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Archiv "Glaukom: Nicht nur eine Frage des hohen Augeninnendrucks" (13.03.1998)

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laukom ist, wenn der Augen- druck zu hoch ist – diese volkstümliche Definition mag für den Umgang mit den Patienten ge- rade noch genügen, da es ausschließ- lich der Augeninnendruck ist, der the- rapeutisch zugänglich ist. Doch für Ophthalmologen, die der Pathogene- se dieser häufigen Erblindungsursa-

che auf der Spur sind, steht die vas- kuläre und damit letztlich allgemein- medizinische Komponente immer stärker im Vordergrund, wie auf inter- nationalen Kongressen in San Fran- cisco und Aachen deutlich wurde.

Die Erkenntnis, daß Glaukom auch ein Durchblutungsproblem ist, wuchs nicht erst in der Moderne. Be- reits 1879 definierte Priestley Smith die Krankheit als ein Leiden, bei dem unter anderem „vascular changes“

imponieren. Die Strömungsverhält- nisse sind auch nach Ansicht von Alon Harris (Indianapolis) jene Grauzone, die man therapeutisch nutzen sollte.

Daß eine rein drucksenkende Thera- pie nicht zum Erfolg führt, belegt die Statistik: 57 Prozent aller Gesichtsfel-

der verfallen, obwohl ein als gesund angesehener Druck (target pressure) erreicht wurde.

Beeindruckend auch folgender Zusammenhang: Setzt man das Glau- komrisiko bei einem diastolischen Perfusionsdruck von über 50 mm Hg mit dem Faktor 1,0 an, so liegt dieser Risikofaktor bei Druckwerten zwi- schen 30 und 39 mm Hg bei 2,4.

Liegt der diasto- lische Perfusions- druck unter 30 mm Hg, steigert sich das Glaukomrisiko um den Faktor sechs. Eine ent- scheidende Rolle im Stoffwechsel der Sehnervenzel- len scheint Glut- amin zu spielen, das einen Kalzium- einstrom in die Zel- le fördert, der die DNA-Fragmentie- rung und damit letztlich den Zelltod (Apoptose) auslöst. Bei Glaukompa- tienten ist die Perfusion der peripa- pillären Retina und des Nervus opti- cus reduziert, wie Untersuchungen mit dem Laser-Doppler-Fluormeter ergeben haben. Diesen Zusammen- hang beobachtet man besonders bei Menschen mit Normaldruckglaukom, die überdurchschnittlich häufig an an- deren vaskulären Erkrankungen wie zum Beispiel der Raynaud-Sympto- matik leiden.

Besonders tragisch ist für Glau- kompatienten der nächtliche Blut- druckabfall. Denn dieser „dip“ ist, wie Harris in seiner jüngsten Studie nach- wies, bei den Betroffenen deutlich ausgeprägter als bei gesunden Pro-

banden. Harris ließ bei seinen Patien- ten nicht nur tagsüber, sondern auch zu „unmöglichen Zeiten“ wie um Mit- ternacht und um drei Uhr morgens die okulären Kreislaufparameter erhe- ben und fand, daß – unabhängig vom nachts ohnehin absinkenden Blut- druck – die Strömungsgeschwindig- keit in den Gefäßen des hinteren Augenpols bei Gesunden unverändert blieb, bei Glaukomkranken jedoch auch dieser Parameter reduziert war.

Die Zahl der Medikamente zur Senkung des Augeninnendrucks hat sich indes innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt. Nach Ansicht von Prof. Günter Krieglstein (Köln) hat hingegen die Lasertherapie ihre beste Zeit ganz offensichtlich hinter sich.

Die Wahrscheinlichkeit der Unterbre- chung der Krankheitsprogression sei bei der Lasertrabekuloplastik frag- lich, bei der medikamentösen Thera- pie gut und bei der Chirurgie sehr gut.

Als Domäne der medikamentösen Therapie beschrieb Krieglstein fol- gende Situation: Intraokulardruck (IOD) hoch, Gesichtsfeld und Papille normal. Die Domäne der Glau- komchirurgie hingegen sind eher Fäl- le mit hohem oder mäßigem IOD bei gleichzeitig bestehendem fortge- schrittenem Glaukomschaden.

