im Optimalfall schon die Vorstadien Adenom und Polyp aufspüren soll, eine Herausforderung dar, bei der es gilt, An- spruch und Wirklichkeit der Vorsorge einander anzugleichen.
Dr. med. Jürgen Rathenberg
Northeimer Straße 4, 37581 Bad Gandersheim
Fragliches Kosten-Nutzen- Verhältnis
Die Autoren fordern zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms neben der jähr- lichen Stuhluntersuchung auf okkultes Blut ab dem 50. Lebensjahr alle fünf Jah- re eine Sigmoidoskopie und ab dem 55.
Lebensjahr alle zehn Jahre eine totale Koloskopie. Wohlgemerkt: in der asym- ptomatischen Bevölkerung. Das Vorge- hen mag begründet sein. Bei solcher weitreichenden Ausdehnung der bis- lang geübten Diagnostik sollte in Zeiten der evidenzbasierten Medizin eine aus- reichende statistische Untermauerung selbstverständlich mitgeliefert werden.
Die Autoren mögen auf der Grundla- ge der ihnen sicherlich zur Verfügung ste- henden Zahlen darlegen, wie viele Sig- moidoskopien und Koloskopien bei asymptomatischen Menschen durchge- führt werden müssen, um ein kolorekta- les Karzinom zu verhindern, wieviele En- doskopien sozusagen ohne Ergebnis durchgeführt werden müssen und wie dies alles zum zwar geringen, bei Massen- screenings aber nicht einfach zu vernach- lässigenden Komplikationsrisiko der en- doskopischen Untersuchungen steht.
Günther Egidi
Huchtinger Heerstraße 41, 28259 Bremen
Schlusswort
Aus Umfangsgründen konnten wir lei- der nicht ausführlicher auf die Screening- maßnahme für kolorektale Karzinome (KRK) in der asymptomatischen Bevöl- kerung eingehen. Sicherlich wäre eine höhere Sensitivität der Hämoccult-Te- stung mit entsprechend niedrigerer Rate falsch-negativer Ergebnisse wünschens- wert. Für neuere Verfahren zur fäkalen okkulten Bluttestung ist eine höhere Sensitivität beschrieben mit jedoch deut-
lich niedrigerer Spezifität (1). Gerade zu Zeiten intensiver Anstrengungen zur Kostenbegrenzung muss die Spezifität von Massenscreeningverfahren berück- sichtigt werden, denn für das KRK- Screening ist eine Abnahme der Spezi- fität mit einer höheren Koloskopierate und demzufolge vermehrten Kosten ver- bunden. Zudem liegen bisher keine Stu- dien vor, die zeigen, dass Verfahren, die die Sensitivität der okkulten Bluttestung steigern, einen positiven Einfluss auf die Mortalität besitzen. Die von J. Rathen- berg angeführten Schwierigkeiten bei der Stuhlprobengewinnung sind bisher nur unzureichend untersucht. Die be- schriebene Patientenhilfe mag hilfreich sein, inwieweit durch sie eine Verbesse- rung der Akzeptanz des Tests zu errei- chen wäre, bedarf jedoch weiterer Klärung. Bei den aufgeführten Untersu- chungen zum KRK-Screening handelt es sich lediglich um eine Beschreibung zur Verfügung stehender Verfahren und nicht um eine Forderung nach Durch- führung von Hämoccult, Sigmoidosko- pie und Koloskopie. Standard ist zurzeit die Hämoccult-Testung, für die in mehre- ren randomisierten plazebokontrollier- ten Studien eine Senkung der KRK-be- dingten Mortalität nachgewiesen werden konnte. Für die Sigmoidoskopie konnte die angegebene Senkung der KRK-be- dingten Mortalität gezeigt werden. Die Daten hierfür stammen aber aus Fall- Kontroll-Studien, kontrollierte Studien liegen zurzeit noch nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass pro 1 000 Untersu- chungen etwa 2,5 KRK gefunden werden (3), die Angaben zur Inzidenz kolorekta- ler Adenome schwanken zwischen 3,6 und 19 Prozent, die durchschnittliche In- zidenz dürfte bei zehn Prozent liegen (3).
