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Die Schwellenländer in der Krise der 70er Jahre

Im Dokument FS n 90-101 (Seite 36-39)

5 Differenzierungs- und Hierarchisierungsprozess der Entwicklungsländer - Das Schwellenländer Phänomen

5.2 Die Schwellenländer in der Krise der 70er Jahre

Zu Beginn der siebziger Jahre wandelte sich das Bild dann abermals: Die Weltwirtschaft ging über in eine lange Abschwungphase. Betrug das durchschnittliche W achstum des Bruttoin­

landsproduktes in den 60er Jahren in den Industrieländern noch 5%, so ging diese Rate in den folgenden annähernd zwei Jahrzehnten erheblich zurück.

7. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zur neo-klassischen Annahme, daß sich internationaler Handel, oder anders ausgedriickt internationale Arbeitsteilung, vollziehen als ergänzende Spezialisierung von Regionen oder Staaten auf die Produktion bestimmter Waren. Siehe zur Kritik an dieser Theorie Schoeller 1976, S. 140 ff und Hübner, 1987.

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-Die durchschnittlichen W achstumsraten des BIP in den Industrieländern betrugen für die Zeit von 1981 - 1989 nur ca. 2,5%

Betrachtet man diese Länder nach Regionen, dann ist auffällig, daß sich die Krise am deutlich­

sten in W esteuropa in einem Absinken der Wachstumsraten des BIP zeigt, die während der gesamten Periode erheblich unter dem Durchschnitt der Wachstumsraten der Weltproduktion lagen.

Im Gegensatz hierzu realisierten die industrialisierten Länder Asiens insbesondere in den 70er Jahren und zwischen 1981 und 1985 Wachstumsraten, die mit 8% bzw. 9% weit über dem Welt­

durchschnitt lagen. Erst in den folgenden Jahren wurde diese Region verstärkt von der Krise betroffen.

Sieht man sich die Auswirkungen der Krise in den Entwicklungsländern an, so zeigt sich, daß die W achstumsraten des Outputs zwischen 1971 und 1980 noch deutlich höher als die des Welt­

durchschnitts und annähernd doppelt so hoch ausfielen wie in den USA und in Westeuropa. Erst in der ersten Hälfte der 80er Jahre zeitigte die Krise ihre Wirkung auch in den Entwicklungslän­

dern. Die W achstumsraten gingen auf 1,5% zurück und erholten sich in den folgenden Jahren nur leicht. Auch hier macht eine differenzierte Betrachtung nach Regionen erhebliche Unter­

schiede deutlich.

W ährend diese Länder in den 70er Jahren noch eine relativ homogene Entwicklung verzeichne­

ten, gilt für die 80er Jahre, daß einerseits die Wachstumsraten in Afrika und Westasien zum Teil negativ sind, während sich andererseits die Wachstumsdynamik in den südostasiatischen Län­

dern annähernd ungebrochen fortsetzte. Die Krise, die in den hochentwickelten Industrienatio­

nen seit Beginn der 70er Jahre erhebliche Folgen hatte, wirkte sich bis Anfang der 80er Jahre in den Entwicklungsländern bei weitem nicht so drastisch auf die nationale Industrialisierungsdy­

namik aus. Der fast vollständige Zusammenbruch vollzog sich erst in den achtziger Jahren, und auch erst seit dieser Zeit weisen die Wachstumsraten der Produktion in den verschiedenen Ent­

wicklungsländerregionen gravierende Differenzen auf.

Parallel zu dieser Binnenmarktentwicklung vollzog sich, bezogen auf den Anteil der Entwick­

lungsländer an den Weltausfuhren, eine verstärkte Integration. Der Anteil aller Entwicklungs­

länder am Welthandel stieg von 17,4% auf 28% an. Die Rezession 1980 und in den folgenden Jahren brachte sowohl eine erhebliche Verlangsamung des Wachstums der Raten des nationalen Outputs als auch eine Verlangsamung des Welthandels mit sich. 1980 und 1981 stagnierte der Welthandel, ging 1983 real um 3% zurück und erhohlte sich erst danach allmählich wieder.

