DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DIE GLOSSE
Höflichkeit
„Akzeptanz und Diffusion eines Mediums", das war eines der The- men, die unlängst bei einer „Berliner Woche des Telefons" behandelt wur- den. Dahinter standen unter ande- rem die Bundespost, die Postgewerk- schaft und einige Firmen wie zum Beispiel Standard Elektrik Lorenz, aber auch die Forschungsgruppe Te- lekommunikation im Institut für Pu- blizistik und Kommunikationspolitik, Fachbereich Kommunikationswis- senschaften, der Freien Universität Berlin. Das Ganze war Vorläufer für ein Internationales Symposium zur
„Soziologie des Telefons", das im Oktober an der Universität Hohen- heim stattfinden soll.
Das ist sicher eine verdienstvolle Sache: Das Telefon und seinen Ein- fluß in der Gesellschaft einmal von allen Seiten beleuchten. Daß die Kommunikationswissenschaftler da- bei in ihrer fürchterlichen Sprache schwelgen, wird man halt in Kauf nehmen müssen („Voice-Kommuni- kation", „die vielschichtigen Aspekte des Alltagsmediums Telefon").
Mich würde das Teilthema „Um- gangsformen und Verhaltensweisen in der Telefonkommunikation" mit am meisten interessieren, zumal man dort gerade bei Ärzten schlimme Beispiele erleben kann. Zum Bei- spiel: Wenn man als persönlicher Besucher — womöglich unangemel- det — endlich zu dem hohen Herrn vorgedrungen ist, dann kann es glatt passieren, daß er sich sogar noch in seiner Unmutsäußerung unterbre- chen läßt — durch einen wildfremden Menschen, der sich des Telefons be- dient. Wer persönlich kommt, muß unter Umständen stundenlang war- ten; Anrufer dagegen werden immer sofort angenommen. Warum eigent- lich?
Schon von altersher gilt als un- höflich, wer sich nicht zu erkennen gibt. In diesen Zusammenhang gehö- ren auch höchstrichterliche Urteile über die Lesbarkeit der ärztlichen Unterschrift („ . . . es muß sich um einen die Identität des Unterschrei- benden ausreichend kennzeichnen- den individuellen Schriftzug han- deln, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist
und sich als Unterschrift eines Na- mens darstellt . .").
Am Telefon dagegen wird das alles einfach weggewischt, und man erlebt schlichte Unverschämtheiten.
„Hieristblablakrankenhausverbinde- mitprofessorhmhm" — weg ist sie, aber der Professor denkt gar nicht daran, das Gespräch anzufangen. Es nützt nicht mal, den Hörer einfach wieder aufzulegen. Denn nach zwei Minuten ist sie wieder da: „Hierist- blablakrankenhaus . .". Mir ist schon passiert, daß ich beim dritten Versuch beschimpft wurde: Ich hätte es gewagt, dem Herrn Professor die Zeit zu stehlen, weil ich „nicht auf die Verbindung gewartet" hätte!
Ich warte darauf, daß ich endlich an meinem Telefon auf meinem Bildschirm das Gesicht desjenigen sehen kann, der mir durch seinen Anruf meine Zeit stiehlt. Dann kann ich wenigstens vorher entscheiden, ob ich mit ihm reden will oder nicht.
Diese neue Telefonepoche scheint kurz bevorzustehen. Denn die Wis- senschaftler haben schon einen Be- griff dafür: „Face to Face-Kommuni- kation". Irgendwie wird's dann gro- tesk: „Fern-sprechen" von Angesicht zu Angesicht...
„Schreib mal wieder" — das hat noch vieles für sich. gb
Senioren „out"?
Da gibt es das Ehepaar Ernst und Hedwig 0., beide 72 Jahre. Sie haben eine Enkeltochter, die einen Amerikaner geheiratet hat. Die En- keltochter hat dieser Tage den Uren- kel zur Welt gebracht. Und natürlich möchten die Urgroßeltern den se- hen. Einen Charterflug bekommen sie für nicht viel mehr als tausend Mark. — Aber was ist, wenn man drü- ben krank wird? Vor vier Jahren hat- ten die beiden schon einmal die Er- satzkasse befragt. „Kein Problem — wenn was ist, zahlen wir die deut- schen Sätze. Das ist zwar nicht ganz das, was Sie in Amerika zahlen müs- sen, aber wir bewahren Sie vor der Katastrophe."
Und heute? „Es ist außerge- wöhnlich billig, für diese Fälle eine Reisekrankenversicherung abzu- schließen", sagt das Blüm-Ministe-
Der
kleine Unterschied
In der Zeitschrift eines Berufs- verbandes war kürzlich zu lesen, daß eine Dame aus dem Verband einen Frauen-Arbeitskreis gründen möch- te. Sie forderte die „Mitgliedinnen"
auf, sich bei ihr zu melden. Gegen diese Formulierung müssen wir Männer protestieren, und zwar in unserer Eigenschaft als Kavaliere.
Denn das Gegenstück zur Mitglie- din, nämlich der männliche Berufs- angehörige, ist ein Neutrum: das Mitglied. Wollten wir uns auch mit einem Geschlecht versehen, dann müßte das anders geschrieben wer- den: Der mit Glied. Und was, bitte wäre das weibliche Gegenstück hier- zu . . .? Die Biologin — denn um die- sen Berufsverband handelt es sich — müßte das eigentlich wissen. bt
rium. In der Tat: das liegt bei nur rund dreißig Mark. Also fragt das Ehepaar 0. nach. Aber da stellt sich etwas Fürchterliches heraus: Keine Versicherung, nicht einmal die Kre- ditkartenorganisationen oder der Automobilclub, versichert dafür Leute über siebzig!
Blüms Konsequenzen: Wer sei- nen Enkel oder Urenkel in den USA hat, kann den nicht mehr besuchen, falls er/sie die Siebzig erreicht hat . . . Ob Frau Lehr da meutert?
Wie machen das eigentlich die Amerikaner? Vor ein paar Jahren saß der, der das hier schreibt, in ei- nem Caf6 in Nauplia in Griechen- land, als ein amerikanisches Kreuz- fahrtschiff anlegte. Dem entstiegen einige hundert alte Amerikanerin- nen mit blau gefärbten Dauerwellen sowie fünf junge Männer. Die Frau- en, das waren lauter Witwen, die das ererbte Geld in Reisen umsetzten, und die fünf Herren waren die Schiffs- ärzte! Gibt es in Amerika Reise-Kran- kenversicherungen auch für Ältere?
Sie dürften ja ruhig ein paar Mark mehr kosten (pardon: Dollars).
Aber hierzulande einfach so et- was zu verweigern —
da müßte Frau
Ministerin Lehr doch entschieden eingreifen und den PKV-Versiche- rungsbossen den Kopf waschen! bt Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989 (45) A-2633