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Archiv "Anwendung des Schwerbehindertengesetzes für HIV-Infizierte und AIDS-Kranke: 2 Vermeidung von Mißverständnissen" (08.01.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT DISKUSSION

Wie ist es nur möglich, daß sol- che Formulierungen in das DEUT- SCHE ÄRZTEBLATT Eingang fin- den?:

0

„großzügige Vergabe der Merkzeichen auf dem Schwerbehin- dertenausweis",

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„Schwerbehin- derter ist jeder, der . . . und dadurch nicht hinreichend in die Gesellschaft eingegliedert werden kann".

Zu 1.: Die Merkzeichen, jetzt Nachteilsausgleiche genannt, kön- nen vom medizinischen Sachverstän- digen nur dann zur Vergabe vorge- schlagen werden, wenn die entspre- chenden medizinischen Tatsachen erwiesen sind. Eine wohlwollende, großzügige oder engherzig-strenge Beurteilung ist mit den Pflichten ei- nes Gutachters nicht vereinbar. Sie würde der willkürlichen Beurteilung Tür und Tor öffnen und den gutacht- lichen Aussagen ihren überzeugen- den Charakter nehmen.

Zu 2.: müßte es unter anderem heißen: „Schwerbehinderte sind Per- sonen, die . . . infolge ihrer Behinde- rung in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend wenigstens 50 v. H. (GdB 50) gemindert sind. Der Maßstab für die Bemessung des GdB sind die ‚Anhaltspunkte'". Im einzel- nen darf ich dazu auf Seite 16, dort Nr. 10 (2) und Seite 121 der Anhalts- punkte für die ärztliche Gutachtertä- tigkeit im sozialen Entschädigungs- recht und nach dem Schwerbehin- dertengesetz, Ausgabe 1983, hinwei- sen.

Dr. med. Paul

Gels

Leitender Medizinaldirektor a. D.

Roonstraße 12 5400 Koblenz

Nach Lesen des Artikels er- scheint es uns im Bereich der Ver- sorgungsverwaltung des Landes NRW tätigen Ärzten wichtig, einige Aspekte zu berichtigen beziehungs- weise dem nicht sozialmedizinisch tätigen Arzt zu verdeutlichen.

Hilfe zur Pflege nach § 26 c BVG, erhalten Beschädigte und Hin- terbliebene, die einen Anspruch auf Versorgung nach § 1 BVG haben, und diejenigen Personenkreise, de- ren Versorgung durch Gesetze gere- gelt ist, die das BVG für anwendbar erklären (zum Beispiel ZDG, HHG, OEG, BSeuchG usw.), eine Pflege- zulage nach § 35 BVG steht aus- schließlich Beschädigten zu. Ein ei- gentlicher Anspruch auf Geldlei- stungen nach dem BVG ergibt sich somit aus dem SchwbG direkt nicht.

Wohl können Hilfe zur Pflege und Pflegegeld zum Beispiel im Rahmen.

des BSHG von Behinderten bean- tragt werden, die Durchführung die- ses Gesetzes obliegt jedoch nicht der Versorgungsverwaltung.

0

Unentgeltliche Beförderung im Personennahverkehr oder Kfz- Steuerermäßigung nach § 59 SchwbG steht Schwerbehinderten zu, unter anderem aufgrund von Funktionsstörungen der Lendenwir- belsäule und/oder der unteren Gliedmaßen, von erheblicher Beein- trächtigung der Herzleistung und bei schwerer Atembehinderung, die für sich allein einen GdB von 50 bedin- gen. Eine Störung der Orientie- rungsfähigkeit, die zu einer erheb- lichen Beeinträchtigung der Bewe- gungsfähigkeit führt, ist bei allen Sehbehinderungen von mindestens

70 und bei geistig Behinderten mit einem GdB von 100 immer anzuneh- men. Keineswegs wird aber der Nachteilsausgleich „G" bei einem Gesamt-GdB von 80 ohne Vorliegen der eben angeschnittenen Mindest- voraussetzungen gewährt. Dies gilt selbstverständlich auch für HIV-Infi- zierte und AIDS-Kranke.

Von den Autorinnen wird als Beispiel für die persönliche Voraus- setzung der Gewährung des Nach- teilsausgleiches „außergewöhnliche Gehbehinderung" ein Kaposi-Sar- kom an den Fußsohlen oder Zehen genannt, das bei Beinödemen zu ei- ner Steh- und Gehunfähigkeit führt.

