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Ausbildung, Arbeit und Technik

Im Dokument FS n 90-101 (Seite 64-69)

5 Differenzierungs- und Hierarchisierungsprozess der Entwicklungsländer - Das Schwellenländer Phänomen

8 Südkoreas Weg zum Schwellenland

8.5 Ausbildung, Arbeit und Technik

Die Durchführung technischer Imitationen, Modifikationen und auch Innovationen ist in sehr hohem Maße von "Know How" abhängig. Erst das Wissen um die Funktionsweise eines

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-sehen Artefaktes ermöglicht eine produktive Anwendung in der Fabrikation. Dies gilt ganz be­

sonders für die nationale Adaption von importierten Techniken, da diese eine technologische Stufe repräsentieren, die mit der in den Entwicklungsländern nicht oder nur zum Teil kompatibel ist. Die Anforderungen, die aus dem Import einer Technik resultieren, betreffen zum einen die ingenieurwissenschaftlichen Kennmisse - also die Planung und den Aufbau einer Produktion - und zum anderen die während der Produktion notwendige Qualifizierung der Belegschaft, die eine störungsfreie Produktion gewährleistet. Gerade den ingenieurwissenschaftlichen Kennt­

nissen kann, insbesondere in bezug auf die (Weiter)Entwicklung eines nationalen technologi­

schen Niveaus, eine besondere "Rolle" zugesprochen werden. Die Erweiterung dieser Kenntnisse - allgemeine wie auch spezifische - kann auf nationaler Ebene einen M ultiplikatoreffekt haben, der das technologische Niveau erhöht und damit sowohl die Adaption von importierten Tech­

niken erleichtert als auch technische Imitationen, Modifikationen und auch Innovationen ermöglicht.

Die in den Entwicklungsländern bestehenden konkreten Formen der Organisation von Arbeit und Ausbildung werden demzufolge zu Variablen, die in ihrer Bedeutung für die Adaption und Entwicklung von Techniken nicht unterschätzt werden dürfen.

In der südkoreanischen Gesellschaft spielte Bildung, unter anderem bedingt durch die konfuzia­

nische Tradition, eine überaus große Rolle (vgl. Hwang 1988, S.278). Vor allem m it dem

"Einstieg" Südkoreas in eine überwiegend weltmarktassoziative Industrialisierung, stieg der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften rapide an (vgl. Kim, Y.B. 1980, S.253). Nicht nur in den m eisten Entwicklungsländern, sondern auch in den meisten Industrieländern wird der Aus­

bildungssektor weitgehend staatlich reguliert. Dies gilt in ausgeprägter Weise für die allgemein- bildenden Schulen, die auch in Südkorea staatlich organisiert sind. Für die hier zugrunde lie­

gende Fragestellung muß dem Verhältnis von privater und öffentlicher Ausbildung in techni­

schen Berufen besonderes Augenmerk geschenkt werden (vgl. Kim, J.W. 1989, S.530f).

Die Ausbildung zum Ingenieur wird nur zu einem geringen Teil an den staatlichen Forschungs­

instituten angeboten, die - wie schon dargestellt - in erster Linie stark anwendungsorientierte Forschung im Auftrag der Industrie betreiben und damit eine gewisse "Nähe" von Ausbildung und industrieller Nutzung von Technik gewährleisten. D er weitaus größte Teil der ingenieur­

wissenschaftlichen Ausbildung wird jedoch an den technischen Universitäten des Landes durch­

geführt, die sich wie die meisten Universitäten in Südkorea in privatem Besitz befinden. W äh­

rend in den Jahren zwischen 1967 und 1971 gerade 72.000 Studenten in technischen Berufen unterrichtet wurden, konnte diese Zahl bis 1977-1981 um über 300% gesteigert werden. Dies immerhin vor dem Hintergrund, daß bedingt durch die konfuzianische Ethik gerade naturwissen­

schaftlich-technische Berufe im Vergleich bspw. zu sozialwissenschaftlichen Berufen ein nur geringes gesellschaftliches Ansehen genießen.

