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Archiv "Qualität in der Medizin: Keine Repressionen! " (28.04.2000)

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ie Möglichkeiten und die zu- nehmende Komplexität der modernen Medizin gehen mit wachsenden Gefahren und Risi- ken für die Patienten einher. Eine aktuelle Studie aus den USA von zwei hoch angesehenen Kranken- häusern erbrachte schwere oder ver- mutet schwere Verschreibungsfeh- ler bei 6,7 Prozent der Patienten.

Bei einer Untersuchung von 30 000 Krankenakten im Staat New York fanden sich bei 3,7 Prozent der Krankenhauseinweisungen Behand- lungsfehler, von denen die Hälfte als vermeidbar eingestuft wurde. 13,6 Prozent dieser Behandlungsfehler endeten tödlich. Bei einer Hochrech- nung dieser Daten auf die Gesamt- bevölkerung der USA ergebe sich, dass jedes Jahr rund 120 000 Ameri- kaner an den Folgen einer vermeid- bar fehlerhaften Krankenhausbe- handlung sterben. Derartige Unter- suchungsergebnisse sind geeignet, beachtliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erlangen. Damit dürfte sich die Forderung verbinden, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung durch geeignete Maß- nahmen sicherer zu gestalten.

Es ist anzunehmen, dass die For- derung erhoben wird, die Überwa- chung und die Bestrafungsmöglich- keiten zu verschärfen, um die Fehler- quote in der medizinischen Versor- gung zu verringern. Wenn Berichte über medizinische Fehlversorgung an die Öffentlichkeit gelangen – oft mit stark emotional gefärbten Beschrei- bungen über die Leiden der Opfer –, ist die Reaktion meist die Zuschrei- bung der Schuld an einen der Hand-

lungsbeteiligten und dessen Bestra- fung. Diesem Verfahren ist kein dau- erhafter Erfolg beschieden.

Wenn von denen, die mit dem Hochrisiko ständig umgehen, eine Lehre aus diesem täglichen Umgang gezogen wird, ist es die Erkenntnis, dass Angst, Repression und Bestra- fung keine Sicherheit erzeugen.Sie begünstigen vielmehr defensives Verhalten, Geheimniskrämerei und Angst.

Qualitätsvoraussetzung:

Gutes Equipment

Wissenschaftliche Studien über den Umgang mit menschlichem Ver- halten, Organisationspsychologie, Arbeitsablaufanalysen (Operation research) und andere belegen, dass in komplexen Systemen Sicherheit nicht durch Ermahnung und Strafe erzielt wird.Vielmehr sind gute Ausrüstung, vernünftige Arbeitsbe- dingungen, funktionierende Hilfesy- steme und leistungsfähige Organisa- tionsstrukturen gefragt.

In den USA ist als Folge dieser Erkenntnisse eine Bewegung ent- standen, die die Verbesserung der Versorgungssicherheit im Gesund- heitswesen aktiv betreibt. Die Amer- ican Medical Association hat eine

„National Patient Safety Founda- tion“ gegründet, in der sich führende Kräfte des Gesundheitswesens über geeignete Maßnahmen Gedanken machen und diese umsetzen. Die

„Veterans Health Administration“

hat beachtliche Anstrengungen un- ternommen, in dem Versorgungssy-

stem medizinische Fehler zu vermei- den, und versucht in vier dafür einge- richteten „Centers of Excellence“

die multidisziplinäre Forschung zu fördern, um sicherere Versorgungs- formen zu erarbeiten.

Das Institute for Healthcare Improvement Boston hat verschie- dene nationale Gemeinschaftspro- jekte initiiert, um Fehler in der me- dizinischen Versorgung beheben zu helfen. Diese Projekte erfreuen sich wachsenden Zuspruchs.

Studien in Australien, Israel und Großbritannien kommen zu Er- gebnissen, die denen in den USA ähneln. Insoweit spricht einiges dafür, dass auch in Deutschland ver- gleichbare Ergebnisse ermittelt wer- den könnten.

