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7 Wahr¬ scheinlichkeit einer Entwicklung t &gt

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und die kanaanäische Lautverschiebung

Von Webnek Diem, München

Inhalt I. Der masoretische Befund

§ 1 Aussprache. § 2 Schreibung.

II. Das Problem von fo imd die bisherigen Lösungs versuche

§ 3 Das Problem. § 4 Bisherige Lösungsversuche. § 5 Diskussion.

III. Das Problem von tu im Licht der kanaanäischen Lautverschiebung A. Theoretische Erörterung

§ 6 Unwahrscheinlichkeit eines direkten Übergangs < > if. § 7 Wahr¬

scheinlichkeit einer Entwicklung t > S > S. § 8 Zusammenfall von Ä mit g und sekundärer Charakter von (». § 9 Ähiüiche Theorien.

B. Sprachlicher Befimd

§ 10 Zeugnisse des Kanaanäischen im 2. Jahrtausend v. Chr. § 11 Metho¬

disches zur Interpretation der ägyptischen und babylonischen Schrei¬

bungen. § 12 Die älteren ägyptischen Schreibungen kanaanäischer

Wörter. § 13 Die jüngeren ägyptischen Schreibungen kanaanäischer

Wörter. § 14 Die Inschriften in semitischer Konsonantenschrift.

§ 15 Die Kanaanismen der Amarnabriefe. § 16 Diskussion der Schrei¬

bungen. § 17 Die Scbibboleth-Episode und ihre Einordnung.

IV. Sekundärer Charakter von <t>

§ 18 Allgemeines. § 19 Interferenz des Aramäischen. § 20 Diskussion

eines Einwands.

V. Anhang : Semitische Parallelen zur kanaanäischen Verschiebung von t.

§ 21 Allgemeines. § 22 Lautgesetzliche Entwicklung t > Sibilant. § 23 Substitution eines Sibilanten für fremdes t.

I. Der masoretische Befund

§ 1. Aussprache. Nach allgemeiner Auffassung besaß das Hebrä¬

ische des Alten Testaments drei stimmlose rüchtemphatische Sibi¬

lanten, welche die für das Ursemitische rekonstruierten stimmlosen

nichtemphatischen Sibilanten fortsetzten ; wie diese werden sie mit s, i

16 ZDMG 124/2

(2)

222 Webnee Diem

und ^ transkribiert. Von den drei Lauten wird für 5 eine Realisierung

als vorderer stimmloser nichtemphatischer SibUant ohne Kesselgeräusch*

und für i" eine Realisierung als stimnüoser nichtemphatischer Sibilant

mit Kesselgeräusch angenommen. Die Reahsierung von i ist proble¬

matisch ; der Laut muß jedenfalls von s und ^ verschieden gewesen sein,

und so ist eine Reahsierung als lateraler Zischlaut, wie sie noch heute

in den neusüdarabischen Sprachen vorhegt^, zumindest nicht unwahr¬

scheinhch. Zu einem späteren, nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt

ist das hebräische s nach der opinio communis dann — wie im Ara¬

mäischen — mit s zusammengefallen^.

§ 2. Schreibung. Was die Schreibung der Sibilanten betrifft, so

faUt auf, daß für die drei Laute nur zwei Buchstaben zur Verfügung

standen : D und IT, von denen Ü für s, und B? für S und s verwendet wurde.

Diese Schreibung von i und s mit demselben Buchstaben wird mit der

Abstammung des hebräischen vom phönizischen Alphabet erklärt*:

Im Phönizischen war s mit S zusammengefallen, so daß das Alphabet

für altes s und S nur ein einziges Zeichen aufwies. Als dann das phöni¬

zische Alphabet zur Schreibung des Hebräischen verwendet wurde,

mußten mit diesem einen Buchstaben die im Hebräischen noch ge¬

trennten Laute s und S notgedrungen geschrieben werden, und erst

später, nachdem das mit 12? mitbezeichnete s bereits zu s geworden war,

differenzierten die Masoreten tZ? = f als IT und 12? = s [< s] als f2>^. Diese Erklärung läßt sich als solche kaum widerlegen ; die analoge Erscheinung

trat bei der Verwendung des kanaanäischen Alphabets für die Schrei¬

bung des Altaramäischen* und des aramäischen Alphabets für die

' W. F. Albbight: The Egyptian Empire S. 232 schloß aus der ägyptischen Wiedergabe t (gesprochen wahrscheinlich ti) auf eine Realisierung tS oder ts.

Ein solcher Schluß ist aber imsicher, da mit der Möglichkeit von Laut¬

substitution gerechnet werden muß (s. § IIb).

^ Vgl. A. Jahn: Grammatik der Mehri-Sprache in Südarabien. Wien 1905.

(Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wiss., Phü.-hist. Kl. 150, 6.), S. 5.

* Bei dieser Entwicklung i > s wird von manchen aramäischer Einfluß

angenommen; vgl. z.B. Bauee-Leandbr : Historische Grammatik der

hebräischen Sprache. 1. Halle 1922, S. 190. — Der Zusammenfall von s

(geschrieben tti) und s (geschrieben D) wird in der Sclirift durch die Schrei¬

bung o für to und umgekehi-t reflektiert. Vgl. dazu J. Blau : On Pseudo-

Corrections in some Semitic Languages. Jerusalem 1970, S. 23f. und Appen¬

dix A.

* Vgl. J. Fbibdbich: Phönizisch-punische Grammatik. Rom ^1970, S. 18f.,

und Z. S. Habbis: Development S. 25, 26.

' Die Auffassung, die gleiche Schreibung sei einor ,, Ähnlichkeit" der beiden

Laute zuzuschreiben, die G. Bebostbässeb: Hebräische Grammatik. 1.

Leipzig 1918, S. 42 zu vertreten scheint, ist nicht haltbar.

' Vgl. R. Degen: Altaramäische Grammatik. Wiesbaden 1969, § 13, § 11.

(3)

Schreibung des Arabischen' auf; die arabische Orthographie bietet dar¬

über hinaus die ParaUele, daß aramäische Buchstaben, die mehr als

einen arabischen Laut bezeichneten, nachträghch mit Punkten unter¬

schieden wmden.

II. Das Problem von ft?

und die bisherigen Lösungsversuche

§ 3. Das Problem. Mögen nun diese für das Hebräische angenom¬

menen lauthchen Verhältnisse und ihre orthographischen Reflexe für

sich genommen auch plausibel sein, so bleibt doch ein Einwand bestehen :

Eine solche Lautentwicklung paßt nicht zum Befund der anderen

kanaanäischen Dialekte', insbesondere des Phönizischen, sondern zum

Befund des entfernteren Aramäischen. In den anderen kanaanäischen

Dialekten ist s nämhch schon im 2. Jahrtausend v. Chr. zu S geworden,

während es im Aramäischen erhalten gebheben und dann zu s geworden

- ist. Wenn die für das Hebräische angenommene lautliche Entwicklung

zutreffen sollte, müßte sich das Hebräische in diesem wichtigen Punkt

aus der kanaanäischen Gruppe ausgegliedert haben und der Entwick¬

lung des weniger verwandten Aramäischen gefolgt sein.

§4. Bisherige Lösungsversuche. Diese auffällige Unstimmig¬

keit hat immer wieder Zweifel an der Richtigkeit der traditioneUen

Unterscheidung von 6? und ^ hervorgerufen. 1. So hielt P. Haupt* das

6? für „ein Product der Punctatoren" und nahm an, es sei wie ^ § gespro¬

chen worden, ohne aUerdings für seine Vermutung nähere Gründe anzu¬

führen. 2. S. Moscati^" äußerte ebenfalls Zweifel an der masoretischen

Überheferung. Er hielt einen ZusanunenfaU von s mit im 1. Jahr¬

tausend V. Chr. für wahrscheinlich, weil weder die akkadischen noch die

griechischen und lateinischen Transkriptionen hebräischer Wörter

einen Unterschied zwischen altem s und i machten; erst die Masoreten

hätten tZ? in t2? und differenziert, und zwar auf der Grundlage von

Dialekten — welche es gewesen sein soUen, gibt er nicht an —, in denen

' Vgl. Blau: Pseudo-Corrections S.

* ,, Kanaanäisch" hier im engeren Sinn, d.h. ohne das Ugaritische. Vgl.

J. Fbiedbich : Kanaanäisch und Westsemitisch. In: Scientia 84 (1949), S. 220—

223.

« ZDMG 34 (1880), S. 763.

10 Preistoria e storia del consonantismo ebraico antico. In : Atti della Aca¬

demia Nazionale dei Lincei. 1954. Memorie. Classe di Scienze morali, storiche e filologiche. Serie 8, Vol. 5, Fascicolo 8, S. 443 ff. Vgl. auch ders.: II sistema consonantico delle Ungue semitiche. Rom 1954, S. 54.

18»

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224 Werner Diem

s und S getrennt geblieben seien. 3. G. Gabbini^^ schloß sich Moscatis

Argumentation an. Auch er sah den Mangel an Unterscheidung von

etymologischem s und S in den akkadischen, griechischen und lateini¬

schen Transkriptionen als Beweis für den Zusammenfall von s und S an,

nur daß für ihn die nachträgliche Differenzierung von ü durch die Maso¬

reten auf der Gmndlage des Aramäischen geschehen ist. 4. W. Fischbek*

folgerte aus der Schreibung, daß s und £ „nach Ausweis der Schrift

wohl ... z. T." zusammengefaUen seien. 5. K. Beybe^^ vertrat wie

Gabbini die Meinung, daß s ursprünghch mit S zusammengefaUen und

die Unterscheidung von fr und erst nachträglich durch die Masoreten

nach dem Muster des Aramäischen wieder eingeführt worden sei. Als

Argument nannte er die samaritanische Aussprache des Hebräischen,

die und V nicht unterscheidet, sondern nur V = S kennt, und ein

Wortspiel bei Jer. 23, 33fiF.

§ 6. Diskussion. Von den für einen ZusammenfaU von i mit S ange¬

führten Gründen ist aber, wie E. Y. KuTSCHEßi* gezeigt hat, Moscatis

und Gabbinis Argumentation mit den akkadischen, griechischen und

lateinischen Transkriptionen nicht stichhaltig. Denn auch in dem Palle,

daß das Hebräische den Laut s noch aufgewiesen hätte, hätte ihn das

Akkadische mit seinen zwei stimmlosen nichtemphatischen Sibilanten s

und § doch nicht mit einem eigenen Laut und Zeichen wiedergeben

können ; es hätte vielmehr fin s einen dieser beiden Laute substituieren

und es dann mit dem Zeichen des substituierten Lautes schreiben müssen.

