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ls „Mitarbeiter des Ministeriums, der die Politik berät und keine Entscheidungen zu treffen hat“, muss Ulrich Dietz vorsichtig formulie- ren. Ja, er halte den Schulte-Vorschlag für „sehr interessant“, sagt der Leiter des Arzneimittelreferats im Bundesge- sundheitsministerium. Er persönlich sei optimistisch, dass man eine einvernehm- liche Lösung hinbekomme. „Die Unter- schiede zwischen uns sind nicht so groß, wie sie manchmal in der politischen Dis- kussion erscheinen“, meint Dietz.Auf einer Fachtagung in den Räu- men des BKK-Landesverbandes Bay- ern am 25. Februar in München hatte Gerhard Schulte, der Vorsitzende der bayerischen BKK, zuvor den Aufbau ei- nes paritätisch besetzten wissenschaftli- chen Instituts vorgeschlagen. In diesem sollten Vertreter des Bundesministeri- ums für Gesundheit und Soziale Siche- rung (BMGS), der Ärzteschaft und der Krankenhausgesellschaft sowie der Krankenkassen gemeinsam Vorschläge zur Qualitätssicherung in der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) er- arbeiten. Ziel müsse es sein, die existie- renden Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung mit entscheidungsre-
levanten Fakten zu unterstützen und so die Prozesse zu beschleunigen. „Durch die Beteiligung des BMGS könnte die mitunter blockierende Parität im Bun- desausschuss der Ärzte und Kranken- kassen aufgebrochen werden“, argu- mentierte Schulte. Die Finanzierung des Instituts solle gedrittelt erfolgen.
Dem von Ministerin Ulla Schmidt ge- planten Zentrum für Qualität in der Me- dizin steht der bayerische BKK-Vorsit- zende skeptisch gegenüber. Es gebe be- reits genügend Institutionen der gemein- samen Selbstverwaltung, deren Aufga- benbereich nahezu identisch mit denen des geplanten „staatsfernen und von In- teressengruppen unabhängigen Zen- trums“ (BMGS-Eckpunktepapier) sei.
Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe unter- stützte den Schulte-Vorstoß. Ein pa- ritätisch besetztes Institut, „dem man gemeinsam wissenschaftlich vertraut“, sei eine vernünftige Alternative zum geplanten „staatlich zentralisierten Entscheidungsprozess-gesteuerten Zen- trum“, sagte der Bundesärztekammer- präsident. Nur so könne ein Paradig- menwechsel in der Gesundheitspolitik – weg von der gemeinsamen Selbstver- waltung, hin zur Staatsmedizin – noch
verhindert werden. Hoppe fürchtet englische Verhältnisse. Das von Schmidt und ihrem Berater Prof. Dr.
Karl W. Lauterbach geplante Zentrum für Qualität in der Medizin sei nahezu eine Kopie des „National Institute of Clinical Excellence“ (NICE) im „Na- tional Health Service“. In Großbritan- nien entscheidet das NICE vorwiegend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, welche Leistungen ein Patient in An- spruch nehmen darf. In Deutschland haben GKV-Versicherte hingegen ei- nen Rechtsanspruch auf alle Leistun- gen, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen. Ein Wechsel hin zur Zutei- lungsphilosophie müsse unbedingt ver- mieden werden, betonte Hoppe.
Teil der Verhandlungsmasse
Dass die Sicherung der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung auch künftig von der Ärzteschaft und den Krankenkassen mitbestimmt wird, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Zwar sind die Pläne zum Qualitätszentrum – „eine Art Stiftung Warentest für das Gesundheits- wesen“ (Ulla Schmidt) – in dem soeben als „Rohfassung“ bekannt gewordenen Gesetzespaket des Bundesgesundheits- ministeriums zur Gesundheitsreform enthalten. Im Gesetzgebungsverfahren ist die Bundesregierung indes auf die Stimmen der CDU/CSU-Opposition an- gewiesen, weil diese im Bundesrat die Mehrheit hat. CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer hat aber bereits betont, dass es mit ihm keinen Weg in eine Staatsmedizin geben werde.Auch die ge- sundheitspolitische Sprecherin der Uni- onsfraktion im Bundestag, Annette Wid- mann-Mauz, lehnte die Pläne der Mini- sterin zuletzt ab und warnte vor einer
„staatsdirigistischen Zuteilungsmedizin“
(DÄ, Heft 9/2003). Die Qualitätssiche- rung in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung wird somit ein Teil der Verhand- lungsmasse bei den Gesprächen zwi- schen Regierung und Opposition über die Inhalte der Gesundheitsreform sein.
Die von Gerhard Schulte in die politische Diskussion eingebrachte Idee eines paritätisch besetzten wissenschaftlichen Instituts könnte sich als Kompromiss- lösung anbieten. Jens Flintrop P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 107. März 2003 AA601
Zentrum für Qualität in der Medizin
Alternative im Gespräch
Gerhard Schulte vom BKK-Landesverband Bayern plädiert für den Aufbau eines paritätisch besetzten wissenschaftlichen Instituts anstelle des geplanten „unabhängigen“ Zentrums.
Grafik
Schultes Alternativvorschlag BMGS
Wissenschaftliches Institut
Bundesausschüsse
Ärzte Zahnärzte Krankenhaus Koordinierungsausschuss
GKV KV Ärztekammer Krankenhaus-
gesellschaft Ärzteschaft
Krankenhausgesellschaft GKV Träger
(Drittelfinanzierung)
Quelle: Gerhard Schulte, BKK Landesverband Bayern