Neben der Ausbildung von Ingenieuren kommt, wie ausgeführt, der Ausbildung von qualifizier­

ten Facharbeitern eine große Bedeutung zu. Die Gesamtzahl der in technischen Berufen Ausge­

bildeten konnte von knapp 100.000 im Zeitraum 1967 bis 1971 auf fast eine halbe Million 1977- 1981 erhöht werden. Dabei ist interessant festzuhalten, daß die staatlich organisierte überbe­

triebliche Berufsausbildung im erstgenannten Zeitraum noch geringfügig über 50% der gesamten Facharbeiterausbildung lag. W ährend sich in den folgenden zehn Jahren die Anzahl der staatlich ausgebildeten Facharbeiter ca. vervierfachte, ist die Anzahl der in der Industrie Ausgebildeten

sogar auf das sechsfache angestiegen, womit sich dann auch entsprechend die Anteile zugunsten der privaten Ausbildung verschoben hatten. Darüber hinaus veränderte sich auch die Struktur der Ausbildung grundlegend. In der zuerst erwähnten zeitlichen Periode lag auch der Anteil der überbetrieblichen Ausbildung in der Industrie bei über 30%, so daß staatliche und private über­

betriebliche Ausbildung zusammengenommen über 50% der Ausbildung ausmachten. Ein Bild, das sich bis zu dem Zeitraum 1977-1981 gewandelt hat: Nur noch ca. 150.000 von insgesamt ca.

375.000 Auszubildenden wurden überbetrieblich geschult (Daten aus ebenda, S. 282).

In der Phase des Übergangs von einer leichtindustriellen zu einer verstärkt schwerindustriellen Form der Industrialisierung war es gerade der Staat, der den Aufbau des Ausbildungssystems vorantrieb und somit zumindest teilweise den neu entstandenen Bedarf an technisch ausgebilde­

ten Fachkräften deckte. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte demzufolge die Verfüg­

barkeit ausreichend qualifizierter Arbeitskräfte für die schnelle und erfolgreiche Adaption der Techniken, die, notwendigerweise, für den Aufbau der schwerindustriellen Sektoren importiert werden mußten. Fachkräfte, sowohl Ingenieure als auch Facharbeiter waren trotz des sehr schnellen Aufbaus des Ausbildungssystems, bedingt durch die äußerst hohe Dynamik der öko­

nomischen Entwicklung, keineswegs im Überfluß vorhanden. "According to the findings, neither engineers nor more managers were found to be scarcest resources (...). Rather, expierienced" and skilled workers appeared to be in shorter supply (...)" (Amsden 1989, S.225).

Die Engpässe in bezug auf die Verfügbarkeit von erfahrenen und gut ausgebildeten technischen Fachkräften traten jedoch nicht in allen Industrien gleichmäßig auf. Mitte der 80er Jahre ließen sie sich nur noch in den Industrien feststellen, die schon seit längerem nicht mehr zu den tragen­

den "Säulen" der südkoreanischen Ökonomie gehörten. Daher erscheint es notwendig, die Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen knapp 30 Jahre in groben Zügen nachzuzeichnen.

Die Dynamik der südkoreanischen Industrialisierung, hauptsächlich seit Beginn der 60er Jahre, hat zu einer einschneidenden Veränderung der Verteilung der Erwerbstätigen auf die W irt­

schaftssektoren geführt. Zwischen 1964 und 1985 ist der Anteil der Erwerbstätigen im landwirt­

schaftlichen Sektor um mehr als die Hälfte von 61,9% auf 24% zurückgegangen, während er im gleichen Zeitraum im industriellen Sektor von 6,8% auf 24,3% und im Dienstleistungssektor von 29,3% auf 50,6% anstieg (Daten aus EPB 1986). Die erstaunlich starke Zunahme der Bedeutung des Dienstleistungssektors hat sich jedoch erst in der ersten Hälfte der 80er Jahre vollzogen; in den 60er und 70er Jahren wurden die meisten Arbeitskräfte von dem sehr schnell wachsenden industriellen Sektor absorbiert.

Der weitaus größte Teil derjenigen Arbeitskräfte, die in den 60er und 70er Jahren in den in­

dustriellen Ballungsgebieten Arbeit fanden, stammte aus den ländlichen Gebieten und hatte dort zuvor im Agrarsektor gearbeitet.

W ie schon beschrieben, waren nach der Landreform - Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre - viele landwirtschaftliche Parzellen zu klein, um aus deren Bewirtschaftung ausreichend Ein­

kommen zu erzielen. Da in der Industrie vergleichsweise hohe Löhne gezahlt wurden, wechsel­

ten zwangsläufig viele aus der Landbevölkerung dort hin. Basierend auf einem im internationa­

len Vergleich sehr niedrigen Einkommensniveau, lagen in der zweiten Hälfte der 50er Jahre und in der ersten Hälfte der 60er Jahre die Wachstumsraten der Reallöhne in der Industrie im Durch­

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-schnitt unter 2%. Erst in den folgenden Jahren erhöhten sich diese W achstumsraten leicht und waren zwischen 1976 und 1979 erstmals mit durchschnittlich über 10% über einen längeren Zeitraum relativ hoch (vgl. Amsden 1989, S.195 ff). Dieser Befund bestätigt sich auch, wenn m an die südkoreanischen W achstumsraten der Reallöhne m it den W achstumsraten der