Aus der akkadischen Schreibung S für etymologisches hebräisches s

lassen sich daher keine Schlüsse ziehen, ob dieser Laut zum Zeitpunkt

der akkadischen Schreibungen noch vorhanden war oder nicht. Noch

eindeutiger liegen die Verhältnisse bei den griechischen und lateinischen

Transkriptionen: Das Griechische und das Lateinische kennen nur

einen einzigen stimmlosen Sibilanten — or bzw. s —, mit dem alle

hebräischen stimmlosen SibUanten (außer ^ und dem fraghchen s auch 5

und umschrieben werden mußten. Auch wenn s von s und S getrennt

gewesen wäre, hätte es in griechischer und lateinischer Schrift doch wie

diese als a bzw. s wiedergegeben werden müssen. Fischebs Argument

der gleichen Schreibung von s und S wird durch die Annahme der phöni¬

zischen Herkunft des hebräischen Alphabets entkräftet (vgl. § 2).

Beyebs Hinweis auf die samaritanische Aussprache S von tr steht und

11 II semitico di nord-ovest. Napoli 1960, S. 45 ff.

i'^ Die Position von J' im Phonemsystem des Oemeinsemitischen. In : Studia

Orientalia. In memoriam Caroli Brookelmann. Halle 1968, S. 60.

1» Althebräisehe Grammatik. Göttingen 1969, S. 12 Fn. 1.

1* Contemporary Studies S. 39.

(5)

fallt mit der Frage, inwieweit diese alte Verhältnisse reflektiert ; es wäre

immerhin nicht ausgeschlossen, daß es sich um einen Verlust der Unter¬

scheidung von to und to handelt, der erst nachträglich eingetreten ist*^.

Was schheßhch das von Beyer angeführte Wortspiel mit f^toa (ns')

1. „Last", 2. ,, Ausspruch" bei Jer. 23, 33fif. betrifiFt, so ist nicht recht

ersichthch, wie es den Zusammenfall von s mit f erweisen soU. So bleibt

also das Problem bestehen, ob die traditionelle Unterscheidung von to

und to althebräisehe Verhältnisse reflektiert, oder ob sie nachträglich

von den Masoreten durchgeführt worden ist, und sich das Hebräische

ursprünghch wie die anderen kanaanäischen Sprachen entwickelt hatte.

Im Folgenden soll versucht werden, das Problem von einer anderen

Seite her zu untersuchen. Es soU gezeigt werden, daß s tatsächhch mit S

zusammengefaUen war und to eine spätere Restitution darsteUt. Im

Prinzip schheße ich mich also den erwähnten Zweifeln am ursprüng¬

hchen Charakter von to an, hoffe aber, andere Anhaltspunkte hefern zu

können.

III. Das Problem von to im Licht der

kanaanäischen Lautverschiebung A. Theoretische Erörterung

§6. Unwahrscheinlichkeit eines direkten Übergangs t > S.

Den methodischen Ansatzpunkt für die Untersuchung des Problems

hefert die sog. ,, kanaanäische Lautverschiebung"^*, welche darin besteht,

daß die ursemitischen Interdentale zu Zischlauten verschoben wurden*'.

Zwischen den ursemitischen Interdentalen und ihren kanaanäischen

Entsprechungen bestehen folgende Beziehungen**:

ursem. d t ^ t

kanaan. z S s

Die Beziehungen zwischen den ursemitischen und den kanaanäischen

Lauten werden herkömmhcherweise als Lautgesetze formuliert: d > z,

t > ^> 4' t > 9> aussagen soUen, daß d zn z, t zu und ^, t zn s ge-

1' Vgl. R. Macüch: Orammatik des samaritanischen Hebräisch. Berlin

1969, S. 84f., 128 f.

18 Der Ausdruck stammt von J. Friedbich.

1' Diese Erscheinung findet sich auch beim Akkadischen und beim

Äthiopischen. Vgl. § 22.

1* Vgl. C. Bbockelmann : Grundriß der vergleichenden Grammatik der

semitischen Sprachen. 1. Berlin 1908, S. 133; Bergstbässeb: Hebräische

Grammatik S. 86; Fbibdbich: Zum Phönizisch-Punischen. 2. Zur Entwick¬

lung der dentalen Spiranten P, d und P im Phönizischen und zum Verwandt-

schajtsverhältnis des Phönizischen und Hebräischen. In: ZS 2 (1924), S.4,

und Phönizisch-punische Grammatik S. 8.

(6)

226 Werneb Diem

worden seien. Wahrend nun aber die Annahme einer solchen direkten

Lautverschiebung bei d> z und d, t> s vom phonetischen Gesichts¬

punkt aus einleuchtet, ist sie bei der Entsprechung ursem. t — kanaan.

S problematisch: Es ist unwahrscheinhch, daß der Interdental t zu S,

einem Zischlaut mit Kesselgeräusch verschoben wurde, wenn gleich¬

zeitig mindestens ein, möglicherweise zwei andere, ihm in der Artikulation

ähnlichere Sibilanten vorhanden waren. Diese Inkonsequenz scheint

einzig G. Bekgstbässeri» und in Anschluß an ihn J. Abo^" für das die¬

selbe Erscheinung aufweisende Akkadische aufgefallen zu sein. Daß t

sich nicht zu i entwickelt, bzw. daß für t nicht S substituiert wird, wenn

ein anderer stimmloser Sibilant ohne Kesselgeräusch vorhanden ist,

läßt sich häufig belegen. Im Anhang (§§ 21—23) werden FäUe aus dem

semitischen Bereich besprochen.

§7. Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung t>s>S. Wenn

die Annahme richtig ist, daß ein Interdental / nicht direkt zu einem

Kesselgeräuschzischlaut S verschoben wird, falls noch ein Sibilant ohne

Kesselgeräusch vorhanden ist, fragt man sich nach den Konsequenzen

für die Entwicklung der Kanaanäischen. Eine theoretische Möglichkeit,

an die Aeo für das analoge Problem des Akkadischen zu denken scheint,

besteht darin, für den mit i transkribierten kanaanäischen Laut einen

anderen Lautwert, etwa s, anzunehmen; eine solche radikale Lösung

würde freihch in letzter Konsequenz das für das Ursemitische rekon¬

struierte System der SibUanten umstoßen. Die zweite Möglichkeit, die

Entsprechung ursem. t — kanaan. i historisch einzuordnen, besteht

darin, die Zwischenstufe eines anderen Sibilanten, der später zui wurde,

anzunehmen, s kann dieser Sibilant nicht gewesen sein, da es von S stets

getrennt bheb^*. Unter diesen Umständen kommt nur s in Frage, dessen

Artikulation sowohl von 5 als auch von S verschieden gewesen sein muß.

Für diese Entwicklung t> s und s > S sprechen auch im FaUe des

Akkadischen verschiedene Anhaltspunkte. Vgl. den Beitrag von D. 0.

Edzaed im Anhang § 22 a.

§ 8. Zusammenfall von s mit S und sekundärer Charakter

von to. Aus dem Ansatz der Entwicklung t> s > S ergibt sich aber eine

1» Einführung in die semitischen Sprachen. München 1928, S. 21: ,,Die

dentalen Spiranten werden duroh Zischlaute ersetzt, auffälligerweise nicht

immer durch den nächst entsprechenden : es wird zwar rf zu z, aber t nicht

zu s, sondern zu i ..."

2° Die semitischen Zischlaute (t), S, S und s und ihre Vertretung im Akka¬

dischen. In: Orientalia N. S. 28 (1959), S. 323.

^1 Nur in einem sehr späten phönizischen Dialekt auf Zypern fielen sie

möglicherweise zusammen. Vgl. Z. S. Habbis: A Orammar of the Phoenician

Language. New Haven 1936, S. 24.

(7)

wesentliche Folgerung für das Problem von (T im Althebräischen: Wenn t über s zu i geworden ist, dann ist nicht nur aus t entstandenes, sondern

auch altes s mit i zusammengefallen. Die Unterscheidung von S und s

entsprechend der etymologischen Verteilung von S und s, wie sie in der

traditioneUen Aussprache des Hebräischen vorliegt, muß dann als Inter¬

ferenz der aramäischen Muttersprache der Hebräischsprachigen erklärt

werden, entsprechend der sie tf in to (wenn = und to (wenn = s)

punktierten. Die Frage, ob eine solche Interferenz des Aramäischen

angenommen werden kann, soll vorläufig zurückgestellt werden (vgl.

§§ 18—20). Es soU zuerst untersucht werden, ob und inwieweit die aus

aUgemeinen phonetischen Überlegungen geforderten Entwicklungen

1. t> s und 2. s> S dxnch die konkreten sprachlichen Zeugnisse des

Altkanaanäischen gestützt werden.

§ 9. Ähnliche Theorien. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die

Annahme einer Zwischenstufe bei der Entwicklung von tzxiS auch von

anderer Seite vertreten worden ist. In dieser Richtung hat sich W. H.

WoKELL^^ geäußert, dessen Theorien freihch dadurch beeinträchtigt

sind, daß er die Sibilanten des Ursemitischen mit denen des Arabischen

identifizieren wollte'^^. Seinen Theorien hat sich W. F. Albbight ange¬

schlossen; die falschen Voraussetzungen durchziehen eine Reihe seiner

Arbeiten^*. Auch Z. S. Habbis^*, der im übrigen der herkömmhchen In¬

terpretation von to gefolgt ist, setzte für den Wandel von f zn i die

Zwischenstufe eines anderen Sibilanten an. Er nahm an, daß dieser

SibUant von altem s verschieden gewesen sei, ohne ihn aUerdings — wie

hier vorgeschlagen — mit s zu identifizieren. Eine solche Identifizierung

verbot sich für ihn schon deshalb, weU er den Verlust von t für einen

Zeitpunkt ansetzte, zu dem für ihn i in den kanaanäischen Dialekten

(außer im Dialekt von Jerusalem) nicht mehr existierte, sondern schon

zu S geworden war.

The Reciprocal Change of Sin and Shin in Semitic. In : Jomnal of the

Palestuie Oriental Society 1 (1920—21), S. 19.

2' Wobbeix ging in dieser wie in einer anderen Arbeit mit dem Titel

The Formation of Arabic Broken Plurals. In: American Joumal of Semitic

Languages and Literatures 41 (1925), S. 179—182, von dem durch C. Mein¬

hof aufgebrachten Prinzip der „Polarität" aus, bei dem zwei Elemente

ihren Wert austauschen sollen. Vgl. dazu E.A.Speiser: The Pitfalls of

Polarity. In: Language 14 (1938), S. 186—202.

