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Veröffentlichung der Abteilung Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunkts Technik-Arbeit-Umwelt des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

FS n 90-101

Technikentwicklung und Techniktransfer:

Das Beispiel Südkorea Dirk Rabe

W issenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbh (WZB)Reichpietschufer 50, 1000 Berlin 30, Tel.: (030)25491-0

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In der vorliegenden Studie steht die Frage nach den Bedingungen der Technikwahl und des technischen Wandels für nachholende Industrialisierungsprozesse in den heutigen Schwellenlän­

der und speziell in Südkorea im Mittelpunkt. Diese Frage verweist zum einen auf das allgemeine Problem der Bedeutung von Technik im Industrialisierungsprozeß und zum anderen auf die Formen und W irkungen des internationalen Techniktransfers auf der nationalen Ebene als Re­

sultat spezifischer Adaptions- und Diffusionsprozesse. Ausgehend von einer eingehenden Be­

trachtung des Faktors Technik in der ökonomischen- und entwicklungstheoretischen Diskussion (Teil I), aus der die für die Fragestellung zentralen Analyseebenen herausgearbeitet werden, wird im Teil II der Studie der Verlauf nachholender Industrialisierung der Schwellenländer historisch­

analytisch rekonstruiert. In diesem Teil wird explizit der Zusammenhang zwischen technischer Entwicklung speziell der Massenproduktionstechniken, und den zum Teil realisierten Industriali­

sierungserfolgen der Schwellenländer nachgezeichnet.

Im Teil III werden, mit dem Ziel einer weiteren Konkretisierung, die Phasen des südkoreani­

schen Industrialisierungsprozesses unter besonderer Berücksichtigung der "Rolle" des Staates eingehend untersucht und die Formen des Techniktransfers und der Adaption importierter Tech­

niken wie auch die nationalen Potentiale für technische Modifikationen, Imitationen und Innovationen betrachtet.

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Inhalt

T eill

1 Technik als Gegenstand der entwicklungstheoretischen Diskussion 6 2 Ökonomische Erklärungsansätze zu Bedeutung der Technik im

Industrialisierungsprozess von Entwicklungsländern 10 2.1 Supply-Push versus Demand-Pull als innovationstheoretische Ansätze 11 2.2 Lange-Wellen-Theorie als Ansatz zur Erklärung zyklisch auftretender

Häufungen von Innovationen 12

2.3 Die Produktzyklustheorie als Ansatz zur Erfassung der technischen

Entwicklung eines Artefakts und der Produktinternationalisierung 15 3 Technik und Industrialisierung - Eine zusammmenfassende Betrachtung 18 Teil II

4 Zur Herausbildung des technologischen Paradigmas der Massenproduktion - Das Konzept der französischen Regulationstheorie 27 5 Differenzierungs- und Hierarchisierungsprozess der Entwicklungsländer

- Das Schwellenländer Phänomen 31

5.1 Desintegration und Integration der Entwicklungsländer nach dem

II. Weltkrieg 31

5.2 Die Schwellenländer in der Krise der 70er Jahre 32 5.3 Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft 35

6 Zwischenresumee 42

Teil IH

7 Zur Bedeutung der Technik im südkoreanischen Industrialisierungs­

prozess 44

8 Südkoreas Weg zum Schwellenland 44

8.1 Verstärkte Integration in den Weltmarkt durch Ausbau der leichtin­

dustriellen Sektoren 49

8.2 Die Textil- und Bekleidungsindustrie 51

8.3 Der Aufbau der Schwerindustrien 53

8.4 Die Rolle des Staates im Prozess des technologischen Wandels 54

8.5 Ausbildung, Arbeit und Technik 60

Einleitung 1

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9.1 Aufbau der Stahlindustrie 66 9.2 Zum Zusammenhang von Direktinvestitionen, Lizenzen und

Investitionsgüterimporten 68

9.3 Südkoreas Einstieg in die High-Tech Industrie 73

9.4 Der Aufbau der Elektronikindustrie 74

9.5 Die Bedeutung der Investitionsgüterindustrie für den nachholenden

Industrialisierungsprozess Südkoreas 75

10 Resümee 82

Literatur 87

Tabellen und Schaubilder

Tabelle 1: Anlagevermögen pro Beschäfttigtenen, Brutto-Ertragsrate,

Verschuldung und Exportwachsraten der südkoreanischen Industrie (1971-1982) 56

Schaubild 1: Technik und Industrialisierung 21

Schaubild 2: Entwicklung der Industriewarenexporte und -importe zwischen

den Schwellenländern und den Ländern der OECD (1964 bis 1985) 37 Schaubild 3: Durchschnittliche Ertragsrate in der Leicht- und

Schwerindustrie (1972-1984) (%) 55

Schaubild 4: Elektronisch gesteuerte Maschinen in Südkorea

Zeitpunkt des ersten Imports und Zeitpunkt der ersten nationalen Produktion 79

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-1 -

Einleitung

Die hier im Zentrum stehende Frage ist die nach den Bedingungen der Technikwahl und des technischen Wandels für nachholende Industrialisierungsprozesse in den heutigen Schwellenlän- dem. Eine solche Diskussion der Voraussetzungen für technische Entwicklungen speziell in Schwellenländem hat dabei mindestens drei Bezugsebenen:

1. eine historisch-empirische Bezugsebene: mit der sukzessiven Entstehung des Weltmarktes seit Beginn der industriellen Revolution sowie der Erzeugung neuer Informations-, Kommunika- tions-, Verkehrs- und Transporttechniken sind die Entwicklungsrichtungen und die Entwick­

lungsmöglichkeiten von Staaten der "Dritten Welt" zunehmend "eingespannt" in technischöko­

nomische Strukturen, die die politischen Handlungsspielräume und Optionen für eigenständige W ege zur Industrialisierung begrenzen. In einigen Ländern - den sogenannten Schwellenländern - wurden mindestens temporär und mindestens partiell relativ schnelle Erfolge einer

"nachholenden Industrialisierung" erzielt. Warum und unter welchen Bedingungen eine solche Entwicklung sich vollziehen konnte, ist offenkundig von theoretischem wie politischem Interesse.

2. eine entwicklungstheoretische Bezugsebene: jede rekonstruktive Analyse der Bedingungen für nachholende Industrialisierung geschieht nicht völlig neu, sondern im Rahmen von ausgearbei­

teten (sozial)wissenschaftlichen Theorien zu den Bedingungen technischer Entwicklung allge­

mein und nachholender technischer Entwicklung im besonderen. Die eigene Analyse ist mit Bezug auf solche schon bestehenden sozialwissenschaftlichen Erklärungsansätze zu verorten, deren Erklärungsgehalt zu den empirischen Verläufen nachholender Industrialisierung in den Schwellenländem in Beziehung gesetzt wird.

3. eine sozialwissenschaftlich-techniktheoretische Bezugsebene: sowohl die Erkundung und Identifizierung von Gestaltungsspielräumen in der Technikentwicklung als auch die Bemühun­

gen um Theorien der Modernisierung und des technischsozialen Wandels sind schließlich Anlie­

gen der sozialwissenschaftlichen Technikforschung, die im wesentlichen ihren Ausgangspunkt nimmt in Erscheinungsformen der Technikentwicklung, -nutzung und besonders -folgen speziell in den Industrieländern.

Einleitend soll im folgenden zunächst das weitere Vorgehen der Studie im Hinblick auf diese drei Bezugsebenen erläutert werden.

Historisch-empirische Bezugsebene: Die historische Ausgangslage für nachholende Entwicklung kann zunächst einmal nur in groben Zügen gekennzeichnet werden. Begrifflichkeit und E r­

fassungskategorien verbleiben an dieser Stelle noch im Rahmen allgemeiner historisch-ökono­

mischer Terminologien. Als zeitlicher Ausgangspunkt der Betrachtung kann dabei die Krisen­

phase der 70er Jahre dienen, in der sich in den industrialisierten Ländern auf allen gesellschaft­

lichen Ebenen und insbesondere auch im ökonomisch-technischen Bereich erhebliche Transfor­

mationen vollzogen, die zu einem tiefgreifenden Strukturwandel der Weltwirtschaft führten.

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Gerade in dieser Phase hatten einige "Newcomer" auf der Weltmarktbühne ihren Auftritt. Die Schwellenländer vor allem in Lateinamerika und Ostasien - qua Begriffsdefinition an der

Schwelle zum Industrieland - sind ein Phänomen dieser frühen 70er Jahre, und bedingt durch die von ihnen ausgehende Veränderung der Konkurrenzbedingungen auf dem W eltmarkt und der weltweiten Technikproduktion sind sie seit dieser Zeit Gegenstand entwicklungspolitischer und - theoretischer Kontroversen.

Die Schwellenländer - und speziell die "Gang of Four", wie die ostasiatischen Schwellenländer Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur bezeichnenderweise genannt werden - haben in dieser Krisensituation nicht nur eine interne Entwicklungsdynamik entfaltet. Es gelang vor allem den otasiatischen Ländern, ihre Exporte kontinuierlich zu steigern und sich einen wachsenden Anteil am Welthandel zu sichern. Damit wurde die ostasiatische Region (einschließlich Japan) zu einem immer wichtiger werdenden dynamischen Zentrum der weltwirtschaftlichen Entwick­

lung, was insbesondere auch für die Durchsetzung und Verbreitung bestimmter Techniken in den 70er und 80er Jahren galt. Mittlerweile kommt ein großer Teil der W eltexporte der verarbeiten­

den Industrie aus diesen Ländern.

