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Archiv "Anwendung des Schwerbehindertengesetzes für HIV-Infizierte und AIDS-Kranke: 3 Begrenzung der negativen Auswirkungen" (08.01.1990)

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doch unseres Erachtens notwendig zur Vermeidung von Mißverständ- nissen oder Unverständnis ange- sichts der an bestimmte Richtlinien gebundenen Entscheidungen der Versorgungsverwaltung. Diese Hin- weise sind nicht vollständig, da noch weitere Textstellen der Klarstellung bedürfen, doch überschreitet dies den Rahmen eines Leserbriefes.

Dr. med. Annemarie Jochheim Richard-Wagner-Straße 21 4300 Essen 1

Dr. med. Eckart Siegmann Auf der Bredde 14

4630 Bochum 7

Als für Fragen der Begutachtun- gen im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinderten- gesetz zuständiger Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung muß ich feststellen, daß die Ausführungen in dem oben genannten Artikel weder das gelten- de Recht richtig wiedergeben noch die maßgeblichen Begutachtungskri- terien berücksichtigen. Die Autorin- nen — in Fragen der Begutachtung nach dem Schwerbehindertengesetz offensichtlich nicht erfahren — haben es leider versäumt, sich entspre- chend sachkundig zu machen. Sie sprechen in ihrem Artikel von dem sozialen Entschädigungsrecht und meinen im Grunde ein völlig anderes Rechtsgebiet — nämlich das Schwer- behindertengesetz (SchwbG). Sie vermengen unzulässigerweise die Vorschriften dieses Gesetzes mit den leistungsrechtlichen Vorschrif- ten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), dem Leitgesetz des sozialen Entschädigungsrechts. Sie haben nicht beachtet, daß bei Feststellun- gen nach dem SchwbG aus dem BVG nur einige für die Begutach- tung relevante Vorschriften Anwen- dung finden. Dadurch werden bei den Betroffenen Leistungserwartun- gen geweckt, die nicht realisiert wer- den können.

Bei der Vielzahl der falschen Aussagen ist es leider nicht möglich, auf alle Einzelheiten einzugehen. Es

sollen daher nur die wichtigsten Punkte angesprochen werden, um die zu erwartenden negativen Aus- wirkungen dieses Artikels möglichst zu begrenzen:

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Falsch ist die Behauptung, daß im BVG heute nicht mehr Lei- stungen für die Kriegsopfer im Vor- dergrund stünden. Richtig ist viel- mehr, daß nach dem BVG unverän- dert nur solche Personen Anspruch auf Versorgung haben, die durch die Einwirkungen des Krieges einen ge- sundheitlichen Schaden erlitten ha- ben. War für die Gewährung von Versorgung nach dem BVG zu- nächst der fürsorgerische Gedanke maßgebend, so erhielt die Versor- gung durch den Ausbau der Leistun- gen mehr und mehr entschädigungs- ähnlichen Charakter; aus dem Recht des BVG entwickelte sich das soziale Entschädigungsrecht. Von den An- spruchsberechtigten nach dem sozia- len Entschädigungsrecht erhalten immerhin noch über 98 Prozent Ver- sorgung nach dem BVG und weniger als zwei Prozent Versorgung nach den anderen Gesetzen, die eine Ver- sorgung in entsprechender Anwen- dung der Vorschriften des BVG vorsehen, nämlich Soldatenversor- gungsgesetz (SVG), Zivildienst- gesetz (ZDG), Häftlingshilfegesetz (HHG), Opferentschädigungsgesetz (OEG) und Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG — hinsichtlich der Impf- schäden).

Der Anspruch auf Versorgung nach dem sozialen Entschädigungs- recht ist von seinem historischen Ur- sprung her ein gesetzlich normierter Aufopferungsanspruch. Er entschä- digt ein an Gesundheit und Leben erbrachtes besonderes Opfer für die Allgemeinheit. Insofern kann eine HIV-Infektion nur in Ausnahmefäl- len — zum Beispiel nach Beibringung der Infektion durch eine Gewalttat im Sinne des OEG — einen Versor- gungsanspruch begründen.

Es ist falsch, von einer „Pfle- gezulage im Schwerbehindertenge- setz" zu sprechen. Wie eingangs er- wähnt, gehört das final ausgerichtete SchwbG nicht zum sozialen Entschä- digungsrecht. Da das SchwbG keine Entschädigungsleistungen vorsieht, kann es aufgrund der Feststellung der Voraussetzungen für die Annah-

me von Hilflosigkeit nach dem SchwbG (Merkzeichen „H" im Schwerbehindertenausweis) auch keine Pflegezulage nach § 35 BVG oder Hilfe zur Pflege nach § 26 c Abs. 3 BVG geben. Die Gewährung solcher Leistungen im sozialen Ent- schädigungsrecht setzt immer vor- aus, daß Hilflosigkeit infolge einer bestimmten Schädigung eingetreten ist.