Die Perforationsrate liegt bei 0,01 bis 0,02 Prozent. Für die Koloskopie liegen keine prospektiven Studien zur Beurtei- lung der Detektionsrate von KRK in der asymptomatischen Bevölkerung vor. Die Angaben in kleineren Studien schwan- ken zwischen 0 und 11 Karzinomen pro 1 000 Untersuchungen. Die Rate dürfte bei etwa 3,5 Karzinomen liegen. Adeno- me werden durchschnittlich bei 23 bis 25 Prozent gefunden. Die Morbiditätsdaten zur Koloskopie sind in einer kürzlich er- schienenen Übersicht zusammengefasst (2). So betrug die Nebenwirkungsrate für diagnostische Koloskopien zwischen 0,14
bis 0,25 Prozent. Die häufigsten Kompli- kationen waren Perforationen (0,06 bis 0,2 Prozent) und Blutungen (0 bis 0,11 Prozent). Für therapeutische Koloskopi- en lag die Rate mit 1,2 bis 7,2 Prozent höher. Die Mortalität betrug generell zwischen 0 und 0,06 Prozent. Der Vorteil der endoskopischen Untersuchungen liegt sicherlich in einer höheren Sensiti- vität in der Detektion von KRK sowie der Möglichkeit der Abtragung prämali- gner Adenome, was zu einer nachgewie- senen Senkung der KRK-bedingten Mortalität um bis zu 90 Prozent führt (4).
Dem sind jedoch unter anderem die an- gegebene Komplikationsrate sowie hö- here Kosten entgegenzuhalten. Da zu- sätzlich keine kontrollierten Studien zu endoskopischen Verfahren vorliegen, sollte zurzeit bei der asymptomatischen Bevölkerung mit durchschnittlichem KRK-Risiko generell die Hämoccult-Te- stung durchgeführt werden. Für die Be- völkerungsgruppen mit erhöhtem KRK- Risiko sollte jedoch von vornherein die sensitivere Koloskopie eingesetzt wer- den. Hier scheint der Nutzen größer als die möglichen Nebenwirkungen. Gene- rell kann jede Screeninguntersuchung nur dann effektiv sein, wenn sie auch von weiten Teilen der Bevölkerung ange- nommen wird. Die gesetzliche Krebs- früherkennung, die die jährliche Häm- occult-Testung ab 45 Jahren beinhaltet, wird nur von 14 Prozent der anspruchs- berechtigten Männer und 34 Prozent der Frauen wahrgenommen. Um den Krebs- tod am kolorektalen Karzinom zu sen- ken, wäre demnach eine Ausweitung des FOBT außerordentlich bedeutsam.
Literatur
1. Allison JE, Tekawa IS, Ransom LJ, Adrain AL: A compa- rison of fecal occult-blood tests for colorectal-cancer screening. N Engl J Med 1996; 334: 155–159.
2. Froehlich F, Gonvers J-J, Vader J-P, Dubois RW, Burnand B: Appropriateness of gastrointestinal endoscopy: risk of complications. Endoscopy 1999; 31: 684–686.
3. Selby JV. Clinical trials of screening sigmoidoscopy. In:
Cohen AM, Winawer SJ, eds. Cancer of the colon, rec- tum, and anus.: McGraw-Hill, Inc.; 1995.
4. Winawer SJ, Zauber AG, Ho MN et al.: Prevention of co- lorectal cancer by colonoscopic polypectomy. The Na- tional Polyp Study Workgroup. N Engl J Med 1993; 329:
1977–1981.
Prof. Dr. med. Wolff Schmiegel Medizinische Universitätklinik Knappschaftskrankenhaus
In der Schornau 23–25, 44892 Bochum (Langendreer) E-Mail: meduni-KKH@ruhr-uni-Bochum.de M E D I Z I N
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