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Archiv "Deutschland vor der Wahl: Politikverdrossenheit" (18.09.1998)

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ährend die Parteien und ihre Spitzenpolitiker in den letzten Tagen vor der Bundestagswahl um jede Stimme buhlen, verkennen die Wahlkämpfer die eigentliche Stimmung im Lande.

Nach jüngsten Umfragen des Mei- nungsforschungsinstitutes Emnid aus Bielefeld befinden sich die Parteien in der größten Legitimationskrise der Nachkriegszeit. Danach haben die Wähler weitgehend das Vertrauen verloren, daß die Politiker – unabhän- gig von ihrer parteilichen Couleur – grundlegende Lösungen für die in der Bundesrepublik vorherrschenden Probleme durchsetzen können.

Als wichtigste Probleme wer- den vom Wähler die Themen Ar- beit (89 Prozent), Steuern (78 Pro- zent), Renten (77 Prozent), Sozia- les (65 Prozent) und Gesundheit (63 Prozent) bewertet (siehe Gra- fik). Themen ohne Bezug zu Wirt- schafts-, Sozial- und Gesundheits- fragen sind demgegenüber deutlich

verblaßt. So ist beispielsweise die Bedeutung der Außenpolitik in der Einschätzung der Bürger innerhalb der letzten Jahre von Rang zwei auf Rang 18 abgerutscht.

Wie groß der Vertrauensverlust der Bürger in die Parteien ist, wenn es darum geht, die brennenden Pro- bleme anzupacken, zeigt der Ver- gleich von Umfragen aus dem Jahr 1994 und heute. Waren damals 39 Prozent der Befragten der Ansicht, daß die Parteien „inkompetent“

sind, den Schuldenberg abzubauen, so sind es heute bereits 56 Prozent.

Unfähigkeit wird den Parteien auch bei der Lösung von Arbeits- (1994:

32 Prozent, 1998: 51 Prozent) und Rentenfragen (1994: 24 Prozent, 1998: 45 Prozent) bescheinigt.

„Wo die Kompetenz in Sach- fragen verlorengeht“, erklärte Emnid-Geschäftsführer Klaus-Peter Schöppner kürzlich auf einer Ver- anstaltung der ifp-Unternehmens- beratung (Köln) in Bonn, „muß sich

der Politiker das Image eines ,Küm- merers‘ geben, wenn er Stimmen gewinnen will.“ Zur Verdeutlichung zog Schöppner ein Beispiel aus der Medizin heran: „Wenn meine Krankheit tatsächlich unheilbar ist, dann suche ich mir eben den Medizi- ner aus, der mich am besten be- treut.“ Diese Taktik verfolge SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder.

Desinteresse

Zur Verdrossenheit der Wähler trägt nach Angaben von Schöppner auch bei, daß die unterschiedlichen Bereiche der Politik inzwischen als so kompliziert und undurchschau- bar empfunden werden, daß der Bürger sich zurückzieht: Wie soll er als Laie beispielsweise beurteilen können, welches Beschäftigungs- konzept das beste für Deutschland ist, wie es tatsächlich um die Sicher- heit von Castor-Transporten steht oder welche Auswirkungen die Ein- führung des Euro haben wird?

Da auf jede politische Aussage eine Gegenaussage und auf jedes Gutachten ein Gegengutachten folgt, wird der Wähler zwischen den ein- zelnen Interessengruppen zerrieben.

„Die Folge davon ist“, so Schöppner,

„daß das Interesse an der Politik in den letzten Jahren deutlich geschmol- zen ist – nach unseren Untersuchun- gen von 51 Prozent im Jahr 1983 auf 25 Prozent in diesem Jahr.“ Dieses Desinteresse führe zur Unkenntnis in wichtigen politischen Bereichen. Auf die Frage, wer in der Bundesrepublik eigentlich den Solidaritätsbeitrag zahlt, sind die Hälfte (48 Prozent) der A-2293

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 38, 18. September 1998 (13)

Deutschland vor der Wahl

Politikverdrossenheit

Die Lösung gesundheits- und sozialpolitischer Probleme steht beim Bürger obenan.

W

Arbeit – Steuern – Renten – Soziales – Gesundheit – Schulden – Wirtschaft – Ausländer – Umwelt – Preise –

Wichtigste politische Probleme

0 20 40 60 80 100

Angaben in Prozent Quelle: EMNID

Grafik

89 78 77 65 63 59 59 50 34

30

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Westdeutschen der Ansicht, daß diese Steuerlast nur von den alten Bundes- ländern geleistet wird; 24 Prozent der Ostdeutschen glauben sogar, der „Soli“

sei eine ausschließlich von den Bürgern der neuen Bundesländer finanzierte Abgabe. Nur ein Drittel der Befragten weiß, daß es sich hierbei um eine ge- samtdeutsche Steuerlast handelt.

Nach den Erhebungen des Emnid-Institutes wird die Entschei- dung der Wähler für eine Partei vielfach dadurch erschwert, daß die politische „Farbenlehre“ nicht mehr stimmt. Unverwechselbare Parteipro- file gehören längst der Vergangenheit an: Nach Einschätzung der Bürger sind die Grünen heute eher „grün- lich“, die PDS die eigentlichen „Ro- ten“, die schwarze CDU eigentlich

„grau“ und die FDP nur noch mit libe- ralen „Spurenelementen“ behaftet.