Allerdings sind die Grundvor- aussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit in beiden Gesetzen identisch, wie sich dies aus § 3 Aus- weisverordnung SchwbG in Verbin- dung mit § 33 b Einkommensteuer- gesetz sowie § 35 Abs. 1 BVG ergibt.

Es kommt darauf an, daß ein Be- schädigter oder Behinderter so hilf- los ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täg- lichen Lebens in erheblichem Um- fang fremder Hilfe dauernd bedarf.

Dies haben die Autorinnen richtig dargestellt. Sie haben auch richtig angemerkt, daß Hilflosigkeit unab- hängig davon auch dann gegeben ist, wenn Hilfe zwar nicht ständig gelei- stet wird, jedoch in dauernder Be- reitschaft sein muß. Aber sie haben dann den Eindruck erweckt, als sei- en bei AIDS (Frankfurt Stadium 3) geringere Anforderungen zu stellen und deshalb die Voraussetzungen für das Merkzeichen „H" generell als erfüllt anzusehen. Dies trifft aber nicht zu, denn Hilflosigkeit kann im- mer nur dann angenommen werden, wenn die Voraussetzungen auch tat- sächlich vorliegen. Auf keinen Fall rechtfertigt schon die Diagnose AIDS — und damit ein Grad der Be- hinderung (GdB) von 100 — die An- nahme von Hilflosigkeit.

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Es widerspricht den gesetzli- chen Bestimmungen, wenn die Auto- rinnen im Hinblick auf die — keines- wegs regelhaft schnelle — Progre- dienz der HIV-Infektion den GdB höher beurteilen oder die großzügi- gere Vergabe von Merkzeichen for- dern, als dem tatsächlich bestehen- den Ausmaß der Funktionsbeein- trächtigung zum Zeitpunkt der Be- gutachtung entspricht. In § 3 Abs. 3 SchwbG ist nämlich ausdrücklich ge- regelt, daß für den GdB die im Rah- men des § 30 Abs. 1 BVG festgeleg-

II

3 Begrenzung der

negativen Auswirkungen

A-52 (52) Dt. Ärztebl. 87, Heft 1/2, 8. Januar 1990

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ten Maßstäbe entsprechend gelten.

Dies bedeutet unter anderem, daß Ereignisse, die erst in der Zukunft erwartet werden, bei der Beurteilung des GdB/MdE-Grades nicht zu be- rücksichtigen sind. Dieser Grundsatz gilt im übrigen nicht nur bei Begut- achtungen im sozialen Entschädi- gungsrecht und nach dem Schwerbe- hindertengesetz, sondern zum Bei- spiel auch in der gesetzlichen Unfall- versicherung.

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Wenn die Autorinnen im Deutschen Ärzteblatt 84, Heft 15/1987 — und auch in einem im Ge- gensatz zu der jetzigen Publikation im Deutschen Ärzteblatt sachlich richtigen Artikel in der Zeitschrift

„Der medizinische Sachverständige"

85, 55, 1989 (!) — geschrieben haben, daß im (Frankfurt-)Stadium 2 a

„noch keine stärkere Behinderung gegeben" sei, dann trifft dies auch heute noch zu; neuere Erkenntnisse über die Auswirkungen von Funk- tionsbeeinträchtigungen beim Lym- phadenopathiesyndrom gibt es näm- lich nicht. Es ist daher nicht nachzu- vollziehen, daß nunmehr bei dem gleichen Sachverhalt ein höherer GdB-Wert für das Stadium 2 a ange- messen sein soll.

Im übrigen hat sich die Sektion

„Versorgungsmedizin" des Ärzt- lichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung auf ihren Sitzungen am 26. März und 4. November 1987 mit der gutachtlichen Beurteilung der HIV-Positiven, Kranken mit Lympha- denopathiesyndrom, AIDS-related- complex und bei AIDS sehr einge- hend befaßt und — unter Berücksichti- gung des Aufsatzes im Deutschen Arzteblatt 84, Heft 15/1987 — entspre- chende Empfehlungen für die MdE/

GdB-Beurteilung erarbeitet. Diese allen zuständigen Stellen bekanntge- gebenen Beurteilungskriterien haben nach meinen Erfahrungen bisher eine sachgerechte gutachtliche Beurtei- lung des angesprochenen Personen- kreises gewährleistet. Auch auf seiner Sitzung im Oktober 1989 hat der Ärzt- liche Sachverständigenbeirat in Kenntnis des hier zur Diskussion ste- henden Artikels keine Veranlassung gesehen, seine bisherigen gutacht- lichen Empfehlungen zur GdB-Beur- teilung zu ändern.