" Journal of the Palestine Oriental Society 6 (1926), S. 82—84; 12 (1932),

S. 188; 14 (1934), S. 107f; JEA 12 (1926), S. 187; American Journal of

Semitic Languages and Literatures 41 (1925), S. 84 Fn. 1; Atti del XIX

Congresso Internazionale degli Orientalisti. Roma 23 — 29 Settembre 1935.

Roma 1938, S. 448.

" Development S. 41 Nr. 13.

(8)

228 Werner Diem

B. Sprachlicher Befund

§ 10. Zeugnisse des Kanaanäischen im 2. Jahrtausend v. Chr.

Für das Kanaanäische des 2. Jahrtausends v. Chr. stehen folgende

sprachhche Zeugnisse zur Verfügung^* :

1. Ältere ägyptische Umschreibungen in syllabischer Schrift (§ 12).

a) Kanaanäische Namen in den sog. „Ächtungstexten" des Mittleren

Reichs. Anfang des 2. Jahrtausends.

b) Kanaanäische Namen in ägyptischen Inschriften in Bybios. 18.

Jahrhundert.

c) Kanaanäische Namen in einer ägyptischen Liste. Mitte des 18.

Jahrhunderts.

2. Jüngere ägyptische Umschreibungen kanaanäischer Namen und

Appellative. Ab Mitte des 2. Jahrtausends (§ 13).

3. Inschriften in semitischer Konsonantenschrift (§ 14).

a) Altkanaanäisch-phönizische Aufschriften aus Kämid el-Löz.

b) Sinaitische Inschriften. Zwischen 1525 und 1475.

c) Aufschriften aus Lachisch. 13. Jahrhundert.

d) Phönizische Inschriften. Je nach Datierung ab 13. bzw. ab 10.

Jahrhundert.

4. Kanaanäische Namen und Glossen in Keilschrift in den in babyloni¬

scher Sprache geschriebenen Amarnabriefen. 14. Jahrhundert (§ 15).

a) §11. Methodisches zur Interpretation der ägyptischen

und babylonischen Schreibungen. Bei der Heranziehung der

ägyptischen und babylonischen Schreibungen kanaanäischer Namen und

Appellative ist darauf zu achten, daß Überinterpretierungen, wie sie

oben (§ 5) erwähnt worden sind, vermieden werden. Ein wesenthcher

Gesichtspunkt besteht darin, daß sowohl das Ägyptische als auch das

Babylonische weniger Laute besaßen, als das Kanaanäische mit s, s, S, f

potentiell aufwies. Es muß deshalb damit gerechnet werden, daß für

kanaanäische Laute, die diesen Sprachen fehlten, andere Laute bzw.

Schreibungen anderer Laute substituiert wurden.

b) Wegen der MögUchkeit von Lautsubstitution und schheßhch auch

wegen der Problematik bei der Rekonstruktion der ägyptischen Laute

2' Auf die im folgenden genannten Zeugnisse stützt sieh auoh Harris

in seinem Buch Development of the Canaanite Dialeets. Da er aber einerseits

nur einen Teil der in Frage kommenden Belege verwertet hat, und anderer¬

seits seit dem Erscheinen seines Buches neue Quellen erschlossen worden sind, ist eine neue imabhängige Durchsicht notwendig.

(9)

selbst sollten aas den ägyptischen Schreibungen kanaanäischer Wörter

möghchst keine Schlüsse auf den konkreten Lautwert des zugrunde¬

liegenden kanaanäischen Sibilanten gezogen werden. Ein methodisch

sinnvolles Verfahren muß sich damit begnügen, festzustellen, ob poten¬

tiell verschiedene kanaanäische Laute mit verschiedenen oder mit dem¬

selben Zeichen geschrieben wurden. Im ersten FaU kann als sicher gelten,

daß die beiden Laute auch in der kanaanäischen Sprache, aus der die

Wörter stammen, getrennt waren, während es andererseits im zweiten

Fall nicht mehr als möglich ist, daß die Laute in der kanaanäischen

Sprache zusammengefallen waren. Die Möglichkeit kann hier nicht von

vornherein ausgeschlossen werden, daß die entlehnende ägyptische

Sprache nicht genügend Entsprechungen besaß und deshalb zwei ähn¬

liche kanaanäische Laute mit 6inem Laut und dann mit 6inem Zeichen

wiedergab*'.

c) Eine weitere methodische Einschränkung bei der Interpretation

ägyptischer Umschreibungen ist die starke Tendenz des Ägyptischen zu

historischer Orthographie. Vor aUem die Umschreibungen kanaanäischer

Namen in den späten ägyptischen Siegeshsten gehen häufig auf wesent¬

hch ältere VorbUder zurück**. Mit der Möglichkeit historischer Ortho¬

graphie muß auch dort gerechnet werden, wo ältere Vorbilder nicht

erhalten sind.

d) Bei den kanaanäischen Eigennamen und Glossen in den Amarna¬

briefen ist die Situation insofern verschieden, als das Kanaanäische

die Muttersprache der Schreiber war; anders als bei den ägyptischen

Entlehnungen wurden die kanaanäischen Wörter vor der schrifthchen

Fixierung also nicht der sprachhchen Interferenz einer entlehnenden

Sprache unterzogen. Die Problematik liegt aber darin, daß die Schreiber

zwar Kanaanäer waren, aber für die Schreibung ihrer kanaanäischen

Wörter mit der Keilschrift des Babylonischen auskommen mußten, das

gegenüber den potentieU vorhandenen kanaanäischen Lauten s, S, t

nur s und i (in dem altes I, s und t zusanunengefaUen waren) besaß. Die

Interpretation der KeUschriftschreibungen kanaanäischer Wörter muß

deshalb mit zwei Möghchkeiten rechnen: 1. Die Schreiber wählten für

die Schreibung eines im Babylonischen nicht vorhandenen kanaanä¬

ischen Lautes die Schreibung des ihm phonetisch nächstähnlichen baby¬

lonischen Lautes. 2. Die Schreiber bezeichneten einen kanaanäischen

Laut, der dem Babylonischen fehlte, nicht mit dem Zeichen des nächst-

2' Es handelt sich dabei um „Unterdifferenzierimg". Vgl. U. Weinbeich:

Languages in Contact. The Hague — Paris ^1963, S. 18.

"■^Jibku: Die ägyptischen Listen S. 51 unten.

(10)

230 Webneb Diem

ähnlichen babylonischen Lautes, sondern unter Anwendung interdialek¬

taler Lautgleichungen** mit dem Zeichen desjenigen Lautes, der dem

kanaanäischen Laut im Babylonischen entsprach*".

e) Eine weitere Schwierigkeit bei dernter Ipretation ägyptischer und

babylonischer Schreibungen liegt darin, daß sie einerseits verschiedene

kanaanäische Dialekte reflektieren können, daß aber andererseits bei

einer großen Zahl von — vor aUem ägyptischen — Schreibungen das

genaue Herkunftsgebiet der Wörter nicht bekannt ist. Ist der Wert dieser

Schreibungen reduziert, so können zahlreiche Schreibungen offen¬

sichtlich kanaanäischer Wörter — vor allem von Orts- und Personen¬

namen — überhaupt nicht berücksichtigt werden, weil das Fehlen von

Etymologien Schlüsse auf den ursprünghchen Laut unmöghch macht***.

f) Diese methodischen Einschränkungen, die im Interesse der Unter¬

suchung so detaiUiert vorzuführen waren, reduzieren sehr stark die

Sicherheit der Schlüsse, die aus den fremden Schreibungen gezogen werden

können.

a) §12. Die älteren ägyptischenSchreibungen**kanaanäischer

Wörter. Die älteren ägyptischen Schreibungen geben kanaanäisches S

mit S wieder. Ächtungstexte: Element Smi ,, Sonne" in den Personen¬

namen SmSw-irj-im (Se e21)**, Smiw-i-pirim (Pos E43) und im Orts¬

namen hwtimlw (Pos E60)**; mssmm (Se e27— 28; Pos E45) „Jeru¬

salem"**; Element Sm ,,Name" im Personennamen Smwibw (Pos E52)

2' Solche Lautgleichungen treten in der Situation der Zweisprachigkeit

zwischen verwandten Spraohen auf.

Nacb diesem Prinzip wurde das Altaramäische mit der phönizischen,

und das Arabische mit der aramäisehen Schrift geschrieben. Vgl. § 2.

Diese Einschränkung gilt auch für die ägyptischen Schreibungen sol¬

cher unetymologisierbarer kanaanäischer Wörter, die nur noch im Alten

Testament erscheinen: Der Befund der masoretischen Überlieferung kaim

in Hinbhck auf 1» imd b? nicht herangezogen werden, da seine Ursprünglich- keit angezweifelt wird.

'1 Füi- eine Reihe von ägyptologischen Auskünften und Hinweisen bin ich

Herrn Dr. D. Wildung (München) sehr zu Dank verpfiicntet.

'2 Von R. Dussaud : Nouveaux renseignements swr la Palestine et la Syrie vers 2000 avant notre ire. In: Syria 8 (1927), S. 226, als Smhu-ilyim = w^^vmm erklärt.

" Gegen die Gleichsetzung von bwtSmäw mit dem biblischen mnwrfS hat

sich Albbight: The Land of Damascus between 1850 and 1750 B.G. In:

BASOR 83 (1941), S. 34 ausgesprochen. Er liest Gitti-Samäu.

'* Die allgemein anerkannte Identifiziermig von iwSimm mit ,, Jerusalem"

hält Jibku: Bemerkungen zu den ägyptischen sog. „Ächtungstexten". In:

ArOr 20 (1952), S. 167—169 für unwahrschemlioh.

(11)

und im Ortsnamen Smw'nw (Pos E55). Inschriften in Bybios: Element

Sm „Name" in den Personennamen IbSmw und ypSmwib^^. Liste mit

kanaanäischen Namen: Personennamen Spr (Albr Nr. 21) zur Wurzel

Spr „schön" und SmStw (Albr Nr. 26) zu SmS „Sonne".

b) Sichere Belege für altes s fehlen.

Allenfalls könnte die Sehreibung iwn{i) (Se f3; Pos F2)'* herangezogen

werden, die nach Albbight" und Dussaud'* mit dem Ortsnamen Ullaza

der Amarnabriefe gleichzusetzen ist'*. Da aber äg. t außer kan ,9 auch z,

imd keilschriftliches z ebenfalls sowohl kan. s als auch z umschreibt, muß

offen bleiben, ob dieser Ortsname altes s oder z (u. U. auch d) enthielt. Als weiteren möglichen Beleg für s vgl. den Personennamen st'nw unten c).

c) Altes s wird in Personennamen der Namenshste mit s geschrieben,

war also von altem S getrennt: Skr in skrtw (Albr Nr. 13, 16), skr (Nr. 67), 'mskrw (Nr. 14), skripti (Nr. 22); ''sbtw (Albr Nr. 27) zu 'sb „Laub, Gras".