Das wohl bekannteste Beispiel, das im Zusammenhang m it dieser veränderten internationalen Arbeitsteilung diskutiert wurde, war die Verlagerungstendenz der Textilindustrie (vgl. Fröbel, Heinrichs, Kreye 1977 und 1986). Daneben lassen sich aber noch viele verschiedene Waren und Techniken aufzählen, bei denen es den Schwellenländem zum Teil gelungen ist, die Produkte aus der OECD-Region vom Weltmarkt zu verdrängen. Bei den ostasiatischen Schwellenländer­

exporten handelte es sich in den 60er und 70er Jahren in der Mehrzahl um Massenkonsumgüter.

Sie weisen als gemeinsame Charakteristika auf, daß sie erstens nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa und den USA unter Ausnutzung der "economies of scale" produziert wurden und daß sie zweitens im Laufe ihres "Lebenszyklus" nur vereinzelt Produkt- oder Prozeßinnovationen unterworfen waren.

Seit Beginn der 80er Jahre setzen die ostasiatischen Schwellenländer ihre Exportoffensive zunehmend nicht mehr nur in M arktsegmenten weiter fort, die durch hohe Arbeitsintensität cha­

rakterisiert sind, sondern beispielsweise auch bei hochwertigen Konsumgütem wie Personen­

kraftwagen oder bei der gesamten Palette der Unterhaltungselektronik. Ebenfalls zeichnen sich in einigen der sogenannten High-Tech-Industrien verstärkte Exporterfolge ab, wie z.B. im Bereich der mikroelektronischen Komponenten, zu denen im besonderen die äußerst forschungs- und kapitalintensiven "Speicherchips" gehören.

Anders als noch in den 50er und 60er Jahren vollzieht sich diese Entwicklung in einer Phase, in der nicht nur die W achstumsraten der Weltindustrieproduktion, sondern auch die W achstums­

raten des Welthandels stark zurückgehen. Vornehmlich für die äußerst exportorientierten ost­

asiatischen Schwellenländer hat diese Veränderung der Weltmarktstrukturen weitreichende Konsequenzen.

Innerhalb der "Gang o f Four" hat Südkorea neben Taiwan in kürzester Zeit die weitestgehende wirtschaftliche Entwicklung vollzogen. 1960 gehörte Südkorea noch zu den ärmsten Ländern der W elt, doch schon im Verlaufe der folgenden 30 Jahre entwickelte sich die südkoreanische Öko­

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- 3 -

nomiestruktur von einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten zu einer hauptsächlich in­

dustriellen Ökonomie. Dieser Industrialisierungsprozeß vollzog sich unter spezifischer Integra­

tion in die W eltwirtschaft bei gleichzeitig sich verschlechternden weltwirtschaftlichen Rahmen­

bedingungen.

M it dem Prozeß dieser schnellen Industrialisierung ging zwangsläufig auch ein radikaler Wandel des technischen Niveaus der südkoreanischen Ökonomie einher.

Entwicklungstheoretische Bezugsebene: Die zentrale Fragestellung der folgenden Analyse ist die nach Erklärungsfaktoren für den technischen Wandel und für den (nachholenden) Industrialisie­

rungsprozeß heutiger Schwellenländer im allgemeinen und Südkoreas im besonderen. M ehr oder minder implizit wurden erste Bezüge schon in der gerade vorgenommenen Skizzierung der historischen Entwicklung zwischen der industriellen Entwicklung von Schwellenländem und kontextuellen Faktoren - insbesondere dem W eltmarkt als ökonomischer Bezugsgröße - hergestellt.

Eine vertiefende Analyse und Bemühung um die Erklärung historischer Entwicklungsverläufe hat sich zunächst der Erklärungskategorien zu versichern, mit Hilfe derer das historisch-empiri­

sche M aterial strukturiert und die Industrialisierungsverläufe abgegrenzt und spezifiziert werden können.

Einer solchen Klärung der Analysekategorien dient die (in Teil I der Arbeit vorgenommene) Diskussion einiger theoretischer Ansätze zum Entwicklungsverlauf und den Entwicklungsbedin­

gungen technischer Innovation im allgemeinen (demand-pull-, supply-push -Theorie) und für Prozesse nachholender Industrialisierung im besonderen (Länge-Wellen-, Produktzyklustheorie), wobei letztere im Hinblick auf ihren jeweiligen Erklärungsanspruch und die Erfassung techni­

scher Entwicklungen erhebliche Unterschiede aufweisen.

Modifikation, Imitation und Innovation werden in dieser Untersuchung nicht als eigenständige analytische Kategorien, sondern in einem übergreifenden Sinne als Elemente technischer Ent­

wicklung betrachtet. Alle drei stehen in einem spezifischen Verhältnis zueinander und markieren unterschiedliche Niveaus der technischen Entwicklung.

Als zentral für die weitere Betrachtung wird sich dabei die aus den ökonomischen Theoriezu­

sammenhängen gewonnene Unterscheidung von externer (internationaler) und interner

(nationaler) Ebene erweisen. A uf beiden Ebenen wirkt der technische Wandel in jeweils spezifi­

scher Weise. A uf der internationalen Ebene bildet sich, wie zu zeigen versucht wird, eine vor­

herrschende technische Grundstruktur heraus - ein technisches Paradigma -, das die momentan höchste Stufe der internationalen Konkurrenzfähigkeit darstellt. A uf der Ebene der National­

staaten und hier speziell in den Schwellenländem hat sich im historischen Prozeß ein technisches Niveau herausgebildet, das im Vergleich zu dem technischen Niveau der internationalen Ebene meist erheblich unterentwickelt ist. Der Ausgleich dieser beiden Niveaus soll m it Hilfe des Technologietransfers erreicht werden. Als die Verbindungslinien, auf denen sich der Transfer vollzieht, werden die verschiedenen Kapitalformen betrachtet. Durch die Internationalisierung des W arenhandels, des Geldkapitals in Form von internationalen Krediten und des produktiven Kapitals in Form von Direktinvestitionen im V erlauf dieses Jahrhunderts werden sie zu Fak­

toren, die gleichzeitig ein Maß für den Grad der Einbindung einer Nation in die W elt­

marktstrukturen und die konkreten Formen, in denen Technik transferiert wird, darstellen.

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Sozialwissenschaftlich-techniktheoretische Bezugsebene: Indem als wesentliche Bedingungs­

faktoren für die Durchsetzung spezifischer technischer Leitsektoren unter W eltmarktbedingun­

gen ökonomische Erklärungskategorien herangezogen werden, unterscheidet sich der hier vorge­

stellte Ansatz von Konzepten insbesondere der neueren Techniksoziologie, mit denen er den­

noch eine erkenntnisleitende Fragestellung durchaus gemeinsam hat: nämlich die nach der Erkundung und Rekonstruktion von HandlungsSpielräumen in der Technikentwicklung (vgl.

Memorandum 1984). Im Zuge vor allem der öffentlichen Diskussion über die Gefahren der Atomenergie standen im sozialwissenschaftlichen Diskurs über Technik zunächst einmal Fragen einer möglichen neuen Qualität der modernen Techniken und der von ihrer quantitativ vermehr­

ten Nutzung ausgehenden ökologischen und gesellschaftlichen Risiken im Zentrum der Be­

trachtung (vgl. Perrow 1987). Insbesondere weil das Konzept der "Technikfolgen-Abschätzung"

als wissenschaftlich gestütztes Informationsinstrument einer gefahren-mindernden Risiko-Vor­

sorge zunehmend als ein Instrument begriffen wurde, das in den Gang der Technikentwicklung vielfach zu spät eingreift und deshalb nur noch nachträgliche Reparaturen schädlicher Techniken und ihrer Folgen zuläßt, wurden stärker schon den Prozeß der Technikgenese und -erzeugung untersuchende Forschungsansätze gefordert (Memorandum 1984). Diese Neuorientierung war offenbar zugleich verbunden mit einer stärkeren Fokussierung der Forschung auf historische und mikrostrukturelle Rekonstruktionen von einzelnen Technikentwicklungen und auf Unternehmen als Orten der Technikerzeugung. Die neueren Forschungsansätze in der Soziologie, so beschreibt Joerges die Forschungssituation, seien durch "eine starke Hinwendung zu einer 'narrativen', so­

zialhistorischen und fallbezogen-interpretativen Herangehensweise" gekennzeichnet, "das Interesse einer 'Rekonstruktion der sozialen Konstruktionen' technischer Phänomene nimmt zu"

(Joerges 1989, S.45).

Neben konstruktivistischen Ansätzen (vgl. Bijker-Pinch 1987) sind es dabei vor allem

kulturalistische (außerökonomische) Konzepte, die in immer stärkerem Maße verfolgt werden.

Exemplarisch kann diese Entwicklung an einem Autor wie Rammert verfolgt werden. Sah er in Arbeiten der frühen 80er Jahre speziell die Untersuchung ökonomischer Einflußparameter für die "Weiterentwicklung eines techniksoziologischen Forschungsprogramms" noch für wesent­

lich an (Rammert 1982, S.37ff.), so scheinen in seinen neueren Analysen ökonomische Bedin­

gungen sowohl bei der Rekonstruktion der Genese und Durchsetzung einzelner Techniken (Rammert 1989) als auch langfristiger Entwicklungstendenzen der Beziehung Gesellschaft- Technik generell weitgehend vernachlässigt oder doch mindestens ausgeklammert. Techniken werden - offenbar erfolgreich - 'gesellschaftlich-kulturell angeeignet', Technik wird zum

"Medium". Maschinen sollten in ihrem Wesen in dieser Perspektive durch die Sozialwissen­

schaften "als noch umständlich und stabil fixierte Energie- und Informationsverarbeitungs­

systeme entschlüssel(t)" werden, die "die Werkstücke durch die in ihre Konstruktion eingelasse­

nen Transformationschemata 'informieren'." (Rammert 1988, S.142) Stofflicher Austausch wird so zum Austausch von Informationen, wenn denn überhaupt noch in solchen Modellen Platz für Menschen (Produktionsverhältnisse, Machtstrukturen, Bedürfnisse) und Natur ist. Möglichkeiten der Technikgestaltung sind bei solchen Ansätzen daher nur noch im Rahmen einer technisch­

sozialen Evolutionstheorie zu suchen, bei der kulturelle Orientierungsmuster und Aneignungs­

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- 5 -

formen von Technikentwicklem und -nutzem die Richtung des "technischen" Fortschritts sehr viel stärker bestimmen als etwa ökonomische Verwertungsinteressen und Rationalitätsmuster.

