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Archiv "Vorsorge zur Prävention: oder Früherkennung des kolorektalen Karzinoms" (06.03.1998)

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(1)

as kolorektale Karzinom (KRK) ist heute das dritt- häufigste diagnostizierte Kar- zinom und die zweithäufigste Ursache der Krebssterblichkeit in der westli- chen Welt. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an dieser Neo- plasie zu erkranken, beträgt für asym- ptomatische Individuen mit durch- schnittlichem Risiko sechs Prozent (2, 53). Kein anderer Tumor gibt auf- grund seiner langsamen Entwicklung über Vorstadien in Form adenomatö- ser Polypen oder Dysplasien soviel Zeit zum Handeln. Außer durch Präventionsmaßnahmen kann die mit dem KRK assoziierte Sterblichkeit re- duziert werden durch die Erfassung von Karzinomen in Frühstadien mit der größeren Chance zu einer kurati- ven Resektion. Die fünfjährige Über- lebenswahrscheinlichkeit von Patien- ten mit einem auf die Darmwand be- schränkten KRK (Stadium 1) beträgt 90 Prozent gegenüber 35 bis 60 Pro- zent bei Lymphknotenbefall (Stadium 3) und weniger als zehn Prozent bei metastatischer Erkrankung (Stadium 4) (30, 47, 53) (Grafik 1).

Vorsorgemaßnahmen streben die Entdeckung von Krebsvorstadien oder -frühstadien mittels Screening- bezie- hungsweise Überwachungsstrategien an, um durch therapeutische Interven- tionen die Prognose gegenüber dem Spontanverlauf zu verbessern. Scree- ningmethoden werden bei beschwer- defreien Individuen mit durchschnittli- chem Risiko für ein KRK angewandt.

Aus diesem Kollektiv gehen etwa 75 Prozent aller Karzinome hervor (7).

Eine Überwachung („surveillance“) erfolgt dagegen bei asymptomatischen Personen aus Risikogruppen, die ein Viertel aller KRK-Fälle darstellen (Textkasten Risikogruppen; Grafik 2).

Screeningstrategien bei durchschnittlichem Risiko

Die WHO, die American Cancer Society sowie die Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR)

empfehlen für das KRK ein Screening durch jährlichen fäkalen Test auf ok- kultes Blut (FOBT) und eine Sigmo- idoskopie alle fünf Jahre für über 50 Jahre alte asymptomatische Personen ohne erhöhtes KRK-Risiko (25, 52) (Textkasten Screening). Das gesetzli- che Vorsorgeprogramm in Deutsch- land wird dagegen auf einen jährli- chen FOBT sowie die digitale rektale Untersuchung ab dem 45. Lebensjahr beschränkt. Die rektale Palpation er- scheint dabei zwar in Ergänzung zur Endoskopie sinnvoll, ihre Effizienz ist jedoch in Hinsicht auf die Vorsorge des KRK nicht belegt (52). Dieses Programm wurde im Jahre 1994 nur von 44,1 Prozent der vorsorgeberech- tigten Frauen und 14,4 Prozent der Männer in Westdeutschland in An- spruch genommen.

Drei große prospektive rando- misierte Studien aus den USA, Dä- nemark und Großbritannien bele- gen, daß durch einen regelmäßig durchgeführten FOBT ein KRK früher entdeckt wird und die Sterb- lichkeit hierdurch um 15 bis 33 Pro- zent innerhalb eines Zeitraumes von

Vorsorge zur Prävention oder Früherkennung des kolorektalen Karzinoms

Horst Neuhaus

D

Stichwörter: Kolorektales Karzinom, Screening, Überwachung, Prävention

Das kolorektale Karzinom ist die zweithäufigste Ursache der Krebssterblichkeit in westlichen Ländern. Etwa sechs Pro- zent der Bevölkerung werden ein kolorektales Karzinom im Laufe des Lebens entwickeln, und die Prognose ist beson- ders ungünstig bei fortgeschrittenen Tumoren. Eine Verbes- serung kann durch Screening- und Überwachungsstrategien zur Prävention des Karzinoms oder Früherkennung erreicht werden. Die Anwendung hängt von dem individuellen

Krebsrisiko ab, das bei genetischen Syndromen hoch ist oder, im Falle ei-

ner individuellen Anamnese, einer kolorektalen Neoplasie.

Eine mäßig erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht bei Individu- en mit positiver Familienanamnese. Eine durchschnittliche Wahrscheinlichkeit gilt für 75 Prozent der allgemeinen Bevöl- kerung. Die präventiven Maßnahmen sind in ihrer Kosten- Nutzen-Relation akzeptabel und vergleichbar mit einer Screening-Mammographie; sie erzielen eine bedeutende Re- duktion der Mortalität des kolorektalen Karzinoms.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Colorectal cancer, screening, surveillance, prevention

Colorectal cancer is the second leading cause of cancer mortality in western countries. Approximately six percent of the population will develop colorectal cancer during life, and the prognosis is particularly poor in advanced tu- mors. Improvement can be achieved by screening and sur- veillance strategies for prevention of cancer or at least early detection. The application depends on the individual

cancer risk which is high in genetic syndromes or in case of a personal history of colorectal

neoplasms and intermediate in individuals with a positive family history. Approximately 75 percent of individuals in the general population have an average risk of colorectal cancer. The cost-effectiveness of the preventive measures is acceptable and is similiar to that of screening mammo- graphy; a significant reduction of colorectal cancer morta- lity is achieved.