Dies ist aus versorgungsmedizini- scher Sicht richtig. Ist aber die Be- strahlung des Sarkoms erfolgreich gewesen und führte zur Wiederer- langung der Gehfähigkeit, rechtfer- tigt die Möglichkeit eines Rezidives keineswegs die weitere Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „aG".

Die Befreiung von der Rund- funkgebührenpflicht ist durch Län- derverordnungen geregelt. Das be- deutet, daß der Nachteilsausgleich

„RF" nicht per Gesetz gewährt wird.

Als Mindestvoraussetzung für die Gewährung des Nachteilsausgleiches

„RF" gilt, neben einem Gesamt-GdB von mindestens 80, daß der Behin- derte allgemein von öffentlichen Zu- sammenkünften jeder Art ausge- schlossen sein muß. Dies ist unter anderem der Fall bei AIDS-Kran- ken, die zum Beispiel durch ein Ka- posi-Sarkom des Gesichtes entstellt sind und dadurch auf ihre Umwelt unzumutbar abstoßend wirken, und natürlich bei denjenigen, die — durch die Schwere ihrer Erkrankung be- dingt — selbst mit Hilfe von Begleit- personen oder mit technischen Hilfs- mitteln (zum Beispiel Rollstuhl) an öffentlichen Veranstaltungen in ih- nen zumutbarer Weise nicht teilneh- men können. „RF" wird außerdem gewährt bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von wenigstens 60 und einer Hörbehinderung mit ei- nem GdB von mindestens 50.

Wohlgemerkt geht es hier nicht darum, den schwer betroffenen AIDS-Kranken ihnen zustehende Rechte vorzuenthalten oder ihre Wahrnehmung zu erschweren. Die oben genannten Hinweise sind je-

Anwendung des

Schwerbehindertengesetzes für 111V-Infizierte

und AIDS-Kranke

Zu dem Beitrag von Dr. med. Helga Exner-Freisfeld und Prof. Dr. med. Eilke B. Helm in Heft 34/35, 1989

I 1 Begriffsklare Beurteilung

I 2 Vermeidung

von Mißverständnissen

Dt. Ärztebl. 87, Heft 1/2, 8. Januar 1990 (51) A-51

(2)

doch unseres Erachtens notwendig zur Vermeidung von Mißverständ- nissen oder Unverständnis ange- sichts der an bestimmte Richtlinien gebundenen Entscheidungen der Versorgungsverwaltung. Diese Hin- weise sind nicht vollständig, da noch weitere Textstellen der Klarstellung bedürfen, doch überschreitet dies den Rahmen eines Leserbriefes.

Dr. med. Annemarie Jochheim Richard-Wagner-Straße 21 4300 Essen 1

Dr. med. Eckart Siegmann Auf der Bredde 14

4630 Bochum 7

Als für Fragen der Begutachtun- gen im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinderten- gesetz zuständiger Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung muß ich feststellen, daß die Ausführungen in dem oben genannten Artikel weder das gelten- de Recht richtig wiedergeben noch die maßgeblichen Begutachtungskri- terien berücksichtigen. Die Autorin- nen — in Fragen der Begutachtung nach dem Schwerbehindertengesetz offensichtlich nicht erfahren — haben es leider versäumt, sich entspre- chend sachkundig zu machen. Sie sprechen in ihrem Artikel von dem sozialen Entschädigungsrecht und meinen im Grunde ein völlig anderes Rechtsgebiet — nämlich das Schwer- behindertengesetz (SchwbG). Sie vermengen unzulässigerweise die Vorschriften dieses Gesetzes mit den leistungsrechtlichen Vorschrif- ten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), dem Leitgesetz des sozialen Entschädigungsrechts. Sie haben nicht beachtet, daß bei Feststellun- gen nach dem SchwbG aus dem BVG nur einige für die Begutach- tung relevante Vorschriften Anwen- dung finden. Dadurch werden bei den Betroffenen Leistungserwartun- gen geweckt, die nicht realisiert wer- den können.

