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Ausbildung und Beruf

Arztliche und technische Leistungen • ·

im medizinischen Laboratorium

XHL Ein einfaches Verfahren der maschinell unterstützten Probenverteilung mit direkter Probenidentifikation für das mechanisierte Zentrallabor

W. Suhrmann

In den Zentrallaboraiorien von Krankenhäusern und in größeren Laboratorien niedergelassener Ärzte kann sich die Aufgabe ergeben, Probengefäße maschinell zu identifizieren und zu verteilen. Deshalb wurde der Versuch unternommen, ein neuartiges und inzwischen patentiertes Verfahren zu entwickeln; denn in größeren Zentrallaboratorien ist ein tägliches Aufkommen von 1000 Einzelproben und mehr heute keine Seltenheit.

Da aus den im Laboratorium ein- treffenden Proben in der Regel Mehrfachbestimmungen vorge- nommen werden, muß die Laboror- ganisation Zuordnungsaufgaben von Tausenden von Fällen täglich bewältigen. Dazu besteht weiter die Forderung, sofort nach dem Ein- treffen der Probengefaße mit der Verteilung zu beginnen, um an den Arbeitsplätzen kontinuierlich ar- beiten zu können. Die Probenver- teilung muß deshalb die zwei Forde- rungen

- schnelles Verteilen und - fehlerloses Zuordnen

erfüllen. Für diese Aufgaben sind bislang die Lösungen

- der konventionellen Verteilung - der vollmechanisierten Vertei- und

lung mit Geiaßkodierern eingeschlagen worden.

Konventionell, d. h. ohne Daten-

verarbeitung, ist diese Aufgabe or- ganisatorisch nur durch weitge- hende Dezentralisierung der Pro- benverteilung zu lösen. Mitunter ist dies sogar nur möglich, wenn die Probengefäße auf den Stationen vorverteilt werden. Hierbei verfü- gen die Stationen über nach Labor- arbeitsplätzen gekennzeichnete An- forderungen (Zettel und/oder Ge- fäße).

Der Einsatz der Datenverarbeitung, verbunden mit der direkten Pro- benidentifikation unterstützt eine zentrale Organisation mit einem Probenverteilplatz. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang das Identi- fikationssystem der Firma Eppen- dorf und das nicht mehr am Markt erhältliche Silab-System der Firma Siemens. Bei beiden Systemen wer- den die Kennzeichen der Mutterge- fäße erfaßt (manuell oder per OCR-Handleser), dann werden

nach Maßgabe der Anforderung Se- kundärgefaße mit den Kennzeichen der Muttergefaße gestanzt, in die dann das Probenmaterial umgefüllt wird. Anschließend können die Se- kundärgefäße, die in Ketten oder auf Tellern zusammengestellt sind, auf die Arbeitsplätze verteilt werden.

Bislang haben sich vollmechani- sierte Probenverteilplätze jedoch nicht durchsetzen können. Als Gründe sind die hohen Anschaf- fungskosten und gewichtige organi- satorische Nachteile zu nennen.

Zentrailaboratorien mit vollmecha-

nisierten Probenverteilplätzen müs-

sen sich ausschließlich auf einen Ge-

faßtyp und damit praktisch auf

Analysensysteme eines Herstellers

ausrichten. Dieser Forderung steht

jedoch die andere Forderung entge-

gen, sich ständig optimal an die me-

dizinischen Belange anzupassen bei

(2)

A+B 104 Lab.med. 5(1981) Ausbildung und Beruf

Abb. I:

Prinzipskizze eines Probenverteilplatzes mit Lesestationen (l u. 2) und Probenröhrchen (6a u. 6b), die durch eine Vorrichtung (8 bzw.

9) gedreht werden können, damit die Probenidentiflkation der Eti- ketten (Sa ii. 5b) gelesen werden kann.

6 5

9

11 -5b

,8

'//// '

8b- l 9b

möglichst geringem Investitionsauf- wand. Dazu muß man auf die Ge- räte verschiedener Hersteller und verschiedener Identifikationsver- 'fahren ausweichen können. Die Bei- behaltung einer einheitlichen Ge- faßkodierung ist sonst kaum mög- lich oder sehr teuer.

Eine zentrale Probenannahme und -Verteilung bedeutet organisato- risch natürlich auch einen zentralen Engpaß im Falle von Störungen. In den bekanntgewordenen Anwen- dungen sind daher auch stets zwei Probenverteilplätze vorgesehen, auch dann, wenn das tägliche Proben aufkommen dies eigentlich nicht rechtfertigt.

Auch bei einer Ausstattung mit zwei Proben Verteilgeräten ist der Pro- bendurchsatz nicht optimal; er rich- tet sich nach dem Arbeitstakt der Geräte, der geringer ist als der Ar- beitsrhythmus einer zügig arbeiten- den MTA.

Zur Verbesserung der Probenvertei- lung, die auf einer DV-Organisation basiert und die mit direkter Proben- identiflkation arbeitet, wird daher ein neues Verfahren vorgeschlagen (DP 2733074). Dieses ist unter Beachtung der auf dem Markt be- findlichen Analysesysteme und Le- segeräte entwickelt worden. Hier- nach werden die Vorteile zentraler Probenverteilplätze ohne die be-

schriebenen Nachteile erreichbar.

Das Verfahren geht von folgenden Voraussetzungen aus:

1. Primär- oder Muttergefaße sind mit Nummern gekennzeichnet, die mit Patientendaten korreliert sind, aber willkürlich sein können.

2. Es gibt einen Vorrat von vorab gekennzeichneten, nur im Labor verwandten Sekundärgefäßen, die klarschriftlich und maschinenlesbar sind. Einzige Forderung an die Se- kundärgefaße: in einem Vorratsbe- hälter dürfen Gefäße mit gleicher Kodierung nicht vorkommen. An- sonsten können die Gefäße unge- ordnet, z. B. geschüttelt in einem Sack, am Arbeitsplatz zur Verfü- gung stehen.

3. Für jeden Typ der Sekundärge- faße steht ein Gefaßleser zur Verfü- gung.

Das Hauptmerkmal des vorgeschla- genen Verfahrens ist dies:

Die Kennzeichen der eintreffenden,

Primärgefaße sind zunächst nicht

mit den Kennzeichen der vorab an-

gefertigten Sekundärgefäße korre-

liert. Am Arbeitsplatz wird nun das

Kennzeichen eines Primärgefaßes

erfaßt, z. B. mit Hilfe eines OCR-

Handlesers. Die Anforderungen

können bereits unter der gleichen

Nummer gesondert von einem Be-

legleser erfaßt worden sein. Auf ei-

nem Sichtgerät erscheint die Ge-

samtanforderung des Probenauf-

trages, wie Patientenname, Station

und Bestimmung(en). Von der

MTA wird nun aus dem Vorratsbe-

hälter die gemäß Auftrag erforder- .

liehe Anzahl von Sekundärgefäßen

entnommen; die Kennzeichen wer-

den vom Lesegerät erfaßt (bei meh-

reren verschiedenen Identifika-

tionsverfahren auch mit mehreren

Lesern möglich). Hier ist z. B. der

Eppendorf-Einzelgefaßleser ver-

wendbar. Zur Bestätigung erscheint

die gelesene Nummer auf dem Bild-

schirm. Unmittelbar n&ch der Le-

sung sind Primär- und Sekundär-

kennzeichen und damit die Proben-

gelaße unwiderruflich und fehler-

frei einander zugeordnet. Die Se-

(3)

Abb. 2:

Pipettiervorgang am Probenverteilplatz mit Pipettierstation (20 it. 21) und Probenteller (16a u. 16b), die taküveise gedreht werden. Die Proben werden von a nach b umgefüllt.

16b

Abb. 3:

Laborgesamtsystem mit 4 Analysengeräten (29) und einem Probenverteilplatz (22 bis 24).

Dargestellt ist der Informationsfluß.

kundärgefäße können praktisch an beliebigen Stellen verwendet wer- den. Jede weitere Erfassung der Se- kundärkennzeichen identifiziert sie für die Datenverarbeitungsanlage und damit für den Benutzer. Ein Vertauschen oder falsches Zuord- nen ist nicht mehr möglich, da über eine im Rechner gespeicherte Liste alle logischen Prüfungen durchge- führt werden können.

Aus der Anwendung des Verfahrens ergeben sich eine Reihe erheblicher Vorteile gegenüber der Verwen- dung von Gefaßkodierern. Alle Se- kundärgefaße können auf Vorrat produziert oder sogar beim Herstel- ler bezogen werden. Verfügt ein Labor über eigene Gefaßkodierer, können die Gefäße zu Zeiten gerin- gen Arbeitsanfalls produziert wer- den.

