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Archiv "Erkenntnisgewinn durch Meta-Analyse?" (17.05.1990)

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DAS EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Erkenntnisgewinn durch Meta-Analyse?

Albrecht Neiß

Meta-Analyse — was ist das?

Unter einer Meta-Analyse versteht man die zusammenfassende Analyse der Ergebnisse ei- ner Reihe von Einzelanalysen. Diese etwas ab- strakte Definition soll im folgenden Absatz durch Beispiele verständlich gemacht werden.

Wer braucht die Meta-Analyse?

Jeder von uns hat — ohne den Begriff Meta- Analyse zu kennen — schon öfter im Laufe seines Lebens auf diese Methode zurückgegriffen. Dies war immer dann der Fall, wenn mehrere Ent- scheidungen zur Diskussion standen und auf der Basis des vorliegenden Erkenntnismaterials die richtige Entscheidung ausgewählt werden sollte.

Dazu war es erforderlich, zahlreiche Fakten zu sichten, zu bewerten und zu einer Gesamtaussa- ge zusammenzufassen.

Ein typisches Beispiel dafür ist die Therapie- entscheidung. Hier stehen in der Regel mehrere Therapien oder Therapieprinzipien zur Aus- wahl, die jeweils durch eine Reihe von Studien mehr oder weniger gut untermauert sind. Der Arzt steht nun vor der Aufgabe, die Ergebnisse der entsprechenden Einzelstudien zu einem Ge- samtergebnis zu integrieren.

In einer ähnlichen Situation befinden sich die Gutachter der sogenannten Aufbereitungs- kommissionen beim Bundesgesundheitsamt. Sie müssen die Resultate vieler Einzelstudien, die

unter Umständen 20 Aktenordner füllen, zu ei- ner einzigen Gesamtaussage zusammenführen.

Auch Wissenschaftler, die einen Antrag auf For- schungsförderung stellen, sind gehalten, die auf dem zu bearbeitenden Forschungsgebiet bereits vorliegenden Ergebnisse zusammenzustellen und in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. In der Pharmaindustrie wird man bei der Planung neu- er Therapiestudien die Ergebnisse der bereits durchgeführten Untersuchungen zusammenstel- len, gesamtheitlich bewerten und daraus Konse- quenzen für das weitere Vorgehen ziehen.

Welche Zielsetzungen hat die Meta-Analyse?

Die Beispiele zeigen, daß die Meta-Analyse im wesentlichen zwei Ziele verfolgt: zum einen sollen Gemeinsamkeiten in den Ergebnissen der Einzelanalysen herausgearbeitet werden, zum anderen ist man daran interessiert, unterschied- liche Ergebnisse von Studie zu Studie zu entdek- ken und zu verstehen.

Wie führt man eine Meta-Analyse durch?

Eine Meta-Analyse muß

genauso sorgfältig

geplant, durchgeführt, ausgewertet und interpre- tiert werden wie zum Beispiel eine Therapiestu- die. Das heißt, für eine Meta-Analyse ist ein Stu-

Dt. Ärztebl. 87, Heft 20, 17. Mai 1990 (45) A-1621

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dienprotokoll erforderlich, das vor Inspektion der in Frage kommenden Einzelstudien erstellt werden muß. So ist unter anderem festzulegen, unter welchen Bedingungen eine Studie in die Meta-Analyse einbezogen werden darf, ob alle geeigneten Studien oder nur eine (zufällige) Stichprobe daraus verwendet werden soll und welches Zielkriterium in der Meta-Analyse ver- arbeitet werden wird.