Ein Beleg mit unsicherer Etymologie ist der Personenname st'nw (Se e28).

Dussaud*" sah darin einen Gottesnamen 'nw enthalten, während Al¬

bright** das Wort als eine -ön — Bildung zum späteren biblisch-hebrä¬

ischen Verb »DB ,, spalten" auffaßte. Unter Zugrundelegung dieser Identi¬

fizierung könnte die Schreibung s von st'nw ein altes s wiedergegeben haben*^, da auf diesen Laut die arabische Wurzel Ss' — allerdings in der Bedeutung

„entfernt sein" — deutet. Zum biblisch-hebräischen Reflex v von 6 anstatt

des zu erwartenden vgl. § 20.

« P. Montet: Bybios ei l'Egypte. Paris 1928, Textband S. 165f (Nr. 618)

imd S. 174ff. (Nr. 653); Albbight: The Egyptian Empire S. 226; Habbis:

Development S. 33; M. Noth : Die syrisch-palästinische Bevölkerung des

zweiten Jahrtausends v. Chr. im Lichte neuer Quellen. In: ZDPV 65 (1942),

S. 31 Fn. 4.

** Auoh belegt bei Poseneb: Les textes d'envoütement de Mirgissa. In:

Syria 43 (1966), f3. Zu den Funden von Mirgissa vgl. allgemein J. Veb¬

coutteb in: RE 15 (1963), S. 69—75; Bulletin de la Sociötö Fran9aise

d'figypte Nr. 37—38 (Dez. 1963), S. 28f,; Kush 12 (1964), S. 57—62, sowie

Poseneb m: RE 15 (1963), S. 127—128.

»' The Egyptian Empire S. 235.

" Nouveaua; textes egyptiens d'execration contre les peuples Syriens. In:

Syria 21 (1941), S. 178.

"Sethe und Dussaud: Nouveaux renseignements S.218 hatten die

ägyptische Schreibung zu Unrecht mit dem bei Tyros liegenden Ort Uzu der

El-Amama-Briefe identifiziert, der jedoch in den ägyptischen Schreibungen als it (Bu 190) belegt ist.

Nouveaux renseignements S. 230.

*i The Egyptian Empire S. 248.

*2 Habbis : Development S. 34 setzt die Wurzel Ss' an, was jedooh nicht

möglich ist, weil kanaanäisches g in den ägyptischen Schreibungen regel¬

mäßig mit s wiedergegeben ist.

(12)

232 Wekneb Diem

In einem Personennamen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

wird altes s wie altes S mit S geschrieben: Element = SrriniiSi'^^. Die

Interpretation als semitischer Name ist aUerdings unsicher. Wie mir

Herr Prof Dr. D. 0. Edzabd mitteilt, kann auch ein hurritischer Name

wie Ewri-Sarri zugrundehegen.

d) Ein Beleg für altes t ist möghcherweise der theophore Personenname

smihr (Pos E20), in dessen erstem Element smi = smr W.L. Moran**

einen Reflex von tmr „Fmcht" sah.

O. RÖSSLEB**" interpretiert smi dagegen als Schreibung von dimr. Gegen diese Interpretation spricht, daß altes d bzw. z sonst nicht mit s, sondern mit t oder d wiedergegeben wird.

Ein weiterer möglicher Beleg für altes t ist der Ortsname skmimi

(auch skmim, skmmi, skmm) (Pos E6) mit der bibhsch-hebräischen Ent¬

sprechung DDto, faUs er etymologisch mit tkm ,, tragen" zusammen¬

hängt*^. Wenn die beiden Schreibungen altes t repräsentieren, wurde t

wie altes s mit sji geschrieben, wie es aueh bei den späteren Schrei¬

bungen der FaU ist (§13). Daraus kann, muß aber nicht geschlossen

werden, daß s und t zusammengefaUen waren (§ IIb).

a) § 13. Die jüngeren ägyptischen Schreibungen kanaanä¬

ischer Wörter. Die jüngeren ägyptischen Schreibungen kanaanä¬

ischer Eigennamen und Appellativa schreiben altes kanaanäisches i mit

§, altes s mit t und altes s und t — von späten Belegen abgesehen (vgl.

unten g) — mit 5 oder s'**. Diese Schreibungen entsprechen den älteren

*' Die Schreibung stammt aus dem Grab des ägyptischen Beamten

Hmnw-htp; sie gehört zu dem Führer einer asiatischen Handelskarawane, über dessen Kopf „Herrscher des Fremdlandes" geschrieben ist. Vgl. P. E.

Newbebby: Beni Hasan 1. London 1893, Taf. XXX und Taf. XXVIII

(Detail). — W. M. Mtjlleb: Asien und Europa. Leipzig 1893, S. 36 faßte

'bSl als tsan auf, weim er auch die Möglichkeit einer Interpretation als •'itfaic

nicht ausschließen wollte. In seiner Arbeit Die Spuren babylonischer Welt¬

schrift in Ägypten. In: MitteUungen der Vorderasiatischen Gesellschaft 17

(1912) 3. Heft, S. 62 führte er nur noch die Interpretation 'isaK an. Die

Lesimg 'bSrr stammt von Albbight: The Egyptian Empire S. 255 Fn. 1.

** Mari Notes on the Execration Texts. In: Orientalia 26 (1957), S. 342

Nr. 9.

**a Das ältere ägyptische Umschreibungssystem für Fremdnamen und seine

sprachwissenschaftlichen Lehren. In: Hamburger Beiträge zur Afrikakunde 5

(1966), S. 221.

*' Albbight: New Egyptian Data on Palestine in the Partiarchat Age. In:

BASOR 81 (1941), S. 19 Fn. 11 beantwortet diese Frage positiv.

** Die beiden Laute waren im Ägyptischen zusammengefallen. Vgl.

Bubchaedt I S. 35 § 103.

(13)

ägyptischen Umschreibungen, soweit sie belegt sind (§12). Eine Zuord¬

nung der Wörter zu bestimmten Regionen ist niu" in Aasnahmefällen

möglich.

b) Belege für altes S: 'Sk (Bu«' 287) „bedrücken" zu 'Sq; Ortsname MS

(Bu 953; Ji S. 5) zu qdS „heilig"; nhS (Bu 579) zu nhS „Kupfer (?)";

Element Sm' im Personennamen mtr-Sm' (Bu 544) ,, Mitra hörte"; rbS-j

(Bu 614) „Decken" zu IbS; HS, rS (Bu 605, 635, 636, 638; Ji S.ll) „Spitze"

zu r'S; Sbi (Bu 842) „Stock" zu Sbt; Skn (Bu 885) „sich niederlassen (?)"

zu Skn; Element Sm im Personennamen Smh'r (Bu 850) ,,Sein Name ist

BT'«; Srm (Bu 866—869) „Friede" und Srmt (Bu 871) „Tribut" zu

Slm; Swbt (Bu 836) „Schöpfer" zu S'b.

c) Belege für altes s: itr (Bu 193) ,, Gefangener" zu 'sr; ktn (Bu 1044)

„Wagenlenker" zu ksn; ktt (Bu 1046) „Decke" zu ksw; „abreisen"

zu hebr. ns' ; nwt (Bu 563) und nt (Bu 600) „zittern" zu nws ,,fliehen(?)" ; tkr (Bu 1172 auf S. 59b) „Tor" o.ä. zu skr; trrt (Bu 1166) „Wall" zu sll;

trt (Bu 1172 auf S. 59a) „Feinmehl" zu slt; trt (Bu 1171) auf S. 59a)

„Barke" zu syr; tpr (Bu 1147) „Schreiber zu spr; tt (Bu 1181) ,, kleiner Vogel" zu späterem hebr. süs.

d) Belege für altes s: Verbalform von sry im Stammesnamen ysrir (Bu

238) bvrm^; kbs (Bu 973) „Schemel" zu kbs; s'rt (Bu 767) „Haar" zu S'r.

Ein weiterer möglicher Beleg ist S'r (Bu 765) ,,Wald", das Albbight™

zu s'r „Haar" stellte, während Bubchabdt eine Verschreibung für kan.

y'r ,,Wald" (< w'r) annahm.

e) Belege für altes t : Göttername und Ortsname 'strt (Bu 285—286; Ji

S. 8); Ortsname hdst (Bu 707; Ji S. 39,45) zu hdt ,,neu" ; Element smn zu

tmn „acht" im Ortsnamen kb'smn (Bu 969; Ji S. 10) etwa ,, Hügel (gb')

der Acht"; srk (Bu 801) „Schnee" zu tig; Swbb (Bu 768) „kehrt machen"

zu twb. Weitere möghche Belege sind die Ortsnamen isr (Bu 139), wohl

zu 'tr „Ort"; s'r (Bu 766), wohl zu tgr „Öffnung, Paß"; Skm (Bu 815),

falls es zu tkm gehört (vgl. § 12d), und srn (Bu 794)** pito, falls es, wie

H. Bauee vorschlug^*, zu arab. try „feucht sein", gehört.

*' Die folgenden Belegzahlen beziehen sich auf die Nummem der Wort¬

liste im 2. Band der Fremdworte.

*' Vgl. dazu auch W. A. Ward: Notes on Some Semitic Loan-Words and

Personal Names in Late Egyptian. In: Orientalia N. S. 32 (1963), S. 424f.

" Ward : Notes S. 430f.

The Vocalisation oj the Egyptian Syllabic Orthography. New Haven 1934,

XIV A 5.

Vgl. auch BOBÄE: Ortsnamen § 13, 82 (S. 61).

«2 Kanaanäische Miszellen. In: ZDMG 71 (1917), S. 410 Nr. 2.