Der Probendurchsatz am Arbeits- platz wird bestimmt durch den Ar-

beitsrhythmus der MTA, da die Le- sezeit für die Gefäße wesentlich ge- ringer ist als die Zeit, die zum Ko- dieren der gleichen Gefäße benötigt wird. Fehlerhaft kodierte Gefäße oder Gefäße, deren Kennzeichen schlecht lesbar sind, unterliegen so- gar einer Eingangskontrolle. Sie ge- langen nicht in die Laborroutine, da sie am Lesegerät des Probenverteil- platzes sofort erkannt und aussor- tiert werden können. Eine Ausrich- tung des Labors auf einen einheitli- chen Gefaßtyp ist nicht erforder- lich. Es empfiehlt sich sogar, nur solche Lesegeräte zu verwenden, die von den Herstellern der Analysen- systeme hergestellt und von ihnen gewartet werden. Weiter wird die Labor-Routineorganisation nicht abhängig von einem einzigen Pro- benverteilgerät, wie es bei den Ge- fäßkodierern der Fall war. Fällt ein Probenleser einmal aus, kann ma- nuell weitergearbeitet werden. Von den Lesegeräten an den Arbeitsplät-

zen werden dann die Sekundär- kennzeichen zunächst erfaßt; eine Zuordnung zu den Primärkennzei- chen kann immer noch nachträglich erfolgen.

Anschrift des Verfassers:

Dipl. Ing. W. Suhrmann Viktoria-Luise-Platz 7 1000 Berlin 30

Diese Arbeit ist entstanden im Rahmen der Tätigkeiten des Landesamtcs für elektroni- sche Datenverarbeitung beim Innensenator, Berlin, während der Abwicklung der Auto- mationsvorhaben im Gesundheitswesen im Krankenhaus Neukölln und im Virchow- Krankenhaus, Leitende Ärztin des Zentral- laboratoriums Prof. Dr. mcd. A. Röslcr- Englhardt.

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A+B 106 Lab.med. 5(1981) Ausbildung und Beruf

INSTAND-Mitteilungen

Bericht über die Klausurtagung der Referenzlaboratoriew

Am 7. 9.1979 fand im Frankfurter Sheraton-Hotel eine IN ST AN D-Tagung statt,

in der grundlegende Voraussetzungen für die Durchführung der Ringversuche erarbeitet wurden.

B ewertungsgrundk Ringversuche

Zunächst berichtete Prof. Jesdinsky über theoretische Überlegungen zur Erinnerung von Referenzwerten:

Bewertungsgrundlage für Ringversuche

Greife man wieder auf lineare Modelle zurück, so resultiere bei vor- gegebenem Umfang der Unter- suchungen und bei Kosten G! für ein mitarbeitendes Referenzlabor und zusätzliche Kosten C

0

für jede Bestimmung eines Referenzlabors asymptotisch eine Anzahl in der Nähe von V (Q/CJ ( J/ J) für die Wiederholungsuntersuchungen in- nerhalb eines Referenzlabors. Sind clie Varianzkomponenten für Abwei- chungen zwischen den Laboratorien und innerhalb der Laboratorien, * und o, etwa gleich groß (darauf wie- sen langjährige Beobachtungen bei INSTAND), so sei eine Wiederho- lungszahl 5 dann angemessen, wenn die Kosten, ein Referenzlabor zu ge- winnen, 25 mal höher seien, als die Kosten für eine einzelne Bestim- mung.

Prof. Merten ergänzte die Ausfüh- rungen durch Auswertungsergeb-

nisse aus zurückliegenden Ringver- suchen.

Dr. Brettschneider berichtete über ein Modell der Sollwertermittlung, das vom Verband der Diagnostika- und Gerätehersteller erarbeitet worden ist. In 6 Laboratorien wur- den in 5 unabhängigen Serien pro Labor Sollwerte ermittelt. Zusätz- lich zu den zu-ermittelnden Proben wurde eine Blindkontrolle mitge- führt, deren Sollwerte durch minde- stens 2 unabhängige Sollwerter- mittlungen oder Ringversuche fest- gelegt worden waren. Einzelne Be- stimmungen reichten bei den Ana- lysen aus, da Doppelbestimmungen allenfalls zu unwesentlich verschie- denen Ergebnissen führten. In die Auswertung kamen nur diejenigen Daten, bei denen die Werte der mit- geführten Blindprobe innerhalb der Kontrollgrenzen lagen. Als Soll- wert wurde der gebildete Mediän aus den verbliebenen Werten dekla- riert. Aus den Ergebnissen folgt, daß unter den gewählten Bedingun- gen 6 Laboratorien, die jeweils in 5 unabhängigen Serien Einzelwerte liefern, ausreichen, um einen Soll- wert festzulegen.

Zu dem vorgestellten Modell wurde bemerkt, daß es mit den gleichen Geräten, gleichen Reagenzien, glei- chen Pipetten durchgeführt worden

ist und somit eine Mindestzahl an Laboratorien und Untersuchungs- serien zur Ermittlung des Sollwertes festlegt. Bei der vorhandenen Man- nigfaltigkeit der Geräteausstattung und der verwendeten Reagenzien- sätze wird das Sollwertermittlungs- modell von INSTAND durch die Untersuchungen des VDGH ge- stützt.

Probenbeschaffenheit bei Ringversuchen

Die Richtigkeitskontrollseren soll- ten eine weitgehende Proben- ähnlichkeit haben. Dr. Brett- schneider berichtete über die Her- stellung und Beschaffenheit von lyophilisierten Kontrollproben.

Das Ausgangsmaterial für die Her- stellung von lyophilisierten Hu- mankontrollproben ist Citrat- plasma, das durch doppelte Plasma- phorese gewonnen wird. Das Plasma wird auf Australia-Antigen, GOT, CMFT und Protein geprüft.

Nach Defibrinieren des Plasma

wird das Serum keimarm filtriert

und bis zur Aufarbeitung bei minus

20°C gelagert. Das Poolserum wird

mit stabilen Komponenten (Elek-

trolyte, Kreatinin, Harnstoff, Harn-

säure, Triglyceride) versetzt, da-

nach der pH auf den vorgegebenen

Sollwert eingestellt. Die Proben

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werden abgefüllt, eingefroren und lyophilisiert. Die Restfeuchte muß unter 1% liegen. Die Kammern werden mit trockenem Stickstoff belüftet und die Kontrollserenfla- schen hydraulisch verschlossen.

Die Trübungen in den Kontrollse- ren entstehen durch die Aggrega- tion von Lipoproteinen sowie durch Denaturierung von Proteinen.

Durch besondere Einfrierverfahren können starke Trübungen vermie- den werden (Trübungsmessung bei 545 nm : 0,900 ± 0,3 Extinktion).

Die Chargenhomogenität wird durch die Präzision der Abfüllung in erster Linie bedingt. Die verfüg-

baren Abfüllmaschinen haben eine Abfüllpräzision von besser ± 1%.

Das Einfrieren und Lyophilisieren sollte in einer Lyophilisationskam- mer erfolgen.

Die Stabilität der Produktionschär- gen wird fortlaufend überprüft.

An das Referat von Dr. Brettschnei- der schloß sich eine lebhafte Dis- kussion über die einzelnen Wünsche der Referenzlaboratorien an. Auch die Frage der Verfügbarkeit von Flüssigkeitsproben für Lipopro- teinanalytik wird erörtert.

Reinauer Q

Die Glosse

Die zunehmende Anglisierung der deutschen Sprache ist nunmehr zum Statussymbol herangereift. Im Zweifelsfall wird jedes Wort englisch ausgesprochen - man kann ja nie wissen -, und die Umge- bung erkennt klar den hohen Bildungsstand. Um diesen zu dokumen- tieren, wird wenig Rücksicht auf den Ursprung eines Wortes oder gar auf eine Abkürzung genommen. Die anglo-amerikanische Inva- sion in unserem Wortschatz hat man zur Kenntnis zu nehmen, um nur nicht rückständig zu erscheinen. Daß es nicht ganz unwichtig ist, wie ein Wort ausgesprochen wird, zeigt das Beispiel „service", das im Englischen und Französischen eine ganz andere Bedeutung hat, obgleich es den gleichen lateinischen Stammbaum besitzt: servire - dienen. Der Bedeutungswandel eines Wortes hat in jeder Sprache seine eigenen Gesetze.

Zunehmend hört man, daß die Abkürzung INSTAND englisch aus- gesprochen wird, in völliger Verkennung des Ursprunges. STAND steht Jur Standardisierung und entstammt dem deutschen Sprach- schatz. Sprechen wir dieses englisch aus, so wäre damit die Standarte oder Signalflagge gemeint. Der Unvoreingenommene müßte daraus schließen, daß es sich bei INSTAND um eine englische Marinebe- hörde handelt, die sich mit der Entwicklung von Signalflaggen be- schäftigt. Aber auch in England ist der St and der Informationsüber- mittlung über das Flaggensetzen hinaus, was jedoch nicht unbedingt bedeuten müßte, daß es so ein Institut nicht mehr geben könnte.

INSTAND dient der Qualitätssicherung im medizinischen Labor.

Offenbar wäre es auch zweckmäßig, wenn es ein Institut zur Quali- tätssicherung der Sprachen geben würde.