Gegenüber solchen Ansätzen wird in dieser Arbeit bewußt versucht, die Entstehung und Durch­

setzung "neuer" Techniken mit ökonomischen Erklärungskategorien zu erfassen. Dies ist zum einen dem Untersuchungsgegenständ selbst geschuldet: unter welchen Bedingungen in

Schwellenländem Techniken adaptiert, neu generiert, produziert und schließlich auf dem W elt­

m arkt verkauft werden können, hängt, wie gezeigt werden wird, zum einen von jeweils landes­

spezifischen Faktoren und zum anderen insbesondere auch eben von den Strukturen des W eltmarktes ab.

Die Studie konzentriert sich im folgenden deshalb zunächst auf die in der zweiten Bezugsebene genannten entwicklungstheoretischen Erklärungsansätze für technische Entwicklung. Ausgehend von den hier theoretisch herausgearbeiteten Analyseebenen soll dann im Hauptteil der Unter­

suchung versucht werden, den Verlauf nachholender Industrialisierung historisch-analytisch zu rekonstruieren. Dies soll zuerst für die internationale Ebene geschehen, auf der sich im Verlaufe dieses Jahrhunderts das technologische Paradigma der Massenproduktion herausgebildet hat.

Hierbei werden auf der Grundlage der französischen "Regulationstheorie" das Enstehen und die internationale Durchsetzung dieses Paradigmas erfaßt, um daran anschließend die konkreten Formen der Integration und Desintegration der Entwicklungsländer eben in der Phase der Durch­

setzung des Massenproduktionsparadigmas nachzuzeichnen. Den drei genannten Kapitalformen - internationaler Warenhandel, Geldkapital (internationale Kredite), produktives Kapital

(Direktinvestitionen) - kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu. Die Dynamik ihrer Internatio­

nalisierung ist entscheidend für die Integration und Desintegration der Entwicklungsländer und für die Herausbildung des "Schwellenländerphänomens". In diesem Abschnitt wird explizit ver­

sucht, einen Zusammenhang zwischen technischer Entwicklung speziell der Massenpro­

duktionstechniken und den teilweisen Industrialisierungserfolgen der Schwellenländer nach­

zuzeichnen. Desweiteren zeigt sich bei der genaueren Betrachtung des

"Schwellenländerphänomens", daß Südkoreas ökonomischer Entwicklungsweg sowohl im Ver­

gleich mit den anderen ostasiatischen als auch den lateinamerikanischen Schwellenländem neben einigen Spezifika Parallelen aufweist, die es als prädestiniert für eine Fallanalyse erschei­

nen lassen.

Diese Fallanalyse schließlich soll Gegenstand des Teils ID dieser Arbeit sein. Dabei wird die Darstellung und Analyse des historischen Prozesses der Industrialisierung stark auf die Frage des Einflusses und der Wirkung ökonomisch-technischer Bedingungsfaktoren zugespitzt.

Zugleich kann hier in stärkerem Maße als bislang die wichtige Rolle des Staates als Akteur im Prozeß nachholender Industrialisierung betrachtet werden.

Als wesentlich für die südkoreanische Industrialisierung werden drei Phasen der Industriali­

sierung herausgearbeitet: die leichtindustrielle Phase, die schwerindustrielle Phase und die momentan aktuelle Phase der High-Tech Industrien. In jeder Phase bestand eine spezifische Form der Weltmarktintegration, die mit jeweils spezifischen Formen des Technologieimports korrespondierte. Dies erforderte unterschiedliche Politiken, um die importierten Techniken zu einem integralen Bestandteil der Ökonomie machen zu können.

(10)

T eill

1 Technik als Gegenstand der entwicklungstheoretischen Diskussion

Der in den westlichen Industrieländern in den 50er und 60er Jahren vorherrschende Glaube an eine durch keynesianische Globalsteuerung zu erreichende zeitlich unbegrenzte Prosperität der Weltwirtschaft^ korrespondierte mit dem ebenso unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit einer nachholenden Industrialisierung in allen - häufig soeben erst in die politische Souveränität entlassenen - Entwicklungsländern. Genährt wurde diese Vorstellung durch das sehr schnelle ökonomische W iedererstarken der europäischen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg.9

Gerade in der Phase nach dem Zweiten W eltkrieg setzte sich in allen ökonomisch hochent­

wickelten Industrieländern das Massenproduktionsparadigma fast in allen Bereichen der W irtschaft durch.

In den Industrieländern waren schon früh die ökonomischen, sozialen und ökokologischen Aus­

wirkungen dieses nun voll zur "Blüte" gekommenen technischen Paradigmas analysiert worden.

Seit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre spielte auch in der entwicklungsstheoretischen und entwicklungspolitischen Diskussion die Frage nach der Bedeutung der Technik im Industriali­

sierungsprozeß der Entwicklungsländer (als ein Aspekt) eine zunehmend wichtigere Rolle (vgl.

Stewart 1984, S.89). Die entwicklungspolitische Debatte gipfelte zwischen 1977 und 1979 in einer Vielzahl von Konferenzen^, bei denen die Fragen im Zentrum standen, welche Techniken zum Einsatz kommen, ob diese Techniken einer gewünschten Entwicklung dienen und schließ­

lich welche sozialen Konsequenzen sie zeitigen.

Unabhängig von der politischen Provenienz der Diskutanten bestand in zwei Punkten grundsätz­

liche Übereinstimmung:

- Die angewandte Technik bestimmt maßgeblich die Dynamik der Industrialisierung in den E nt­

wicklungsländern.

- Die Dynamik und Richtung der technologischen Entwicklung wird in den Industrieländern bestimmt, da hier die neuesten Techniken entwickelt werden.

Dissens jedoch bestand und besteht bis heute bei der Einschätzung annähernd aller weiteren hiermit zusammenhängenden Fragen. So wird von seiten der Vertreter der

M odemisierungstheorie nicht die Wahl der Technik selbst, sondern die Wahl des zu produ- 1. Vgl. zur Kritik an den keynesianischen Vorstellungen (Altvater, Hübner, Stanger, 1983; Lutz, 1984) 2. Diese Sicht der Dinge herrscht sehr häufig vor. Eurozentristisch wurden und werden die Bedingungen für nachholende Industrialisierung linear aus dem "Fundus" der Erfahrungen mit der ökonomisch-politisch-sozialen Entwicklung in Europa und den USA abgeleitet und dem "Rest der Welt" als Schablone übergestülpt.

3. Siehe zur Technik(folgen)abschätzung insbesondere Dierkes, 1989

4. Z.B. 1978 in New Delhi das internationale Forum der UNIDO für angepaßte Technik; 1979 an der Universität Centro Americana, Jose Cana in San Salvador eine Tagung über angepaßte Technik in Entwicklungsländern; und ebenso 1979 in Wien eine internationale Konferenz über Wissenschaft und Technologie im Dienste der

Entwicklungspolitik, veranstaltet von der UNO (vgl. Baumer 1979, S.VII f)

5. Als Richtung einer technischen Entwicklung ist die grundsätzliche Entscheidung für eine bestimmte Konstruktionslösung eines technischen Problems zu verstehen.

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- 7 -

zierenden Gutes in den M ittelpunkt der Betrachtung gerückt. Dies entspricht der neoklassischen Annahme, daß unter Konkurrenzbedingungen die Faktorintensität unabhängig vom Standort einer Produktion konstant ist. Demzufolge wird durch die W ahl des zu produzierenden Gutes die Relation von Arbeit und Kapital im Produktionsprozeß und damit quasi zwangsläufig die zu verwendende Technik bestimmt.

Die Anwendung m odernster Technologien wird damit zur Bedingung, um auf bestimmten M ärkten bzw. Marktsegmenten international konkurrenzfähig zu sein. Diese Techniken allein ermöglichen sowohl die preisliche als auch die qualitative Konkurrenzfähigkeit auf dem W elt­

markt. Den Kernpunkt der modemisierungstheoretischen Analyse bildet die Annahme, daß nur eine weltmarktassoziative Industrialisierung eine nachholende Entwicklung initiieren kann, und nur damit die nationalen Probleme gelöst werden können.

Trotz der Erkenntnis, daß die Techniken und das Wissen um ihre Anwendung bzw. Verwertung in den führenden Wirtschaftsnationen konzentriert sind, wird bei dieser Betrachtung die Proble­

matik sowohl der Bedingungen als auch der Folgen einer uneingeschränkten Technikübertra­

gung nicht reflektiert. Unterschiedliche soziale oder auch kulturelle Voraussetzungen für und Auswirkungen von Technologietransfers sind jedoch unabweisbar, insbesondere da der Unter­

schied der Produktionsweisen zwischen den Industrieländern und Entwicklungsländern tenden­

ziell eher größer wird als abnimmt.