Ist man an der Evaluierung eines gemeinsa- men Aspekts interessiert, so wird man bei der Durchführung der Meta-Analyse die Einzelstu- dien zusammenfassen (pooling). Stehen die Ori- ginaldaten der einzelnen Studien zur Verfügung, so kann man die Meta-Analyse auf der Basis die- ser Informationen durchführen. In der Praxis ist diese Möglichkeit jedoch selten gegeben, so daß man auf akkumulierte Daten (Mittelwerte, Häu- figkeiten) der einzelnen Studien zurückgreifen muß. Manchmal steht nur der sogenannte p- Wert des entsprechenden Signifikanztests in der Einzelstudie zur Verfügung. Für all diese Situa- tionen haben Biometriker entsprechende stati- stische Verfahren zur Meta-Analyse entwickelt.

Durch die Zusammenfassung der Ergebnisse der einzelnen Studien in der Meta-Analyse wird die Fallzahl und damit die sogenannte Power für den abschließenden Signifikanztest erhöht. Das heißt, man wird in der Meta-Analyse häufig Ef- fekte erkennen, die mit den Einzelstudien nicht nachzuweisen waren. Diesem Vorteil steht die Gefahr gegenüber, daß durch das Poolen medizi- nisch interessante Unterschiede in den Ergebnis- sen von Studie zu Studie untergehen.

Möchte man diesen letztgenannten Aspekt im Rahmen der Meta-Analyse untersuchen, so stehen dafür keine effizienten statistischen Ver- fahren zur Verfügung. Der Anwender ist im all- gemeinen auf die Methoden der beschreibenden Statistik und seinen medizinischen Sachverstand angewiesen.

Was macht die Meta

-

Analyse suspekt?

Die Problematik der Meta-Analyse liegt nicht in der Auswahl oder Entwicklung geeigne- ter statistischer Verfahren, sondern in der Aus- wahl der Studien, die in die Meta-Analyse einbe- zogen werden (cabbage in — cabbage out). Zum einen kann durch eine entsprechende Selektion aus dem zur Verfügung stehenden Kontingent von Studien das Ergebnis der Meta-Analyse ma- nipuliert werden. Zum anderen kann die Menge der für die Meta-Analyse zugänglichen Studien bereits eine Selektion darstellen, so daß auch bei

korrekter Durchführung die Ergebnisse der Me- ta-Analyse nicht den tatsächlichen Sachverhalt wiedergeben. Häufig werden Studien mit ungün- stigem Resultat nicht publiziert (Plublikations- Bias, Eisberg-Phänomen) und stehen daher für die Meta-Analyse überhaupt nicht zur Verfü- gung.

Wann ist eine Meta-Analyse kontraindiziert?

Oft führen Studien zu keinem befriedigen- dem Ergebnis, weil auf Grund einer insuffizien- ten Studienplanung zu wenige Patienten einbe- zogen wurden. Liegen zum Beispiel für eine be- stimmte neue Therapie mehrere solcher Studien vor, so erinnert man sich in letzter Zeit häufig der segensreichen Wirkung des Poolings und mißbraucht die Meta-Analyse, um aus vielen un- geeigneten Versuchen eine aussagekräftige Stu- die zu zaubern. Gepaart mit entsprechender Se- lektion der Einzelstudien führt dieses Vorgehen zu jedem gewünschten Ergebnis. Das heißt, man- gelnde Qualität der einzelnen Studie ist ein we- sentlicher Ausschlußgrund für eine Meta-Ana- lyse.

Fazit

• In vielen Bereichen der Medizin besteht Bedarf an Meta-Analysen.

e Die Meta-Analyse ist kein formaler An- satz, sondern ein inhaltliches Problem.

E) Die Gefahr von systematischen Fehlern ist bei Meta-Analysen besonders groß.

• Die Meta-Analyse vieler schlecht geplan- ter Studien ist kein Ersatz für eine ausreichend große Studie.

• Bei umsichtigem Einsatz ist die Meta- Analyse ein geeignetes Instrument, neue Er- kenntnisse zu gewinnen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Albrecht Neiß Vorstand des Instituts für Biostatistik und Dokumentation Universität Innsbruck

Schöpfstraße 41 A-6020 Innsbruck

A-1622 (46) Dt. Ärztebl. 87, Heft 20, 17. Mai 1990

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