W. S.

l^ajjt omat[sc ne r^stan 7;SekUnderi!Meßzeit

gemjinpipetti^rjen des^oDe.n mafer i a Isjgestart et?D i eM e'feze.

t a Hang ezei gtjpz w:a u sgedru c kti bislchloribb'meteiJelghetisici .wegen semer schnellen Meßzeit

ZINSSER ANALYTIC GMBH l

(6)

A+B 108 Lab.med. 5(1981) Ausbildung und Beruf

Mitteilungen dus der Deutschen Gesellschaft für Ldbordtoriumsmedizin zugleich Abeitsgemeinschdft der (Geharzte für Ldbordtoriumsmedizin eV

Landcsgruppenversammlung

Westfalen-Lippe am 15. Dezember 1980 Auf der Versammlung der Landes-

gruppe Westfalen-Lippe wurden die folgenden Hauptprobleme erörtert.

Lues-Serologie, Rötelndiagnostik

Das Merkblatt Nr. 3 der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung zur Verhütung der Röteln-Embryopa- thie wurde ausgiebig diskutiert. Es

bestand Übereinstimmung, daß bei HAH-Titern unter 1:32 die Wieder- holuntersuchung aus der gleichen Probe am nächsten Tag durchge- führt und im Befundbericht die Mit- teilung aufgenommen werden sollte: „Zweituntersuchung Titer 1:...". Bei den Interpretationen kommt es in besonders gelagerten Fällen gewöhnlich zu einem Ge- spräch zwischen dem behandelnden Arzt und dem Laborarzt, in dem alle offenen Fragen besser geklärt

werden können als durch eine kurze Interpretation.

Die Zweituntersuchung ist nach all- gemeiner Ansicht ebenso berech- nungsfahig wie die Erstuntersu- chung.

Es besteht Übereinstimmung, daß neben dem FTA-Test generell der TPHA-Test durchgeführt werden sollte. Stellt sich die Frage nach dem Krankheitsstadium oder der Be-

Geräte rund um das photometer 4010, Reagenzien mit speziellen Kurzanleitungeh von

Boehringer Mannheim GmbH, kompetente Beratung und perfekter Service.

Anpassungsfähig an

individuelle Anforderungen:

bis zum leistungsfähigen

Substratmeßplatz auch für das

große Labor oder zum kompletten

Universalmeßplatz für das kleine

und mittlere Labor.

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handlungsbedürfligkeit, dann wer- den quantitative Komplementbin- dungsreaktionen weiterhin für er- forderlich gehalten.

Arztbezeichnung Mikrobio- logie und Infektionsepide- miologie

Es steht zu erwarten, daß nunmehr auch im Land Nordrhein-Westfalen die Neufassung der Weiterbildungs- ordnungen des Landesteiles Nord- rhein und des Landesteiles Westfa- len-Lippe von der Aufsichtsbe- hörde genehmigt werden, so daß nunmehr Anträge, z. B. auf dem Wege der Übergangsbestimmun- gen, gestellt werden können.

Abrechnungsfragen

Hier wurden einige Probleme be- sprochen, unter anderem der Ersatz von Portokosten für den Befundbe- richt, über deren Höhe erneut ver- handelt werden muß.

Werden mehrere Bakterienstämme aus einem Untersuchungsgut ange- züchtet, sollten nebeneinander die Nummern 4630, 4631 und 4632 ab- gerechnet werden dürfen. Eine Klä- rung wird mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herbeigeführt.

Da die amtliche Gebührenordnung mit den modernen Untersu- chungsverfahren in vieler Bezie- hung nicht mehr Schritt gehalten hat und sich deshalb für Privatrech- nungen kaum eignet, wird die Ver- wendung der -GO für sinnvoll ge- halten.

In der Versammlung wird vorge- schlagen, bei Neufassung des Ab- schnittes M des BMA Formulierun- gen aufzunehmen, die die Abrech- nung der verschienen CPK-Unter- suchungen ermöglicht und bei Resi- stenzbestimmungen alle notwendi- gen Verfahren bei multiresistenten Keimen, wie sie gelegentlich auf In- tensivstationen oder bei chroni- schen Infektionen vorkommen.

Bei den Krankenhäusern in Ost- Westfalen wird auf der Grundlage des BMA abgerechnet, während in den übrigen Landesteilen endgül- tige Entscheidungen noch ausste- hen.

Die Anwesenden bedauerten, daß es keinem Vorstandmitglied mög- lich war, an der Versammlung in Dortmund teilzunehmen.

•"«Mm, PFV p i '1

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CLINICON

MANNHEIM GMBH

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A+B 110 Lab.med. 5 (1981) Ausbildung und Beruf

Aus wissenschaftlichen Gesellschaften und internationalen Gremien

American Society

of Clinical Pathologists

Die American Society of Clinical Pathologists (ASCP) wurde 1922 gegründet. Sie umfaßt zur Zeit eine Reihe außerordentlich aktiver Kommissionen, die vorwiegend der Fortbildung ihrer Mitglieder die- nen. Die wichtigste dieser Kommis- sionen ist die „Commission on Con- tinuing Education". Sie fördert die viermal jährlich stattfindenden Meetings, sowie die regionalen Se- minare und Workshops. In Chicago hat sie ein eigenes „Educational Center" eingerichtet, in dem das ganze Jahr über Fortbildungsver- anstaltungen abgehalten werden.

Die ASCP gibt zweimonatlich er- scheinende Fachzeitschriften her- aus - darunter das „American Jour- nal of Clinical Pathology" - und besitzt eine große Zahl von Schrif- ten zur Ausbildung und Informa- tion ihrer Mitglieder. Dieses Mate- rial wird sehr häufig für Fortbil- dungsprogramme, eigene Weiter-

bildung und Information der Mit- glieder, sowie Arbeitstagungen von Fachgesellschaften angefordert.

Die Sammlung, die in einem Kata- log aufgelistet ist, umfaßt Bücher, Atlanten, Dia-Sammlungen und Vi- deoprogramme. Unter diesen gibt es Programme, die speziell für den Unterricht oder Selbstunterricht zugeschnitten sind, da sie Fragen und Antworten zu einem definier- ten Unterrichtsstoff enthalten. Alle Bereiche der Labonnedizin sind mit Themen in dieser Sammlung vertre- ten (Med. Chemie, Med. Immuno- logie, Zytopathologie, forensische Pathologie, Hämatologie, Immun- hämatologie, Med. Mikrobiologie, Nuklearmedizin).

Auskünfte erteilt: William F. Ma- honey, MD, Director, Education Product Division, American So- ciety of Clinical Pathologists, 2100, Harrison Street, Chicago, II60612

Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V.

Gründung einer Internationalen Union of Microbiological Societies (IUMS) Anläßlich des XII. Internationalen

Mikrobiologenkongresses in Mün- chen erhielt die „International As- sociation of Microbiological Socie- ties" (IAMS) von den Mitgliedern den Auftrag, die Gesellschaft umzu- benennen. Der neue Name ist „In- ternational Union of Microbiologi- cal Societies". In dieser neuen Union erhalten die früheren Sektio- nen den Status weitgehend selbst-

ständiger Divisionen für Bakterio- logie, Mykologie und Virologie.

Gleichzeitig wurde die Internatio- nal Union of Microbiological So- cieties gebeten, ihre Division of Mi- crobiology aufzulösen, da die Trä- gerin dieser Division nunmehr als eigene Union auftritt.

Die neue IUMS hat einen Antrag

auf Aufnahme in den International Council of Scientific Unions ge- stellt. Dieser Antrag soll auf der nächsten Generalversammlung 1982 zur Diskussion gestellt wer- den. Auf dem Internationalen Kon- greß für Virologie (Veranstalter Di- vision of Virology of IUMS) wird eine außerordentliche Mitglieder- versammlung stattfinden. Er wird im August 1981 in Straßburg abge- halten werden. Dort soll auch über die Nominierung und die Statuten des neuen Vorstands beraten wer- den, der nach dem XIII. Internatio- nalen Mikrobiologenkongreß die Geschäfte übernimmt.

Berichte aus den Sektionen

Sektion I

Die Sektion hat vom 18.-21. 3.

1981 in Mainz eine Arbeitstagung abgehalten. Rahmenthemen waren:

„Gärungsmechanismen und Gä- rungsorganismen" - „Mikrobielle Membranen und Membranfunktio^

nen."

Sektion II

Die Sektion hat ihre Arbeitstagung am 25. und 26. September 1980 in Mainz abgehalten. Rahmenthemen waren: „Allgemeine Bakteriologie"

.- „Antibiotika einschließlich Resi- stenzgenetik" - „Pathogenese, Dia- gnostik und klinische Mikrobiolo- gie" - „Epidemiologie der Infek- tionskrankheiten" - „Immunolo- gie". Am Nachmittag des 26. 9.

fand ein Symposium mit dem Titel

„Faktoren der Gast-Wirtbeziehung bei Infektionskrankheiten" statt.

