• Keine Ergebnisse gefunden

3 Technik und Industrialisierung - Eine zusammmenfassende Betrachtung

Im Dokument FS n 90-101 (Seite 22-25)

In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden verschiedene ökonomische Theorien nach ihrem Erklärungsgehalt einmal im Hinblick auf die Bedeutung der Dynamik der Technik als einer Determinante im Industrialisierungsprozeß und zweitens in bezug auf die Technikent­

wicklung (Innovationen) befragt.

M ehr implizit als explizit wird die Frage nach den Bestimmungsfaktoren der eigentlichen Tech­

nikgestaltung behandelt. Techniken lassen sich basierend auf diesen theoretischen Ansätzen zwar analytisch unterscheiden - zum Beispiel in Produktinnovation und Basisinnovation - aber insbesondere die Zuordnung einzelner technischer Artefakte zu diesen Innovationstypen ist äußerst problematisch. Hinzu kommt, daß eine derartige Einordnung, wenn sie durchgeführt wird, nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort Gültigkeit beanspruchen kann, da schon allein das Wissen um eine technische Problemlösung und/oder die potentielle Einsatzfähigkeit im Zusammenhang mit völlig anderen Problemlösungsaufgaben eine neue Kategorisierung erfordern kann.

So werden zum Beispiel bestehende Produktlinien durch Ergebnisse der W erkstofforschung hin­

sichtlich ihrer Qualität verändert, was zur Folge haben kann, daß die potentiellen Nachfrage oder die Zahl der Anwender zunimmt. Auch Innovationen im Bereich der Produktionstechnologien bleiben nicht auf den Bereich beschränkt, für den sie ursprünglich entwickelt wurden, sondern diffundieren sowohl inter- als auch intrasektoral.

W enn aber jede ursprünglich für einen speziellen Bereich geplante Innovation potentiell als Basisinnovation für einen anderen Bereich fungieren kann, reduziert sich der Erklärungsgehalt von Begriffen wie Verbesserungsinnovation und Basisinnovation erheblich.

Unabhängig von solchen Kategorisierungsschwierigkeiten besteht theoretisch wie empirisch weitgehendes Einvernehmen darüber, daß Innovationen diskontinuierlich auftreten. Ihre jew ei­

lige zeitliche Lokalisierung im Zyklus selbst aber ist umstritten. W ährend die Länge-W ellen Theorie davon ausgeht, daß die Häufung implementierter Innovationen in der Depressionsphase den Aufschwung einleitet, läßt sich mit nicht wenig Plausibilität die Gegenthese aufstellen, daß es die sich verschärfende Konkurrenz für die Unternehmen während der Abschwungphase zwin-32. Der Begriff der Entwicklungsländer ist hier, wenn nicht näher spezifiziert, durchgängig exklusive den

erdölproduzierenden Staaten verwendet worden. Insbesondere hinsichtlich der Fähigkeit, Kapital oder Devisen für Investitionen aufzubringen, ist die Situation in den erdölexportierenden Ländern dank der "Öl-Monopolrenten" nicht vergleichbar mit den Bedingungen in den meisten Entwicklungsländern. (vgl.Mandel 1987, S.4Of)

-

19-gend notwendig macht, neue Techniken in den Produktionsprozeß zu implementieren. Dieser Entwicklungsprozeß muß nicht notwendigerweise m it steigenden Produktionskapazitäten ver­

bunden sein, solange über der Schwelle produziert wird, die die Ausnutzung der "economies of scale" ermöglicht.An dieser Stelle wird deutlich, daß nicht nur der Charakter der Technikent­

wicklung, sondern eben auch ihre Geschwindigkeit tiefgreifende Auswirkungen auf Industriali­

sierungsverläufe hat.

Dies ist in m ehrfacher Hinsicht von besonderem Interesse:

1. hinsichtlich der Häufigkeit der Einführung grundsätzlich neuer Techniken und der "Tiefe" der mit dieser Einführung verbundenen Veränderungen,

2. hinsichtlich der nationalen und internationalen Ausbreitung einer neuen Technik.

Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen: a) den Veränderungen, die sich hinsichtlich der Konkurrenzsituation in einer Branche und der Bedeutung der verschiedenen Branchen inner­

halb einer nationalen Ökonomie zeigen, b) und den Veränderungen der nationalen gesellschaftli­

chen Organisationsformen ( z.B. Arbeit) durch die Einführung neuer Techniken, c) Auf der internationalen Ebene hingegen verändern die neuen Techniken die Konkurrenzbeziehungen, womit die sich historisch herausgebildeten hierarchischen bzw. hegemonialen Beziehungsstruk­

turen zwischen den Nationalstaaten eine Änderung erfahren.

Für diese Betrachtungsweise lassen sich die bisher zur Diskussion gekommenen Theorieansätze folgendermaßen heranziehen:

Die Dynamik technischer Entwicklung kann erfaßt werden als die konkrete Entstehung von Techniken innerhalb von Nationalstaaten (Innovationstheorien), hervorgebracht durch die For­

schung und Entwicklung der Unternehmen und die zum Teil staatlichen Forschungseinrichtun­

gen. Forschung und Entwicklung erhalten dabei ihre Bedeutung auf drei Ebenen:

1. für die Entwicklungen neuer Techniken (Innovation) 2. für die M odifizierung bekannter Techniken und 3. für die Imitation bekannter Techniken.

