Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 106|
Heft 46|
13. November 2009 A 2311 In der Gynäkoonkologie wurden imgleichen Maße wie in der onkologi- schen Urologie gewebe- und ner- venschonende Operationsverfahren entwickelt, die z. B. bei der Trachel- ektomie sogar den Erhalt der Re- produktionsfähigkeit erlauben.
– Effektive Inkontinenzoperationen beim Mann sind gerade durch die Verwendung alloplastischer Implan- tate, wie z. B. künstliche Spinkteren und Inkontinenzbänder, möglich ge- worden.
– Alloplastische Materialien haben es überhaupt erst ermöglicht, In- kontinenz- und Prolapsoperationen bei der Frau minimalinvasiv, gewe- beschonend und mit wenigen Ne- benwirkungen zu realisieren.
5. . . . Die Kolposuspension, ein In- kontinenzoperationsverfahren, das meist über eine Laparatomie ausge- führt wird und das gerade durch mi- nimalinvasive schonende Techniken mit alloplastischem Material ver-
drängt wurde, wird als Beispiel für eine Technik angeführt, von der be- hauptet wird, dass sie nicht nerven- schonend sei.
Es ist richtig, dass Prolapsoperatio- nen mit vaginal implantierten allo- plastischen Materialien, die trans- obturatorisch oder ischiorektal sus- pendiert werden, neu sind und der Optimierung sowie der weiteren kritischen Evaluation bedürfen.
Dies muss mit dem Wissen gesche- hen, dass die in Deutschland ver- breitete Standardoperation der va- ginalen Hysterektomie mit vorde- rer und hinterer Scheidenplastik mit Rezidivraten von 40 Prozent nach einem Jahr und Kohabitati- onsbeschwerden bei 30 Prozent der Operierten einhergeht . . .
Literatur und Liste der Unterzeichnenden bei dem Verfasser
Prof. Dr. Dirk Watermann et al., Oberarzt der Frauenklinik, Universitätsklinikum Freiburg, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg
MEDIZIN
Auch komplexe komplementärmedi- zinische Verfahren können in gut ange- legten Studien un- tersucht werden (DÄ 37/2009: „Komple- mentärmedizin: Weitere Forschung ist die Basis für Integration in die Versor- gung“ von Claudia M. Witt).
Ein Holzweg
Wie deutlicher aus dem Literaturver- zeichnis als aus dem Artikel selbst hervorgeht, sieht Frau Witt die Alter- nativmedizin als eine Komplemen- tärmedizin für leichte Fälle und/oder schwierige Patienten. Sie stellt sie deshalb zwischen die Standardthera- pie der naturwissenschaftlich gepräg- ten konventionellen Hochschulmedi- zin auf der einen Seite und Placebo auf der anderen. Und um die Alterna-
A k z k l t 3 mentärmedizin: Weit
B R I E F E
A 2312 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 106|
Heft 46|
13. November 2009 tivmedizin hoffähig zu machen, erör-tert sie konsequent und exakt die Notwendigkeit der an komplexe In- terventionen angepassten Prüfmetho- den, um daraus ihre Forderung nach weiterer Forschung abzuleiten.
Das ist zwar legitim, geht aber am Grundproblem der Alternativ- bzw.
Komplementärmedizin vorbei.
Denn damit wird die Frage ausge- blendet, was denn ein Placebo über- haupt ist. Zwar betonen alle Publi- kationen über alternative Heilme- thoden seit Jahrzehnten deren Über- legenheit über die Placebotherapie, doch keine wurde in strengem Dop- pelblindversuch durchgeführt, die eine oder andere mag höchstens ei- nem RCT-Design (RCT = randomi- zed controlled trial) folgen.
Umgekehrt sollten wir nicht verges- sen, dass ärztliches Ansehen und Therapieerfolge in der vorwissen- schaftlichen Ära seit Jahrtausenden nur auf Placebomethoden beruhten.
Der renommierte Toxikologe Haber- mann machte deshalb schon 1995 auf die systemimmanente Überschätzung unseres wissenschaftlichen Instru- mentariums aufmerksam und ebenso auf die intrinsische Unterschätzung des Placeboeffekts. Doch leider sind derartige Gedanken über den Wert der Placebotherapie und den Unsinn genereller Verschreibung von Posi- tivlistenpräparaten bei unseren Ge- sundheitspolitikern und vielen Ärz- ten, die sich lediglich als Gesund- heitsingenieure verstehen, noch gar nicht angekommen. Deshalb dürfte der Versuch einer Integration der Komplementärmedizin in eine (noch) rational-materialistische Schulmedi- zin ein Holzweg sein. Stattdessen sollte die Komplementärmedizin ver- suchen, die wissenschaftliche Basis des Placeboeffekts zu vertiefen.