SUMMARY

Medizinische Klinik (Chefarzt: Priv.-Doz. Dr.

med. Horst Neuhaus), Evangelisches Kran- kenhaus Düsseldorf

(2)

acht bis 13 Jahren gesenkt werden kann (17, 21, 30). Die günstigsten Er- gebnisse wurden durch eine konse- quente jährliche Anwendung des Tests in rehydrierter Form erzielt, der hierdurch jedoch unspezifischer ist als der in Deutschland übliche Test ohne Rehydratation. Da bei po-

sitivem FOBT eine Koloskopie er- folgt, steigen bei niedriger Spezifität die Folgekosten an. So mußten sich in der Minnesota-Studie 339 Perso- nen über 13 Jahre jährlich dem rehy- drierten FOBT unterziehen, um ein Karzinom zu verhindern. Bei jedem dritten Patienten erfolgte mindestens eine Koloskopie (30, 52). Der Einsatz des spezifischeren, nicht rehydrier- ten FOBT führte dagegen bei den

Probanden der Nottingham- bezie- hungsweise Funen-Studie nur zu ei- ner Koloskopierate von vier Prozent.

Aufgrund der geringeren Sensitivität und der Anwendung im Zwei-Jahres- intervall konnte die KRK-bedingte Mortalität allerdings nur um 15 bis 18 Prozent, das heißt die Hälfte der in

der Minnesota-Studie erzielten Rate von 33 Prozent, gesenkt werden (17, 21). Der FOBT dient nur unwesent- lich der Krebsprävention, sondern vorwiegend dem Nachweis von Früh- stadien des Karzinoms, deren Folge- kosten bei einem Vergleich mit ande- ren Strategien berücksichtigt werden müssen. Tests auf immunochemi- scher Basis sind zuverlässiger, jedoch deutlich teurer und derzeit in Deutschland kommerziell nicht er- hältlich (1).

Mit einer periodisch ab dem 50.

Lebensjahr empfohlenen flexiblen Sigmoidoskopie kann nach den Er- gebnissen von zwei umfangreichen fallkontrollierten Studien die Sterb- lichkeit infolge eines rektosigmoida- len Karzinoms um etwa 60 Prozent gesenkt werden (3, 4, 33, 42). Bei nor- malem Befund sind Kontrollinterval- le von mindestens fünf Jahren ausrei- chend (36). Das Risiko, infolge eines Karzinoms oberhalb der linken Fle- xur zu sterben, läßt sich durch dieses Vorgehen jedoch nicht senken. Da- her erscheint die von der WHO emp- fohlene Kombination eines periodi- schen FOBT plus einer Sigmoidosko- pie sinnvoll, wobei für diese Strategie allerdings keine prospektiven kon-

trollierten Studien vorliegen. Ge- genüber dem FOBT alleine kann je- doch von einer 2,2fach höheren Kar- zinomprävention ausgegangen wer- den (48). Führt man asymptomati- sche Patienten dieser kombinierten Vorsorgeuntersuchung im Abschnitt vom 55. bis 64. Lebensjahr zu, wird

aufgrund der häufig positiven Befun- de in jedem zweiten bis dritten Fall eine Koloskopie zur weiteren Ab- klärung erforderlich. Daher stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, stattdessen eine einmalige Kolosko- pie im Risikoalter durchzuführen.

Hierdurch würden bei etwa jedem dritten Probanden Polypen entdeckt, deren Abtragung eine echte Krebs- prävention bedeutet. Andererseits wären für 70 Prozent der Untersuch- ten bei negativem Befund für einen Zeitraum von mindestens fünf Jah- ren keine weiteren Tests mehr erfor- derlich (37).

Diese verschiedenen Vorsorge- strategien wurden in einem Modell einer Kosten-Nutzen-Analyse unter- zogen, die zahlreiche Faktoren wie Sensitivität, Spezifität, Kosten und Compliance, aber auch Folgekosten einschließlich der Therapie nicht verhinderter Karzinome berücksich- tigt (27). Hierbei erweist sich die ein- malige Koloskopie bei einer Akzep- tanz von 100 Prozent als das effektiv- ste Verfahren zur Verhinderung ei- nes KRK und hierdurch induzierter Todesfälle. Eine Koloskopie als Vor- sorgemaßnahme brauchen nur 44 Prozent der Personen zu akzeptie- 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Jahre nach Diagnose

Stadium I Stadium II Stadium III Stadium IV Überlebensraten

1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 Grafik 1

Stadienabhängige Überlebenszeiten des kolorektalen Karzinoms (nach Winawer et al., 1992) Risikogruppen

Standard-Risiko

Individuen über 50 Jahre ohne Hinweis auf ein erhöhtes Risiko Erhöhtes Risiko

Familiäre Anamnese:

1 Genetische Syndrome l Adenomatöse Polyposis

Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)/Gardner- Syndrom

Turcot-Syndrom (auch als variante Ausprägung von HNPCC)

Attenuierte adenomatöse Polyposis (AAPC) l Hamartomatöse Polyposis

Peutz-Jegher-Syndrom Juvenile Polyposis Cowden-Syndrom

l Hereditäres nicht polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC)

1 Kolorektale Neoplasie mit fa- miliärer Häufung ohne Hin- weis auf ein genetisches Syn- drom

Individuelle Anamnese:

1 Adenomatöse(r) Polyp(en) 1 Zustand nach kolorektalem

Karzinom

1 Chronisch entzündliche Darm- erkrankung

1 Mamma-, Uterus-, Ovarialkar- zinom? Strahlentherapie?

(3)

ren, um die KRK bedingte Morta- lität um 35 Prozent zu senken. Dieses Ergebnis läßt sich mit dem FOBT aufgrund der geringsten Effektivität aller Vorsorgemaßnahmen nur bei einer Teilnahmequote von 75 Pro- zent erzielen. Diese Rate wurde in zahlreichen Studien nicht erreicht.