Absolut konträre Positionen gibt es kaum mehr. Dies zeigt ein Vergleich von Emnid-Umfragen aus den Jahren 1985 und 1997. Während CDU/CSU- Anhänger die Wirtschaft als „wichtige politische Aufgabe“ gleichbleibend mit 54 respektive 55 Prozent einschätzen, ist der Anteil unter den Bündnisgrünen in diesem Zeitraum von 27 Prozent auf 51 Prozent gestiegen. Soziale Gerech- tigkeit gilt nach wie vor bei der Hälfte der CDU/CSU-Anhänger als „wichtige politische Aufgabe“, bei den Bündnis- grünen ist der Anteil jedoch von 83 Prozent auf 49 Prozent gesunken.

Fazit für den Bürger: Parteien werden immer weniger aus voller Überzeu- gung, sondern als das „kleinere Übel“

gewählt. Entscheidende Faktoren für den Ausgang der Bundestagswahl sind nach Emnid-Umfragen vielmehr das

„Milieu“ (50 Prozent), die Partei, von der man sich am ehesten eine Lösung der aktuellen Probleme verspricht (15 Prozent), der Eindruck des/der Politiker (zehn Prozent), der Wunsch von Familie, Freunden und Bekannten (10 Prozent), die Protestwahl (8 Pro- zent) und die Wahltaktik (8 Prozent).

Da die Politik der Argumente den Wähler aus oben genannten Gründen immer weniger beeindruckt, könnte die Bundestagswahl nach Ein- schätzung von Schöppner zu einem

„Plebiszit“ über nur ein aktuelles Thema werden – und nicht zum Spie- gel für die letzte Legislaturperiode.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn A-2294

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(14) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 38, 18. September 1998

Studie zur Psychotherapie in Sachsen-Anhalt

Viele Patienten gehen zuerst zum Hausarzt

Das in 1992 modifizierte Delegationsverfahren hat sich nach Ansicht der Psychologischen Psychotherapeuten und der Patienten bewährt.

ls patientenfreundlich, demo- kratisch, qualitätssichernd und effektiv haben die Psychologi- schen Psychotherapeuten das im Jahr 1992 modifizierte Delegationsverfah- ren in Sachsen-Anhalt bewertet. Die Kassenärztliche Vereinigung Sach- sen-Anhalt hatte sich mit den Kran- kenkassen, der Landesärztekammer und den Psychologischen Psychothe- rapeutenverbänden auf ein Verfahren verständigt, das von den bundesweit einheitlichen Regelungen abweicht:

Der Kreis der Delegationsberechtig- ten wurde auf alle in der vertrags- ärztlichen Primärversorgung tätigen Ärzte erweitert. Zugleich erhielten die Patienten das Erstzugangsrecht zum Psychologischen Psychothera- peuten, der jedoch verpflichtet ist, einen in der vertragsärztlichen Pri- märversorgung tätigen Arzt zu kon- sultieren.

Psychologen: Gutes Verhältnis zu den Ärzten

Der Hintergrund: In 1992 nah- men 28 ärztliche und 52 Psychologi- sche Psychotherapeuten an der ver- tragsärztlichen Versorgung in Sach- sen-Anhalt teil. Die Versorgungs- dichte lag mit 2,8 Psychotherapeuten pro 100 000 Einwohner weit unter dem Bundesdurchschnitt (11,5 Psy- chotherapeuten pro 100 000 Einwoh- ner). Dieses Manko sollte beseitigt werden.

Vier Jahre später, in 1996, war die Zahl der Psychotherapeuten mit 24 ärztlichen und 75 Psychologischen Psychotherapeuten auf 99 gestiegen.

In einer Studie der KV Sachsen-An- halt und des Instituts für Medizinische

Psychologie der Martin-Luther-Uni- versität Halle-Wittenberg wurden die 83 in Vollzeit niedergelassenen Psy- chotherapeuten und 296 Patienten im vergangenen Jahr nach ihren Erfah- rungen mit dem Modell befragt: Die Psychologischen Psychotherapeuten begrüßten ihre größere Unabhängig- keit und Verantwortung. Sie waren motivierter und fühlten sich beruflich anerkannter. Das Verhältnis zu den Ärzten bewerteten sie positiv. Ihre Leistungen rechneten die Psycholo- gischen Psychotherapeuten in 1996 bei 94,8 Prozent der Patienten über das modifizierte Delegationsverfah- ren ab. Der Anteil der Selbstzahler (1,9 Prozent) und die Abrechnung über Kostenerstattung (2,9 Prozent) spielten kaum eine Rolle.

93,9 Prozent der Patienten waren mit der Behandlung zufrieden. 97 Prozent gaben an, daß der Therapeut ein echtes Interesse an ihnen habe und sie ihm vertrauen. 27,3 Prozent fanden sofort einen Therapieplatz, ein Drittel der übrigen Patienten empfand die Wartezeit als zu lang. Sie betrug durchschnittlich 2,8 Monate.

Mehr als die Hälfte der befragten Pa- tienten (56,1 Prozent) wurde von ei- nem Allgemeinarzt zum Psychothe- rapeuten überwiesen. Nur 8,3 Pro- zent der Patienten konsultierten di- rekt einen Psychologischen, 3 Pro- zent einen ärztlichen Psychothera- peuten.

Es sei erstaunlich, folgern die Autoren, daß nur relativ wenige Pati- enten das Erstzugangsrecht nutzten.

Sie führen dies auf das Vertrauensver- hältnis zwischen Hausärzten und Pa- tienten zurück, das sich in der hohen Überweisungsrate der Hausärzte wi- derspiegele. Dr. Sabine Glöser

A

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