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Archiv "Gesundheitsreform: Auf dem Holzweg?" (16.08.2002)

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A

A2144 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

KOMMENTAR

B

ei der Suche nach einer neuen Fi- nanzierungsbasis zur Bemessung der Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden zurzeit verschiedene Alternativen diskutiert. Nur vereinzelt wird das be- reits Mitte der Sechzigerjahre erör- terte Modell einer völligen Abkehr von den lohnbezogenen Sozialversi- cherungsbeiträgen und einer Anbin- dung der Sozialabgaben an die Wert- schöpfung der Unternehmen bezie- hungsweise an die Kapitalbasis der Betriebe („Maschinensteuer“) disku- tiert – vor allem um den Konzentra- tionsprozess in der Wirtschaft zu

bremsen und die mittelständischen Betriebe wegen ihrer Lohnintensität und aus Wettbewerbsgründen zu schonen. Diese Option spielt aller- dings zurzeit nur bei der PDS eine programmatische Rolle.

Stärker favorisiert wird indes eine Erweiterung der Bemessungsbasis über den Faktor Arbeit/Lohn/Gehalt hinaus auf sämtliche sieben Ein- kunftsarten. Dies sei ergiebiger als die ausschließliche Lohnbezugsbasis, zudem gerechter und korrigiere die schieflastige Umverteilung innerhalb der GKV. Neuerdings empfiehlt auch die von diesen Maßnahmen über- haupt nicht direkt betroffene private Krankenversicherung (PKV) diese Option, wohl eher aus interessenpoli- tischer Sicht, und zwar um die bereits angekündigte höhere Versicherungs- pflichtgrenze in der GKV abzuwen- den, ein Reformschritt, der in der Tat zu Markteinbrüchen bei der Pri- vatassekuranz führen würde. Eine Erweiterung der Bemessungsgrund-

lage für die Beiträge in der GKV auch auf andere Einkunftsarten wür- de indes vielfältige Probleme herauf- beschwören: Einmal abgesehen da- von, dass wegen der Bemessungs- und Erhebungsgenauigkeit die Kran- kenkassen zu einer Art zweiten Fi- nanzamt aufgewertet werden müss- ten, hätte dies auch gravierende Kon- sequenzen für die ausschließlich auf die Lohnbezugsbasis abgestellte Re- krutierung der Selbstverwaltung. An- dererseits dürfe die Bemessungs- grundlage zur Erhebung der GKV- Beiträge nicht beliebig ausgeweitet werden, postuliert der Staatsrechtler

und Experte für Fragen der sozialen Sicherung, Prof. Dr. jur. Josef Isensee, Universität Bonn. Ebenso ordnungs- politisch wie verfassungsrechtlich be- denklich wäre es nach dieser „Lehr- meinung“, wenn sämtliche Ein- kunftsarten für die Beitragsbemes- sung in der Sozialversicherung erfasst und auch im Hinblick auf die Geldlei- stungen der Krankenversicherung (etwa: Lohnfortzahlung) berücksich- tigt werden müssten. Denn dann wür- de die Beitragsbemessung neben der lohnbezogenen Sozialabgabe zu ei- ner zweiten, systemwidrigen Form der Einkommensteuer werden. Nach den verfassungsrechtlichen Normen in Deutschland und den ordnungspo- litischen Vorgaben für das geglieder- te, staatsferne Sozialversicherungssy- stem darf nämlich der Sozialversi- cherungsbeitrag, mithin auch der GKV-Beitrag, nicht beliebig Gestalt annehmen; er müsse Distanz zur Steuer und damit allgemeingesell- schaftlichen Aufgaben wahren, so

Isensee anlässlich eines Kolloquiums des Verbandes der privaten Kranken- versicherung auf dem Petersberg bei Königswinter. „Wo das Versicherungs- element den wesentlichen Faktor in der Sozialversicherung bildet, würde eine Krypto-Sozial-Einkommensteu- er letztlich den Weg zu einer Mo- nopol-Einheitsversicherung weisen“, prognostiziert der Bonner Verfas- sungsrechtler. Nach § 220 Abs. 1 SGB V finanziert sich die GKV bis- lang aus Beiträgen und sonstigen Einnahmen. Dabei entfallen derzeit mehr als 97 Prozent der GKV-Ein- nahmen auf die Beiträge.

Ein Mischsystem aus lohnbezo- genen Sozialversicherungsbeiträgen und einer einkommensteuergleichen Zusatzbesteuerung von allen Ein- kunftsarten würde quasi eine zweite Einkommensteuer heraufbeschwö- ren, was verfassungsrechtlich un- zulässig wäre. Zudem bedeutete dies einen Mix aus beitrags- und steuerfi- nanzierten Elementen, eine Abkehr von der bisher staatsfreien GKV und deren strikten Beitragsbezogenheit.

Sinnvoll dagegen wäre es, gesell- schafts- und familienpolitisch beding- te Aufgaben aus der GKV zu eliminie- ren und aus Steuern zu finanzieren oder der GKV als Auftragsleistung durch den Staat zu erstatten. Die Auf- gabe der ausschließlichen Beitragsfi- nanzierung der GKV würde zudem den Trend zu einem nationalen Ge- sundheitsdienst verstärken und die bereits sieben steuerfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienste inner- halb der EU um ein weiteres Mitglied

„bereichern“. Dr. rer. pol. Harald Clade

Gesundheitsreform

Auf dem Holzweg?

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