Der FOBT ist allerdings die in bezug auf Nord- amerika kostengünstigste Methode, wenn man von einer Koloskopiegebühr von 1 000 Dollar ausgeht.

Sinkt die Vergütung je- doch unter 750 Dollar, werden die Kosten pro verhinderten Tod infolge eines KRK für die ein- malige Koloskopie niedri- ger als für die Tests FOBT alleine, Sigmoidoskopie alleine oder deren Kom- bination. Bei wesentlich geringeren Gebühren für Endoskopien ist in Deut- schland eine noch günsti- gere Kosten-Nutzen-Re- lation wahrscheinlich.

Der Kolon-Kontrast- einlauf sollte die Kolo- skopie in der Regel nicht ersetzen, aufgrund einer kürzlich ermittelten signi- fikant niedrigeren Sensiti- vität (83 versus 95 Pro- zent). Die Wahrschein- lichkeit, insbesondere ein kleines Karzinom nicht zu erfassen, ist bei der radio-

logischen Methode im Vergleich zur Endoskopie vierfach erhöht (38).

Kleine Polypen werden allerdings auch bei der Koloskopie leicht über- sehen. So wurde in einer prospekti- ven Studie jedes vierte Adenom mit einem Durchmesser von weniger als 5 Millimeter nicht erkannt. Der Nachweis von über 1 Zentimeter großen Polypen ist jedoch in 94 Pro- zent der Fälle reproduzierbar (39).

Die Zuverlässigkeit der Koloskopie ist untersucherabhängig, wobei nach einer Studie aus den USA die Wahr- scheinlichkeit, ein Karzinom zu über- sehen, bei Nicht-Gastroenterologen fünffach höher war als bei Gastroen- terologen (38).

Kostenanalysen zeigen, daß der Aufwand pro Jahr Lebensgewinn für

das Kolonkarzinom-Screening mit 25 000 Dollar vergleichbar hoch oder niedriger ist als für andere Screening- Verfahren zur Senkung der Karzi- nomsterblichkeit (zum Beispiel Mam- mographie) oder Therapie chroni- scher Erkrankungen wie Hypertonie oder dialysepflichtiger Niereninsuffi-

zienz. Zum Vergleich müssen für die Ausrüstung von Personenkraftwagen mit einem Doppel-Airbag 120 000 Dollar investiert werden, um ein Jahr Lebensgewinn zu erzielen.

Überwachungsstrategien bei erhöhtem Risiko

Familiäre adenomatöse Polyposis

Die familiäre adenomatöse Po- lyposis (FAP) wird mit hoher Pe- netranz autosomal dominant ver- erbt. Mindestens jeder fünfte Patient hat jedoch keine familiäre Anamne- se, so daß eine spontane Mutation des Krankheitsgens häufig zu sein

scheint. Bei einem natürlichen Krankheitsverlauf entstehen im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt Hunderte bis Tausende von Adeno- men in allen kolorektalen Segmen- ten. Ohne Kolektomie entwickelt sich obligat ein KRK spätestens in der vierten Lebensdekade (41). Von

den mit unterschiedlicher Frequenz auftretenden extrakolischen Mani- festationen der Erkrankung ist die kongenitale Hypertrophie des reti- nalen Pigment-Epithels (CHRPE) von diagnostischer Bedeutung, da sie bei mindestens 80 Prozent der Genträger bereits nach der Geburt existiert und mittels indirekter Oph- thalmoskopie erfaßt werden kann (40).

Im Jahre 1991 wurde das famili- äre adenomatöse Polyposis Coli Gen (APC Gen) auf dem Chromosom 5q identifiziert. Die Punktmutationen, die zur Polyposis führen, sind auch beim Gardner-Syndrom nachweisbar.

Dieses Syndrom ist eine phäno- typische Variante von FAP und läßt sich klinisch von der FAP nur an abweichenden oder ausgeprägteren extrakolischen Manifestationen wie Osteomen, Zahnabnormalitäten oder benignen Weichteiltumoren unter- scheiden. Das Turcot-Syndrom kann einerseits als weitere genetische Vari- ante der FAP Folge von Mutationen im APC-Gen sein, andererseits auch eine variante Ausprägung von HNP- CC. Die Prävalenz ist schwer zu er- mitteln, da assoziierte Hirntumore schon vor der Diagnostik der Polypo- Standard-Risiko (75 %)

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (1 %) FAP (1 %)

HNPCC (5 %)

Familiäre Anamnese einer kolorektalen Neoplasie ohne genetisches Syndrom (15 – 20 %) Grafik 2

Anteile der Risikogruppen (nach Burt et al., 1990)

Screening bei Standardrisiko Ab 50. Lebensjahr:

1 Jährlicher fäkaler Test auf ok- kultes Blut (FOBT) und Sig- moidoskopie alle fünf Jahre* Alternativ:**

1 Koloskopie alle zehn Jahre

*Empfehlung der WHO und zahlreicher Fachgesellschaften; basierend auf pro- spektiven kontrollierten Studien (FOBT) beziehungsweise fallkontrollierten Studi- en (Sigmoidoskopie).

**Seit 1997 als Alternative von der Ameri- can Cancer Society empfohlen; basierend auf Modellanalysen; derzeit Evaluation im

„U.S. National Colonoscopy Screening Trial“.

(4)

sis zum Tode führen können. Bei der attenuierten adenomatösen Polypo- sis Coli (AAPC) entstehen weniger als einhundert, zumindest teilweise flache Polypen („flat adenoma syn- drome“), die häufig eine hochgradi- ge Dysplasie aufweisen. Das Risiko eines KRK ist dementsprechend er- höht, wobei die Karzino-

me im Vergleich zur FAP jedoch später auftreten (41, 43).