Alle drei Ebenen sind eng mit einander verknüpft. Die "Know How"-Intensität ist äußerst unter­

schiedlich, insbesondere dann, wenn man die Modifikation und Imitation bekannter Techniken mit den Anforderungen, die bei der Generierung neuer Techniken entstehen, vergleicht. Die Entwicklung neuer Techniken vollzieht sich und kann sich nur vollziehen unter Ausschöpfung neuester (Er)Kenntnisse sowohl der Material- als auch der Prozeßtechniken.

Die Verfügbarkeit über eben diese Kenntnisse ist nicht nur eine Frage des direkten Zugangs, sondern vor allem auch der gesammelten Erfahrungen im konkreten Produktionsprozeß. Im Ge­

gensatz hierzu sind die Ebenen 2 und 3, also Modifikation und Imitation bekannter Techniken, auf einem erheblich niedrigeren Niveau zu verorten. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben diese beiden Ebenen in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der erstarkenden Konkurrenzfähigkeit besonders der ostasiatischen Schwellenländer auf verschiedenen Teilmärkten verstärkt die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. 33 Das unzweifelhaft bestehende technische Kompetenzge­

fälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geht einher mit einer Verteilung der drei technischen Entwicklungsebenen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Diese

33. Dies trifft hauptsächlich auf Imitationen zu, die häufig als Produktpiraterie bezeichnet werden. Hiervon sind in erster Linie Markenprodukte betroffen, die allein durch einen exklusiven Markennamen überdurchschnittliche Verkaufserlöse erzielen, vgl. zu unkonventionellen Formen des Technologietransfers Meyer-Stamer 1987

Feststellung wird auch dadurch gestützt, daß bisher fast alle grundlegenden Innovationen in den Industrieländern hervorgebracht wurden.

Faßt man die beiden Ebenen 2 und 3 mit den Begriffen Verbesserungsinnovation und Produkt­

innovation zusammen, die annähernd den gleichen Sachverhalt beschreiben, so zeigt sich, daß diese Innovationstypen innerhalb der Entwicklung des Produktionsprozesses stets gegenwärtig sind. Sie sind somit nicht exklusiv zuzuordnen.

Die Geschwindigkeit technischer Entwicklung ist eine Determinante in der langfristigen über­

zyklischen ökonomischen Entwicklung. Dabei kann meines Erachtens das Problem einer exakten Verortung der Häufung neuer Techniken "entlang" des unteren W endepunktes, außer Betracht bleiben.Bei der hier zur Diskussion stehenden Frage erscheint dagegen die Feststellung weitaus bedeutsamer, daß die gehäufte Implementation von Technik nicht nur ausschließlich additiv neue Produkte hervorbringt, sondern ebenso substitutiv wirkt, d.h. alte Waren vom Markt ver­

drängt. Diese Substitutionswirkung beschränkt sich nicht nur auf Produkte, sondern gilt ebenso für Prozeßtechniken. Die so eingeführten Prozeßtechniken diffundieren auch in andere Branchen und setzen dort ebenfalls neue S ta n d a rd s .S o lc h e Standards, die insbesondere in den In­

dustrieländern zu gravierenden Veränderungen der Konsumstrukturen führen können, verändern dazu parallel das Konkurrenzverhältnis nicht nur national, sondern auch im Rahmen der inter­

nationalen Arbeitsteilung, somit international zwischen den Industrieländern als auch zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Hiervon sind in spezieller W eise die newly industriali­

zing countries betroffen, da sie, wie noch zu spezifizieren sein wird, den weitaus größten Teil des industriellen W arenhandels aller Entwicklungsländer bestreiten.

Die bisherige Betrachtung zeigt, daß der Zusammenhang von Technik und Industrialisierung auf zwei Analyseachsen erfaßt werden kann.

Bei den beiden Achsen (siehe Schaubild 1 handelt es sich um Zeitachsen, die den zeitlichen V erlauf der Produktivkraftentwicklung auf nationaler und internationaler Ebene darstellen.

Die internationale Ebene bezeichnet weder die Nationalstaaten als jeweils einzelne Subsysteme noch ihre bloße Addition, sondern ist die Ebene, auf der sich eine Technik im historischen Pro­

zeß als vorherrschend (dominant) herausbildet, und die vermittelt über die internationale Kon­

kurrenz für die einzelnen Nationalstaaten eine verbindliche Größe darstellt. D er sich internatio­

nal herausbildende Standard w ird für die einzelnen nationalen Ökonomien um so mehr zu einem Sachzwang, je tiefer sie in die Weltwirtschaft integriert sind. Die einzelnen Nationen stehen kei­

neswegs auf einer Stufe nebeneinander, sondern innerhalb eines hierarchischen Systems, das auch im Bereich der Technik in starkem Maße von der jeweiligen Hegemonialmacht bestimmt wird.

34. Dies kann in seinen Rückwirkungen sowohl auf das Design als unter Umständen auch auf den technischen Standard eines Produktes Einfluß haben.

35. Vgl. zur Hegemonietheorie insbesondere Altvater, Hübner, 1988 und Keohane, 1984, S. 35 ff. Die hegemoniale Stellung einer Nation innerhalb des Weltsystems bestimmt sich in starkem Maße (aber in keinem Fall allein) durch ihre ökonomische Führungsrolle.

2 1

-Schaubild 1: Technik und Industrialisierung

Im Dokument FS n 90-101 (Seite 22-25)