Eben von dieser Kritik an der modemisierungstheoretischen Sichtweise ausgehend wird von de- pendenztheoretischen Entwicklungstheorien versucht, alternative Erklärungsansätze und

Lösungen zu liefern (vgl. M eyer-Fehr 1980, S.IOöff). Dabei orientiert sich die W ahl der zum Einsatz kommenden Techniken an den übergeordneten Zielen der Entwicklungspolitik, vor­

nehmlich an den menschlichen G rundbedürfnissen(u.a. Nahrung, Wohnung, Arbeit, Bildung), die im Interesse einer eigenständigen Entwicklung eines Entwicklungslandes nur durch eine A k­

tivierung oder Reaktivierung traditioneller Techniken zu erreichen sind (vgl. Baumer 1979, Kap.V). Die traditionellen Techniken haben sich über einen langen Zeitraum in den jeweiligen Ländern herausgebildet. Ihre Funktion und Anwendung ist in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt und ebenso akzeptiert. Es handelt sich um Techniken, die mit den jeweiligen sozioöko- nomischen und kulturellen Strukturen der Länder kompatibel sind. Die Möglichkeit der Produk­

tivkraftentwicklung ist dabei jedoch sehr begrenzt. In der Regel verfügen Entwicklungsländer nur über rudimentäre industrielle Produktionsstrukturen. Die Produktion findet hauptsächlich im handwerklichen und landwirtschaftlichen Bereich statt, von daher sind die zur Anwendung kommenden Techniken nur in diesen Bereichen entwickelt und auch die Erfahrungen mit diesen Techniken sind auf diesen Bereich begrenzt. Der Sprung von einer handwerklichen zu einer industriellen Produktion kann - gerade, wenn dieser innerhalb kurzer Zeit vollzogen werden soll - kaum auf den traditionellen Techniken allein basieren.

In zentraler W eise stellt sich also auch in diesem Ansatz die Frage, in welchen Formen impor­

tierte Techniken eingesetzt werden können, um einen Prozeß allgemeiner Industrialisierung zu initiieren, d.h. inwieweit die Erkenntnisse in Forschung und Entwicklung aus den OECD-Län-

6. Auf die sehr ausführlich geführten Diskussionen darüber, was bei welchem ökonomischen Entwicklungsstand zu den Grundbedürfnissen zu zählen ist, kann hier nicht näher eingegangen werden.

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dem "nutzbar" gemacht werden können, um das vorhandene traditionelle technologische Niveau eines Entwicklungslandes weiterzuentwickeln.

In dem dependenztheoretischen Diskurs steht das Konzept der angepaßten oder mittleren Tech­

nologie im Vordergrund.^

An wen oder was sollen die Techniken angepaßt sein?

Diese Frage nur mit dem Verweis auf die sozioökonomischen Bedingungen zu beantworten, ist solange unbefriedigend, wie nicht geklärt ist, was die soziale, politische und ökonomische

"Umwelt" eines Landes ausmacht. Es wäre zudem grundsätzlich in Frage zu stellen, ob über­

haupt Bestimmungskategorien herangezogen werden können, die einen Allgemeingültigkeitsan­

spruch im Sinne ihrer Anwendbarkeit auf alle Länder erfüllen.

Eine Betrachtungsweise, die diese Kritikpunkte außer acht läßt, setzt darüber hinaus ein vorhan­

denes gesamtgesellschaftliches Interesse und/oder ein politisch-ökonomisches Ziel voraus, das so nicht für die überwiegend politisch fragile und sozial desolate Situation in Entwicklungslän­

dern formuliert werden kann (vgl. Bhalla 1979, S.36). Inwieweit eine Umorientierung in der Wirtschafts- und Technologiepolitik durchsetzbar ist, entscheidet sich im Konflikt mit den eta­

blierten, wirtschaftlich und politisch mächtigen Gruppen (vgl. Kappel, Metz, W endt 1983, S .3 2 f.).7 8

Die Frage, an wen oder an was nun eine Technik angepaßt sein soll, läßt sich also kaum mit dem Verweis auf das Ziel der Befriedigung von Grundbedürfnissen beantworten, das für das Konzept der "angepaßten Technologien" eine zentrale Rolle spielt. Eine Technikwahl, die sich an den Grundbedürfnissen der breiten Massen orientiert, erfordert als ökonomischen Bedingungsrahmen eine Nivellierung der Einkommen und damit eine Veränderung der Einkommensverteilung sowie das Schließen der Einkommenslücke zwischen Stadt und Land, die maßgeblich verant­

wortlich für die Landflucht und die hiermit einhergehende "Verslumung" vieler Metropolen in den Entwicklungsländern ist. Ohne hier weiter auf die detaillierten Ausprägungen einer an Grundbedürfnisbefriedigung orientierten Entwicklungsstrategie eingehen zu können, stellt sich in diesem Zusammenhang zwangsläufig auch die Frage nach der politischen Durchsetzbarkeit.

Neben dem Konzept der mittleren bzw. angepaßten Technologien stand bzw. steht mit dem Self- Reliance-Ans atz eine weitere Theorievariante im Zentrum der entwicklungstheoretischen und - politischen Diskussion, die sich durch eine differenziertere Betrachtung auszeichnet. Self- Reliance ist ein entwicklungsstrategisches Ordnungsprinzip, das sich im Gegensatz zur vorherr­

schenden entwicklungspolitischen Doktrin nicht der Erkenntnis verschließt, daß gesellschaftliche Interaktion, vor allem des Tausches und der Arbeitsteilung, in der Regel zwischen ungleichen Akteuren stattfindet, daß hier also zum Problem der technologischen und ökonomischen Ratio­

7. In den 70er Jahren bildeten sich zahlreiche Institutionen und Organisationen, um Informationen über angepaßte Technik zu sammeln, aufzubereiten und zu verbreiten. Unter anderem das ITDG Schumachers in London, Tool in Amsterdam, Brace Research Institut in Quebec, Great in Paris.(vgl.Baumer 1979)

8. Kappel u.a.(1983) führen weiter aus, daß insbesondere in den Studien über angepaßte Technik die Frage nach der politischen Entscheidungsfindung außen vor bleibt, (ebenda, S.32f)

(13)

- 9 -

nalität zusätzlich Fragen von Macht, Beherrschung und Abhängigkeit eine Rolle spielen." (Ernst 1983, S.78)9

Zusammenfassend kann festgehalten werden:

Den beiden letztgenannten Ansätzen ist gemeinsam, daß sie auf Grundbedürfnis Sicherung insistieren und nicht, wie häufig angenommen, m it einer "small is beautiful "Doktrin gleichge­

setzt werden können und entsprechend den jeweiligen Erfordernissen zur Grundbedürfnissiche­

rung auch den Einsatz kapitalintensiver Produktionsmethoden für notwendig erachten.

D er Self-Reliance-Ansatz stellt allerdings erheblich stärker als der dependenztheoretische Ansatz auf die Besinnung auf die bekannten Fähigkeiten und Ressourcen innerhalb einer Nation oder einer Region oder deren Optimierung und W eiterentwicklung ab (vgl. ebenda, S.74). Eine solche

"Rückbesinnung" hat zwangsläufig weitreichende Konsequenzen für die Positionierung einer Nation innerhalb internationaler politischer und ökonomischer Zusammenhänge.

W ird mit seit langem bekannten Techniken - also m it solchen Techniken, die sich homogen in das sozioökonomische Gefüge einer Gesellschaft einbinden lassen - für die Basisbedürfnisse der Bevölkerung produziert oder werden zumindest große Teile der Produktion hierauf ausgerichtet, führt das mittel- bis langfristige "Diktat" einer ausgeglichenen Handelsbilanz zu einem Verzicht oder einer Substitution von Im p o rten ^ . Solange nur auf W aren verzichtet wird, die Luxuskon­

sum eines kleinen Teils der urbanen Bevölkerung darstellen, wirft dies zumindest ökonomisch keine Probleme auf. Anders verhält sich dies jedoch schon bei den Zwischen- und Investitions­

gütern, die unverzichtbar für die Aufrechterhaltung von bereits bestehenden Produktionspro­

zessen sind.

A uf den Import dieser W aren kann kaum verzichtet werden, denn eine Substitution, hauptsäch­

lich der Investitionsgüter, stellt in den meisten Entwicklungsländern ein kaum zu überwindendes Problem dar.

D a Importe im Gegenzug Exporte erfordern, um die nötigen Devisen zu erwirtschaften, kann eine solche Strategie nur schwer als selektive Abkopplung vom Weltmarkt konzipiert werden.

W elches Ausmaß eine selektive Abkoppelung haben kann, wird bestimmt durch die bestehende nationale Kohärenz einer Ökonomie. Die jeweils spezifische Einbindung in die W eltmarktzu­

sammenhänge der Vergangenheit hat in den einzelnen Nationen Strukturen hervorgebracht, die heute bestimmen, in welcher Weise die weltwirtschaftlichen "Sachzwänge" wirken, unter denen Politiken formuliert werden können. Das in den letzten Jahren für die Entwicklungsländer bedeutendste Beispiel für einen extern geschuldeten "Sachzwang" ist die Verschuldungskrise.

Die verschuldeten Entwicklungsländer sind gezwungen, den Schuldendienst zu leisten; da dieser jedoch in Devisen fällig wird, resultiert hieraus die Notwendigkeit, einen Handelsbilanzüber­

9. Vgl. auch die explizite Auseinandersetzung Emsts mit dem Konzept der Appropriate Technology (Emst 1982, S.99 ff)

10. Siehe zur Kritik der "small is beautiful"-Vorstellungen Neuhof 1982, S.221

11. Insbesondere in den späten 70er Jahren wurden Exportdiversifizierung und Importsubstitution als sich gegenseitig ausschüeßende Industrialisierungsstrategien diskutiert.

12. Die Kohärenz einer Volkswirtschaft bezeichnet hier den Grad der Input/Output- Beziehung einer nationalen Ökonomie. Hohe Kohärenz bedeutet also, daß ein großer Teil der Vorprodukte, die zur Produktion notwendig sind, im Land selbst produziert werden können. In Abgrenzung hierzu wird der Begriff der Homogenität umfassender im Sinne einer sozioökonomischen Homogenität verwendet.