Die protektive Wirkung einer IOD-Senkung ist bei der reinen okulären Hypertension umstritten, bei einem Glaukomfrühschaden je- doch manifest. Wichtig ist nach Krieglsteins Ansicht der Zeitfaktor:

bei okulärer Hypertension unbedeu- tend, spielt er in Spätstadien eine große Rolle, tragen Verzögerungen in der Therapie auf gravierende Weise zum Sehnervenverfall bei. Eine Glau- komtherapie sollte daher unbedingt beginnen bei:

l frühen anatomischen oder funktionellen Veränderungen,

l pathologischem Intraoku- lardruck,

l erhöhtem Intraokulardruck und dem Vorliegen von Risikofakto- ren (Familienanamnese, Diabetes, Traumen, Entzündungen, Alter).

Liegt der Intraokulardruck kon- tinuierlich über 25 mm Hg, sollte auch ohne Risikofaktoren mit der Therapie begonnen werden. Die Definition des Therapiezieles und damit des Thera- pieerfolges hängt sehr vom Schädi- A-589

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 11, 13. März 1998 (33)

Glaukom

Nicht nur eine Frage des hohen Augeninnendrucks

Pathogenetische Studien untersuchen einen Zusammenhang mit vaskulär-hämodynamischen Komponenten.

G

Mit diesem Motiv weist der Initiativkreis zur Glaukom-Früherkennung e.V. auf die Gefahr eines unerkannten grünen Stars für das Sehvermögen hin.

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gungsgrad ab. In der Regel wertet man eine Senkung des IOD um 30 Prozent (gegenüber den unbehandel- ten Augendruckwerten) als einen Erfolg.

In der medikamentösen Glau- komtherapie gibt es Aufsteiger, Ab- steiger und beständig in der Spitzen- gruppe Weilende. Zu letzteren zählen vor allem die Betablocker, die auch 20 Jahre nach ihrer Einführung (Timolol war der erste dieser Wirkstoffe) eine zuverlässige Komponente des thera- peutischen Spektrums sind. Zu den Verlierern zählt Krieglstein die starken Miotika mit ihren oft nicht unbeträcht- lichen Seheinschränkungen, lediglich das Pilocarpin hält sich nach den Wor- ten des Kölner Glaukomexperten mit erstaunlicher Hartnäckigkeit.

Abwärts geht es auch mit den Adrenalinderivaten, die früher oder später zu einer follikulären toxischen Konjunktivitis führen. Als Aufsteiger wertet Krieglstein die Alpha-2-Ago- nisten (Brimonidine, Apraclonidin), den lokalen Carboanhydrasehemmer Dorzolamid und das Prostaglandinde- rivat Latanoprost. Beim Apraclonidin fällt eine mit 30 Prozent relativ hohe Allergisierungsrate auf. Beim Brimo- nidine vermuten manche Forscher ei- ne neuroprotektive Wirkung, deren klinische Relevanz, so Krieglstein, noch im Ungewissen liegt.

Nachdem der amerikanische Ophthalmologe Michael Sugrue nachgewiesen hatte, daß topisch ap- pliziertes Dorzolamid am hinteren Augenpol ankommt, verzeichnete auch Prof. Oliver Arendt (Aachen) eine Wirkung des lokalen Carbonan- hydrasehemmstoffes auf die Perfusi- on dieser Region. Offensichtlich be- einflußt dieser Wirkstoff noch am ehesten die Durchblutung, die thera- peutische Relevanz ist noch unge- klärt, doch bezeichnete Arendt das Dorzolamid neben der Gabe von Kalziumantagonisten als Mittel der Wahl bei jenen Glaukomen, bei denen die vaskuläre Komponente besonders deutlich hervortritt.

Mit Methoden wie der Farb- duplexsonographie und der Scan- ning Laser Fluoangiographie wur- den arteriovenöse Passagezeit und Strömungsgeschwindigkeit gemessen, gleichzeitig wurde der Augendruck ermittelt. Nach Dorzolamidgabe (als

Nebenwirkung des Stoffes imponie- ren am ehesten ein lokales Brennen und ein metallischer Geschmack auf der Zunge) wurde eine Beschleuni- gung der arteriovenösen Passagezeit im Bereich der Arteriolen registriert, an den großen Arterien wurden keine Unterschiede bemerkt. Arendt wies darauf hin, daß allein die Senkung des Augeninnendrucks nicht als Er- klärung für diesen Effekt auf die Per- fusion des Optikus ausreicht.