Sektion III:

Die Sektion hat eine Denkschrift

„Zur Lage des Fachgebiets Hygiene

in der Medizin" erarbeitet, die vom

Gesamtvorstand verabschiedet

wurde. Sie behandelt Vorschläge

(9)

zur Ausbildung, Fortbildung und Weiterbildung in diesem Fachge- biet und Zukunftsaspekte. Aus- kunft über Bezugsmöglichkeiten:

Prof. Dr. Gundermann, Kiel.

Ans der Arbeit der Kommissionen:

Die Desinfektionsmittelkommis- sion hat inzwischen die Neufassung eines Teilabschnitts der Richtlinien für die Prüfung der Wirksamkeit chemischer Desinfektionsmittel ab- geschlossen. Titel dieses Teilab- schnitts ist folgender: „Vorversu- che, hygienische und chirurgische Händedesinfektion". Die Veröf- fentlichung erfolgt in Kürze im Zen- tralblatt für Bakteriologie.

Die Kommission zur Erarbeitung von Richtlinien der DGHM für die bakteriologisch-serologische Dia- gnostik hat inzwischen vier Richtli- nien fertiggestellt. Nach Verab- schiedung des vierten Standards durch den Vorstand wird die Aus- sendung erfolgen.

Ankündigung der 38. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und

Mikrobiologie (DGHM)

Die 38. Tagung der DGHM wird vom 5.-8. Oktober 1981 in Göttin- gen stattfinden. Tagungsort: Zen- trales Hörsaalgebäude der Georg- August-Universität

Themen der Plenarvorträge: Pesti- zidabbau, Milchmikrobiologie, pa- thotrophe Bakterien, bakterielle Hämolysine, Schutzimpfungen ge- gen Typhus, Malaria und Virushe- patitis, persistierende Virusinfek- tionen, Virulenzfaktoren von Viren, Desinfektionsmittel und bakterielle Virulenz, Myxobakterien im Trink- wasser, aerogene Schadstoffe.

R.E. B

Medizinische Ausbildung und Weiterbildung in Griechenland

Wie aus dem Sekretariat der UEMS in Brüssel mitgeteilt wird (Schriftstück D 7912), gelten für die ärztliche Aus- und Weiterbildung in Griechenland - im nachstehenden auszugsweise be- züglich der Laboratoriumsmedizin wiedergegeben - folgende Regeln:

Die Ausbildung dauert sechs Jahre.

Der Doktortitel ist nicht obliga- torisch, außer für eine Tätigkeit an der Universität. Die grundlegende theore- tische Ausbildung beginnt im ersten Jahr und endet mit dem fünften Jahr.

Die klinische Ausbildung beginnt mit dem dritten Jahr und endet ebenfalls mit dem fünften. Die praktische Aus- bildung in Innerer Medizin, Kinder- heilkunde, allgemeiner Chirurgie und Frauenheilkunde erfolgt in einem sechsten Jahr, wobei jedes Praktikum drei Monate dauert.

Nachdem der Student sein Diplom erhalten hat, muß er seinen Militär- dienst ableisten (2-3 Jahre Dauer) und anschließend als Allgemeinarzt auf dem Lande mindestens ein Jahr lang tätig sein.. Danach kann er sich als Praktischer Arzt niederlassen oder eine Weiterbildung beginnen·.' Die Weiterbildung ist noch nicht in

einem gemeinsamen Weiterbildungs- programm festgelegt. Auch geht aus Erklärungen des griechischen Ge- sunBheitsministeriums hervor, daß die Dauer der Weiterbildung an die Ver- hältnisse der EG angeglichen werden soll, so daß sich die meisten Weiterbil- dungszeiten verlängern werden (siehe Liste). Grundsätzlich wird der gesam- te Stoff eines jeden Fachgebietes ge- lehrt, wobei die Verantwortung für die Durchführung und Aufsicht bei dem jeweiligen Chefarzt liegt.

Die Weiterbildung schließt mit einer Prüfung ab, wobei der Präsident der Prüfungskommission Professor des entsprechenden Fachgebietes ist. Der Kommission gehören drei Professoren der medizinischen Fakultät an. Die Prüfung besteht aus einem mündli- chen und einem praktischen Teil. Sie kann zweimal wiederholt werden. Be- steht ein Arzt auch die dritte Prüfung nicht, muß er ein anderes Fachgebiet wählen oder sich als Praktischer Arzt niederlassen.

Zur Zeit werden 23 Fachgebiete und 11 Teilgebiete mitgeteilt. Soweit die Laboratoriumsmedizin betroffen ist, sind dies im einzelnen die folgenden:

Fachgebietsbezeichnung

\

Klinische Chemie (Laboratori umsmedizin) Zytologie

Mikrobiologie - Bakteriologie Pathologische Anatomie Teilgebiete:

(in Klammern das Fachgebiet)

Klinisches Stoffgebiet

Klinische Chemie - Anatomie, Pathologie Zytologie

Mikrobiologie, Bakteriologie Pathologische Anatomie

Hämatologie Hämatologie (Innere Medizin) Transfusionszentrum (Mündliche Prüfung am Ende der Weiterbildung erforderlich) Endokrinologic

(Innere Medizin oder Kinder-

^ heil künde)

Klinik Labor

Dauer der Weiterbildung (in Monaten) 36 12 24 36 48

12 12 2412

\

(10)

A+B 112 Lab.med. 5(1981) Ausbildung und Beruf

Struensee und die übertragbaren Hautkrankheiten

Fortsetzung ans Lab. mcd. 5. A + B86 (1981)

Eine weitere Kategorie von Skabiosen, mit denen Struensee bei seinem Dienstantritt in A Ilona als Physikus und Armenarzt kon- frontiert wurde, waren Mittellose beiderlei Geschlechts, die man zusammen mit mittel- losen Luetikern - nur nach Männlein und Weiblein getrennt - in der Dachetage des Zuchthauses eingesperrt und der gleichen . mörderischen Salivationskur (mit Quecksil- ber) unterworfen hatte60. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand im Verbot der Quecksilbertherapie bei Krätzekranken, die er zugleich von den Luetikern getrennt unter- bringen und - ungeachtet der Angriffe sei- tens der Humoralmediziner - mit Schwefel- salben einreiben ließ, zumal die innere Medi- kation zu lange dauerte und darüber hinaus erfolglos blieb. Besonderes Aufsehen erregte er mit der Forderung, jeder Patient müsse sein eigenes Bett haben61. Auch sollten die Kranken vor der Aufnahme nicht nur „ge- waschen und gesalbt", sondern auch mit sau- berer Leib- und Bettwäsche versehen wer- den62. Das Gleiche gelte auch für die Kinder im Waisenhaus63.

Der von Struensee wiederholt zitierte Lon- doner Anatom Thomas Willis (1621-1675) hatte längst auf die Kontagiosität der Ska- bies mit nüchterner Klarheit hingewiesen:

„Die Beobachtung lehrt", schrieb er, „wie wenig ungestraft ein sonst Gesunder in einem Bett schlafen kann, in dem gleichzeitig ein Krätziger schläft oder vor kurzem geschlafen hat. Keine Krankheit (mit Ausnahme der Pest) wird so leicht und sicher übertragen wie die Krätze64."

Struensees Nachfolger als Physikus, Dr. Phi- lipp Gabriel Hensler, hat später, als er die Leitung des Altonaer Lazaretts übernahm, sowohl die Hydrotherapie seines Vorgängers als auch dessen „Reinigungsbäder" beibe- halten65.

Schon um die räumliche Trennung im Laza- rett konsequent durchführen zu können, legte Struensee größten Wert auf eine genaue Differentialdiagnose und warnte vor Ver- wechslung der Krätzepusteln mit Lues oder Pocken. Dabei betonte er die typische Loka- lisation der Bläschen „zwischen den Fin- gern", die falls sie vereitern, von Unerfahre- nen (wegen ihrer zentralen Eindellung) mit Pockenpusteln verwechselt werden kön- nen66.

Struensee wußte, daß die Krankheit kein Zu- stand sei, sondern ein Prozeß und eine Haut- affektion, die heute noch ein Fleck war, mor- gen eine Papel sein könne, später ein Bläs- chen oder nach dessen Zerfall ein Geschwür.

An der unzulänglichen Kenntnis dieser Tat- sachen mußte damals eine Systematisierung der Hautkrankheiten scheitern. Denn so- lange man auf Grund von augenblicklichen Symptomen eine Diagnose zu stellen ver- suchte, wurden ätiologisch und pathogene- tisch durchaus verschiedene Prozesse zusam- mengeworfen. Wohin eine solche Klassifika- tion nach einem zufallig gemeinsam erschei- nenden Symptom, im gegebenen Falle einem ähnlichen Hautausschlag, führen konnte, be- wies die Unterbringung von Luetikern und Skabiosen in gleichen Räumen, wie z. B. in Berlin, Hamburg und Altona67.

Unter Berufung auf den englischen Militär- arzt Pringle (1702-82) versteifte sich Struen- see auf die „äußere Cur mit Schwefelsalbe".