(14)

schuß zu realisieren. U m weitreichende ökonomische Restrukturierungen zu bewirken, müssen Politiken formuliert werden, die Handlungsspielräume evaluieren, welche im Spannungsfeld zwischen effizienter Nutzung bekannter nationaler Ressourcen und extern geschuldeten Zwän­

gen liegen.

Eine solche Entscheidung zugunsten einer bestimmten Politik oder Entwicklungsstrategie wird also immer zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort, aber niemals autonom vom historischen Prozeß vollzogen.

Die Darstellung der Bedeutung des Problems der Technikwahl und des Technikeinsatzes im Rahmen der allgemeinen entwicklungstheoretischen Diskussionen mußte hier auf einer relativ oberflächlichen Ebene verbleiben und konnte nicht auf die vielen "Facetten" dieser Diskussion eingehen. Es zeigt sich, daß in der entwicklungstheoretischen Diskussion entweder - wie in der Neo-Klassik - die Technikentwicklung als reines Ergebnis der Marktentwicklung oder aber - wie in der dependenztheoretischen Betrachtung - die negativen Effekte eines uneingeschränkten Technikimports zum zentralen Punkt gemachen werden. Insbesondere bezogen auf das Problem der internen, nationalen Wirkung von Technik liegen hier Ansätze vor, deren Relevanz am kon­

kreten Fallbeispiel Südkorea im Verlauf der Arbeit überprüft werden soll.

Allerdings ist zu konstatieren, daß die verschiedenen Ebenen, auf denen Techniken eine Bedeu­

tung im Prozeß nachholender Industrialisierung erhalten, nur unzureichend erfaßt werden können, wenn allein die entwicklungstheoretische Diskussion als Basis der Untersuchung dient.

Daher soll im folgenden Abschnitt auf einige ausgewählte ökonomische Theorievarianten einge­

gangen werden, die m ehr implizit als explizit eben auch in die Entwicklungstheorie Einzug ge­

halten haben und die Erklärungskategorien für die Bestimmung der "Rolle von Technik" für Industrialisierungsprozesse bereitstellen.

2 Ökonomische Erklärungsansätze zu Bedeutung der Technik im Industrialisierungsprozess von Entwicklungsländern

Zu den hier zur Diskussion stehenden Theorievarianten zählen die "Demand-Pull" Theorie, die

"Supply-Push" Theorie", die "Lange-Wellen" Theorie, sowie die "Produktzyklus"-Theorie. Sie sind in den vergangenen Jahrzehnten stark divergent interpretiert worden; darüber hinaus haben sie - zumindest auf den ersten Blick - eine grundverschiedene Ausrichtung, das heißt ihr Erklä­

rungsanspruch bezieht sich auf einen jeweils anderen Teilbereich des Zusammenhanges von Technik und Ökonomie.

W elche Determinanten können aus den Theorien selektiert werden, um die nationalen Adap­

tionskapazitäten und Möglichkeiten zur zielgerichteten W eiterentwicklung bzw. eigenständigen Entwicklung von Techniken zu erfassen?

(15)

- 1 1 -

2.1 Supply-Push versus Demand-Pull als innovationstheoretische Ansätze

Von den zwei grundlegenden Innovationstheorien "Supply-Push" und "Demand-Pull" ausgehend können technikorientierte Verbindungslinien einmal zu den Theorien der zyklischen Entwick­

lung der Kapitalakkumulation und zum anderen zu der entwicklungstheoretischen Betrachtung im vorangegangenen Abschnitt gezogen werden.

Die Supply-Push Theorie ist eine der am häufigsten diskutierten Ansätze, insbesondere im Zu­

sammenhang m it den Arbeiten von Schumpeter (1980).

D er Wendepunkt von einer ökonomischen Depressionsphase zum Aufschwung wird dieser Theorie zufolge durch die Innovationsfähigkeit der Unternehmen bestimmt (vgl. ebenda, S.214).

Mittels einer neuen Technik entscheiden sie, ein neues Produkt auf dem M arkt anzubieten, das sich erst im letzten Schritt seine eigene Nachfrage schafft. Der Entwicklungsprozeß einer Technik wird bestimmt als der monodirektionale Zusammenhang von Wissenschaft, Technik und Produktion (Ökonomie), wobei angenommen wird, die W issenschaft bringe außerhalb der gesellschaftlich-ökonomischen Sphäre (vgl. Dosi 1984 a, S .ll ) neutral in einem als "trial and error" zu verstehenden Prozeß die Techniken hervor, die sozusagen den "Katalog" für den risi­

kobereiten Unternehmer darstellen (vgl. Coombs 1987, S.98f). Damit wird nicht nur die ökono­

mische Entwicklung, sondern ebenso die Restrukturierung und/oder Transformation einer indu­

striellen Struktur in der Krise letztendlich monokausal durch einen exogenen Faktor erklärt, der zwar dynamisierend wirkt, aber nicht rückwirkend selbst Gegenstand der Veränderung ist.

Den theoretischen "Gegenpol" stellt die Demand-Pull Theorie dar. Die zentrale Kategorie in dieser Theorie ist die Nachfrage; sie gibt den Untemnehmen das "Signal" für Investitionen und damit für den technischen W andel einer Produktionsstruktur, was immer gleichbedeutend mit Modernisierung ist (siehe insbesondere Fransman 1985, S.596). Daß der Erfolg einer

"produzierten Innovation" direkt m it der Nachfrage verbunden ist, erscheint als eine banale Fest­

stellung. Im Umkehrschluß führt dies jedoch dann zu der Aussage, daß die Schwankungen der Nachfrage als zentrale Variable innerhalb der Ökonomie gelten und damit sowohl der technische W andel in der Produktion als auch die Zyklizität der Krise determiniert wird.

Hierdurch ist allerdings noch keineswegs geklärt, welche Faktoren bestimmend für eine schwan­

kende Entwicklung oder eine gravierende Veränderung der Nachfragestruktur oder des Nach­

frageniveaus sind.

13. Als Nachfrage ist hier und im weiteren sowohl die Konsumnachfrage als auch die Staatsnachfrage gemeint.

Beide Nachfragetypen haben grundsätzlich eine sehr ähnliche Bedeutung für die Diffusion neuerer Techniken. Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Nachfragetypen besteht jedoch darin, daß die Staatsnachfrage direkt zur Steuerung des Diffusionsprozesses genutzt werden kann.

14. Vgl. zur Kritik an der neoklassischen Theorie des technischen Fortschritts (Stanger 1988, S.214 ff) 15. Der Unterscheidung zwischen Nachfragestruktur und Nachfragernvau kommt im Zusammenhang mit den Entwicklungsländern eine erhebliche Bedeutung zu. Die Nachfragestruktur bezeichnet das konkrete Produktmix, das nachgefragt wird, während das Nachfrageniveau die durchschnittliche Höhe der realen Kaufkraft bezeichnet.

Beide Begriffe hängen sehr eng zusammen. Ein Anstieg des Nachfrageniveaus wird auch die Nachfragestruktur dahingehend verändern, daß der Anteil der höherwertigeren Konsumgüter an der Gesamtnachfrage steigt.

Außerdem ist in den meisten Entwicklungsländern eine ausgeprägte Heterogenität der Nachfrage feststellbar, bedingt durch eine sehr ungleiche Einkommensverteilung.

(16)

D er Nachfragestruktur bzw. dem Nachfragernveau wird in den entwicklungstheoretischen D is­

kussionen große Bedeutung beigemessen, wie bereits im vorangegangenen Abschnitt in bezug auf die Grundbedürfnisausrichtung der Produktion dargestellt wurde. Die effektive Nachfrage wird mit in die Betrachtung der Industrialisierung einer nationalen Volkswirtschaft eines Ent­

wicklungslandes einbezogen. Die Demand-Pull Theorie bestätigt die Nachfragedynamik als einen Bestimmungsfaktor, was die erfolgreiche Durchsetzung der Technik betrifft.

Die technische Entwicklung das Nachfrageniveau in den Industrieländern zeitigen weitreichende Folgen für die Entwicklungsländer. Die Konsumstruktur in den Industrieländern wird zu einem Faktor, der bestimmt, welche Produkte auf dem Weltmarkt nachgefragt werden. Für die Ent­

wicklungsländer ist diese Nachfrage eine externe Vorgabe für Exporte überhaupt und ist eben unabhängig von der jeweiligen Konsumstrukturin den Entwicklungsländern. Diese nationale Konsum struktur ist wiederum abhängig nicht nur von der effektiven Nachfrage, sondern auch von der Einkommensverteilung. Bei starker Ungleichheit der Einkommen entsteht für einen kleinen Teil der Bevölkerung eine Konsumstruktur, die vergleichbar ist mit der in den Industrieländern.

Unter dieser Prämisse ist die Anwendung der für diese Produkte - in einem bestimmten Rahmen - notwendigen Techniken möglich. Ob davon jedoch ein globaler Industrialisierungseffekt aus­

gehen kann, bleibt noch unbestimmt.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Demand-Pull Theorie sei hier noch genannt. Während diese zwar Ansätze für die Erklärung der Ausrichtung einer Technik angeben kann, sind hierauf basie­

rend kaum konkrete Aussagen auf der mikroökonomischen Ebene hinsichtlich des dort lokali­

sierten Technikentwicklungsprozesses zu treffen. Der genauere Zusammenhang zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und technischem Wandel bleibt im Dunklen.