Die drucksenkende Wirkung der Prostaglandine hat man bei Uveitiden beobachtet, wo diese Stoffe freige- setzt werden und nicht selten den Au- geninnendruck deutlich auf Werte un- ter jene des nicht betroffenen Auges senken. Das Prostaglandinderivat La- tanoprost verändert die Architektur des Kammerwinkels und senkt recht effektiv den Augendruck. Als wichtig- ste und eigentümlichste Nebenwir- kung fällt auf, daß es bei einer Reihe von Patienten die Iris in starkem Maße dunkel verfärbte. Hierbei han- delt es sich nach Einschätzung der Ex- perten offensichtlich um einen harm- losen non-malignen Effekt, auf den

die Patienten natürlich vor Therapie- beginn hingewiesen werden müssen.

Eine Forschergruppe aus Michi- gan um Sayoko Moroi (Ann Arbor) hat jetzt eine Reihe von Risikofakto- ren identifiziert, bei denen die Gabe des Prostaglandinderivates Latano- prost intraokuläre Entzündungen auslösen kann. Dabei handelt es sich um Patienten mit epiretinalen Membranen, mit Venenokklusionen, Aphakie, Pseudophakie mit offener Hinterkapsel sowie Menschen mit ei- ner Anamnese von HLA-B27-assozi- ierter Uveitis. Die Gesamtzahl dieser Fälle, bezogen auf die in den USA in die Hunderttausende gehende Zahl von Betroffenen, bei denen Latano- prost den Druck erfolgreich senkt, ist sehr gering.

Diesen Erfolgen bei der medika- mentösen Senkung des Augeninnen- drucks steht die Suche nach einer therapeutisch meßbaren Beeinflus- sung der Perfusionsverhältnisse an Sehnerv und Netzhaut gegenüber.

Darauf werden Augenärzte wie Pati- enten wohl noch einige Zeit warten müssen. Dr. med. Ronald D. Gerste

A-590

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(34) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 11, 13. März 1998

Mediziner aus Bonn und Ham- burg haben einen Gendefekt für beni- gne familiäre Neugeborenenkrämpfe entdeckt. Dr. Christian Biervert (Uni- versität Bonn) und Thomas Jentsch (Zentrum für Molekulare Neurobiolo- gie, Hamburg) fanden es auf einer Re- gion des Chromosoms 20q, auf der das Erbleiden bereits in früheren Untersu- chungen von betroffenen Familien ein- gegrenzt werden konnte.

Wie sie in „Science“ (1998; 279:

403–406) berichten, zeigte die Gense- quenz eine 50prozentige Ähnlichkeit mit einem bekannten Kaliumionen- kanal, so daß man vermuten darf, daß der KCNQ2 benannte Genlocus ebenfalls einen Kaliumkanal kodiert.

Der Einbau des Gens in Frosch- oozyten führte zu einer Störung des Kaliumstromes an der Zellmembran.

Unabhängig von den deutschen For- schern haben amerikanische Wissen- schaftler auf dem Chromosom 8q24 ein ähnliches Gen entdeckt (Nat Ge- net 1998; 18: 53–55). KCNQ3 kodiert

ebenfalls einen spannungsabhängigen Kaliumkanal.

Kaliumkanäle sorgen in der Re- polarisationsphase nach einem Akti- onspotential dafür, daß die normale elektrische Spannung an der Nerven- membran wiederhergestellt wird. Ge- schieht dies nicht, so kommt es bei weiteren Nervenimpulsen zu einer neuronalen Hyperexzitabilität, welche das Krampfleiden plausibel erklärt.

Die Suche nach dem für die mei- sten Fälle von familiären Neugebore- nenkrämpfen verantwortlichen Gen hat insgesamt neun Jahre gedauert: be- reits 1989 waren erste Hinweise gefun- den worden. Die benignen familiären Neugeborenenkrämpfe zählen zu den generalisierten Epilepsien. Die Krampfanfälle treten typischerweise ab dem dritten Lebenstag auf und ver- schwinden nach wenigen Wochen oder Monaten wieder. Zehn bis 15 Prozent haben in der späteren Kindheit noch weitere Anfälle, die mit Fieber einher- gehen können. Rüdiger Meyer

Gen für erbliche Form der Epilepsie entdeckt

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