Arbeitsproduktivität zwischen 1971 und 1983 vergleicht. Nur in den Jahren 1973 und 1976-1978 lagen die W achstumsraten der Reallöhne höher als die der Arbeitsproduktivität (vgl. Casse 1985, S.74)

Dementgegen verliefen diese beiden Wachstumsraten in vielen OECD-Ländem weitaus stärker parallel, wodurch sich die Produktivitätsgewinne aus der M assenproduktion zum Teil in eine konsumptive Nachfrage übersetzten. Zumindest bis Mitte der 80er Jahre gab es für Südkorea diesen "link" zwischen Einkommens- und Produktivitätsentwicklung auf breiter Basis nicht.

Auffällig wird diese Diskrepanz in der Zeit der Krise 1979-80, in der erstmals negative

W achstumsraten des Bruttosozialproduktes realisiert wurden. W ährend die Wachstumsraten der Reallöhne um annähernd den gleichen Prozentsatz zurückgingen wie die Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes, erreichten aber die Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität genau zu diesem Zeitpunkt den höchsten W ert der 70er Jahre. Die Kluft zwischen Lohn- und Produktivi­

tätsentwicklung verringerte sich erst im Verlaufe der Jahre 1987 und 1988, nachdem die Streiks im Spätsommer 1987 zur Durchsetzung erheblich höherer Löhne und zur Bildung freier Gewerk­

schaften geführt hatten (vgl. Park, S.I. 1988, S.109f).

Bei den relativ hohen Einkommens Steigerungen seit den 70em kann leicht die extreme Segmen­

tierung des südkoreanischen Arbeitsmarktes übersehen werden. Neben der schon genannten Lohndifferenz zwischen landwirtschaftlichem und industriellem Einkommen, zeigt eine etwas tiefergehende Betrachtung weitere Segmentierungen. Zum einen w ird sie zwischen Produktions­

arbeitern auf der einen Seite und Technikern und Verwaltungsangestellten auf der anderen Seite deutlich. Obwohl die W achstumsraten der Löhne für die in der Produktion Tätigen im Zeitraum zwischen 1965 und 1984 zum Teil erheblich höher lagen als die der Techniker und Verwal­

tungsangestellten, kam es nicht zu einer Angleichung der beiden Einkommenniveaus.

Zweitens läßt sich eine Segmentierung für die verschiedenen Branchen feststellen, wie von Alice Amsden beschrieben: "The lowest paid workers, say in light manufactures in the informal sector and textiles in the formal one, have continued to receive what even Korea's state-dominanted labor federation has admitted are little more than subsistence wages, whereas workers with comparable levels o f experience and education in the heavy industries are among the highest paid." (Amsden 1989, S.199)

W ie das "Christian Institut for Justice and Peace" in seinem Bericht von 1987 herausstellt, lag das Mindesteinkommen eines männlichen Erwerbstätigen 1983 bei 148.360 Won und stieg bis 1985 auf 181.394 Won. W ährend 1983 schon 11,3% der männlichen Erwerbstätigen unter dieser Grenze verdienten, waren es 1985 trotz der Anhebung 13,2%. Noch schlechter war in diesen Jahren die Einkommenssituation der weiblichen Erwerbstätigen: A uf Basis eines erheblich niedriger festgesetzten Mindestlohns verdienten 1983 60,9% und 1985 bereits 63,9% der weibli­

chen Erwerbstätigen unterhalb dieser Grenze (Daten aus Christian Institut 1987, S.54; vgl. auch Lenz 1980, S.121 ff und Kim, Y.S. 1982).

W elche Rolle die Frauenerwerbstätigkeit für die Entwicklung Südkoreas zum Schwellenland spielte, wird durch einen Blick auf die Einkommenslücke zwischen M ännern und Frauen

ersichtlich. In keinem anderen Land - aus dem vergleichbare Daten hierzu vorliegen - ist diese Einkommensdifferenz so groß wie in Südkorea. Im Jahre 1980 erhielten die südkoreanischen Frauen in der Industrie im Durchschnitt nur 44,5% von dem Einkommen, das M änner erzielten

(vgl. Amsden 1989, S.205). Da Frauen den größten Teil der Belegschaft gerade in den leichtin­

dustriellen Branchen wie bspw. in der Bekleidungs- und Textilindustrie stellen, wird hierdurch deutlich, daß es - neben den genannten Einkommenssegmentierungen - die Einkommensdiffe­

renz zwischen Männern und Frauen ermöglicht hatte, gerade in den arbeitsintensiven Industrien international konkurrenzfähig zu produzieren. Und zwar nicht nur in den 50er und 60er Jahren, sondern auch noch in der Phase, in der die Schwerindustrie höchste politische Priorität genoß.