Über deren Zubereitung schreibt er:

„Nach Pringle nimmt man dazu acht Loth Schwefel, ein halbes Loth Salmiak, beydes auf feinste pulverisiert, und so viel Schweine- schmalz, als nöthig ist, um eine Salbe daraus zu machen. Zur Salbung wähle man den Abend68."

Solange man nämlich die Krätze für das Symptom allgemeiner Säfteverderbnis (pso- rische Dyskrasie) hielt und sie durch Diät und innere Mittel (Purganzen und schweiß- treibende Mittel) zu heilen versuchte, zog sich die Behandlung meist ohne Erfolg ins Endlose. Noch im Jahre 1786 betrug die Be- handlungsdauer der Krätzekranken in der Berliner Charite laut einer damals angefer- tigten Aufstellung 70, 80, ja sogar 111 Wo- chen69!

Um weitere Ansteckungen zu vermeiden,, führte Struensee bei Kranken und Rekonva- leszenten die Räucherung ihrer Kleider und Wäsche mit „unheilabwehrenden Schwefel"

Da Struensee die Vorstellungen seiner Geg- ner über Krätze für abergläubisch und ihre Maßnahmen für quacksalberisch hielt, ver- öffentlichte er seine seuchenprophylakti-.

sehen Gegenansichten wie zum Hohn in der schon öfter zitierten Abhandlung mit dem so

harmlos erscheinenden Titel: „Gedanken ei- nes Arztes vom Aberglauben und der Quack- salberey":

„Man muß alle Kleidung, die den Leib un- mittelbar berührt, folglich die Wäsche, die Mützen, Halstücher, Strumpfe, täglich um- wechseln, und sie, ehe man sie des Morgens anthut, im Hofe, oder in freyer Luft, mit Schwefeldampfe wohl durchräuchern, auch solche geschwefelte Handschuhe tragen.

Wenn man sich erinnert, daß viele Aerzte in Pestzeiten und bey gefährlichen Kranken ihre Wäsche zur Präsentation haben schwe- feln lassen, so begreift man leicht, daß die Gefahr von dieser Praxis nicht groß sein könne. Eben diese Beispiele der Ärzte, nebst einem Argwohn (Vermutung), daß sich die Krätze, nach einiger Meynung durch kleine

\

Abb. 5: Hooke, Micrographia (1665);

Sehern. XXXlll. Figur i: Ajfilbc, Figur 2:

Bücherskorpion. Figur 3: Silberfisch- chen. - Hookes Micrographia hat Dr.

Carl seinem Enkel Struensee vermacht, der das wertvolle Buch Ende 1757 er- hielt.

(11)

Würmer in der Haut fortpflanze, die der Schwefeldampf vertreibt, wie auch ein Rath von Willis, haben mich bewogen, diesen Ver- such schon seit zwey Jahren zu machen.

Denn was konnte ich wohl davon furchten, da ich den Schwefel in der Salbe täglich viel inniger mit der Haut vereinigle, als es auf diese Weise geschehen könnte71."

Interessant ist, wie vorsichtig Struensee auf die als unseriös geltende parasitäre Ätiologie der Skabies hinweist. Obgleich er so tut, als hielte er das Ganze für eine Hypothese, gibt er offen zu. daß ihn gerade die Annahme von Parasiten in der Haut zu dem Versuch mit Schwefeldampf bewogen habe. - Übrigens wurde der ganze Absatz vier Jahre später - noch während Struensees Altonaer Zeit — wortwörtlich ohne Quellenangabe und eben- falls namenlos von Unzer in einem seiner

„Rückzugsgefecht-Artikel" nachgedruckt72. Was Unzer zu seiner „plötzlichen Kehrtwen- dung" bewogen hat, soll später erläutert wer- den.

Vermutlich verdankt Struensee die Anre- gung zur Schwefelräucherung nicht nur dem Engländer Willis, sondern auch dem Hafen- betrieb der beiden benachbarten Städte (Hamburg - Altona), wo man seit jeher Wa- ren aus verseuchten Häfen vor ihrer Freigabe dieser Manipulation zu unterziehen pflegte73. Bei seinem Einsatz für die kombi- nierte Schwefelkur wurde er vor allem durch die Erkenntnis bestärkt, daß eine Isolierung von Skabiosen wegen der hohen Kontagiosi- tät nichts nützt, wenn die gleichen Wärter auch in anderen Teilen der betroffenen An- stalt beschäftigt werden74.

Zur gleichen epidemiologischen Einsicht war vierzig Jahre später der Hamburger Physikus Rambach anläßlich einer Krätze-Epidemie im Waisenhaus gelangt, ohne allerdings die Möglichkeit einer Schwefelkur auch nur mit einem Worte zu erwähnen:

„Die Krätze wüthete in dem alten (Waisen) Hause so arg, daß sogar einer der Lehrer daran starb. In dem neuen war sie auch schon eingerissen ... Zwar hatte man längst einen Saal für Krätzige und andere ansteckende Kranke, und ein eignes Personal zu ihrer Aufwartung. Allein diese giengen sorglos im Hause umher, und verbreiteten die An- steckung überall75.4'

Die epidemiologische Verflochtenheit der

„unheilige Dreyeinigkeit: Soldaten, Dirnen und Psora venerea" (Abraham a Gehema) mußte während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) in einer Hafenstadt wie Altona besonders deutlich offenbar werden. Bereits vor Ausbruch dieses Krieges halte der Alto- naer Hauptpastor J. Bollen, der es doch wis- sen mußte, zumal seine beiden Söhne Physici der benachbarten Hafenstädte Hamburg und Altona waren7*, in einer Sonntagsprc- digt (1751) die bei Dirnen immer häufiger vorkommende Krätze mit der „atembeklem- menden weiblichen Modetorheit" - dem

Korsett - in Verbindung gebracht.

Doch während seine humoralmedizinisch ge- schulten Söhne als eigentliche Ursache des Hautübels eine Säftestauung vermuteten, sprach er von „göttlicher Strafe vor (für) die sündhafte Eitelkeit und verführerische Putz- sucht"; denn „die Räude", so polterte er,

„peinigte sie vor allem dort, wo sie ihrem Leib den größten Zwang anthun: unter der wollüstigen Schnürbrust"77.

Als Bolten 1757 starb und bald danach auch sein Altonaer Sohn „vom hitzigen Fieber"

(vermutlich Fleckfieber) dahingerafft wurde,

„besetzte man noch im selbigen Jahr die bei- den vakant gewordenen Stellen abermals mit Vater und Sohn", deren Name diesmal Struensee war78. Struensee, der das Korsett spöttisch „weibliches Harnisch" nannte, dia- gnostizierte das oft „als, Schande verheim- lichte Hautübel" nicht nur bei Dirnen, son- dern infolge der unzulänglichen Körperkul- tur auch bei vornehmen Damen, die dieser Modetorheit huldigten und schlußfolgerte daraus ganz richtig, daß es die durch Ein- schnürung verursachten Druck- und Scheu- erstellen sind, die das „Einnistein der Krätze" erleichtern79.

Das gleiche galt seines Erachtens auch für den enormen Krätzebefall in den Findlings- häusern, der von den meisten Ärzten irrtüm- licherweise ebenfalls auf eine Säftestauung infolge zu engen Wickeins der Säuglinge zu- rückgeführt wurde80.

Struensee wünschte sich daher nicht nur ein Verbot des Korsetts bei Frauen und ein Ver- zicht auf das „mumienartige Einfatschen (Einwickeln) der Säuglinge", sondern auch eine Reform der hautnähen Uniformen. War er doch davon überzeugt, daß an der Ver- krätzung des Militärs neben dem Kontakt mit Dirnen, den unhygienischen Lagern und Unterkünften vor allem die zu engen Unifor- men schuld seien81.

Bereits der preußische Feldarzt Abraham a Gehema (1647-1715) hatte die Uniformie- rung mit der zunehmenden „Verkrätzung des Militärs" in Beziehung gebracht. Aller- dings vermutete er den Grund dafür in der Säftestauung infolge der allzu straff sitzen- den, engen Monturen". Beim uniformierten stehenden Heer der absoluten Monarchien gehörten nämlich Kleidungsstücke und Leibwäsche nicht mehr dem Einzelnen - wie noch im Zeitaller der Landsknechte - und mußten daher nach vollbrachter Dienstzeit an die Verwalter der Kleiderkassen abgelie- fert werden, die sie dann - ohne besondere Vorkehrungen—wieder an die Rekruten aus- händigten. Auf diese Weise erfolgte mit Uni- formstücken von Krätzekranken die Über- tragung auf noch gesunde Personen. Damit bildete sich in jeder Garnisonsstadt ein Seu- chenherd, der infolge ewiger Truppenver- schiebungcn und Einquartierungen recht weit ausstrahlen konnte.83 Struensee, dessen Heimatstadt Halle auch der Garnisonssitz des alten Dessauer war, bekam in diesem

Abb. 6: Das Bild von Mantegna (1431-1506), das die Darstellung Chrisii zum Gegenstand hat, zeigt, wie entsetzlich eng einst die , .Wickelkinder"geschnürt \nirdert; sogar die Ärmchen waren an den Leib gebunden und jeder Freiheit beraubt. Diese Unsitte der ..Säuglingspßege" erhielt sich vielerorts bis ins vergangene Jahrhutjdert und ist in vielen Entwicklungsländern auch heute noch üblich.