2.2 Lange-Wellen-Theorie als Ansatz zur Erklärung zyklisch auftretender Häufungen von Innovationen

Im Unterschied zu den kurz- und mittelfristig wiederkehrenden Konjunkturzyklen, den soge­

nannten Kitchin- oder Juglarzyklen (vgl. die Ausführungen bei Altvater, Hoffmann, Semmler 1979, S.229 f.), wurde in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts von Kondratieff das Phänomen einer langfristigen (45-60jährigen) Zyklizität der Akkumulationsdynamik beschrieben. In Langfristanalysen verschiedenster Indikatoren zeigt Kleinknecht (1984 a,b), daß sich seit dem letzten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts die Lange-Wellen-Hypothese empirisch bestätigen läßt, womit jedoch noch nicht der sozusagen gesetzmäßige Charakter im Sinne einer Zyklizität als ve­

rifiziert gelten kann. Im Kontext dieser Arbeit sind gerade die Erklärungsansätze für den unteren W endepunkt von In te re sse ^ , die den Faktor Technik in den Vordergrund stellen. Die Ansätze innerhalb der Lange-Wellen-Theorien, die revolutionierende Innovationen als Erklärung für das langfristige A uf und Ab der ökonomischen Entwicklung heranziehen, lehnen sich u. a. an J. A.

16. Gemeinhin wird Nikolai Mitrieviec Kondratieff als Entdecker der deshalb nach ihm benannten "Welle" geführt.

Demgegenüber stellt Kleinknccht fest, daß schon 1913 und 1915 van Gelderen bzw. de Well eingehende Analysen zum Phänomen der Langen Wellen publiziert haben. (Kleinknecht 1984 a, S.234)

17. Hier und im weiteren im ökonomischen Sinne verstanden

(17)

- 13-

Schumpeter an. "Diese Revolutionen formen periodisch die bestehende Struktur der Industrie um, indem sie neue Produktionsmethoden einführen: die mechanisierte Fabrik, die elektrifizierte Fabrik, die chemische Synthese oder neue Güter: Eisenbahn, Autos, elektrische Geräte; oder neue Organisationsformen: Diffusionsbewegung; oder neue Versorgungssysteme

(Schumpeter 1980, S.114)

Technische Neuerungen, treten sie gehäuft auf, haben eine Initialwirkung für eine neue lange Aufschwungphase. Träger dieser "Initialzündung" sind die Unternehmer, deren Pioniergeist den Aufschwung in Gang bringt.

Die neueren Studien zu diesem Thema lehnen sich zumindest in Teilbereichen an die Arbeiten von Kondratieff und Schumpeter a n . ^

Für die Fragestellung dieser Arbeit sind vor allem die Arbeiten von Kleinknecht (1981 und 1984 b) hervorzuheben, dessen Anspruch es ist, den unteren W endepunkt endogen aus der Akkumula­

tionsdynamik selbst zu erklären. Dabei bezieht er sich begrifflich auf die Arbeiten von Mensch (1975), der radikale technische Veränderungen, sogenannte Basisinnovationen, als Ursache für die Zyklen bezeichnet.

Als Basisinnovationen definiert er "die Eröffnung eines neuen Weges, einer neuen Arbeitsweise oder Technologie, also eines neuartigen Tätigkeitsbereiches, (...)."(Mensch 1975, S.54). Die Be­

deutung einer solchen Innovation, so kann weitergehend formuliert werden, besteht insbesondere darin, daß ihre W irkung nicht nur auf eine Branche oder einen industriellen Sektor beschränkt bleibt, sondern alle Branchen tangiert, wovon dann insbesondere die Kohärenz nationaler Industriestrukturen betroffen ist: Neue Industriezweige entstehen oder revolutionieren alte, so daß sich neue Anlagesphären entwickeln, die überdurchschnittliche Profitraten

(Kapitalrentabilitäten) erwarten lassen.

Die Durchsetzung dieser Innovationen wirkt zum einen auf das Input/Outputgefüge einer natio­

nalen Ökonomie und zum anderen auf die internationale Arbeitsteilung (Handelsströme und Produktionsstandorte). Beide Veränderungen führen unter Umständen zu einem Bedeutungsan­

stieg einzelner Branchen oder aber auch zu einem Niedergang ehemals tragender Branchen. In dem Maße, in dem die Innovationen jedoch zum Standard innerhalb der Produktion werden, verlieren die Leitsektoren 19 ihre treibende Kraft für die Dynamik der Akkumulation. Explizit wird in der Lange-W ellen-Theorie hervorgehoben, daß grundlegende bzw. Basisinnovationen nicht gleichmäßig über die Zeit verteilt sind, sondern in bestimmten historischen Momenten konzentriert auftreten.^O

18. Wieder ins Zentrum gerückt wurde diese Diskussion durch die Beiträge von Mandel (1974 und 1981), der basierend auf der Marxschen Analyse die Dynamik der langfristigen Entwicklung der Akkumulation als ein über die Konkurrenz vermitteltes Zwangsgesetz begreift. Der Übergang von der Depression zur Boomphase wird von ihm durch verschiedenste Faktoren erklärt, die als exogene Faktoren die Ökonomie wieder in eine lange Phase der Prosperität überführen.

19. Als Leitsektoren (tragende Branchen) werden in dem hier gewählten Zusammenhang die Sektoren betrachtet, die innerhalb einer nationalen Ökonomie über eine bestimmte Zeitperiode die höchsten Wachstumsraten der Produktion aufweisen und demzufolge das "dynamische Zentrum" bilden; häufig zeichnen sich die Unternehmen in diesen Sektoren durch eine hohe vertikale Diversifizierung aus.

20. Diese Argumentation gilt heute durch die Untersuchung von Kleinknecht (1984 a) und Mensch (1975) als empirisch abgesichert. Von ihnen wurden verschiedenste Indikatoren wie zum Beispiel Patentanmeldungen analysiert

(18)

In den verschiedenen Untersuchungen, in denen der Versuch unternommen wird, das Lange- W ellen-Phänomen empirisch zu verifizieren, differiert die zeitliche Bestimmung der Aufstiegs- bzw. Abstiegsphasen um bis zu 11 Jahre (vgl. Huber 1985 S.53), was allein allerdings kaum als ausreichendes Argument gegen die Theorie ausreicht. Erst durch die zeitliche Bestimmung des Innovations "clusters", wie sie von Lutz (1984) als zentrale Kritik an der These eines durch neue Techniken initiierten langen Aufschwungs formuliert wurde, läßt sich "zunächst für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (...) ganz eindeutig belegen, daß die von Mandel als dritte techno­

logische Revolution bezeichneten Innovations schübe auf der hier allein relevanten Ebene der in­

dustriellen Produktion dem Beginn des schnellen Wirtschaftswachstums nicht vorausgingen, sondern vielmehr nachfolgten" (ebenda, S.49). Damit sind die Innovations schübe das Ergebnis verstärkter Investitionen, die die Modernisierung des Produktionsapparates zur Folge haben, da notwendig immer die neuesten Maschinen zur Anwendung kommen. Zweitens läßt sich ein

"time lag" zwischen Innovation und Anwendung dieser neuen Technik feststellen. So fand zum Beispiel die Verwendung des Otto- bzw. Dieselmotors - die beide nichts anderes waren als Sub­

stitute der Dampfmaschine - als Antriebsaggregat des Automobils erst in diesem Jahrhundert ihren Platz, obwohl die Erfindung des Verbrennungsmotors bis weit in das 19.Jahrhundert zurückgeht (vgl. Knie 1989, S.27ff). Diese Durchsetzung der M otorentechnik vollzog sich parallel zur Durchsetzung der Automobilindustrie zum prototypischen Leitsektor der Nachkriegszeit.

Es wäre also genauer zu bestimmen, in welchem räumlichen, aber vor allem zeitlichen

Zusammenhang Innovationsprozesse und die Herausbildung eines Leitsektors, deren genuin prä­

gender Bestandteil eben ein neues technisches Artefakt ist, stehen.

Kritik gegenüber der zentralen Bedeutung von Leitsektoren für langfristige ökonomische Ent­

wicklungen wurde von Hübner und Stanger (1986) formuliert. Beide Autoren kommen in bezug auf die Bundesrepublik ebenso wie van Duijn (1981) für die USA zu dem Ergebnis, daß Leitsektoren wie die Automobil- und die Luftfahrtindustrie auch in Phasen gesamtwirtschaft­

licher Depression noch weiter expandieren. In Branchen, in denen schon in der Zeit vor dem Zweiten W eltkrieg Basisinnovationen zur Anwendung kamen wie in der Kunststoff-, mineralöl­

verarbeitenden, chemischen und elektronischen Industrie und ebenso in den schon für die USA festgestellten Branchen, Flugzeugbau und PKW-Industrie, kann auch in den 70er Jahren immer noch eine Expansion verzeichnet werden (vgl. ebenda).

Die abnehmende Bedeutung der alten Leitsektoren in Zeiten mit depressivem Grundton, wie sie in verschiedenen Interpretationen der Langen-Wellen-Theorien angenommen wird, läßt sich damit empirisch nicht belegen. Die in dieser Situation konstatierte Expansionsdynamik läßt sich meines Erachtens unter anderem darauf zurückführen, daß in diesen Branchen eine relativ schnelle Adaptionsfähigkeit neuester Techniken besteht. Eines der bekanntesten Beispiele hier­

für ist die seit Anfang der 80er Jahre ausführlich diskutierte Entwicklung in der Automobil­

industrie, in der heute intensiv m it neuesten Prozeßtechniken (z.B. Robotern und CAD/CAM- Systemen) experimentiert wird (vgl. Jürgens, Malsch, Dohse 1989, S.56ff und Castells 1988, S.122).

21. Siehe hierzu ausführlich Stanger 1988, S.422

(19)

- 1 5 -

Für die in dieser Arbeit zentrale Fragestellung haben die Lange-Wellen Theorien einige interessante Einblicke gebracht. Das periodische Auftreten grundlegend neuer Techniken er­

zwingt vermittelt durch die Konkurrenz nicht nur innerhalb der Branche, in der sie zuerst einge­

führt wird, sondern auch in anderen Branchen eine weitgehende Erneuerung der Produktionsmittel.