Überwacht werden sollten Verwandte er- sten oder zweiten Gra- des von Patienten mit adenomatöser Polyposis (52) (Textkasten Geneti- sche Syndrome). Nach vorausgegangener gene- tischer Beratung und Zustimmung der Risiko- person wird durch einen Gentest ermittelt, ob ei- ne APC-Mutation vor- liegt. Ein negativer Test schließt aufgrund der Vielzahl möglicher Mu- tationen die Erkrankung

nur aus, wenn der Mutationstyp in der betroffenen Familie identifiziert werden konnte (41, 43). In allen an- deren Fällen muß bei dem potentiel- len Genträger ermittelt werden, ob sich das Adenomatöse-Polyposis- Syndrom ausbildet. Eine CHRPE- Diagnostik ist sinnvoll, wenn bei Fa- milienmitgliedern des Betroffenen eine CHRPE nachgewiesen wurde und die Untersuchung durch einen erfahrenen Ophthalmologen vorge- nommen wird. Empfohlen werden weiterhin jährliche flexible Sigmoi- doskopien mit rektalen Routine- biopsien zum Nachweis von Mikroa- denomen (34, 40, 41). Bei einer AAPC können Polypen vorwiegend im rechten Kolon auftreten, so daß zumindest in größeren Zeitinterval- len Koloskopien bei entsprechender genetischer Konstellation sinnvoll erscheinen (40, 41). Eine Kolosko- pie ist darüber hinaus angezeigt, so- bald bei einer Überwachungsunter- suchung rektosigmoidale Polypen identifiziert werden. Bei multiplen kolorektalen Polypen genügen dann Zangenbiopsien zum Adenomnach- weis und zur Sicherung der Indikati- on zu einer Kolektomie vorzugswei-

se mit Proktomukosektomie, ileo- analer Anastomose und Pouch-Bil- dung. Bei sehr frühem Nachweis der Erkrankung kann die Operation bis nach Beginn der Pubertät verscho- ben werden (19). Darüber hinaus sollte bei erwiesenen Genträgern ab dem 30. Lebensjahr alle ein- bis

zwei Jahre eine Gastroduodenosko- pie zum Ausschluß häufig assoziier- ter Adenome und Karzinome im oberen Gastrointestinaltrakt, insbe- sondere im periampullären Bereich erfolgen. Ergeben die genetischen Tests und die endoskopische Über- wachung bis zum 40. Lebensjahr keine Hinweise auf FAP, sinkt das Erkrankungsrisiko der Verwandten von FAP-Patienten auf weniger als 0,5 Prozent, so daß die Untersu- chungsintervalle auf drei bis fünf Jahre ausgedehnt werden können (34). Der Patient sollte darüber in- formiert werden, daß die FAP in sehr seltenen Fällen auch noch später pe- netrant werden kann (13).

Hamartomatöse Polyposis Harmartomatöse-Polyposis-Syn- drome sind seltene Erkrankungen, die autosomal dominant vererbt werden. Die Patienten werden häu- fig schon im Kindesalter oder im zweiten bis dritten Lebensjahrzehnt symptomatisch infolge von Blutun- gen oder polypenbedingter intesti- naler Obstruktion (31). Bei dem Peutz-Jegher’s-Syndrom treten ne-

ben den typischen mukokutanen Pigmentationen Hamartome vorwie- gend im Dünndarm, aber auch im Magen und Kolon auf, wobei sie mit Adenomen assoziiert sein können.

Die Inzidenz gastrointestinaler Kar- zinome wird auf zwei bis 13 Prozent geschätzt und ist damit deutlich

niedriger als bei FAP oder HNPCC (14). Extraintestinale Karzinome werden insbesondere in der Mamma, den Ovarien oder der Zervix diagno- stiziert.

Bei der juvenilen Polyposis kön- nen sich Karzinome insbesondere im Kolon und Rektum aus gemischt ju- venil-adenomatösen Polypen oder synchronen adenomatösen Polypen entwickeln. Das Risiko eines KRK beträgt mindestens neun Prozent.

Überwachung bei genetischen Syndromen Adenomatöse Polyposis Ab 12. Lebensjahr:

l Genetische Beratung und Tests, ophthalmologische Untersu- chung

l Jährliche Sigmoidoskopie, spo- radische Koloskopien bei AAPC

l Gastroduodenoskopie alle ein bis zwei Jahre bei Genträgern ab 30. Lebensjahr

Hamartomatöse Polyposis Ab 20. Lebensjahr:

l Sigmoidoskopie alle drei Jahre l Gastroduodenoskopie und Ko-

loskopie alle drei bis fünf Jahre mit Ektomie großer dysplasti- scher Polypen

l Sporadische Dünndarm-Kon- trastdarstellung (Sellink) l Peutz-Jegher-Syndrom: Regel-

mäßige gynäkologische Unter- suchungen mit Mammographie Hereditäres nicht polypöses kolorektales Karzinom Ab 20. Lebensjahr:

l Genetische Beratung und Tests l Koloskopie alle ein bis zwei

Jahre, ab 40. Lebensjahr jähr- lich

l Jährliche gynäkologische Un- tersuchung mit transvaginalem Ultraschall ab 25. Lebensjahr 10

5

0

Kumulative Inzidenz (%)

40 50 60 70 80 Alter des Verwandten (Jahre)

< 45 Jahre 45 – 54 Jahre

> 54 Jahre Kontrollen (kein KRK), alle Altersgruppen Alter der betroffenen Patienten bei Diagnose des KRK

Grafik 3

Kumulative Inzidenz des KRK bei Verwandten ersten Grades von Patien- ten mit kolorektalem Karzinom (nach Meckling et al., 1986)

(5)

Bei dem Cowden-Syndrom finden sich üblicherweise nichtmaligne ha- martomatöse Polypen im Magen, Dünndarm und Kolon. Die Erkran- kung ist darüber hinaus gekennzeich- net durch multiple orokutane Ha- martome sowie fibrozystische oder karzinomatöse Tumoren der Mamma und Schilddrüse.