(12)

A+B 114 Lab.med. 5(1981) Ausbildung und Beruf

Herd der „Lagerraude" schon als Medizin- student so manchen Grenadier zu sehen, den unter seiner hautnah anliegenden Uniform die Krätze plagte84. Nicht umsonst hieß es in einer damals entstandenen Redewendung zur Charakterisierung der strengeren preußi- schen Zucht: „Den Brandenburgern liegen die Hosen enger an als den Böhmen" (d. h.

den Kaiserlichen)85.

Die fridcrizianischen Kriege mit ihren Ge- waltmärschen und andauernden Kämpfen, bei denen die Mannschaften tage- oder wo- chenlang „nicht aus den Klamotten kamen", ließen die „Lagerräude" zu einer wahren

„Plage des Heeres" werden. Da sie aber die Schlagkraft der Truppe nicht direkt beein- trächtigte, nahm man sie- im Gegensatz zur Ruhr und anderen Kriegsseuchen — weniger ernst, was schon ihre spöttische Bezeichnung durch die Feldschers („Schneidercourage"

oder „Schneiderkurzweil") erkennen läßt86. Ein Nachfahre Hartog Gersons, der Ham- burger Dermatologe Paul Gerson-Unna (1850-1929), pflegte in seinem Kolleg die Epidemiologie der Skabies mit der Korrup- tion zu vergleichen:

„Es ist wie im Grimmschen Märchen ,Von der goldenen Gans4: jeder, der sie oder je- manden der mit ihr in Kontakt gekommen war, berührt, bleibt hängen, d. h. er steckt sich an, was in kürzester Zeit eine lange In- fektkette zur Folge hat." Dabei zeigte er eine alte Karikatur, auf der eine Marketenderin das erste Glied einer meist aus Soldaten be- stehenden Infektkette darstellte87. Solange Struensee, der zu Beginn des Sieben- jährigen Krieges nach Altona gekommen war, nur skabiöse Waisenkinder, Dirnen, Bettler, Handwerksburschen, Seeleute und ab und zu einzelne Soldaten behandelte, fand

er nicht viel Anerkennung für seine Bemü- hungen. Doch mit einem Schlag änderte sich die Situation. Dies geschah, als sich nach dem Tode der Zarin Elisabeth (Januar 1762) ihr geisteskranker Nachfolger aus dem Hause Holstein-Gottrop, Peter 111., als „Zar aller Reußen" zu einem Straffeldzug gegen Dänemark entschloß, weil dieses im Laufe des Nordischen Krieges (l700-1721)sein vä- terliches Erbe an sich gerissen hatte. Ange- sichts der drohenden Invasionsgefahr „bra- chen am 2. März 1762 etwa 13 000 Mann des in Holstein liegenden dänischen Observa- lionsheeres nach Segeberg und Oldesloe auf, um die Grenze sicherzustellen. Gleichzeitig beabsichtigten die Dänen Hamburg, Lübeck und Travemünde zu besetzen, um dadurch die beiden Flanken ihres Heeres zu decken und den Russen die Zufuhr zur See abzu- schneiden. In dieser Absicht rückte ein däni- sches Corps von 10000 Mann unter dem Oberbefehl des Prinzen Emil von Holstein- Augustenburg über Eppendorf in die Ham- burger Vierlande ein, besetzte alle vor dem Steinthore gelegenen Werke und jagte die darin postirte Mannschaft heraus88."

Als man plötzlich erfuhr, daß Peter III. ab- gesetzt und ermordet sei (Juli 1762) und seine Gattin Katharina II. die in Marsch gesetzten russischen Truppen durch Eilboten zurück- beorderte, ließen die über die Ohren ver- schuldeten Dänen ihre Truppen vor Ham- burg liegen, um die reiche unbotmäßige Han- sestadt wieder einmal zu erpressen. Auf Schimmelmanns Rat forderten sie „eine Mil- lion. Reichsthaler", die ihnen zähneknir- schend bezahlt wurden89.

In ihrer verzweifelten Hilflosigkeit prägten die Hamburger damals den grimmigen Fluch:

„Ick wünscht' je (euch) die Kratz und keen Nogels (Nägel) tum (zum) Kratzen90!"

Abb. 7: Infekt- kette der Krätze.

Französische Ka- rikatur

„La Gale"

(Die Krätze) aus dem Jahre 1823.

Der erste Teil dieses Wunsches ging auch prompt in Erfüllung. Die Einquartierung der dänischen Truppen in den beengten Bauern- häuscrn vor den Wällen Hamburgs hatte zur Folge, daß die Mannschaften massenhaft von Skabies und Dysenterie befallen wurden.

Besonders in Kellinghuscn, wo sich die Laza- rette der dänisch-norwegischen Armee be- fanden, klagte man viel über die Krätze, mit deren Segnungen jeder Neueingelieferte noch zusätzlich beglückt wurde. Da machte der hochangesehene alte Graf Ranzaur

Ascheberg auf Dr. Struensee aufmerksam.

Halte doch der junge Physikus einige seiner Diener, an deren Krätze verschiedene Ärzte seit geräumter Zeit erfolglos herumlaborier- ten, im Handumdrehen geheilt. Im Spät- herbst 1762 unterzog man nun auf Struen- sees Empfehlung mehr als fünfhundert ska- biöse Soldaten einer Schwefelsalben-Kur und erzielte dabei abermals einen verblüffen- den Erfolg91.

Da sich diese „Wunderkur" in der unmittel- baren Nähe von Altona ereignete, und die von Unzer vorausgesagten Komplikationen

„als Folge des nach innen verdrängten Aus- schlages" nicht eintraten, geriet dieser in eine peinliche Situation, zumal sich auch seine noch in aller Ohren klingenden Prognosen in bezug auf die „sträfliche Salbung der Way- senkinder" nicht bewahrheitet hatten. Er trat daher den „Rückzug" an und führte - um sein Gesicht zu wahren - in verschiedenen Nummern seiner Wochenschrift ein verwir- rendes Spiegelgefecht auf, indem er in seinen Abhandlungen gewisse Äußerungen seines Gegners mit nur geringfügigen Änderungen wiedergab, zugleich aber auch seine alten, diametral entgegengesetzten Ansichten be- tonte, wodurch er sowohl in ätiologischer und epidemiologischer als auch in therapeu- tischer und seuchenprophylaktischer Hin- sicht eine kaum zu überbietende Konfusion schuf. Als Beispiel eine Passage aus einem Aufsatz, in dem er die von Struensee vertre- tene parasitäre Ätiologie der Krätze still- schweigend akzeptiert, zugleich aber einen heftigen Scheinangriff gegen die „äußerliche Quecksilbercur" führt, die Struensee nicht einmal bei der Lues, geschweige denn bei der Krätze empfohlen hatte:

„Es ist wahr, wenigstens sehr wahrschein- lich, daß die Krätze und noch mehr andere Ausschläge der Haut von kleinen fast un- sichtbaren Insecten herrühren, die darinn ni- sten, so bald sie bey unreinlichen Leuten fe- sten Fuß fassen können, und daß diesen Thieren ebenfalls das Quecksilber den Un- tergang bereitet. Daher kann ich nicht be- haupten, daß die merkurialischen äußerli- chen Arzeneyen wider diese Krankheit nicht die wahren Hülfsmittel wären; allein ich be- haupte, daß sie nicht die klügsten sind. Der Bär, der auf der Stirn seines schlafenden Freundes, des Eremiten, eine Raupe sah, traf das wahre Mittel, als er einen großen Stein nahm, um sie zu zerknirschen; allein es war nicht das klügste, weil er zugleich seinen Freund damit todt schlug92."

(13)

Unzer, der einst mit einem Seitenblick auf Slruensee erklärt hatte: „Das nach dem Gott der Diebe und Gauner benannte Mercurium wird auch heute.noch, sogar bey uns, von kurpfuschenden Mitgliedern unserer Zunft zum Unheil des gemeinen Mannes ange- wandt", versuchte nun in zahlreichen Arti- keln unter Hinweis auf verschiedene Autoren seinen Kontrahenten indirekt anzuschwär- zen und zugleich dessen erfolgreiche „Schwe- felcur" wegzudisputieren. Geradezu phari- säisch wirkt es, wenn er zwischen Quecksil- ber und Schwefel herumlavierend schließlich so tut, als sei er selbst nie gegen die Benut- zung von Schwefelsalben gewesen: „Vom Quecksilber sind die Urtheile zwar noch sehr getheilt Willis verwarf die Quecksilbersal- ben als gefahrlich, und prieß den Schwefel.