Abschließend sei hier noch auf die Veränderungen der Intensität der Arbeit eingegangen W ährend sich im Verlaufe des nachholenden Industrialisierungsprozesses in Südkorea die Pro­

duktionsstruktur sukzessive hin zu technologie- und kapitalintensiveren Bereichen entwickelt hat und damit die Arbeitsproduktivität im industriellen Sektor gesteigert werden konnte, läßt sich parallel dazu eine Steigerung der Intensität der Arbeit durch Verlängerung des Arbeitstages fest­

stellen. Dies immerhin vor dem Hintergrund, daß in Südkorea schon im gesamten Zeitraum der weltmarktassoziativen Industrialisierung von 1960 bis in die Gegenwart im internationalen Ver­

gleich die längsten Jahresarbeitszeiten zu konstatieren sind. Zwischen 1970 und 1985 erhöhte sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 52,3 auf 55,2 Stunden m it einer kurzfri­

stigen Verbesserung der Situation M itte der 70er Jahre als die W ochenarbeitszeit auf 50,2 zu­

rückging. Auffällig ist hierbei, daß während der ersten exportorientierten Phase, in der vor allem arbeitsintensiv produzierte leichtindustrielle W aren auf dem W eltmarkt verkauft wurden, der Anteil der Erwerbstätigen in der Industrie, die mehr als 54 oder mehr Stunden pro Woche arbei­

teten, von 44,5% (1964) 37% (1970) zurückging. M it dem Anstieg der Bedeutung der Schwerin­

dustrie (also den kapitalintensiveren Branchen) für die südkoreanische Industrie kehrte sich dieser Trend um. Bis 1975 war der Anteil der Erwerbstätigen in der Industrie m it sehr langen Arbeitszeiten auf 50,5 und bis 1985 auf 52,7% angestiegen (berechnet nach Daten aus EPB 1975 und 1985). Diese Entwicklung ist im internationalen Vergleich ein Novum, denn sogar in

Taiwan, daß zur gleichen Zeit eine vergleichbare Industrialisierung vollzogen hat, sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten gesunken. Erklärbar wird das Ansteigen der Arbeitszeiten, berücksichtigt man, daß Südkorea überwiegend Industriewaren exportiert, sich also der W elt­

marktkonkurrenz stellen muß. M it der Umstellung der Wirtschaft auf eine technologie- und damit auch kapitalintensivere Produktion sinkt relativ der Anteil der Löhne an den gesamten Produktionskosten. Da aber die südkoreanische Konkurrenzfähigkeit auf dem W eltmarkt von der Höhe der Löhne mitbestimmt wird, sinkt mit steigender Technologieintensität der Produktion auch relativ der "Konkurrenzvorsprung". D er steigende Anteil der Erwerbstätigen, die von über­

durchschnittlich langen Arbeitszeiten betroffen waren, war zum einen dem Umstand geschuldet, daß die Fachkräfte, die notwendig sind, um einen "modernen" Produktionsprozeß "reibungslos"

am Laufen zu halten, nur begrenzt zur Verfügung standen, bzw. stehen. Zum anderen muß als herausragender Faktor genannt werden, daß die Verlängerung der Arbeitszeit die Betriebszeiten der Maschinen erheblich verlängert hat und damit die Profitabilität des Einsatzes technologiein­

tensiver Produktionsanlagen erheblich erhöht werden konnte. Hieran wird deutlich, inwieweit

19. Bei der Beurteilung der sozioökonomischen Daten in Südkorea, wie bspw. die Arbeitslosenstatistik, die Ein­

kommensstatistik und die Daten zur Einkommensverteilung ist deren unbedingte Verläßlichkeit nicht immer gewährleistet (vgl. hierzu Asche 1985, S.219 und Luther 1981)

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-die staatliche Regulierung von Arbeit auf das Erreichen der internationalen Konkurrenzfähigkeit ausgerichtet ist.

Die Betrachtung der Bedeutung von Ausbildung und Arbeit wurde hier aufgegriffen, da diese mit die Grundlage für die "erfolgreiche" Adaption importierter Techniken bilden und ebenso auch die Basis für deren Weiterentwicklung darstellen. Im folgenden Abschnitt gilt es, auf die spezifischen Formen des Technikimports genauer einzugehen.

9 Formen und Entwicklung des Techniktransfers im

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