Aufgrund fehlender longitudi- naler Studien basieren die Empfeh- lungen zur Überwachung der hamar- tomatösen Polyposis auf den bisheri- gen Kenntnissen über den natürli- chen Krankheitsverlauf (14, 31, 41) (Textkasten Genetische Syndrome).

Hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom

Das hereditäre nichtpolypöse kolorektale Karzinom (HNPCC), auch als Lynch-Syndrom bekannt, wird autosomal dominant vererbt und tritt mit einem Anteil von fünf Prozent aller Kolonkarzinome etwa fünf- bis achtfach häufiger auf als die FAP. Bisher wurde HNPCC Typ 2 („Familiäres Krebssyndrom“) von Typ 1 unterschieden aufgrund der zu- sätzlichen Präsenz von extrakoli- schen Karzinomen, insbesondere des Urogenitaltrakts, aber auch des Ma- gens oder Pankreas (28, 41). Auf- grund breiter Überlappungen zwi- schen beiden Varianten ist diese Dif- ferenzierung inzwischen jedoch nicht mehr üblich.

Bei HNPCC finden sich im Ver- gleich zur FAP deutlich weniger, unter Umständen auch nur vereinzelte, oft kleine flache Adenome, vorwiegend im rechtsseitigen Kolon. Im Vergleich zu sporadischen Adenomen ist die La- tenz vom Adenom zum Karzinom kürzer, und es entwickeln sich häufi- ger multiple Karzinome (19, 20, 23, 31). Dabei steigt die Inzidenz des KRK bei HNPCC ab dem 20. Lebens- jahr langsam an und nimmt nach der dritten Lebensdekade rasch weiter zu bis zu einer kumulativen Rate von et- wa 60 Prozent.

Der Krankheitsverdacht ergibt sich in erster Linie bei der Patien- tenanamnese, mit der routinemäßig die sogenannten Amsterdam-Kriteri- en geprüft werden sollen (45):

¿ Mindestens drei Familienmit- glieder müssen ein Kolonkarzinom

aufweisen, wobei ein Mitglied Ver- wandter ersten Grades der zwei ande- ren sein soll.

À Die Karzinomfälle müssen mindestens zwei Generationen be- treffen.

Á Die Diagnose muß in wenig- stens einem Fall im Alter von unter 50 Jahren gestellt worden sein.

Diese Kriterien sind sehr strikt und spezifisch, so daß im positiven

Fall mit großer Wahrscheinlichkeit HNPCC vorliegt. Aufgrund der gerin- geren Sensitivität sollte im Zweifels- fall jedoch auch bei anderen Konstel- lationen, zum Beispiel bei nur zwei betroffenen Verwandten, aber mit frühem Auftreten der Karzinome und rechtsseitiger Lokalisation, HNPCC ausgeschlossen werden. Weitere Ana- lysen von Stammbäumen und Gen- mutationen betroffener Familien wer- den in Kürze eine zuverlässigere Defi- nition der Amsterdam- und erweiter- ter Kriterien (Bethesda, Kopenha- gen) ermöglichen (22).

Die HNPCC zugrundeliegenden Mutationen wurden inzwischen bei vier DNA-Mismatch-Repair-(MMR-) Genen (hMSH2 und hPMS1 auf

Chromosom 2, hMLH1 und hPMS2 auf den Chromosomen 3 beziehungs- weise 7) identifiziert. Die Verände- rung von MMR-Genen erklärt das hohe Entartungspotential der Poly- pen. Bei der überwiegenden Mehr- zahl der Patienten mit HNPCC läßt sich das Phänomen der Mikrosatelli- ten-Instabilität (MIN) nachweisen, das auf einen Defekt in einem Repa- raturgen hinweist. Wenn das MIN- Phänomen nicht vorliegt, lohnt sich beim gegenwär- tigen Wissensstand die Su- che nach einer Keimbahn- mutation nicht. Da auch etwa 15 Prozent der spora- dischen KRK diesen Phä- notyp aufweisen, kann umgekehrt von einem Tu- mor mit MIN-Phänomen nicht auf ein HNPCC ge- schlossen werden. Nach diesen Kriterien sollten Gentests im Verdachtsfall bei positiver Famili- enanamnese im Rahmen einer genetischen Bera- tung erfolgen (8). Der Mu- tationsnachweis gelingt je- doch nur bei etwa drei Viertel der betroffenen Familien, wenn eine ein- deutige Familienanamne- se vorliegt und alle heute zur Verfügung stehenden Methoden einschließlich Totalsequenzierung ein- gesetzt werden. Weitere, bisher nicht bekannte Gendefekte sind daher zu vermuten. Vergleichbar der FAP schließt ein negativer Test die Er- krankung nur aus, wenn der gleiche Test bei anderen Familienmitgliedern mit HNPCC positiv ausfiel, das heißt die Genmutation identifiziert wurde.