(14)

234 Webneb Diem

F. M. Cross und D. N. Freedman*' sehen im Ortsnamen i6dd (Bu 146),

mit dem wohl das biblische Tn»K zu identifizieren ist, die Ableitung von

einer Wurzel tdd, weil einerseits die ägyptische Umschrift auf altes t oder 6

schließen lasse, aber andererseits nur altes t im Hebräischen den Reflex

B> S aufweise, während altes ä von i getrennt bleibe. Dieser Argumentation kann hier nicht gefolgt werden, weil die Ursprünglichkeit der Differenzie¬

rung von vä S und s (< i) gerade angezweifelt wird. Bei der Annahme einer Entwicklung von s zu i, wie sie hier vertreten wird, kann ohne Heranziehung

von Etymologien nicht entschieden werden, ob die ägyptische Schreibung

altes t oder ä repräsentierte (vgl. § lie), denn beide Laute wären zu 6 ver¬

schoben worden. Daß dann für i {< ä) im Gegensatz zu anderen Fällen

nicht 6 (bzw. s) restituiert wurde, kann damit erklärt werden, daß dem Orts¬

namen ein aramäisches Gegenstück mit ä bzw. a fehlte. Vgl. § 20. Diese

Überlegimg gilt auch für Ortsnamen wie 'lahinw (Se e2.3 —25; Pos E2:

'Iakt{)/Ukm^* (Bu 142) pbpwK, jhit (Bu 237) n3te% thi (Bu 1128; Ji S. 35)

tenn, sowie für den Stammesnamen prit (Bu 412) nte'7D.

f) Die Belege lassen den Schluß zu, daß in der Mitte des 2. Jahrtausends

die zugrundehegenden kanaanäischen Dialekte altes i einerseits und altes

S und t andererseits voneinander schieden. Da bei diesen Belegen der

jüngeren ägyptischen Schreibungen keine Inkonsequenzen auftreten,

und da andererseits angenommen werden kann, daß sie aus verschiede¬

nen Teilen des kanaanäischen Gebiets stammen, war die Scheidung von

i und sjt wahrscheinhch im ganzen kanaanäischen Gebiet vorhanden.

Eine Ausnahme bildet nur der Beleg ibS) mit S für altes s. Die Schreibung

von altem s und < mit demselben Zeichen kann, muß aber nicht als

Reflex des ZusammenfaUs dieser Laute aufgefaßt werden ; es könnte sich

auch um Interferenz der entlehnenden ägyptischen Sprache handeln

(§nb).

g) In je einem Wort ist für altes t und s die Schreibung S belegt : S'r in der

Bedeutung ,, Rachen" aus der späten 19. Dynastie (1305—1196)*^ und

in der Bedeutung ,,Tor" aus der späten 20. Dynastie (1196—1080)

(Bu 831) zu tgr, und S'r „Gerstenkörner"** zu s'r; dieser letztere Beleg ist

innerhalb des Neuen Reiches nicht datierbar, doch dürfte er wegen der

ansonsten konsequenten Wiedergabe von s mit sjS ebenfalls aus der 19.

oder 20. Dynastie stammen. Diese Schreibungen weisen auf den Zu¬

sammenfaU von s und t mit S, da die ägyptischen Schreibungen anson¬

sten zwischen S und Sjt konsequent trennen.

6' The Name of Ashdod. In: BASOR 175 (1964), S. 48—49.

'* Zum Wechsel der Orthographie vgl. Rössler: Umschreibungaaystem

S. 218—229.

" Albright : Vocalisation XV A 5.

'* W. Spiegelberg: Die ägyptische Sammlung des Muaeum-Meermanno-

Weatreenianum im Haag. Straßburg 1896, S. 7 f. Das Wort findet sich auf

einer Holzstatuette in der Verwendung als Frauermame; die Bedeutung

geht aus dem am Ende angefügten Getreidedeterminativ hervor.

(15)

Gegen die Gleichsetzmag von S'r mit tgr hat sich Rösslbb*' ausgesprochen, weil altes t in den ägyptischen Schreibungen niemals mit S wiedergegeben

werde. Der Einwand ist aber gegenstandslos; die Schreibung mit S zeigt

eben gerade, daß in dem zugrundeliegenden kanaanäischen Dialekt eine

Veränderimg vor sich gegangen war.

Weitere mögliche Belege der Schreibung i für altes t stammen aus so

später Zeit, daß sie insignifikant sind: Ortsnamen wrSy (Bu 314), hkr-

Snji (Bu 698), Sbrt-wrkjt (Bu 840), Shrt-n-gbrj (Bu 841).

virSy wird von Bobbe'* zu hebr. yrt ( < wrt) ,,in Besitz nehmen, erben"

gestellt. Auffällig ist aber das anlautende w, das zur Zeit des Verlustes von *

zu y geworden sein müßte. Der Beleg stammt aus der Zeit der Ptolemäer von

ca. 250—220 v. Chr.^' Im zweiten Element von hkr-Snji sieht Bobäe*"* den Reflex von altem tny „zweiter". Der Beleg stammt aus der 22. Dynastie (ab 946)°*. Das erste Element Sbrt von Sbrt-wrkjt und sbrt-n-gbrj^^ körmte altes tbl oder Sbl ,, Strom" repräsentieren; das Semitische wies wahrsoheinlich

diese Doublette auf*'. Die beiden Belege stammen ebenfalls aus der 22.

Djmastie'*.

Die Entwicklung S > S des Kanaanäischen zeigt sich auch an kanaa¬

näischen Lehnwörtern, die im Altäg3rptischen nicht belegt sind, sondern

erst im Koptischen** erscheinen. Auch sie sind wegen ihres späten Da¬

tums für die zeitliche Bestimmung des Lautübergangs insignifikant.

a) § 14. Die Inschriften in semitischer Konsonantenschrift.

Zwei Ostraka aus Kämid el-Löz (Biqä', Libanon), die älter sind als

alle anderen kanaanäischen Inschriften in semitischer Konsonanten¬

schrift, weisen Buchstaben in altkanaanäisch-phönizischer Schrift auf.

Ein bestimmter Buchstabe war aus dem kanaanäisch-phönizischen

Bereich bisher noch nicht bekannt. Da seine Form wie der altsüdara¬

bische Buchstabe für t aussieht, hegt die Annahme nahe, daß es sich um

" Umschreibungssystem S. 224 Fn. 7.

" Ortsnamen § 1, 62 (S. 23).

'* Vgl. BuBOHABDTs Quelle G. Steindobff : Urkunden des ägyptischen

Altertums. Leipzig 1903ff. II, S. 158 Nr. 9.

«» Ortsnamen § 22 A 7 (S. 84).

'1 Vgl. Bubchabdts Quelle W.M. Müllbr : Egyptological Besearches I.

Washington 1906, Tafel 82, Nrr. 87—88. Der Name ist auf zwei Felder

verteilt. Vgl. auch J. H. Bbeasted : Ancient Becords of Egypt. Historical

Documents IV. Chicago 1906, S. 352.

«2 Vgl. auoh Boböe: Ortsnamen § 22 9 (S. 88).

*' Vgl. zusammenfassend E.A. Speiseb: The Shibboleth Incident (s.

unten § 17).

«* Vgl. BuBOHAEDTs Quelle Müller: Egyptological Besearches I, Taf. 81

Nrr. 75—76 bzw. Nrr. 73—74, und dazu Bbeasted a.a.O.

Einige Fälle bei W. M. Mülleb: Zur Aussprache des Zischlautes Sin im

Altkanaanäischen. In: OLZ 4 (1901), S. 192f.

(16)

236 Webneb Diem

das ,, missing link" zu diesem altsüdarabischen Buchstaben handelt**.

Der Dialekt von Kämid el-Löz müßte dann zor damahgen Zeit (wohl

noch vor dem 15. Jahrhundert) t noch besessen haben. Über die anderen

Sibilanten sind mangels Belegen keine Aussagen möglich.

b) Das Alphabet der protosinaitischen Inschriften, welche Albbtoht

für die Zeit zwischen 1525 und 1475 v. Chr. datiert, weist ein Zeichen

für altes S und ein gemeinsames Zeichen für altes s und t (hier im Fol¬

genden s transkribiert)*' auf**. Da das protosinaitische Alphabet kein

Alphabet einer fremden Sprache mit möglicherweise weniger Lauten

ist**, kann die Verwendung eines einzigen Zeichens für s und t nicht als

Notbehelf, sondern muß als Ausdruck des Zusammenfalls der beiden

Laute gewertet werden. Belege für altes S: Personenname im"'"' und

Verbalform f(?)?MZw(?)'i ,, rette mich" (i-Kausativ zu nsl). Mehrere

Belege für altes t'*, darunter siä ,,drei"'*. Ein Beleg für altes S: sm

,,setz"'* zu sym. In zwei Ableitungen von Verba primae ^ (< t) wird

das Kausativ-i nicht mit S, sondern mit s geschrieben. Albbight'* er¬

klärt diese Schreibung einleuchtend als Reflex einer Assimilation des

Kausativ-i an das darauffolgende s'* und verweist auf die analoge

Assimilation des Kausativ-i an das t von Verba primae t im Ugariti¬

schen". Belege: s's'6»'* „stell mich wieder her", Kausativ zu twb, und mss"', Partizip von „retten", i-Kausativ zu wt'.

Vgl. G. Mansfeld : Scherben mit altkanaanäischer Schrift vom Teil

Kämid el-Löz. In: D. O. Edzakd, R. Hachmann, P. Maibbrgeb, G. Mans¬

feld : Kämid el-Löz — Kwmidi. Bonn 1970. (Saarbrücker Beiträge zur Alter¬

tumskunde, Band 7.), S. 29—41.

Diese Transkription stellt zugegebenermaßen bereits eine Interpreta¬

tion dar.

Vgl. Albright : The Proto-Sinaitic Inscriptions and their Decipherment.

Cambridge 1969. (Harvard Theological Studies. 22.), S. 31 f.

8' Diese Feststellung scliließt nioht aus, daß das Scliriftprinzip und die

Form von Zeichen aus dem Ägyptischen stammen könnten.

Proto-Sinaitic Inscriptions S. 43.

'1 Proto-Sinaitic Inscriptions S. 42.

'2 Proto-Sinaitic Inscriptions S. 31 und s. rr. im Register.

" Proto-Sinaitic Inscriptions S. 44.

'* Proto-Sinaitic Inscriptions S. 44.

'* Proto-Sinaitic Inscriptions S. 32.

" Albbight spricht gemäß seiner Transkription t für altes * imd t von *t.

Es wäre mcht ausgeschlossen — was jedoch Albbight mit seiner Schreibung

sicher nicht ausdrücken wollte —, daß ä sich an t vor dem Wandel t >■ ä

assimiliert hatte.

" Vgl. C. H. Gobdon: Ugaritic Manual. Rom 1955, § 5.28.

'* Proto-Sinaitic Inscriptions S. 44.

" Proto-Sinaitic Inscriptions S. 45.

(17)

Die Schreibung von altem S mit dem Zeichen für altes S und t könnte

auch als Ausdruck eines Zusammenfalls von altem S/t mit S gewertet werden

(umgekehrte Schreibung). Da die Erklärung Albrights aber einleuchtet,

würde dies wohl eine Überinterpretierung bedeuten.

c) Aufschriften aus Lachisch (13. Jh.) weisen denselben Buchstaben

auf, der in den protosinaitischen Inschriften altes s und t bezeichnet.