Herr Störk empfiehlt sie beyde im Falle der Notb, und Herr Tissot curirt öfters die Krätze mit Quecksilbersalbe allein, ohne den Schwefel zu gebrauchen93... Ich gestehe, daß ich mich der Mercurialsalben niemals bey krätzigen Kranken bedient habe, wohl aber fast durchgängig der Schwefelsalbe, wo- von ich nie einige nachtheilige Folgen be- merkt94."

Unzers Ablenkungsmanöver gipfelt in der Verdammung der absichtlich vorgeschobe- nen Quecksilberkur, um zugleich durch die Hintertür seine alten Bedenken bezüglich der imaginären Spätschäden eines nach innen verdrängten Ausschlages ins Rampenlicht zu rücken:

„Wie oft ist es nicht geschehen, daß die Kopfsalben aus Quecksilber Blindheit, Taubheit, Schwindel, Convulsionen, ein nie zu curirendes Stammeln, und hundert andere schummere Folgen nach sich gezogen haben, als die Krankheit gewesen, die sie vertrieben haben95."

Struensee war zu recht über diese Vernebe- lungstaktik verärgert. Er suchte daher um eine kurze Mitteilung über seinen therapeu- tischen Erfolg im „Arzt" nach. Doch Unzer teilte ihm mit, er wolle dies „selbst thuen"96. In einem fingierten Leserbrief wiederholte er darin eingangs seine alten Bedenken bezüg- lich eines „Zurückschiagens der Krätze".

Seine Bedenken beschränkte er allerdings nur auf die Quecksilbersalbe und führte eine Reihe von Beispielen an: „Ein Mann salbte sich bey der Krätze mit einer Mercurialsalbe, wovon er die Rose im Nacken und auf den Schultern bekam, und nach fünf Wochen sterben mußte ... Bey einer Frau setzte sich die zurückgetriebene Krätze an ein Bein, und sie blieb davon lahm. Eine Frauensperson bekam nach dem Gebrauche einer solchen Salbe einen faulenden Aussatz: Sie starb nach wenig Tagen in den größten Schmer- zen" usw. usf.97. Erst am Ende des Briefes erklärte er im völligen Widerspruch zur hu- moralpathologischen Grundeinstellung des Vorhergesagien:

..Meines Erachtens ist der Schwefel das beste Mittel wider die Krätze« und vielleicht das

einzige zuverlässige. Es sind davon keine üble Folgen zu fürchten. An mehr als fünf- hundert Soldaten habe ich die besten Wir- kungen davon gesehen98."

Die dreiste Tintenfischtaktik, mit der Unzer seine Schlappe zu vernebeln trachtete, muß Struensee um so mehr geärgert haben, als sein wohlsituierter Kontrahent - im Besitz einer eigenen Zeitschrift - nicht nur die Mög- lichkeit hatte, dort seine lukrativen Univer- salmittel (Pulvis digestivus unzeri etc.) anzu- preisen, sondern auch, so oft es ihm beliebte, sich „fachlich zu expektoriren"99. So verkün- dete er allein im Jahre 1763 dreimal seine Ansicht über die „leidige Krätze" 003·°.

Den tollsten Piratenakt an fremdem Geistes- gut leistete sich Unzer im darauffolgenden Jahr mit seinem Artikel „Cur der Krätze", in*

dem er zwei Seiten lang ganze Passagen aus der einst heftig attakierten Behandlungsme- thode Struensees „einwob", ohne den Autor, bzw. die Literaturquelle zu erwähnen101. Fast wörtlich übernommene Formulierungen wie

„... ein Rath von Willis haben mich bewo- gen, diesen Versuch (d. h. die Schwefelung der Kleidung) schon seit vielen Jahren (bei Struensee „seit zwey Jahren") zu machen", erwecken den Eindruck, es handle sich um seine eigenen Experimente.

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Struensee kurz danach versucht hatte, in ei- nem von der Altonaer Zensur beanstandeten Aufsatz („Von der Achtung der Schriftsteller gegen das Publicum") Unzers unkritische Kompilationen samt seinem Herumlavieren zu verhöhnen. Schon in einer seiner frühe- sten Abhandlungen beanstandete Struensee, daß in einem „vielgelesenen Wochenblatt"

(gemeint war „Der Arzt") oft neue Erkennt- nisse, welche „auf fremdem Spalier gewach- sen waren", als eigene aufgetischt"wurden102. Noch schlimmer sei aber, daß sich der Autor (gemeint war Dr. Unzer) „zwischen den oft konträren Meynungen verschiedener Aerzte windet und drehet wie eine Schlange, die sich schließlich in den eignen Schwanz beißt"102. Seine von Struensee wiederholt angepranger- ten „permanenten Contradiktionen" lassen sich treffend mit einer Lichtenberg-Senlenz charakterisieren: „Er fiel sich selbst ins Wort." („Sudelbücher", Heft E 519) Da Unzer schon seit einigen Jahren unter Berufung auf literarische Verpflichtungen in Zusammenhang mit der Herausgabe seiner Zeitschrift und der Vorbereitung eines medi- zinischen Lehrbuches die Teilnahme an Kommissionen zur Erstellung verschiedener Gutachten verweigerte, spöttelte Struensee:

„Herr Doctor Diafoirus will den Aerzten ein neues Lehrbuch geben... Sein großer Fo- liant ist jedoch nichts anderes, als die unter- einander geworfenen Meynungen vieler Aerzte, zwischen denen er sich windet und drehet, daß er Mitleiden erwecket...

Seine neuen Methoden, die er in Journalen,

oder in einem unbekannten Buch eines noch unbekannteren Arztes gefunden hat, preist er Aerzten an, die sie längst wieder vergessen haben, weil die damit gemachten Versuche ihnen die Unzulänglichkeit davon bewiesen hatten103."

Es war dies ein „Spiel mit Masken", wie es Struensee so übermütig bereits in der ominö- sen vor allem gegen Unzer gerichteten Satire („Lobrede auf die Hunde") aufgeführt hatte, und dessen Folge (im Herbst 1763) ein Ver- bot seiner in Hamburg erscheinenden „Mo- natsschrift zum Nutzen und Vergnügen"

war104. Er gebrauchte dabei die Namen ver- schiedener Charaktertypen aus berühmten Theaterstücken, hinter denen aber die von ihm gemeinten Zeitgenossen leicht zu erken- nen waren, wie im gegebenen Falle Dr. Un- zer hinter der Maske jenes verknöcherten, jedweder Neuerung abholden Doktor Dia- foirus aus Molicres „Eingebildetem Kran- ken"105.

Mehr als zwanzig Jahre später (1786) verwies im benachbarten Hannover Johannes Wich- mann (1740-1802), der Nachfolger des be- rühmten, auch von Struensee hochgeschätz- ten Werlhof, in einer Abhandlung auf die parasitäre Natur der Skabies und versuchte,

„die Bedeutung der Krätz-Milbe" ins rechte Licht zu rücken106.

In der Vorrede bemerkte er bescheiden, er wolle nicht eine eigene Entdeckung publik machen, sondern nur der Erkenntnis eines längst Verstorbenen zur Anerkennung ver- helfen. Bereits mit den einleitenden Worten

„fiel er", um einen Rezensenten zu zitieren,

„wie mit der Tür ins Haus":

„Daß sich in einigen Pusteln der Krätze In- sekten aufhalten, weiß schon jetzt der Grön- länder, ja, es wußte schon vor hundert Jahren das italienische Waschweib, von dem es Bo- nomo zuerst lernte. Es wäre also desto unver- zeihlicher, wenn es der Gelehrte, der Arzt, der Naturforscher nicht wissen sollte!"

Linne hatte in den frühen Auflagen seiner

„Systema naturae" das Acarus (auch „Siro"

genannt) in der 7. Ordnung untergebracht.

Fabricius führte in seiner „Fauna Groenlan- dica" (l 780, S. 221) die in Grönland für diese Milbenart gebräuchlichen Namen „Okok"

und „Kilib Innua" an und stellte verwundert fest:

„Die Eskimos können es mit einer Nadel herausziehen, und zu meinem Erstaunen trat da ein Lebewesen hervor. Siehe da, ein Grön- lander Entomologe!" Diese Stelle veranlaßte Wichmann, sich in seiner Einleitung provo- kativ auf den „Grönländer" zu berufen. Ob- wohl Wichmanns Buch noch eine zweite Auflage erlebte, konnte es gegen die tief ein- gewurzelten Vorurteile nicht viel ausrichten und erfuhr das gleiche Schicksal wie Struen- sces Schriften: es wurde vergessen.