In allen anderen Fällen sind endosko- pische Überwachungen erforderlich, welche das frühe Auftreten und die bevorzugte Lokalisation der Karzino- me berücksichtigen (Textkasten Über- wachung). Die kurzen Kontrollinter- valle ergeben sich aus den Daten ei- ner skandinavischen Studie, bei der trotz aller drei Jahre durchgeführten Endoskopien sechs Karzinome bei 251 beobachteten Individuen mit HNPCC auftraten (18). Eine obere Altersgrenze läßt sich für die Über- 5

4 3 2 1 0

Kumulative Inzidenz (%)

0 1 2 3 4 5 6 7 Beobachtungsjahre

erwartet, entsprechend der Kontrollgruppe aus der Mayo Clinic Studie

erwartet, entsprechend der Kontrollgruppe aus der St. Mark's Hospital Studie

erwartet, entsprechend Kontrollgruppe aus der Normal- bevölkerung (SEER)

tatsächlich beobachtet

Für die Patienten aus der National Polyp Study...

Grafik 4

Erwartete und beobachtete Inzidenz des KRK in der National Polyp Study (nach Winawer et al., 1993)

(6)

wachungsmaßnahmen nicht sicher festlegen, da jeder fünfte Patient bei der Erstdiagnose über 60 Jahre alt ist (28).

Bei Patienten mit HNPCC sollte bei Nachweis der beschriebenen Po- lypen aufgrund des multiplen Auftre- tens, des hohen Entartungsrisikos so- wie der häufig schwierigen endosko- pischen Abtragung frühzeitig eine subtotale oder totale Kolektomie er-

wogen werden. Vergleichbare Vor- schläge gelten für das Muir-Torre- Syndrom. Bei dieser HNPCC-Vari- ante sind weniger als 100, vorwie- gend rechtsseitig lokalisierte Kolon- adenome mit verschiedenen benig- nen und malignen Hauttumoren as- soziiert.

Familiäre Anamnese ohne Hinweis auf genetisches Syndrom

Männer und Frauen mit an ei- nem sporadischen KRK erkrankten Verwandten ersten Grades haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für KRK im Vergleich zu Individuen mit unauffälliger Familienanamnese (15).

Die Wahrscheinlichkeit der Karzi- nomentstehung steigt dabei bereits

ab dem 40. Lebensjahr an und ist um so größer, je jünger der betroffene Verwandte bei der Diagnose des KRK war (44) (Grafik 3). Ein noch höheres Risiko besteht, wenn mehre- re Verwandte ersten oder zweiten Grades an einem KRK erkrankten, wobei dann die Kriterien zum HNP- CC-Ausschluß überprüft werden soll- ten. Erhöhte Risiken gelten darüber hinaus für Personen, bei deren Eltern oder Geschwistern Kolonadenome in einem Alter von unter 60 Jahren dia- gnostiziert wurden (51). Bezüglich der Wachstumsgeschwindigkeit und Lokalisation der kolorektalen Neo- plasien scheinen keine Unterschiede zu Individuen mit durchschnittlichen Risiken zu bestehen.

Aus diesen Erkenntnissen erge- ben sich die im Textkasten Familiäre Anamnese aufgeführten Überwa- chungsstrategien für alle Personen mit familiärer Anamnese eines Karzi- noms oder Adenoms im Kolon bezie- hungsweise Rektum (8, 52).

Individuelle Anamnese

Bei einem sigmoidoskopischen Nachweis von Adenomen sind bei 30 bis 40 Prozent der Patienten synchro- ne Adenome im proximalen Kolon nachweisbar. Eine Koloskopie ist da- her immer angezeigt, wenn bei einer Rektosigmoidoskopie ein Adenom diagnostiziert wird. Die Indikation ist auch bei Adenomen mit einem Durchmesser von unter 5 mm gege- ben. Eine prospektive Studie ergab für diese Konstellation eine Inzidenz proximaler, zum Teil fortgeschritte- ner Neoplasien von 29 Prozent (35).

Bei der Koloskopie müssen dann sämtliche dargestellten Polypen ab- getragen werden. Die an einem Kol- lektiv von über 1 400 Polypenträgern prospektiv in den USA durchgeführ- te „National Polyp Study“ zeigt, daß hierdurch die Inzidenz des KRK si- gnifikant gesenkt werden kann (49).

In einem Zeitraum von sechs Jahren beträgt die Reduktion 88 bis 90 Pro- zent im Vergleich zu historischen Kontrollen nicht behandelter Poly- penträger. Die Karzinomrate ist so- gar um 76 Prozent niedriger als bei einem altersentsprechenden Kollek- tiv aus der Normalbevölkerung

mit einer durchschnittlichen Wahr- scheinlichkeit nicht entfernter spora- discher Polypen (Grafik 4). Die Inzi- denz des KRK wurde in dieser Studie auch bei Patienten mit weniger als 10 mm großen Adenomen durch Poly- penabtragung gesenkt (49).

Nach Entfernung aller darge- stellten Adenome („clean colon“) sind aufgrund der hohen Rate von Residual- beziehungsweise Rezidiva-

denomen Kontrollkoloskopien ange- zeigt (Textkasten Individuelle Anam- nese). Diese sollten individuell kurz- fristig nach drei bis zwölf Monaten er- folgen, wenn nicht sichergestellt ist, daß alle Darmsegmente vollständig dargestellt wurden, eine Polypekto- mie nicht im Gesunden erfolgte oder

Überwachung bei individueller Anamnese eines kolorektalen Adenoms Koloskopie mit Ektomie synchroner Polypen Erste Kontroll-Koloskopie 1 individuell kurzfristig (3 bis 12

Monate) bei

l Polypen mit invasivem Kar- zinom oder schwerer Dys- plasie

l großen sessilen Polypen l nicht gesicherter vollständi-

ger Ektomie aller Polypen l nicht gesicherter vollständi-

ger Inspektion aller kolo- rektalen Segmente 1 nach drei Jahren bei hohem

Risiko:

Initial >drei Adenome oder Adenomdiagnose im Alter

>60 Jahre und Eltern mit Anamnese eines KRK 1 nach fünf bis sechs Jahren bei

niedrigem Risiko:

Initial < drei Adenome im Al- ter < 60 Jahre oder Adenom- diagnose im Alter >60 Jahre und Eltern ohne Anamnese ei- nes KRK

Weitere Kontroll-Koloskopien 1 Falls erneut Adenomnachweis

bei erster Kontroll-Kolosko- pie: Intervalle wie bisher 1 Falls kein Adenomnachweis

bei erster Kontroll-Kolosko- pie: Fünf-Jahres-Intervalle Überwachung bei familiärer

Anamnese einer kolorektalen Neoplasie ohne Hinweis auf

genetische Syndrome Kolorektales Karzinom oder Adenom bei Verwandten

1. Grades im Alter < 60 Jahre oder bei zwei oder mehr Verwandten unabhängig vom Alter:

1 Koloskopie alle fünf Jahre ab dem 40. Lebensjahr oder zehn Jahre vor dem jüngsten Fall in der Familie (maßgeblich ist der jeweils früheste Zeitpunkt) 1 Individuelle frühere Überwa-

chung mit Koloskopie/Gen- tests bei Verdacht auf HNPCC, aber nicht vollständig erfüllten Amsterdam-Kriterien; Hinwei- se: >zwei Verwandte mit KRK bei frühem Auftreten und/oder rechtsseitiger Lokali- sation

(7)

ein erhöhtes Risiko besteht infol- ge von Polypen mit invasivem Kar- zinom, schwerer Dysplasie oder großflächigem Wachstum (Abbildung 1 a–d). In allen anderen Fällen ist eine Kontrollkoloskopie nach drei Jahren ausreichend. Hierdurch lassen sich klinisch relevante „Risiko“-Adeno- me (weniger als 1 cm Durchmes- ser, schwere Dysplasie oder invasi- ves Karzinom) zuverlässig in gleicher

Frequenz von etwa drei Prozent wie durch kürzere Untersuchungsinter- valle erfassen (50).

In einer neuen ergänzenden Analyse der National Polyp Study wurde die kumulative Rate neu auf- getretener Risikoadenome innerhalb von sechs Jahren nach Polypektomie ermittelt (54). Die Ergebnisse er- möglichen eine Stratifikation in zwei Risikogruppen. Die Wahrscheinlich- keit eines Risikoadenoms beträgt nur vier Prozent in der Gruppe unter 60 Jahre alter Patienten mit ein- bis zwei

bei der initialen Koloskopie entfern- ten Adenomen oder über 60 Jahre al- ten Patienten mit Eltern ohne Anam- nese eines KRK. Dagegen schließt die Gruppe mit hohem Risiko Indivi- duen ein mit mehr als zwei initialen Adenomen oder Patienten im Alter von über 60 Jahren und Hinweis auf ein KRK bei den Eltern. Bei diesen Konstellationen ist die Wahrschein- lichkeit der Entwicklung von Risiko-

polypen fünf- beziehungsweise vier- fach höher als in der Gruppe mit niedrigem Risiko, bei der das erste Kontrollintervall nach Polypektomie daher ausgedehnt werden kann.

Nach einer unauffälligen Koloskopie erscheint die nächste Kontrolle erst nach fünf Jahren erforderlich (37) (Textkasten Individuelle Anamnese).

Konzepte über weitere Ausdehnun- gen der Intervalle sind auf der Basis laufender Studien zu erwarten.

Überwachungsstrategien für Patien- ten mit Zustand nach kolorektalem

Karzinom wurden in dieser Zeit- schrift kürzlich ausführlich darge- stellt (11).

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Bei einer ausgedehnten Colitis ulcerosa steigt das Risiko eines KRK nach einem Krankheitsverlauf von 15 Jahren von 2,5 Prozent auf 15 bis 35 Prozent nach 30 Jahren an (6, 24). Die hohe Assozia- tion zwischen Karzi- nom und endosko- pisch-bioptisch erfaß- baren Dysplasien führte zu einer weiten Verbreitung von Kolo- skopien als Überwa- chungsmaßnahme bei langjährig bestehen- der extensiver Colitis ulcerosa (10). Der Nutzen derartiger Pro- gramme ist allerdings nicht belegt und wird kontrovers beurteilt (5, 6, 9, 10, 16, 29, 46).

Eine Klärung durch ei- ne randomisierte Stu- die würde mindestens zehn Jahre dauern und den Einschluß von über 1 000 Patienten erfordern (10).

Eine Auswertung von zehn prospekti- ven unkontrollierten Studien mit endosko- pischer Überwachung von insgesamt 1 225 Patienten zeigt, daß eine initial oder im Verlauf nachgewiesene Dysplasie in assoziierter Läsion oder Masse (DALM) bei 43 Prozent und eine hochgradige Dysplasie bei 74 Pro- zent der Patienten mit einem KRK assoziiert war (6). Es besteht daher Konsens, daß in diesen Fällen grundsätzlich eine Kolektomie indi- ziert ist. Kontrovers wird die Indika- tion bei niedriggradiger Dysplasie diskutiert, die in dieser Sammelstati- stik bei einem Viertel der Patienten früher oder später mit einem KRK einherging (5, 6).