Literatur bei dem Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Hans E. Müller , Alter Rautheimer Weg 16, 38126 Braunschweig
Neuer Forschungsansatz
Die Frage ist längst nicht mehr, ob Komplementärmedizin über den Pla- ceboeffekt hinaus wirkt. Das ist für die meisten Verfahren definitiv ent- schieden. Ich erwähne beispielhaft die sorgfältige Arbeit von A. Shang (Lan- cet 2005; 366: 726–32) zur Homöo-
pathie. Auch der geringe nachweisba- re Effekt der Akupunktur lediglich auf Rücken- und Knieschmerzen ist in großen Studien sauber belegt. Die wissenschaftliche Frage muss sein:
Was treibt Tausende von Menschen dazu, mit pseudoreligiösen Denkmo- dellen die Wirksamkeit dieser Verfah- ren immer wieder neu beweisen zu wollen? Sogar die KBV in Person von Dr. Köhler und Dr. Müller lässt sich verführen, einen Vertrag über
„qualitätsgesicherte Homöopathie“
auszuschreiben (DÄ 27/2009). Mit welcher Methode soll dort die Quali- tät einer nachweislich unwirksamen Methode gesichert werden? Es kann sich dabei nur um die subjektive Zu- friedenheit der Konsumenten han- deln. Nur der folgende Forschungsan- satz bringt uns weiter: Was suchen die Konsumenten in der Alternativmedi- zin? Diese Einsicht wirft sofort die nächste Frage auf. Ist das überhaupt noch eine medizinische Frage oder eher eine sozialwissenschaftliche?
Dr. Stefan Diez, Eduard-Conz-Straße 11, 75365 Calw
ALLGEMEINMEDIZIN
Der Vorstand der Bundesärztekam- mer will die Allge- meinmedizin wieder als eigenständiges Gebiet verankern (DÄ 40/2009: „Fach- arzt für Allgemeinmedizin: Willkommen zurück“ von Heike Korzilius).
Eine unendliche Geschichte
Das ständige, rein politisch motivier- te Rumgewerkel an diesem Gebiet trägt mit dazu bei, Nachwuchs abzu- schrecken. Warum eine ambulante, sechsmonatige Weiterbildung in Chi- rurgie? Der eine oder andere Funk- tionär hat losgelöst von der Realität wohl ein archaisches Landarztbild vor Augen. Meines Erachtens ist ne- ben Vermittlung von Kenntnissen aus der Geriatrie insbesondere eine psychiatrische Weiterbildung not- wendig, wie sie zum Beispiel in den Niederlanden vorgeschrieben ist.
Dr. med. Ture Dänziger, Holzhauser Berg 41, 32805 Horn-Bad Meinberg
G
D B m m a G ( arzt für Allgemeinme
B R I E F E M E D I E N
Medizin digital
Harald Kluge, Stefan Isenmann, Hans- Jürgen Kühn, Martin M. Kluska, Valentin Wieczorek, Otto W. Witte: Praktische Li- quorzytologie. Ein interaktiver Trainings- kurs für Neurologen und Labormediziner.
Thieme, Stuttgart, New York 2008, CD- ROM, 39,95 Euro
Günter Rager (Hrsg.): Humanembryologie und Teratologie. Ein Kurzlehrgang. 3. Aufla- ge. CD-ROM. Huber, Bern 2008, 17,95 Euro Carola Beresford-Cooke: Hörbuch Shiat- su. Grundlagen und Praxis. Urban & Fi- scher, Elsevier GmbH, München 2008, MP3-CD, 32,95 Euro
Thomas Rütten: Geschichten vom Hip- pokratischen Eid. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2008, CD-ROM, 20 Euro Karin Schumacher, Claudine Calvet:
Synchronisation/Synchronization. Mu- siktherapie bei Kindern mit Autismus – Mu- sic Therapy with Children on the Autistic Spectrum. Vandenhoeck & Ruprecht, Göt- tingen 2008, DVD-Box, 34,90 Euro Johannes W. Rohen, Elke Lütjen-Dre- coll: Anatomie interaktiv. Lernprogramm zu Leitungsbahnen und Muskulatur. Schat- tauer, Stuttgart, New York 2008, CD-ROM zum Fotografischen Atlas „Anatomie des Menschen“, 6. Auflage, Sprachen: deutsch, englisch, 19,95 Euro
Julia Müller, Christine Knaevelsrud:
MultiCASI. Multilingual Computer Assisted Self Interview. Single User License. Sprin- ger Medizin Verlag, Heidelberg 2008, CD- ROM, 199,96 Euro
Harald zur Hausen: Was tun gegen Krebs? supposé, Berlin 2008, Audio-CD, 76 Min., 18 Euro
H. Hollerweger, K. Dirks: Appendizitis und Differenzialdiagnosen. Reihe: Gas- trointestinale Sonographie. Deutscher Ärz- te-Verlag, Köln 2008, DVD, 49,95 Euro Zurück zu einem unbekannten Anfang.
Leben mit Alzheimerkranken. polyfilm vi- deo, Wien 2009, 2 DVDs, 24,95 Euro, Ver- trieb: AL!ve AG, Bonn
Karl Feiden, Hermann Josef Pabel (Hrsg.):
Arzneimittelrecht-CD. Version 2.8. Arznei- mittelrecht – Kommentar · Arzneimittelprüf- richtlinien. Wissenschaftliche Verlagsge- sellschaft mbH, Stuttgart, 890 Euro Elmar Ludolph, Rolf Lehmann, Jürgen Schürmann: Kursbuch der ärztlichen Begutachtung digital. Gutachten beauf- tragen – Gutachten erstellen – Gutachten auswerten. Ecomed, Landsberg 2008, CD- ROM, 198 Euro