Daraus läßt sich die These ableiten, daß sich in der langen Phase zwischen zwei Aufschwüngen eine annähernd verallgemeinerte dominante Technikstruktur herausbildet.

2.3 Die Produktzyklustheorie als Ansatz zur Erfassung der technischen Entwicklung eines Artefakts und der Produktinternationalisierung

In direktem Zusammenhang mit den zuvor diskutierten Länge-Wellen Theorien steht das

"Produktzyklus-Argument" von Mensch (1975) und van Duijn (1981). Die Herangehensweisen basieren auf den Arbeiten von Kuznetz. Übereinstimmung besteht in der grundlegenden Defini­

tion: "The life cycle o f a major innovation indicates how a innovation develops over time, measured as the output accounted for by that innovation." (van Duijn 1981, S.265)

Bemerkenswert ist dabei, daß hier ausschließlich auf Produktinnovation rekurriert wird, sowohl Prozeß- als auch Basisinnovationen bleiben außer Betracht.

Der Lebenszyklus eines Produktes wird in drei Phasen unterteilt (Einführungs-, Wachstums- und Ausreifungsphase), und der entscheidende Indikator ist die Outputmenge bzw. das Verkaufsvo­

lumen. Die Zyklizität jeder einzelnen Phase wird bestimmt durch das jeweilige Verhältnis der Produktionsfaktoren zu einander, die als Input in den Produktionsprozeß ein gehen. 22

Die erste Phase, in der ein Produkt erstmals aufgelegt wird, ist dadurch gekennzeichnet, daß weder das gesamte Produktionsverfahren noch das reibungslose Ineinandergreifen der ver­

schiedenen Produktions schritte ausgereift sind. D er "Know How"-Bedarf ist zu diesem Zeit­

punkt sehr groß, oder mit anderen Worten, dem Ingenieur- und Organisationswissen kommt eine strategische Rolle zu. Die Kapitalintensität ist zu diesem Zeitpunkt noch gering und die econo­

mies of scale können noch nicht genutzt werden. Dies führt wiederum zu einem relativ hohen Stückkostenpreis.

Die Auflösung dieser Konstellation läßt das Produkt in die Wachstumsphase (zweite Phase) übergehen.23

Die Produktion kann sukzessive in Serien- bzw. Fließbandproduktion überführt werden. Dieser Prozeß geht einher m it einer höheren Technisierung pro Arbeitsplatz. Da der bestehende Pro­

duktionsapparat notwendigerweise immer mehr auf ein einzelnes Produkt ausgerichtet wird, sinkt die Flexibilität der Produktion. Um so weiter dieser Prozeß vorangeschritten ist, desto ver- lustträchtiger wird es für ein Unternehmen, den einmal eingeschlagenen Weg wieder zu verlas­

sen. Eine Umorientierung würde heißen, daß das bis zu diesem Zeitpunkt bereits investierte Ka- 22. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Vemon (1966), der anhand des Produktlebenszyklus die Export-, Importentwicklung der USA erklärte, und auf Schoeller (1976), der explizit die Produktzyklustheorie zur Erklärung von Produktionsstandorten heranzieht.

23. Die Auflösung der Konstellation wird meistens mit Ausweitung der Nachfrage begründet, was verschiedene Ursachen haben kann.

(20)

pital in Maschinen und F&E endgültig verloren wäre. In Folge dieser Entwicklung wird der Arbeitsprozeß m ehr und mehr durch repetitive Tätigkeiten bestimmt und die Funktion des Ingenieurwissens verliert an Bedeutung.Dieser Prozeß, findet dann in der dritten Phase seine Vollendung. Der Produktionsprozeß ist weitgehend in Teilprozesse zerlegt. Sowohl der Produk­

tionsprozeß als auch das Produkt selbst sind ausgereift und standardisiert (vgl. Vemon 1966, S.202f).

In der dritten Phase kann erstens die Outputmenge erhebüch gesteigert werden, was gleichbe­

deutend ist mit der Nutzung der "economies of scale" und sinkenden Stückkosten.

Zweitens sind, Standardisierungen sowohl der Produktion als auch des Produktes in dieser Phase zwei parallel verlaufende, aber nicht voneinander unabhängige Entwicklungen. W ährend der Phasen eins bis drei wurden die zur Anwendung kommmenden Techniken weitestgehend opti­

miert.

Im Zuge dieser Optimierung hat das Produkt selbst sich verändert. Sowohl das Design als auch die Qualität werden in nicht unbeträchtlichem Ausmaß durch die Technik bestimmt. Soll ein Produkt z.B. halb- oder vollautomatisch montiert werden, dann müssen alle Komponenten so konstruiert sein, daß sie z.B. von "Robotern" montiert werden können. Der technische Standard des Roboters bestimmt folglich bis zu einem bestimmten Grad das Design des P r o d u k t s .D a s Design spielt aber auf der Ebene der Konkurrenz eine nicht zu unterschätzende Rolle, da die Durchsetzung des Produkts mit seinem "Outfit" auf dem Markt nationale und internationale Konsumentenansprüche prägt. Später auf dem Markt erscheinende Konkurrenten können sich deshalb auch diesem Standard nicht entziehen und sind gezwungen, das produktionstechnische Niveau zum Teil zu kopieren. Dieses Determinanzverhältnis ist zwar weitaus schwächer

ausgeprägt als das erstgenannte, sollte aber nicht vernachlässigt w e rd e n .^ Mit der Durchsetzung des Produkts auf dem M arkt im Verlauf der Phasen eins bis drei verfestigen sich also auch die funktionalen und qualitativen Standards auf der Nachfrageseite, womit diese Faktoren gleichsam eine "Hürde" für die Unternehmen bilden, die als "late comers" in diesem Bereich konkurrieren wollen.26

Der entscheidende Punkt nun, der die Produktzyklustheorie zu einem möglichen theoretischen Ansatz zur Erfassung von Produktions Standortveränderungen macht, findet sich in der Behand­

lung von Stagnationstendenzen, wie sie in der dritten Phase eintreten.

Im Verlaufe der ersten beiden Phasen steigt die Kapitalintensität der Produktion durch eine Ausweitung der Fließproduktion. Die Standardisierung in der dritten Phase ist gleichbedeutend

24. Nicht nur das Design wird zum Teil durch die zur Verwendung kommende Technik mitbestimmt, sondern neue Techniken können auch Rückwirkungen auf die Gestaltungsspielräume haben.

25. Ein Beispiel dafür, daß das Design auch die Technik mitbestimmt, ist die Anwendung eines neuen Werkstoffes für ein Produkt, das dann sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch die Anforderungen an die Technik verändert.

Noch deutlicher wird die Bedeutung des Produktdesigns, wenn man die japanische mit der US-amerikanischen PKW-Industrie vergleicht. Allein im Bereich der Fertigung und Montage haben die japanischen Unternehmen eine um 38% höhere Effizienz, wovon allein 7% auf ein besseres Produktdesign entfallt, (vgl. Jürgens, Malsch, Dohse 1989, S.38). In ähnlicher Weise ist die Bedeutung von Sicherheit^ und Umweltnormen als externer Faktor der Technikentwicklung in diesen Komplex mit aufzunehmen.

26. Die expliziten Gegenargumentationen sind im Zusammenhang mit der Diskussion um die Imitationsmöglichkeit und -Fähigkeit entwickelt worden. Im folgenden Abschnitt wird darauf noch einmal etwas genauer

zurückzukommen sein.

(21)

- 17-

mit einer Ausschöpfung potentieller technischer Neuerungen, was zumindest zu einem Rück­

gang der Rationalisierungsinvestitionen führt. 27 Damit verharrt die Kapitalintensität fortan auf dem einmal erreichten Niveau. W ar in der ersten und zweiten Phase gerade die technische W ei­

terentwicklung der Produktion für die Unternehmen der Faktor, der die Möglichkeit bot, im Konkurrenzkampf eine - wenn auch zeitlich begrenzte - Vorteilsposition zu beziehen, so ist dieser Weg in der dritten Phase blockiert. Die Variable, die nun als einzige verbleibt, um einen Konkurrenzvorteil zu erhalten bzw. zu erlangen, ist der Arbeitslohn.

In der Produktzyklustheorie wird damit der Lohn zur entscheidenden Größe für das mikroöko­

nomische Profitabilitätskalkül der Unternehmen. Dies stellt den "Dreh- und Angelpunkt" der Diskussion über etwaige neue Strukturen und Entwicklungen der internationalen Arbeitsteilung dar. Dabei wird von der kaum zu bestreitenden Grundannahme ausgegangen, daß sich die mei­

sten Entw icklungsländer^ in einer Situation befinden, die durch einen Mangel an investier­

barem Kapital (G e ld )^ , sehr vielen, aber schlecht ausgebildeten Arbeitskräften und wenig vor­

handenem produktionstechnischen oder organisationstechnischen W issen gekennzeichnet ist.

Diese Situation in Verbindung mit Massenarbeitslosigkeit und den damit eng im Zusammenhang stehenden sehr niedrigen L ö h n e n s t e l l t , so der Kern der Produktzyklustheorie, den Grund für Auslagerungsinvestitionen gerade der Produktionslinien dar, die sich in der dritten Phase der Ausreifung befinden.

Einige der hier ausgeführten Argumentationslinien der Produktzyklustheorie erscheinen äußerst mechanistisch, enthalten aber eine gewisse theoretische Plausibilität und auch empirischen Gehalt. Hierzu lassen sich z.B. einige Bereiche der Elektroindustrie oder die Textil- und Beklei­

dungsindustrie anführen. Weite Teile dieser Produktionslinien waren überwiegend nach Ostasien ausgelagert worden, was Arbeitsplatzabbau in diesen Branchen in der Bundesrepublik, aber nicht nur hier, zur Folge hatte, (vgl. Fröbel, Heinrichs, Kreye 1975, S.75)

Reduziert man die Produktzyklustheorie auf ihren Kemgehalt, dann besagt sie , daß sich im Verlaufe der drei Phasen sowohl die Prozeßtechniken und Produktionsorganisationen als auch das Produkt in seiner Ausgestaltung vollkommen standardisiert haben. Zwangsläufig determi­

niert das Produkt die zur Verwendung kommende T e c h n ik ^ .

