie durchzuführen, da er oft als einziger Arzt einen Distrikt versorgt. Gute in- ternistische und pädiatrische Kennt- nisse sind von Vorteil. Diese hohen Anforderungen sollten nicht ab- schrecken. Im Rahmen verschiedener Programme werden auch Ophthalmo- logen, Orthopäden, Zahnärzte oder Psychiater benötigt.

Fachwissen vermitteln

Interessierten Ärzten sollte be- wußt sein, daß sie überwiegend ein- heimischen Ärzten und Pflegeperso- nal Fachwissen vermitteln sollen. Da- zu reicht ein abgeschlossenes AiP oft nicht aus. Weitere Voraussetzung ist, daß man zumindest Englisch oder Französisch spricht. Tropenmedizini- sche Erfahrungen sind wünschens- wert. Verschiedene Organisationen verlangen Kenntnisse etwa in Public Health oder Auslandserfahrung.

Neben dem fachlichen Wissen sind auch menschliche Fähigkeiten gefordert: Teamfähigkeit, gute physi- sche und psychische Konstitution, Organisationstalent, hohe Be- lastbarkeit, Einfühlungsvermö- gen, Aufgeschlossenheit und Respekt gegenüber fremden Kulturen sowie Anpassungs- fähigkeit an schwierige Situa- tionen.

Den ersten Kontakt zu einer Hilfsorganisation knüpft der Arzt meist durch ein persönliches Gespräch oder eine schriftliche Bewerbung mit kurzem Lebenslauf. Die Hilfsorganisationen klären dann, ob er sich für eine Ent- sendung eignet. Er wird in die Personaldatei aufgenommen und intern auf einen mögli- chen Einsatz vorbereitet. Bei Bedarf wird ein Arzt aus der Personaldatei ausgewählt und, sofern verfügbar, ins Ausland

entsandt. Diese Vorgehensweise er- folgt in der Regel für Kurzzeit- einsätze.

Bei Langzeitprojekten werden die Ärzte gezielt auf das Partnerland vorbereitet. Diese zwei- bis dreimona- tige Vorbereitung beinhaltet Landes- kunde, einen Sprachkurs, die Vorbe- reitung auf den Arbeitsplatz sowie den Kurs „Medizin in Entwicklungs- ländern“, der aus einem allgemeinen Teil und einem Teil über Tropen- krankheiten besteht.

Jeder an einem Auslandseinsatz interessierte Arzt sollte frühzeitig ei- gene Vorbereitungen treffen. Eine Teilnahme an Tropenkursen ist drin- gend zu empfehlen. Das international anerkannte Diplom der Tropenmedi- zin oder der Tropenmedizin und Hy- giene dauert 12 Wochen und wird in Europa von 23 Instituten angeboten.

Viele Universitäten bieten eine Weiterbildung zum „Master of Pub- lic Health“ an. Die deutschen Auf- baustudiengänge dauern meist zwei Jahre und können berufsbegleitend absolviert werden. International dauert das Postgraduierten-Studium als Vollzeitstudium in der Regel ein Jahr. Diese Zusatzausbildung quali- fiziert für eine Evaluations-, Bera- tungs- oder Managementtätigkeit im Ausland. Ein einjähriges Aufbaustu- dium „Humanitäre Hilfe“ bietet die Ruhr-Universität in Bochum an.

Der Zeitrahmen eines Hilfsein- satzes ist abhängig von der Art des

Projektes: Mit wenigen Ausnahmen läßt sich sagen, daß die Einsätze bei Projekten der Entwicklungszusam- menarbeit ein bis drei Jahre, die Einsätze im Bereich der Nothilfe zwischen drei und 12 Monaten dauern.

Kurzzeiteinsätze erfolgen oft auf ehrenamtlicher Basis. Die Hilfsor- ganisationen übernehmen Aufwands- entschädigungen, Reise- und Versiche- rungskosten sowie Kosten für Ver- pflegung und Unterkunft im Partner- land. In Langzeitprogrammen erhält der Arzt in der Regel einen Arbeits- vertrag mit einer Vergütung in Anleh- nung an den Bundesangestelltentarif.

Für Auslandseinsätze am besten geeignet ist ein Allroundtalent: Beson- nen, erfahren, für die speziellen Er- fordernisse ausgebildet, mit einem Schuß kalkulierter Risikobereitschaft und Abenteuerlust sowie mit einer Portion Altruismus ausgestattet – und sofort einsatzbereit! Aber: Je kom- plexer das Anforderungsprofil, desto älter der Kandidat, desto häufiger die Einbindung in Strukturen, familiäre Bande oder berufliche Zwänge, die ei- nem spontanen oder zeitlich unbe- grenzten Einsatz entgegenstehen. Im konkreten Fall gehen die Hilfsorgani- sationen deshalb meist pragmatisch vor.

Das Auslandsbüro der Ärztekam- mer Berlin unterhält eine Datenbank, die derzeit 1 500 Ärzte verzeichnet, die für einen Auslandseinsatz zur Verfü- gung stehen. Künftig will sich das Büro verstärkt um eine Erleichterung sol- cher Einsätze für Ärzte bemü- hen. Probleme bestehen bei der Freistellung, der Arbeits- platzsicherung und der Anre- chenbarkeit auf die Weiterbil- dung. Im Rahmen eines Qua- lifizierungsmodells setzt sich das Büro für die Entwicklung ein- bis zweiwöchiger Module ein, die auf die speziellen Pro- bleme einer Arbeit im Aus- land vorbereiten sollen.

Adressenliste der Hilfs- organisationen und Infor- mationen: Auslandsbüro der Ärztekammer Berlin, Flot- tenstraße 28–42, 13407 Ber- lin. Der 3. Kongreß „Theo- rie und Praxis der huma- nitären Hilfe“ findet vom 15. bis 17. Oktober in Berlin statt. Daniel Sagebiel A-1116 (32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Einsatzbeispiele

1 Entwicklungszusammenarbeit in einem Basis- gesundheitsdienst/Distriktkrankenhaus, Einsatzzeit ein bis drei Jahre oder je nach Aufgabe

1 Management und Koordination von Flücht- lingslagern, Einsatzzeit drei bis 12 Monate

1 Einsätze in Krankenhäusern oder Einrichtun- gen in Katastrophengebieten, Einsatzzeit drei bis sechs Monate

1 Surgical Field Hospitals: chirurgische, ortho- pädische, traumatologische oder anästhesiologische Tätigkeit, Einsatzzeit ab einem Monat, besser drei bis sechs Monate

1 Kurzzeiteinsätze in Katastrophengebieten, Ein- satzzeit eine bis sechs Wochen

1 Beratung, Ausbildung und Training, Einsatz- zeit Wochen oder Monate

1 Medizinische Koordination oder Gutachter- tätigkeit in Hilfsprojekten, Einsatzzeit je nach Bedarf

Referenzen

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