(14)

A+B 116 Lab.med 5(1981) Ausbildung und Beruf

Hin halbes Jahrhundert später (1840) stieß einer anderen bahnbrechenden Schrift das gleiche zu; sie wurde von den Zeitgenossen nicht begriffen, geriet in Vergessenheit und mußte in der baktcriologischcn Ära wieder ncucnldcckt werden. Es ist Jakob Henles Ab- handlung „Von den Miasmen und Konta- gicn", die u, a. eine richtige Deutung der Skabies-Ätiologic enthält: „Die Krätze", heißt es dort, „ist eine Hautentzündung, ver- anlaßt durch den Reiz einer Milbenart, Aca- rus scabici, welche auf der Haut, richtiger gesagt, in Gängen derselben lebt... Ich darf an dieser Stelle vielleicht noch einmal darauf hinweisen, wie es oft bei der Unterscheidung kontagiöser, von anderer Hautentzündung allein auf die Diagnose der Ursache an- kommt ... Die Krätzmilbe ist nicht ein zu- fälliges Epizoon der Krätzigen, sondern wirklich das Kontagium der Krätze107."

Das doktrinäre Denken der Humoralmedizi- ner ließ den Gedanken an einen Erreger (ein Contagium) selbst im Seuchengeschehen der Krätze nicht aufkommen. Sie empfanden vielmehr die Krätzemilbc als einen in das Prokrustesbett ihrer Theorien nicht hinein- passenden „Störenfried". Vermochten sie schon dieses „leidige Contagium" (mit der Prätention eines Krankheitserregers) nicht totzuschweigen, so versuchten sie es wenig- stens im Sinne der Urzeugung als ein Pro- dukt der Säfteverderbnis zu deklarieren oder als ein Hirngespinst lächerlich zu machen, was schließlich ungewollt den naturphiloso- phischen Spekulationen der romantischen Medizin gelang, die in Hahnemanns (1755- 1843) Ganzheitsbetrachtung über die Krätze (er nannte sie Psora) ihren Höhepunkt er- reichten:

„Die genaueste Beobachtung lehrte mich, daß nicht allein die meisten Ausschläge, wel- che Robert Willian1073 mit ängstlicher Mühe auseinanderhielt und mit eigenen Namen be- legte, sondern fast auch alle Afterorganisa- tionen von der Fingerwarze bis zu den größ- ten Balggeschwülsten, von den Fingernägel- verunstaltungen bis zu den Verkrüppelungen des Rückgrats, das häufige Nasenbluten ebensowohl als die Blutanhäufungen in den Venen des Mastdarms und des Afters sowie der Bluthusten oder Blutharnen, und ebenso- . wohl die fehlende als zu häufige Monatszeit, der mehrjährige Nachtschweiß sowohl als die pergamentartige Dürre der Haut, der mehrjährige Durchfall ebensowohl als die stete Hartleibigkeit und Leib Verstopfung ...

mit einem Worte, daß Tausende von der Pa- thologie mit verschiedenen Namen belegter langwieriger Leiden des Menschen - mit we- nigen Ausnahmen - wahre Abkömmlinge einzig der vielgestalteten Psora seven108."

H ahnemann, der die Krätzemilbe nicht kennt, teilt alle Irrlehren der Humoralmedi- zin und befürchtete: lebensgefahrliche Kom- plikationen, „wenn man durch äußere Mittel den Ausschlag einseitig vertrieben hat, ohne die innere Krätzekrankheit vorher geheilt zu haben ... Alle diese Übel... sind ursprüng-

lich und der Krät/ckrankhcit eigentümliche Symptome, die nur schwiegen, solange die Krankheit ihr inneres Leiden auf die Haut als Ausschlag ableiten und so bcschwtchtigen konnte109..."

Vielleicht fand die Ansammlung von allerlei chronischen Gebrechen in den damaligen Armen- und Arbeitshäusern ihren Reflex in dieser Theorie der kaum zu überbietenden Steigerung des Absurden, für welche die all- gegenwärtige Psora als „gemeinsame Mutter aller chronischen, schließlich ins Irrenhaus führenden Krankheiten" galt. Noch Auten- rieth (1772-1835), der auch den kranken Hölderlin in Tübingen behandelte, führte die meisten chronischen Krankheiten auf „ver- drängte Krätze" zurück und pflegte daher einer Ausheilung der Krätze energisch zu wi- derraten110.

Als 1834 in Paris ein Preis zur Entdeckung der Krätzemilbe ausgesetzt wurde, zeigte der korsische Student Renucci in einer Pariser Klinik ihr „Ausgraben aus der Haut", wie er es alten Weibern und Quacksalbern in seiner Heimat abgeguckt hatte, doch man war sehr zurückhaltend, denn kurz vorher hatte ein Betrüger die Akademiemitglieder schändlich getäuscht, indem er ihnen eine Käsemilbe als Krätzeerreger präsentierte. Das erklärt viel- leicht auch, weshalb Hufeland noch 1836 in Berlin die Krätzemilbe nicht als Ursache, sondern als Folge der Scabies bezeichnete.

Erst 1844, genau 80 Jahre nach der heftigen Auseinandersetzung zwischen Struensee und Unzer, gelang es dem Wiener Kliniker Hebra

(1816-80), der als Leiter der „Skabicsabtei- lung" am Allgemeinen Krankenhaus in den vorhergehenden Jahren „5500 Krätzekranke sorgfältig untersucht und behandelt" hatte, endgültig, „den alten Zopf der humoralpa- thologischen Krasenlehre abzuschneiden"

und damit die örtliche Behandlung der Haut- krankheiten in den Vordergrund zu stel- len1".

Fast um die gleiche Zeit wurde auch an- derswo an den Grundfesten der „Krasen- lehre" gerüttelt. So berichtet z. B. Kußmaul aus seiner Heidelberger Studentenzeit im Vormärz: „Wir Praktikanten lachten über die mystische Psora und fingen sie in Gestalt einer Milbe mit spitzigen Nadeln... und ku- rierten die Krankheit, die seit Monaten und Jahren homöopathischen und allopathi- schen Mitteln getrotzt hatte, mit Schmier- seife und Bädern112."

Struensee war keineswegs der einzige oder erste unter den Ärzten der Aufklärungszeit, der kontagionistische Ansichten vertrat. Das Erstaunliche an ihm ist bloß, wie er - nach Art einer Brennlinse - alle kontagionisti- schen Ideen und Strahlungen auffing und sie bei den verschiedensten Infektionskrankhei- ten mit entsprechenden souchenprophylakti- schen und sozialmedizinischen Maßnahmen zu verknüpfen suchte113.

Die Geschichte der Skabies ist - auch abge- sehen von Struensees Anteil an der Nutzan- wendung kontagionistischer Erkenntnisse — ein warnendes Beispiel dafür, aufweiche Irr- wege man geraten kann, wenn der Pfad der Erfahrung verlassen wird. Zugleich beweist sie aber auch, wie wichtig es zur Vermeidung von Irrtümern ist, die Vergangenheit seines Faches zu kennen, in der man allerdings — nach Struensee - „nicht die Asche, sondern die Glut suchen soll"114.

Abb. 8: Der korsische Student Renucci de- monstriert In der Klinik Alibert-Paris das Fangen der Krätzemilbe im Jahre 1834.

Anmerkungen

60 Die Behandlung der Skabiosen schien auch außerhalb Deutschlands um keinen Deul rationeller oder humaner gewesen zu sein, worüber sich Struensee als königlicher Reisearzt (im Rahmen seiner Krankcnhausbesichtigungen) vor allem Anfang November 1768 in Paris vergewissern konnte. Besonders bestürzt war er über die Zustände im Hotel-Dicu, in der Salpctriere und in der Bicetrc. Zwei Jahrzehnte später, ein Jahr vor dem Sturm auf die Bastille, schrieb Tenon (1724-1816) einen Bericht über die Miß- stände in den Pariser Krankenhäusern. „Die Krätze", heißt es darin, „ist allgemein. Sie hört nie auf. Die Ärzte und die Nonnen bekommen sie; die entlassenen Kranken verschlep- pen sie in ihre Familien, und das Hölel-Dicu ist das Semina- rium, aus dem sie über ganz Paris verbreitet wird." (Jac- ques-Rene Tenon, „Mcmoires sur les Höpitaux de Paris", Paris 1788, S. 201.)

" Altonacr Stadtarchiv. Abu XXXVI. KI. B. I. 12 fol. 18.

62 „Von der Lustseuche und was dagegen zu thuen sey."

Gemeinnütziges Magazin 1761, Stück III. S. 193.

61 „Gedanken eines Arztes vom Aberglauben und der Quacksalbere/." Gemeinnütziges Magazin 1760, Stuck II, S. 91.

Abbildung

Abb. 5: Hooke, Micrographia (1665);
Abb. 6: Das Bild von Mantegna (1431-1506), das die Darstellung Chrisii zum Gegenstand hat, zeigt, wie entsetzlich eng einst die , .Wickelkinder"geschnürt \nirdert; sogar die Ärmchen waren an den Leib gebunden und jeder Freiheit beraubt
Abb. 7: Infekt- Infekt-kette der Krätze.
Abb. 8: Der korsische Student Renucci de- de-monstriert In der Klinik Alibert-Paris das Fangen der Krätzemilbe im Jahre 1834.

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