Ein Beleg für altes t ist bsls^° mit dem Wort für ,,drei". Eine andere

Aufschrift enthält sy, das entweder mit dem späteren hebräischen ""to

,,Gabe" (< 1?) oder mit sy ,, Schaf" identifiziert werden kann**. Über das Verhältnis von sjt zu S sind keine Aussagen möglich**.

d) Das phönizische Alphabet kennt nur ein einziges Zeichen für altes

§, s und t. Da sich keine Spuren von historischer Orthographie finden,

müssen die Laute vor dem Aufkommen der Schrift zusammengefaUen

sein. Den terminus ante quem büdet die Ahiram-Inschrift mit den Wör¬

tern nnir ,,er legte ihn nieder" zu Syt und ntSDU?» „Rechtssprechung"

zu tpi aus dem 10., nach anderen aus dem 13. Jahrhundert**. Der Be¬

fund der phönizischen Inschriften deckt sich mit späten ägyptischen

Schreibungen (§ 13g).

Von der Entwicklung s > S gibt es nur eine einzige Ausnahme: TD»

„zehn", das auf 'sr zurückgehen muß. Kutscher'* — und ähnlich vor ihm

schon J. Friedrich'* — folgert daraus, daß S im Phönizischen von S getrennt

geblieben und lediglich mit dem Zeichen für S mitgeschrieben worden sei;

später sei S zu s geworden, was durch die Schreibung TD» belegt werde. Die

von Kutscher angenommene Erscheimmg, daß zwei Phoneme einer Sprache

gleich geschrieben werden, findet sich aber nur dort, wo die Schrift einer

Sprache übernonunen wird, welche weniger Laute als die übernehmende

Sprache aufweist ; Beispiele sind die Schreibungen des Aramäischen mit dem

phönizischen und des Arabischen mit dem aramäisehen Alphabet (vgl. § 2).

Da das phönizische Alphabet jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach für das

Phönizische geschaffen wurde", entfällt eine solche Möglichkeit". Aus

'° Vgl. F. M. Cross : The Evolution of the Proto-Canaanite Alphab^. In :

BASOR 134 (1954), S. 19.

'1 Cross: Evolution S. 19ff.

*2 Die ältesten palästinischen Inschriften sind sehr verschieden gedeutet

worden, vgl. D. Diringer: The Palestinian Inscriptions and the Origin of

the Alphabet. In: JAOS 63 (1943), S. 24—30. Bei der Interpretation des

ersten der beiden Wörter herrseht jedoch Einhelligkeit; statt des y des

zweiten Wortes wird auch k gelesen (Diringer S. 26f.).

" Vgl. auch Harris: Development S. 33 Nr. 4 und S. 40 Nr. 13.

** Contemporary Studies S. 39.

" Phönizisch-punische Orammatik S. 18f. " Vgl. Fn. 69.

" Selbst wenn das phönizische Alphabet auf das früher bezeugte Alphabet

der protosinaitischen Inschriften zurückginge — was unbewiesen und

strittig ist —, könnte nieht angenommen werden, daß S mangels eines eigenen

Zeichens mit dem Zeichen für S mitgeschrieben worden sei, da jenes Alpha¬

bet wie oben erwähnt für ä und S zwei Zeichen aufwies.

17 ZDMG 124/2

(18)

238 Wemster Diem

diesem Grimde ist aucli eine andere prinzipiell zu berücksichtigende Er¬

klärung nicht möglich : Daß s zunächst mit dem Zeichen fiü- s mitgeschrieben

wurde, dann in ä aufging und mit dessen Zeichen geschrieben wurde, und

nur die Sohreibung non als Rest der alten Schreibung in historischer Ortho¬

graphie beibehalten wurde*'. Das o von no» dürfte demnach am ehesten

Reflex einer unregelmäßigen Entwicklung i > s sein.

a) § 16. Amarnabriefe*'. Bei den Schreibungen der Kanaanismen nnd

kanaanäischen Eigennamen in den Amarnabriefen lassen sich zwei

Gebiete unterscheiden: 1. Palästina und Bybios, 2. Jerusalem.

b) Die Schreibungen der Kanaanismen in den Briefen aus Palästina

und Bybios unterscheiden altes s, t nicht, sondern geben sie unter¬

schiedslos mit S wieder. Der Laut s wird mit z geschrieben. — Belege für

altes S aus Bybios: nu-hu-uS-tum (EA 69, 28)*" ,, Kupfer" zu nhS; ie-ti (EA 138, 76)91 ,,stunde" zu Sif; Sa-mi-te (EA 362,5)»* „ich hörte" zu Sm';

aus Palästina: ru-Su-nu (EA 2G4, 18)** „unser Kopf" zu r'S; Ortsname la-ki-Sija'* ^''S'? (öfter, s. den Index); Su-lu-uh-ta (EA 265, 8) „Sendung"

zu Sih. — Belege für altes s: zu-ki-ni (EA 256, 9) ,, Vorsteher" (Süd¬

palästina) zu skn; zu-v\zima\'^ (EA 263, 25) „Pferde" (Südpalästina)

zu SWS, hebr. DID. — Beleg für altes s: Personenname iS-ku-ru (EA 83, 53;

85, 85) zu Skr (Bybios). — Belege für altes t: ah-ri-Su (EA 365, 11) ,,ich

pflüge" (Nordpalästina) zu hrt; Sa-ah-ri^ (EA 244, 16) ,,Tor" (Nord¬

palästina) zu tgr; Göttername aS-tar-teji (EA 197, 10; 256, 21); Element

Si-if-ti zu ift ,, richten" in einem Personennamen (EA 330, 3 u.ö.).

Weitere möghche Belege sind die Ortsnamen Sa-ru-na (EA 241, 4), falls

es zu arab. try gehört (s. § 13 e), und mu-uh-ra-aS-ti (EA 335, 17).

" Eine solche Erscheinung findet sich in der Schreibung des Aramä¬

ischen : Zu einer Zeit, da d zu d geworden war, trat neben der neuen, diese

Entwicklung widerspiegelnden Schreibung mit T auch noch die alte mit i

auf. Vgl. P. Leander: Laut- und Formenlehre des Ägyptisch-Aramäischen.

Göteborg 1928, S. 7—9.

89 Püj;. verschiedene akkadistische Auskünfte bin ich Herrn Privatdozent Dr. C. Wilcke (München) zu Dank verpflichtet.

'" Vgl. dazu auch F. Böhl: Die Sprache der Amarnabriefe. Leipzig 1909.

(Leipziger Semitistische Studien. 5,2.), S. 82.

'1 Vgl. dazu auch H. Zimmern: Kanaanäische Glossen. In: ZA 6 (1891),

S. 157. Die Sohreibung ohne h für ' muß duroh das Babylonisohe bedingt sein.

Die Schreibung ohne h für ' zeigt Interferenz des an sich zu erwartenden babylonischen semeku.

«' Vgl. dazu auch Böhl: Die Sprache der Amarnabriefe S. 84.

'* Altes i, weil das Wort in den ägyptischen Schreibungen, die zwischen

^undÄ/i trennen, mit S erscheint (Beleg beiSouEE: Ortsnamen § 41, 2 S. 116f.)

'* Vgl. dazu auch Zimmern: Kanaanäische Glossen S. 156.

" Vgl. dazu auoh Zimmern : Kanaanäische Glossen S. 156 und Böhl : Die Sprache der Amarnabriefe S. 83.

(19)

mu-uh-ra-aS-ti wird als eine Ableitung von wrt „in Besitz nehmen, erben"

aufgefaßt und mit dem biblisehen Ortsnamen nonin identifiziert", doch

paßt dazu nicht die Schreibung mit Ä". Eher könnte die Sehreibung eine

Ableitimg von der Wurzel hrt ,, pflügen" ausdrücken, doch bedarf dann das u des m-Präflxes der Erklärung.

c) Die Schreibungen der Kanaanismen aus Jerusalem trennen — von

einem Beleg abgesehen — zwischen altem S einerseits und altem s und

t andererseits, und zwar wird altes S mit s- (in einem Beleg mit S-) und

altes s und t mit i-haltigen Zeichen geschrieben. Daraus zu schließen,

daß i und slt den Lautwert ,, vertauscht" hätten, wäre aber verkehrt.

Gegen eine solche Entwicklung, die schon in sich unmöglich ist, spricht

auch die traditionehe Aussprache S von altem i im Hebräischen, das den

Dialekt von Jerusalem fortsetzt. — Belege für altes i : Ortsname ü-ru-sa-

lim (EA 287); Ortsname bit-sa-a-ni (EA 289, 20) ]Nton''a*»; Ortsname

l[a.k]i—si (EA 288, 43) ^''D'? und la-kUi (EA 289, 13). — Belege für

altes i: Sa-te-e (EA 287, 56) „Gefilde" zu sdy, und Ortsname Se-e-ri (EA 288, 26) T'Syto, faUs er zu s'r gehört. Beleg für altes t: Ortsname Sa-ak-mi

(EA 289, 23), wenn er zu tkm gehört (s. § 13 e).

d) Die Interpretation der Schreibungen der Amarnabriefe ist schwierig.

Die gleiche Schreibung von altem f, s, t in den Briefen aus Palästina und

Bybios muß für sich genommen nicht unbedingt bedeuten, daß die

Laute zusammengefaUen waren, sondern könnte auch ein durch die Keil¬

schrift erzwungener Notbehelf sein (§ Ild). Die Schreibungen aus Jeru¬

salem dagegen machen bis auf einen Beleg einen Unterschied zwischen

altem S und altem s'/i^""; in einem Beleg wird altes S wie altes sjt geschrie¬

ben. Da die graphische Scheidung entsprechend der etymologischen

Verteilung von S und sjt kein ZufaU sein kann, muß sie so interpretiert

werden, daß im Dialekt von Jerusalem eine Trennung zwischen S und

sjt bestand*"*, die die Schreiber in der Schrift auszudrücken versuchten.

Die aus der Reihe faUende Schreibung muß dann entweder als Einfluß

der palästinensisch-phönizischen Schreibschulen*"* oder als Reflex des

" Vgl. O. Weber und E. Ebeling in EA II S. 1356 mid Bor^;e: Orts¬

namen § 18, 10 (S. 71).

'* BoBEBS erklärender Hinweis, daß ,,die Wiedergabe eines ' duroh h . . .

nicht ungewöhnlich" sei (Ortsnamen S. 71 Anm. 5) ist gegenstandslos, da

die bei der Annahme einer Ableitung von wrt vorauszusetzenden Formen

*mauratat mid später *möraSat zu keinem Zeitpunkt ein ' aufwiesen.