27. Die Aufteilung der Investitionen muß hier rein analytisch verstanden werden, da z.B. Ersatzinvestitionen immer auch verbunden sind mit einer stofflich technischen Veränderung, somit gleichzeitig Verbesserungsinvestitionen darstellen, (vgl. Altvater, Hübner, Stanger 1983, S. 99)

28. Bei dieser Betrachtung wird häufig ziemlich undifferenziert die Gesamtheit aller Entwicklungsländer "über einen Kamm geschoren".

29. Dieser Spezifizierung kommt deshalb Bedeutung zu, weil die bloße Existenz von Geld als Spargeld, das in sehr vielen Entwicklungsländern - bedingt durch eine äußerst ungleiche Einkommensverteilung vorhanden ist - nicht allein die hinreichende Bedingung dafür darstellt, daß es als Investitionsfonds auch zur Anwendung kommt.

Kapitalflucht und "graue Kapitalmärkte" sind Phänomene, die allenthalben in Entwicklungsländern zu beobachten sind. Sie sind Ausdruck der Krise in diesen Ländern.

30. Die Situation ist in den von den nationalen Regierungen gegründeten, freien Produktionszonen besonders zugespitzt (vgl. Fröbel, Heinrichs, Kreye 1986, S.447), in denen die ohnehin nur fragmentarisch vorhandenen Arbeitsgesetzgebungen und sozialen Sicherungssysteme noch in vollem Umfang außer Kraft gesetzt sind.

31. Dies gilt auch bei Auslagerungsinvestitionen von multinationalen Konzernen, die ihre Produktion oder Produktionssegmente in eigener Regie in einem Entwicklungsland aufbaucn, hierbei aber kaum die bewährte Technologie speziell für dieses Land modifizieren.

(22)

Die sich in der dritten Phase herausbildete Stagnationstendenz der Kapitalintensität vollzieht sich auf einem relativ hohen Niveau, da schon zuvor die gesamte Palette der Verbesserungsinvesti­

tionen zur Anwendung kam. Von daher weisen die sich während des Produktzyklus herausbil­

denden technischen Strukturen hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen und der potentiell zu realisierenden niedrigen Lohnstückkosten Kompatibilitäten mit den in den Entwicklungslän­

dern vorzufindenen Bedingungen auf.

Demgegenüber korrespondiert die relativ hohe Kapitalintensität der Produktion in den ersten beiden Phasen nicht m it der Kapitalaufbringungsfähigkeit in den meisten

Entwicklungsländern. 32

3 Technik und Industrialisierung - Eine zusammmenfassende Betrachtung

In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden verschiedene ökonomische Theorien nach ihrem Erklärungsgehalt einmal im Hinblick auf die Bedeutung der Dynamik der Technik als einer Determinante im Industrialisierungsprozeß und zweitens in bezug auf die Technikent­

wicklung (Innovationen) befragt.

M ehr implizit als explizit wird die Frage nach den Bestimmungsfaktoren der eigentlichen Tech­

nikgestaltung behandelt. Techniken lassen sich basierend auf diesen theoretischen Ansätzen zwar analytisch unterscheiden - zum Beispiel in Produktinnovation und Basisinnovation - aber insbesondere die Zuordnung einzelner technischer Artefakte zu diesen Innovationstypen ist äußerst problematisch. Hinzu kommt, daß eine derartige Einordnung, wenn sie durchgeführt wird, nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort Gültigkeit beanspruchen kann, da schon allein das Wissen um eine technische Problemlösung und/oder die potentielle Einsatzfähigkeit im Zusammenhang mit völlig anderen Problemlösungsaufgaben eine neue Kategorisierung erfordern kann.

So werden zum Beispiel bestehende Produktlinien durch Ergebnisse der W erkstofforschung hin­

sichtlich ihrer Qualität verändert, was zur Folge haben kann, daß die potentiellen Nachfrage oder die Zahl der Anwender zunimmt. Auch Innovationen im Bereich der Produktionstechnologien bleiben nicht auf den Bereich beschränkt, für den sie ursprünglich entwickelt wurden, sondern diffundieren sowohl inter- als auch intrasektoral.

W enn aber jede ursprünglich für einen speziellen Bereich geplante Innovation potentiell als Basisinnovation für einen anderen Bereich fungieren kann, reduziert sich der Erklärungsgehalt von Begriffen wie Verbesserungsinnovation und Basisinnovation erheblich.

Unabhängig von solchen Kategorisierungsschwierigkeiten besteht theoretisch wie empirisch weitgehendes Einvernehmen darüber, daß Innovationen diskontinuierlich auftreten. Ihre jew ei­

lige zeitliche Lokalisierung im Zyklus selbst aber ist umstritten. W ährend die Länge-W ellen Theorie davon ausgeht, daß die Häufung implementierter Innovationen in der Depressionsphase den Aufschwung einleitet, läßt sich mit nicht wenig Plausibilität die Gegenthese aufstellen, daß es die sich verschärfende Konkurrenz für die Unternehmen während der Abschwungphase zwin- 32. Der Begriff der Entwicklungsländer ist hier, wenn nicht näher spezifiziert, durchgängig exklusive den

erdölproduzierenden Staaten verwendet worden. Insbesondere hinsichtlich der Fähigkeit, Kapital oder Devisen für Investitionen aufzubringen, ist die Situation in den erdölexportierenden Ländern dank der "Öl-Monopolrenten" nicht vergleichbar mit den Bedingungen in den meisten Entwicklungsländern. (vgl.Mandel 1987, S.4Of)

(23)

- 19-

gend notwendig macht, neue Techniken in den Produktionsprozeß zu implementieren. Dieser Entwicklungsprozeß muß nicht notwendigerweise m it steigenden Produktionskapazitäten ver­

bunden sein, solange über der Schwelle produziert wird, die die Ausnutzung der "economies of scale" ermöglicht.An dieser Stelle wird deutlich, daß nicht nur der Charakter der Technikent­

wicklung, sondern eben auch ihre Geschwindigkeit tiefgreifende Auswirkungen auf Industriali­

sierungsverläufe hat.

Dies ist in m ehrfacher Hinsicht von besonderem Interesse:

1. hinsichtlich der Häufigkeit der Einführung grundsätzlich neuer Techniken und der "Tiefe" der mit dieser Einführung verbundenen Veränderungen,

2. hinsichtlich der nationalen und internationalen Ausbreitung einer neuen Technik.

Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen: a) den Veränderungen, die sich hinsichtlich der Konkurrenzsituation in einer Branche und der Bedeutung der verschiedenen Branchen inner­

halb einer nationalen Ökonomie zeigen, b) und den Veränderungen der nationalen gesellschaftli­

chen Organisationsformen ( z.B. Arbeit) durch die Einführung neuer Techniken, c) Auf der internationalen Ebene hingegen verändern die neuen Techniken die Konkurrenzbeziehungen, womit die sich historisch herausgebildeten hierarchischen bzw. hegemonialen Beziehungsstruk­

turen zwischen den Nationalstaaten eine Änderung erfahren.

Für diese Betrachtungsweise lassen sich die bisher zur Diskussion gekommenen Theorieansätze folgendermaßen heranziehen:

Die Dynamik technischer Entwicklung kann erfaßt werden als die konkrete Entstehung von Techniken innerhalb von Nationalstaaten (Innovationstheorien), hervorgebracht durch die For­

schung und Entwicklung der Unternehmen und die zum Teil staatlichen Forschungseinrichtun­

gen. Forschung und Entwicklung erhalten dabei ihre Bedeutung auf drei Ebenen:

1. für die Entwicklungen neuer Techniken (Innovation) 2. für die M odifizierung bekannter Techniken und 3. für die Imitation bekannter Techniken.

Alle drei Ebenen sind eng mit einander verknüpft. Die "Know How"-Intensität ist äußerst unter­

schiedlich, insbesondere dann, wenn man die Modifikation und Imitation bekannter Techniken mit den Anforderungen, die bei der Generierung neuer Techniken entstehen, vergleicht. Die Entwicklung neuer Techniken vollzieht sich und kann sich nur vollziehen unter Ausschöpfung neuester (Er)Kenntnisse sowohl der Material- als auch der Prozeßtechniken.

Die Verfügbarkeit über eben diese Kenntnisse ist nicht nur eine Frage des direkten Zugangs, sondern vor allem auch der gesammelten Erfahrungen im konkreten Produktionsprozeß. Im Ge­

gensatz hierzu sind die Ebenen 2 und 3, also Modifikation und Imitation bekannter Techniken, auf einem erheblich niedrigeren Niveau zu verorten. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben diese beiden Ebenen in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der erstarkenden Konkurrenzfähigkeit besonders der ostasiatischen Schwellenländer auf verschiedenen Teilmärkten verstärkt die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. 33 Das unzweifelhaft bestehende technische Kompetenzge­

fälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geht einher mit einer Verteilung der drei technischen Entwicklungsebenen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Diese

33. Dies trifft hauptsächlich auf Imitationen zu, die häufig als Produktpiraterie bezeichnet werden. Hiervon sind in erster Linie Markenprodukte betroffen, die allein durch einen exklusiven Markennamen überdurchschnittliche Verkaufserlöse erzielen, vgl. zu unkonventionellen Formen des Technologietransfers Meyer-Stamer 1987

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