Abbildung 1a: Breitbasiger Polyp im Kolon ascendens mit einem Durchmesser von 28 mm

Abbildung 1b: Nach Unterspritzung, Abtragung an der Basis mit einer Elektroschlinge

Abbildung 1c: Großflächige, bis tief in die Submukosa reichende Abtragungsstelle

Abbildung 1d: Bergung des Polypens zur histologischen Befundung:

Breitbasiges villöses Adenom mit fokalen schwergradigen Dysplasien

a

b

c

d

(8)

Neue Aspekte über den Nutzen periodischer Koloskopien bei exten- siver Colitis ulcerosa ergeben sich aus der bisher größten, in London bei 332 Patienten über 21 Jahre durchgeführ- ten Überwachungsstudie (10). Das Protokoll sah bei Patienten mit über zehnjähriger Anamnese einer minde- stens bis zur hepatischen Flexur aus- gedehnten Colitis ulcerosa eine Ko- loskopie alle zwei Jahre sowie eine

Sigmoidoskopie im Intervalljahr vor.

Im Beobachtungszeitraum konnten nur elf von 20 aufgetretenen Ko- lonkarzinomen durch die Überwa- chungsmaßnahmen erfaßt werden.

Eine Analyse des umfangreichen Datenmaterials läßt jedoch vermu- ten, daß diese enttäuschenden Re- sultate verbessert werden könnten durch eine jährlich durchgeführ- te Koloskopie, Entnahme von min- destens 30 Biopsien bei jeder Un- tersuchung und standardisierte hi- stologische Befundung jeder Dys- plasie durch zwei versierte Patholo- gen. Nach den Ergebnissen dieser Studie ist eine Proktokolektomie auch bei niedriggradiger Dysplasie zu empfehlen, da sie mit einer Wahr- scheinlichkeit von 54 Prozent schon bei ihrem Nachweis oder innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einer hochgradigen Dysplasie oder einem

Karzinom einherging (10, 46). Ent- schließt man sich trotz dieser Risi- ken zu einem abwartenden Verhal- ten, sollte bei einer niedriggradigen Dysplasie in flacher Mukosa in drei bis sechs Monaten eine Kontrollko- loskopie erfolgen. Bei Bestätigung des histologischen Befundes ist dann eine Kolektomie angezeigt, anderen- falls eine weitere Koloskopie in ei- nem Jahr (52) (Grafik 5). Bei ver-

gleichbarer Erkrankungsdauer und anatomischer Ausdehnung der Ent- zündung ist das Risiko eines KRK bei Morbus Crohn ähnlich hoch wie das der Colitis ulcerosa (12). Obwohl keine Studien über die Effektivität einer Überwachung vorliegen, er- scheinen daher bei langjähriger aus- gedehnter Colitis Crohn ähnliche Strategien wie für die Colitis ulcero- sa sinnvoll.

Resümee

Mit einer sorgfältigen Anamne- se lassen sich Individuen mit erhöh- ten Risiken für ein KRK erfassen, wobei aus diesem Kollektiv ein Vier- tel aller kolorektalen Karzinome hervorgeht. Für die jeweiligen Risi- kogruppen werden unterschiedlich gut evaluierte Überwachungsstrate-

gien vorgeschlagen, die eine frühzei- tige Entdeckung der Karzinome oder deren Vorstufen anstreben und durch Intervention eine Verbesse- rung der Spontanprognose ermögli- chen. Bei asymptomatischen Perso- nen ohne Hinweis auf ein erhöhtes Risiko kann die Mortalität infolge eines KRK durch Screeningmaßnah- men gesenkt werden. Von der WHO werden auf der Basis umfangreicher Studien ein jährlicher FOBT und ei- ne Sigmoidoskopie alle fünf Jahre für über fünfzigjährige Individuen empfohlen. Das gesetzliche Vorsor- geprogramm in Deutschland schließt dagegen nur den FOBT und die digi- tale rektale Untersuchung ein. In Modellanalysen erweist sich alterna- tiv die im Alter von 55 bis 64 Jahren einmalig durchgeführte Koloskopie als die effektivste und kostengün- stigste Vorsorgestrategie. Zur weite- ren Evaluation läuft derzeit eine prospektive kontrollierte Studie mit Einschluß von 60 000 Probanden in den USA an („National Colonosco- py Screening Trial“). Die Ergebnisse können erst in 15 Jahren erwartet werden.

Die Effektivität aller Screening- und Überwachungsstrategien ist be- sonders von der Compliance der Teil- nehmer abhängig. Diesbezüglich er- scheinen umfangreiche Aufklärungs- kampagnen erforderlich. Diese wer- den erleichtert durch die Kenntnis, daß für das Karzinom mit der zweit- höchsten Mortalität Vorsorgemaß- nahmen zur Verfügung stehen, deren Effektivität so hoch und so gut gesi- chert ist wie für kein anderes Karzi- nom des Menschen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-530–537 [Heft 10]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers

Priv.-Doz. Dr. med. Horst Neuhaus Medizinische Klinik

Evangelisches Krankenhaus Kirchfeldstraße 40

40217 Düsseldorf Koloskopie mit Biopsien* nach 7 Jahren Pankolitis oder 15 Jahren linksseitiger Kolitis

*2–4 Biopsien alle 10 cm, zusätzlich bei jeder verdächtigen Masse oder Läsion; Befundung aller Dysplasien durch zweiten versierten Pathologen

Hochgradige

Dysplasie Niedriggradige Dysplasie

Kontrolle nach 3 bis 6 Monaten

Bestätigung?

Masse

KRK Flach

Ja

Kolektomie Nein

Unbestimmte Dysplasie

Kontroll- Koloskopie nach 1 Jahr

Kontroll- Koloskopie in 1 bis 2 Jahren

Keine Dysplasie DALM

?

Grafik 5

Schematische Darstellung der Überwachung bei Colitis Ulcerosa

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