Parallel dazu nahm auch der Anteil der Entwicklungsländer an den W eltausfuhren drastisch von 28% 1980 auf 19% 1987 ab und fiel damit annähernd wieder auf das Niveau von 1970 zurück (Daten aus Altvater 1987, S. 218 und UN 1988, S.30).

Ein völlig anderes Bild erscheint, wenn die Entwicklung des Weltmarktanteils der Entwick­

lungsländer bei den Industriewaren analysiert wird. Die Entwicklungsländer erhöhten ihren An­

teil an den Weltindustrieexporten zwischen 1965 und 1984 stetig von 6,7% auf 14,5%.

Aber auch diese Entwicklung verlief wiederum keineswegs homogen. Die heute im Zentrum der entwicklungstheoretischen Diskussion stehenden Schwellenländer Brasilien, Mexiko, Hongkong 8. Neuere vergleichbare Daten liegen zur Zeit nicht vor. Dies wäre von besonders großem Interesse, da der Entwicklungsländeranteil allein an den industriellen Exporten von 1984 bis 1987 um 6% gefallen ist.

Südkorea, Singapur und Taiwan erweiterten ihren Anteil an diesen Exporten im gleichen Zeit­

raum (1965-1984) von 28,4% auf 65,4%. Die beiden lateinamerikanischen Schwellenländer waren lediglich in der Lage, ihren W eltmarktanteil von 0,4% auf 1,6% zu steigern, während die vier ostasiatischen Länder ihren Anteil von 1,4% auf 7,9% ausdehnen konnten. Dam it sicherten sich die letztgenannten vier Nationen im Betrachtungszeitraum mehr als 80% der Industrie­

warenexporte der Schwellenländer.

W ährend die Industrieländer die Exporte in diesem Marktsegment zwischen 1965 und 1973 jährlich um durchschnittlich 16,3% und zwischen 1973 und 1985 um 10,1% ausweiten konnten, realisierten die sechs Schwellenländer in der erstgenannten Periode 29%. Allein die vier ostasia­

tischen Schwellenländer wiesen in der langen Krisenperiode jahresdurchschnittliche W achstumsraten von 17,7% auf.

Die dargestellten Veränderungen in der Verteilung der Weltindustrieexporte sind als Ergebnis der in den Schwellenländern erheblich höheren Expansionsdynamik der Industriewarenexporte zu interpretieren.

Die 70er Jahre können als globale Integrationsphase der Entwicklungsländer in die W eltwirt­

schaft angesehen werden, da der Entwicklungsländeranteil am W elthandel auch mit Primär­

erzeugnissen anstieg. Dieser Trend verkehrte sich jedoch nach 1980 wieder in sein Gegenteil.

Anders verlief die Integration in den W elthandel m it Industriewaren. Diese nahm zwar einen etwa gleichen Verlauf in den 70er Jahren, brach aber nicht Anfang der 80er Jahre ab, sondern setzte sich kontinuierlich fort. Von dieser Entwicklung profitierten in erster Linie die ostasiati­

schen und lateinamerikanischen Schwellenländer, die annähernd 2/3 dieses Marktes für sich erobern konnten.

Versucht m an etwas weitergehend zu hinterfragen, welche Bedeutung diese Exportdynamik für den Industrialisierungsprozeß hatte, dann zeigen sich erhebliche Differenzen zwischen den ein­

zelnen Schwellenländem.

Die W achstumsraten des Bruttoinlandproduktes im Durchschnitt der sechs Schwellenländer be­

trugen in der Zeit zwischen 1964 und 1973 8,4% und 5,3% der Phase zwischen 1973 und 1983.

W ährend des gesamten Zeitraums waren die Wachstumsraten des Bruttoinlandproduktes in den beiden lateinamerikanischen Ländern erheblich niedriger als in den ostasiatischen Ländern.