" Das s bzw. B repräsentiert altes S, da der Ortsname in den jüngeren

ägyptischen Schreibungen, die & und äjt trennen, mit der Schreibimg i

erscheint (Bu 330, 388; vgl. auch Boröe: Ortenamen § 21,42 S. 78).

100 Der Beleg für t ist unsicher.

101 Diese Folgerung hat auoh Harris: Development S. 62 Nr. 39 gezogen;

für ihn stellte sich das Problem aber insofem einfacher dar, als er von der abweichenden Schreibung la-ki-ii (vgl. oben c) anscheinend nichts wußte.

102 Dort wurde altes S nut S geschrieben. Vgl. oben b).

17«

(20)

240 Webneb Diem

Zusammenfalls von S und sjt gedeutet werden; in diesem zweiten Fall

wäre die ansonsten vorhandene orthographische Trennung von altem i

und sjt als historische Orthographie aufzufassen*"*. So geht aus den

Jerusalemer Schreibungen also hervor, daß im Dialekt von Jerusalem

S und s/t entweder zur Zeit der Briefe noch getrennt oder vorher getrennt

und inzwischen zusammengefallen waren. Aus den Jerusalemer Schrei¬

bungen ergibt sich aber auch eine Konsequenz für die Interpretation

der Schreibungen von Palästina und Bybios: Wenn die Jerusalemer

Schreiber in der Schrift zwischen S und sjt scheiden konnten — wobei

unerheblich ist, ob die Scheidung Reflex aktueller sprachlicher Verhält¬

nisse oder historischer Orthographie ist*"* —, dann ist der Mangel an

Scheidung in den Schreibungen aus Palästina und Bybios doch eher als

Zeichen des ZusammenfaUs von s, s, t denn als orthographischer Not¬

behelf aufzufassen. Dieser Schluß gewinnt noch an Wahrscheinhchkeit,

wenn man bedenkt, daß in den Schreibungen aus Palästina und Bybios s

mit z geschrieben wurde, und damit die Schreibungen mit s noch zur

Verfügung standen.

a) § 16. Diskussionder Schreibungen. Wenn innerhalb jeder Gruppe

kanaanäischer Zeugnisse jeweils gleiche Schreibungen potentiell ver¬

schiedener Laute mit dem nämlichen Symbol bezeichnet werden,

ergibt sich folgende TabeUe*"* : ä. äg.

Sehr.

j. äg.

Sehr. Sin. EA Jer.

EA Pa.-By.

sp.äg.

Sehr. Phön.

ä X X X X X X X

s y y y y X X X

t y(?) y y y(?) X X X

s z(?) z — — z z z

Zeit Anf.

2. Jt. ab 1500

1525—

1475 14.Jh. 14. Jh. 13. Jh.

ab 13.0.

lO.Jh.i"»

ä. äg. Sehr. = ältere ägyptische Schreibungen; j. äg. Sehr. = jüngere

ägyptische Schreibimgen; Sin. = Sinaiinschriften; EA Jer. = El-Amarna-

briefe aus Jerusalem; EA Pa.-By. = El-Amarnabriefe aus Palästina und

Bybios ; sp. äg. Sehr. = späte ägyptische Schreibungen ; Phön. = phönizisches Alphabet und Inschriften; ? = imsiehere(r) Beleg(e); — = Belege fehlen.

1"' Historisohe Orthographie setzt Schreibtradition voraus. Mit ihr ist zu

rechnen, auch wenn die erhaltene Korrespondenz nur aus einem kleinen

Zeitabschnitt stammt.

*"* Denn auoh historische Orthographie reflektiert ehemals lebendige sprachliche Verhältnisse.

1"' Das Zeichen für t von den Ostraka aus Kämid el-Löz und die Zeiehen

aus Lachisoh sind nicht mitaufgeführt. i"' Je nach Datierung.

(21)

b) Altes 5 ist von den anderen Sibilanten stets getrennt geblieben. Was das Verhältnis von S, s, t betrifft, so bilden späte ägyptische Schreibungen

aus dem 13. Jahrhundert (und später) den terminus ante quem für den

Zusammenfall der drei Laute (§ 13g); ihr Befund wird durch das Phöni¬

zische bestätigt (§ 14d). Die Schreibungen der Kanaanismen der Amarna¬

briefe aus Bybios und Palästina unterscheiden ebenfaUs altes i, s, t nicht

(§ 15b). Da eine orthographische Differenzierung möglich gewesen wäre,

und da die Schreibungen aus Jerusalem altes S einerseits und altes sjt

andererseits unterscheiden, ist der Schluß naheliegend, daß i, s, t schon

zur Zeit der Amarnabriefe (14. Jh.) in den betreffenden Dialekten

zusammengefallen waren. Die Schreibungen der Kanaanismen aus Jeru¬

salem dagegen unterscheiden S und s'/^^"'; nur in 6inem Beleg ist S wie

sjt geschrieben (§ 15c). Die Schreibungen weisen darauf, daß der Dia¬

lekt von Jerusalem zur Zeit der Amarnabriefe i und sjt schied oder

vorher geschieden hatte (§ 15d). EbenfaUs eine Unterscheidung von

altem S einerseits und altem sjt andererseits weisen die sinaitischen

Inschriften (§ 14b) und die ägyptischen Schreibungen (§§ 12—13) auf.

Nur in einem einzigen Beleg der älteren Zeit wird s wie i geschrieben

(§ 12c). Wenn die Interpretation des Belegs sicher ist, muß zumindest

in einem Teil des kanaanäischen Sprachgebiets schon in den ersten Jahr¬

hunderten des 2. Jahrtausends s in S aufgegangen sein; über das Ver¬

hältnis von t zu i und i in diesem Dialekt sind keine Aussagen möglich.

Daß aber in den anderen kanaanäischen Dialekten — also wohl im

größeren Teil des kanaanäischen Sprachgebiets •—■ S und sjt getrennt

waren und blieben, zeigen die jüngeren ägyptischen Schreibungen (§ 13)

mit ihrer orthographischen Scheidung. Diese kann auch nicht als histo¬

rische Orthographie erklärt werden, da es sich zumindest teilweise um

neue Entlehnungen handelt, welche erst lange nach dem erwähnten

Beleg übernommen wurden.

c) Wenn S und sjt nach Ausweis der Schreibungen bis zur Zeit der Amar¬

nabriefe aus Bybios und Palästina oder spätestens bis zu den späten

ägyptischen Schreibungen getrennt waren, reduziert sich das Problem

auf die Frage nach dem Verhältnis von s und t zueinander. Bei den si¬

naitischen Inschriften weist die Schreibung von S und t mit demselben

Buchstaben eindeutig darauf hin, daß die beiden Laute zusammenge¬

faUen waren (s. § 14b), und so darf wohl auch die gleiche Schreibung von

s und t in den späteren Amarnabriefen aus Jerusalem eher als Reflex des

ZusammenfaUs der beiden Laute denn als orthographischer Notbehelf

für die Schreibung von t aufgefaßt werden. Nach dem Zeugnis der Ost¬

raka aus Kämid el-Löz, die noch ein eigenes Zeichen für t aufweisen.

Der Beleg für t ist unsicher.

(22)

242 Webneb DnsM

muß der Zusammenfall nicht allzulange vor der Zeit der sinaitischen

Inschriften vor sich gegangen sein. Die gleiche Wiedergabe von s und t

in den ägjrptischen Schreibungen läßt für sich genommen keine sicheren

Schlüsse zu: Sie kann als Reflex des ZusammenfaUs von s und t inter¬

pretiert werden, aber ebensogut kann sie auch durch Interferenz des

Ägyptischen bedingt sein, das für ein ihm fehlendes kanaanäisches fi^^

einen SibUanten substituierte. Durch den Befund der Ostraka aus

Kämid el-Löz wird aUerdings die Wahrscheinhchkeit erhöht, daß es sich

um phonetische Interferenz handelte, und t in den kanaanäischen

Dialekten noch vorhanden war. Kommen die ägyptischen Schreibungen

somit als direktes Zeugnis für den ZusammenfaU von t und s nicht

unbedingt in Betracht, so hefern sie dennoch mindestens einen indirekten Hinweis : Sie zeigen, daß von den drei Sibilanten s, s, S nicht i, sondern

s dem Interdental t phonetisch am ähnhchsten war. Auch dieser Um¬

stand spricht dafür, daß t zunächst mit s und nicht unmittelbar mit S

zusammenflel. Die Verschiebung von t zu s und später von s zu S kann

dabei die verschiedenen Regionen des kanaanäischen Sprachgebiets

nacheinander erfaßt haben; es ist durchaus möglich, daß sich die Ent¬

wicklung etwa im Dialekt von Jerusalem jeweils etwas später vollzog.

d) So sprechen für die Entwicklung 1. t > S, 2. s > S und damit gegen

die Ursprünghchkeit der Scheidung von tP und to einerseits aUgemeine

linguistische Überlegungen (s. §§ 6—8) und andererseits der konkrete

Befund der altkanaanäischen Zeugnisse (s. §§ 12—15), während für eine

Erhaltung von s im Jerusalemer Dialekt nur die späte masoretische

Trennung von to und to angeführt werden kann.

§17. Die Schibboleth-Episode und ihre Einordnung. Im

Zusammenhang mit der Frage von t im Kanaanäischen ist noch auf die

Schibboleth-Episode einzugehen. In Richter 12,6 wird berichtet, daß

die Gileaditen nach ihrem Sieg über die Ephraimiten diese am Jordan

das Wort n'?3to Ebbolet sprechen ließen; die Ephraimiten waren

an ihrer Aussprache n"?aO sibbolet zu erkennen. Diese sprachhche In¬

formation ist von J. Mabquaedt*"", dem sich Haeeis**" anzuschheßen

scheint, so interpretiert worden, daß der Dialekt der Ephraimiten noch

t — mit 0 geschrieben — erhalten habe, als es im übrigen Palästina

schon zu S geworden sei. E. A. Speisee*** hat gezeigt, daß diese Inter¬

pretation nicht richtig sein kann: Auch wenn der Dialekt der Ephrai¬

miten noch t aufgewiesen hätte, hätten sie dennoch ohne Schwierigkeit

Das konventionelle ägyptologische Transkriptionszeichen t bezeichnet einen Laut ö.

1"^ ZAW 8 (1888), S. 151—155. **" Development S. 64 Nr. 40.

*i* The Shibboleth Incident (Judges 12:6). Jn: BASOB, 85 (1942), S. 10—13.