O Falsch und nichtssagend ist die in dem Artikel gegebene Defini- tion der Schwerbehinderung. Nach

§ 1 SchwbG sind Schwerbehinderte im Sinne dieses Gesetzes Personen mit einem GdB von wenigstens 50, sofern sie ihren Wohnsitz, ihren ge- wöhnlichen Aufenthalt oder ihre Be- schäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Falls aber mit den Ausfüh- rungen nicht die Schwerbehinde- rung, sondern der Behindertenbe- griff gemeint sein sollte, so ent- spricht auch dieser nicht dem Ge- setzeswortlaut. Nach § 3 Abs. 1 SchwbG ist eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorüber- gehenden Funktionsbeeinträchti- gung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seeli- schen Zustand beruht.

O Falsch ist die Behauptung, daß alle Schwerbehinderten mit ei- nem GdB von 80 unentgeltlich im öf- fentlichen Personenverkehr beför- dert werden. Diese frühere Rege- lung ist bereits mit dem Haushalts- begleitgesetz 1984 abgeschafft wor- den. Voraussetzung für eine unent- geltliche Beförderung im öffent- lichen Personenverkehr ist stets, daß die Schwerbehinderten infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfä- higkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (Merkzeichen „G" im Schwerbehindertenausweis) oder hilflos oder gehörlos sind. Auch Schwerbehinderte mit einem GdB von wenigstens 80 können demnach nur dann unentgeltlich befördert werden, wenn die genannten Vor- aussetzungen erfüllt sind.

• Falsch ist die dargestellte Beziehung zwischen der Notwendig- keit ständiger Begleitung (Merkzei- chen „B" im Schwerbehindertenaus- weis) und der Annahme von Hilflo- sigkeit ( „H" im Schwerbehinderten- ausweis). Das Merkzeichen „B", auf- grund dessen eine Begleitperson ko- stenlos befördert wird, bezieht sich immer nur auf die für die Behinder- ten notwendige fremde Hilfe bei der Benutzung öffentlicher Verkehrs- mittel. Damit sind aber die Voraus- setzungen für die Annahme von Hilf- losigkeit noch nicht erfüllt. Im Ge- gensatz dazu ist aber beim Vorliegen

der Voraussetzungen für die Annah- me von Hilflosigkeit häufig auch die Notwendigkeit ständiger Begleitung gegeben.

Dr. med. Norbert Rösner Medizinaldirektor im

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung

Rochusstraße 1 • 5300 Bonn 1

Schlußwort

In dem Beitrag wurden leider leistungsrechtliche Vorschriften des BVG, welches als Grundlage des so- zialen Entschädigungsrechtes gilt, mit dem Schwerbehindertengesetz vermengt (letzteres ist in der Tat kein Leistungsgesetz). Es sollten so- mit keineswegs nicht realisierbare Leistungserwartungen der Betroffe- nen geweckt werden oder damit gar negative Auswirkungen für AIDS- Kranke und HIV-Infizierte durch den Artikel hervorgerufen werden, sondern der Fürsorge-Gedanke für die Schwerkranken sollte bei unse- ren Aussagen im Vordergrund ste- hen.

Die soziale Seite mit der nahezu immer bestehenden Hilflosigkeit bei AIDS (Vollbild) sollte besonders hervorgehoben werden. Diese be- dingt selbstverständlich keine Pfle- gezulage des BVG. Leider hat die Erfahrung gezeigt, daß die Voraus- setzungen der Hilflosigkeit tatsäch- lich häufiger vorliegen, als dies frü- her angenommen wurde.

Die Funktionsausfälle bei ra- scher Progredienz der HIV-Infek- tion zeigen sich so erheblich und so stereotyp bei AIDS-Kranken, daß bereits bei der ersten opportunisti- schen Infektion Hilflosigkeit beste- hen kann.

Es gibt neuere Erkenntnisse bei

„AIDS" mit seinen verschiedenen Stadien. Die einzelnen Stadien, die nach klinischen Kriterien konzipiert wurden, sehen in ihrem Verlauf nicht so aus, wie wir ursprünglich ge- dacht hatten. So läßt sich zum Bei- spiel leider keine günstige Prognose beim LAS-Syndrom mit Rückgang oder Kleinerwerden der Lymphkno- ten ableiten. Durchfälle, Myelopa- pathien oder periphere Neuropa- A-54 (54) Dt. Ärztebl. 87, Heft 1/2, 8. Januar 1990

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