Getragen wurde dieses Wachstum, in der Zeit zwischen 1964 und 1973 in allen sechs Ländern durch ein erheblich höheres Wachstum der Wertschöpfung im industriellen Sektor gegenüber den W achstumsraten des Bruttoinlandproduktes. Für die Phase 1973 bis 1983 hat sich die füh­

rende Rolle des Industriesektors nicht fortgesetzt. Nur noch in Hongkong, Südkorea und Taiwan überstiegen die Wachstumsraten in diesem Sektor die des Bruttoinlandproduktes.

Diese Daten spiegeln nur unvollkommen die reale Entwicklung wieder. Etwas differenzierter wird die Analyse durch einen Blick auf den Anteil der industriellen W ertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt. Dabei zeigt sich, daß dieser Anteil zwischen 1964 und 1979 sowohl in Brasilien als auch in Mexiko von 26,1% auf 29,7% bzw. 20,5% auf 24,2% gesteigert werden konnte, in den nachfolgenden Jahren bis 1983 dann jedoch in beiden Ländern wieder zurück­

ging. Bei den ostasiatischen Schwellenländem ragt die Entwicklung in Taiwan heraus: Zwischen

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-1964 und 1983 nahm der Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt rela­

tiv kontinuierlich um über 20% auf 41,9% zu. In den drei anderen Ländern ist er zwar ebenfalls erheblich gewachsen, stagnierte aber seit 1980 bzw. ging in Singapur bis weit unter das Niveau der lateinamerikanischen Länder zurück (Daten aus OECD 1988, S. 13).

Hieraus wird deutlich, daß die Dynamik der 70er Jahre erst durch die Rezession 1980 beendet wurde.

Durch den Vergleich der Daten der nationalen industriellen W achstumsdynamik mit den

W achstumsraten des Exports ist erkennbar, daß die W achstumsraten des Exports zwischen 1965 und 1973 die W achstumsraten der Wertschöpfung übertrafen. Für die Zeit 1973 bis 1983 blieb dieser Trend für die ostasiatischen Länder bestehen, wenngleich auf einem erheblich geringeren Niveau und auch m it erheblich geringerer Differenz zwischen der Binnenmarkt- und der

Exportdynamik.

Hieraus läßt sich resümieren, daß die Exporte eine tragende Säule für das Entstehen industrieller Strukturen in diesen Entwicklungsländern darstellten.

Parallel hierzu vollzog sich eine grundlegende Veränderung des Exportwarenkorbs. Die Bedeu­

tung der Industriewarenexporte, gemessen an den Gesamtexporten, ist in den ostasiatischen Län­

dern stark angestiegen. Die dynamischste Entwicklung vollzog sich wiederum in Taiwan. Zwi­

schen 1965 und 1985 verdoppelte sich der Anteil der Industriewaren am Gesamtexport auf 90,5%. In Südkorea und Singapur betrug der Anstieg immerhin noch über 30% auf 91,7% bzw.

52,6%. In Hongkong lag dieser Indikator schon Mitte der 60er Jahre bei 93,4% und erhöhte sich im Verlauf der folgenden zwanzig Jahre um knapp 2%. Auch im Vergleich mit den OECD-Län- dem sind diese W erte als sehr hoch einzustufen. Nur Japan konnte mit 97,2% (1985) die Werte der ostasiatischen Schwellenländer übertreffen, während der durchschnittliche Anteil der Indu­

striewaren am Gesamtexport der OECD-Länder mit 75,4% weit unter dem der ostasiatischen Schwellenländer lag.

Dagegen nahm in M exiko die Veränderung des Exportwarenkorbs einen sehr diskontinuierlichen Verlauf und der Anteil der Industriewaren am Gesamtexport lag 1983 bei 28,2%. In Brasilien stieg die Bedeutung der Industriewaren an den Gesamtexporten von 7,8% 1965 auf 41% 1983 an. Dabei ist hervorzuheben, daß dieser sehr kontinuierliche Anstieg nur im Jahre 1980 einmal kurz unterbrochen wurde, und dies trotz der hier zurückgehenden Bedeutung des industriellen Sektors am Bruttoinlandsprodukt und eines verlangsamten Wachstums des Bruttoinlandspro­

duktes (Daten aus OECD 1988, S .12/15).

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