(23)

ein vorgesagtes Sibbolet nachsprechen können, da ihr Dialekt neben t

sicher auch S (altes S) aufwies. Stattdessen schlägt Speisee eine sehr

einleuchtende andere Erklärung vor: Nicht die Ephraimiten, sondern

die jenseits des Jordans lebenden Gileaditen besaßen in ihrem Dialekt

noch t, während der Dialekt der Ephraimiten wie die anderen Dialekte

Palästinas diesen Laut verloren hatte. Als die Gileaditen das Kennwort

tibbolet vorsagten, sprachen es die Ephraimiten unter Substituierung

von s für < — einer bekannten Erscheinung (s. § 23a) — als sibbolet nach.

Diese Aussprache mit s wird durch die Schreibung mit 0 phonetisch wie¬

dergegeben, während die Schreibung von t mit tr ein Notbehelf ist, der

von der interdialektalen Lautgleichung ,,gileaditisches f = palästinen¬

sisches S" ausgeht. Die Schibboleth-Episode beweist also nicht, daß t

gegen Ende des 2. Jahrtausends in Palästina, sondern in Gebieten

jenseits des Jordans erhalten war. Ob jene Dialekte überhaupt zum

kanaanäischen oder nicht möghcherweise zum aramäischen Sprach¬

gebiet zählten, muß offen bleiben.

IV. Sekundärer Charakter von

§ 18. Allgemeines. Wenn im Dialekt von Jerusalem, dessen Fort¬

setzung das Hebräische bildet, s in S aufgegangen war, bedarf die maso¬

retische Unterscheidung von tT = 5 und V) = S entsprechend der etymo¬

logischen Verteilung von s und S der Erklärung. Die Lösung bringt, wie

schon von Gaebini und Beyeb vorgeschlagen (s. § 4), die Annahme von

Interferenz des Aramäischen. Denn im Aramäischen blieb s noch lange

erhalten, nachdem es im Kanaanäischen in S aufgegangen war, und fiel

schheßhch mit altem s zusammen***. Die Interferenz des Aramäischen

j)er genaue Zeitpunkt läßt sich nicht feststellen, aber er muß jeden¬

falls vor den Zeugnissen des Altsyrischen, Nabatäischen und Palmyreni¬

schen liegen: Das altsyrische Alphabet schrieb altes i nicht mehr mit m,

sondem mit dem Zeichen o von s, und in den nabatäischen und palmyre¬

nischen Inschriften ist die Schreibung D für altes i zumindest vereinzelt belegt, was die Schreibungen mit tff als historisehe Orthographie erweist;

vgl. J. Cantineau: Le nabateen. 1. Paris 1930, S. 42ff., und F. Bosenthal:

Die Sprache der palmyrenischen Inschriften. Leipzig 1936, S. 25f. Solche

Fälle treten auch schon in Schreibungen des Biblisch-Aramäischen und in

den Elephantinepapyri auf, vgl. F. Rosenthal: A Grammar of Biblical

Aramaie. Wiesbaden 1961, S. 16, und P. Leandeb: Laut- und Formenlehre

des Ägyptisch-Aramäischen. Göteborg 1928, S. lOf. Streng genommen

müßten auch diese Fälle als orthographischer Reflex des Zusammenfalls

von i mit s interpretiert werden, was Leandeb ablehnt, wäteend Rosen¬

thal aus ihnen schließt, daß "this process was in its incipient stages". Für

das Biblisch-Aramäische wird der Zusammenfall von s und s auch durch

Doubletten mit 0 und B bei Schreibungen von Fremdwörtern erwiesen, für

die naturgemäß keine verbindliche Orthographie überliefert war.

(24)

244 Webneb Diem

auf das Hebräische kann sich auf zweierlei Weise abgespielt haben: 1.

Sie geschah in der Situation aramäisch-hebräischer Zweisprachigkeit zu

einer Zeit, als das Hebräische als lebende Sprache vom Aramäischen

abgelöst wurde (§ 19a). 2. Sie geschah über die aramäisch sprechenden

Überlieferer des Hebräischen, als das Hebräische schon zu einer toten

Sprache geworden war (§ 19b).

a) § 19. Interferenz des Aramäischen. Das Hebräische wurde in der

zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends vor Christus durch das Ara¬

mäische als lebende Sprache ersetzt. Vergleichbare FäUe zeigen, daß eine

solche Ablösung nicht schlagartig vor sich geht, sondern von einer

langen, u.U. mehrere Jahrhunderte dauernden Periode der Zweisprachig¬

keit vorbereitet wird. Unter dem Einfluß ihrer zunächst zweiten und

später dominierenden aramäischen Sprache können die hebiäisch-

aramäisch-sprachigen Individuen die aramäische Scheidung von s und

i auf ihre hebräische Sprache übertragen haben. Ob zum Zeitpunkt der

Interferenz s im Aramäischen noch als getrennter Laut existierte oder

schon zu s geworden war, spielt dabei für die Beurteilung keine RoUe:

Im ersten FaU wurde das im Hebräischen dann zunächst ebenfaUs

vorhandene s zusammen mit dem s der aramäischen Muttersprache der

Masoreten zu s verschoben, nachdem das Hebräische eine tote Sprache

geworden war, während im zweiten FaU das s ledighch beibehalten wurde.

Interferenz der Art, wie sie hier für das Verhältnis des Hebräischen und

des Aramäischen angenommen wird, ist typisch für verwandte und

damit ähnhche Sprachen. Der zweisprachige Sprecher setzt Wörter der

beiden Sprachen mit gleicher oder ähnhcher Bedeutung und Form

einander gleich und leitet von den Wortpaaren unbewußt Lautglei¬

chungen ab***. Wenn die zweite Sprache mehr Prestige genießt, kann es

geschehen, daß er das Wort seiner Muttersprache entsprechend seinem

formalen Pendant in der zweiten Sprache verändert. Da das Hebräische

und das Aramäische einen großen Teil des Wortschatzes gemeinsam

haben, mußte eine solche Interferenz des Aramäischen zu einer den

Sprechern unbewußten etymologischen Restitution von s führen.

Interferenz der geschilderten Art, bei der eine Sprache über formale

Wortgleichungen Interferenz einer verwandten Sprache erfährt, tritt so

häufig auf, daß sich Beispiele an sich erübrigen. Es soll lediglich auf die Paral¬

lele der neusüdsemitischen Sprache Mehri verwiesen werden, weil bei ihr

die Interferenz des Arabischen — so wie die Interferenz des Aramäischen im

Daß für den Zweisprachigen solche Lautgleichungen existieren, zeigt

besonders deutlich ihre falsche Anwendung: Wenn einem a der Mutter¬

sprache a oder 6 in der zweiten Sprache entspricht, und der Sprecher für b

der zweiten Sprache a (wie in seiner Muttersprache) oder für a der zweiten Sprache 6 (Überkorrektheit) substituiert.

(25)

Hebräischen — zu einer etymologischen Restitution geführt hat. In zu-

naindest einem Teil der Dialekte des Mehri^i* sind, wie im Kanaanäischen s

in S, so die Interdentale d, t, i, in den Verschlußlauten d, t, { aufgegangen***.

Unter dem Einfluß der prestigereicheren benachbarten arabischen Dialekte

und in der Situation der Zweisprachigkeit werden nun in solchen Mehri-

Wörtern, die im Arabischen ein formales Pendant haben, die Interdentale

restituiert. Daß dem Mehri die Interdentale ursprünglich verloren ge¬

gangen waren, ist überhaupt nur noch daraus ersichtlich, daß statt der In¬

terdentale manchmal auoh die Verschlußlaute auftreten, und daß statt der

etymologisch anzusetzenden Interdentale nur die Verschlußlaute in

solchen Mehri-Wörtem erscheinen, denen ein arabisches Gegenstück mit

Interdentalen fehlt, das zur Restitution hätte Anlaß geben können. Die

neusüdsemitischen Spraohen Mehri und Soqotri bilden für die Übertragung

fremder Laute auoh insofern eine Parallele, als das Mehri unter dem Einfluß

des Arabischen häufig S (= ursem. i) durch s und das Soqotri s (= ursem. s)

durch S ersetzt.

b) Eine andere Möglichkeit ist, daß s erst dann restituiert wmde, als das

Hebräische nur mehr als tote Sprache überliefert \vmde. Der Mechanis¬

mus wäre im Prinzip derselbe wie bei der ersten Möglichkeit, nur muß

in diesem Fall die Übertragung noch leichter vor sich gegangen sein,

weil Muttersprachler des Hebräischen fehlten, die der Interferenz des

Aramäischen hätten Widerstand leisten können.

Ein Beispiel für solche ,, Überdifferenzierung" an einer toten Sprache

nach dem Muster einer lebenden Spraehe ist mir aus dem semitischen Be¬

reich in größerem Rahmen nicht bekannt. Eine Parallele, die den Vorgang

veranschaulicht, ist aber immerhin, wenn Araber, die Altsyrisch lernen, «am ,,Gold" nicht dahbä, sondern nach dem Muster ihrer Muttersprache Arabisch

dahabä, dahabä oder dahbä aussprechen und damit das nach h etymologisch

anzusetzende a bzw. das 6 bzw. das d wieder herstellen.

§ 20. Diskussion eines Einwands. Gegen die Auffassung, daß die

Unterscheidung von s und S erst sekundär nach dem Muster des

*** Nämlich denjenigen, aus denen die Materialien der Wiener Expedition

stammen. In den von B. Thomas: Four Strange Tongues from Central South

Arahia —■ The Hadara Croup. In: Proceedings ofthe British Academy 1937,

S. 231—331 beschriebenen Mehri-Dialekten scheinen die Interdentale

dagegen erhalten zu sein.

11* Das ist zuerst von K. Völlers : Die arabischen Teile der Wiener

Südarabischen Expedition. In: ZA 23 (1909), S. 102 und dann von V. Chri-

STIAK : Bemerhungen zu Bergsträssers 'Einführung in die semitischen Sprachen' .

In: WZKM 36 (1929), S. 215f. und Die Stellung des Mehri innerhalb der

semitischen Sprachen. In: Ak. der Wiss. in Wien. Phil.-Hist. KL, Sitz.ber.

Nr. 222,3 (1944), S. 4f erkannt worden. Christian zog daraus allerdings den

falschen Schluß, das Mehri gehöre wegen dieser Laute zu dem die gleiche

Entwicklung aufweisenden Aramäischen. — Sein Beispiel tlätin „dreißig"

ist imzweckmäßig, da < arab. talätln. (Das Mehri-Wort für „drei" ist

idu, vgl. auch § 22d.)

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