Bei der Vielzahl der falschen Aussagen ist es leider nicht möglich, auf alle Einzelheiten einzugehen. Es

sollen daher nur die wichtigsten Punkte angesprochen werden, um die zu erwartenden negativen Aus- wirkungen dieses Artikels möglichst zu begrenzen:

0

Falsch ist die Behauptung, daß im BVG heute nicht mehr Lei- stungen für die Kriegsopfer im Vor- dergrund stünden. Richtig ist viel- mehr, daß nach dem BVG unverän- dert nur solche Personen Anspruch auf Versorgung haben, die durch die Einwirkungen des Krieges einen ge- sundheitlichen Schaden erlitten ha- ben. War für die Gewährung von Versorgung nach dem BVG zu- nächst der fürsorgerische Gedanke maßgebend, so erhielt die Versor- gung durch den Ausbau der Leistun- gen mehr und mehr entschädigungs- ähnlichen Charakter; aus dem Recht des BVG entwickelte sich das soziale Entschädigungsrecht. Von den An- spruchsberechtigten nach dem sozia- len Entschädigungsrecht erhalten immerhin noch über 98 Prozent Ver- sorgung nach dem BVG und weniger als zwei Prozent Versorgung nach den anderen Gesetzen, die eine Ver- sorgung in entsprechender Anwen- dung der Vorschriften des BVG vorsehen, nämlich Soldatenversor- gungsgesetz (SVG), Zivildienst- gesetz (ZDG), Häftlingshilfegesetz (HHG), Opferentschädigungsgesetz (OEG) und Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG — hinsichtlich der Impf- schäden).

Der Anspruch auf Versorgung nach dem sozialen Entschädigungs- recht ist von seinem historischen Ur- sprung her ein gesetzlich normierter Aufopferungsanspruch. Er entschä- digt ein an Gesundheit und Leben erbrachtes besonderes Opfer für die Allgemeinheit. Insofern kann eine HIV-Infektion nur in Ausnahmefäl- len — zum Beispiel nach Beibringung der Infektion durch eine Gewalttat im Sinne des OEG — einen Versor- gungsanspruch begründen.

Es ist falsch, von einer „Pfle- gezulage im Schwerbehindertenge- setz" zu sprechen. Wie eingangs er- wähnt, gehört das final ausgerichtete SchwbG nicht zum sozialen Entschä- digungsrecht. Da das SchwbG keine Entschädigungsleistungen vorsieht, kann es aufgrund der Feststellung der Voraussetzungen für die Annah-

me von Hilflosigkeit nach dem SchwbG (Merkzeichen „H" im Schwerbehindertenausweis) auch keine Pflegezulage nach § 35 BVG oder Hilfe zur Pflege nach § 26 c Abs. 3 BVG geben. Die Gewährung solcher Leistungen im sozialen Ent- schädigungsrecht setzt immer vor- aus, daß Hilflosigkeit infolge einer bestimmten Schädigung eingetreten ist.

Allerdings sind die Grundvor- aussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit in beiden Gesetzen identisch, wie sich dies aus § 3 Aus- weisverordnung SchwbG in Verbin- dung mit § 33 b Einkommensteuer- gesetz sowie § 35 Abs. 1 BVG ergibt.

Es kommt darauf an, daß ein Be- schädigter oder Behinderter so hilf- los ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täg- lichen Lebens in erheblichem Um- fang fremder Hilfe dauernd bedarf.

Dies haben die Autorinnen richtig dargestellt. Sie haben auch richtig angemerkt, daß Hilflosigkeit unab- hängig davon auch dann gegeben ist, wenn Hilfe zwar nicht ständig gelei- stet wird, jedoch in dauernder Be- reitschaft sein muß. Aber sie haben dann den Eindruck erweckt, als sei- en bei AIDS (Frankfurt Stadium 3) geringere Anforderungen zu stellen und deshalb die Voraussetzungen für das Merkzeichen „H" generell als erfüllt anzusehen. Dies trifft aber nicht zu, denn Hilflosigkeit kann im- mer nur dann angenommen werden, wenn die Voraussetzungen auch tat- sächlich vorliegen. Auf keinen Fall rechtfertigt schon die Diagnose AIDS — und damit ein Grad der Be- hinderung (GdB) von 100 — die An- nahme von Hilflosigkeit.

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Es widerspricht den gesetzli- chen Bestimmungen, wenn die Auto- rinnen im Hinblick auf die — keines- wegs regelhaft schnelle — Progre- dienz der HIV-Infektion den GdB höher beurteilen oder die großzügi- gere Vergabe von Merkzeichen for- dern, als dem tatsächlich bestehen- den Ausmaß der Funktionsbeein- trächtigung zum Zeitpunkt der Be- gutachtung entspricht. In § 3 Abs. 3 SchwbG ist nämlich ausdrücklich ge- regelt, daß für den GdB die im Rah- men des § 30 Abs. 1 BVG festgeleg-

II 3 Begrenzung der

negativen Auswirkungen

A-52 (52) Dt. Ärztebl. 87, Heft 1/2, 8. Januar 1990

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