Erfolgreiche Programme auch in Deutschland

Die Entwicklung und Ein- führung von Qualitätssicherungs- maßnahmen in Deutschland haben wesentlich zu einer sicheren Pa- tientenversorgung beigetragen.Dies ist jedoch nur dort der Fall, wo Qualitätssicherungsprogramme ein- geführt wurden, wie etwa in der Ge- burtshilfe, der Neugeborenenver- sorgung und in der Chirurgie, insbe- sondere in der Herzchirurgie. So konnte eine Senkung der Kinder- sterblichkeit um mehr als die Hälfte erzielt werden, seit Qualitätssiche- rungsprogramme in der Geburtshil- fe/Neonatologie eingeführt wurden.

Auch die signifikante Senkung der Müttersterblichkeit um mehr als A-1103

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 17, 28. April 2000

Qualität in der Medizin

Keine Repressionen!

Lehren aus den USA für die Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Sektor

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die Hälfte darf als Erfolg dieser Maß- nahmen gewertet werden. Allerdings werden dabei vielleicht nicht aus- führlich und öffentlichkeitswirksam genug die Konzepte dargestellt, mit denen eine nachweisbare Verbesse- rung der Versorgungsergebnisse er- zielt wurde. So bleibt beispielsweise offen, welche Maßnahmen im Einzel- nen dazu beigetragen haben, die Ver- sorgungsergebnisse effektiv zu ver- bessern.

Es gibt andererseits deutliche Hinweise darauf, dass sich die Verbes- serung der organisatorischen Rah- menbedingungen für das einzelne Krankenhaus und damit auch für die Patienten an den Ergebnissen der Qualitätssicherung festmachen lässt.

Anonymisierung der Daten

Analog zu dem Ansatz, der in den genannten Studien beschrieben wird, stellt die Repressionsfreiheit ein wesentliches Element der Umsetzung von Qualitätssicherungsprogrammen in Deutschland dar. Ein Teilbeitrag zu dieser Repressionsfreiheit ist eine durchgehende Anonymisierung der Daten sowohl der Patienten als auch der Klinik.

Die von Verantwortlichen für die Durchführung der Qualitätssi- cherung geübte Zurückhaltung, un- mittelbar auf die Ergebnisse der Versorgung Einfluss zu nehmen, rechtfertigt sich durch die ermittel- ten Ergebnisse. Vertrauen in verant- wortungsvolles Handeln der „Lei- stungsanbieter“ hat sich gerechtfer- tigt.

Die Umsetzung von Qualitätssi- cherungsprogrammen stellt einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Patientenversorgung dar. Sie sind überall dort anzuwenden, wo nach Meinung der Fachleute zu erwarten ist, dass sie zur Verbesserung der Ver- sorgungsergebnisse beitragen. Qua- litätssicherungsprogramme eignen sich nur sehr eingeschränkt als Werkzeug zur Herstellung von mehr Wirtschaft- lichkeit.

Ihr Missbrauch als repressive Kontrollinstrumente sollte aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse un- terbleiben. Dr. med. Robert Schäfer A-1104

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 17, 28. April 2000

iedergelassene Ärzte lehnen immer häufiger vertragswidrig Leistungen ab, die die Gesetz- liche Krankenversicherung vorsieht, und bieten sie Patienten auf Pri- vatrechnung an.Zu diesem Ergebnis kommen Mitarbeiter des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bre- men in einer Studie für die Gmünder ErsatzKasse (GEK).

Dafür wurden im Februar 10 000 GEK-Versicherte schriftlich um ihre Meinung gebeten; rund 4 000 antwor- teten. 42 Prozent davon waren im IV.

Quartal 1999, nach dem gefragt wur- de, nicht in ärztlicher Behandlung.

Damit sei die Befürchtung widerlegt, es hätten lediglich enttäuschte oder verärgerte Patienten geantwortet, be- tonte Dr. Bernhard Braun, Mitarbei- ter am Zentrum für Sozialpolitik.

Von den 58 Prozent (2 299) der Versicherten in Behandlung wurde mehr als einem Viertel (630) minde- stens eine der erfragten Leistungen verweigert oder auf das nächste Bud- getjahr verschoben. Betroffen waren Heil- und Hilfsmittel, Medikamente, ärztliche Untersuchungen und Be- handlungen. Weniger als ein Prozent der Befragten gab an, ihnen sei eine Aufnahme in ein Krankenhaus ver- weigert worden.

Kein Wort zum Aktionsprogramm

Ob und wie viele Ablehnungen sachlich gerechtfertigt waren, wurde nicht untersucht. Die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände und die Kassenärztliche Vereinigung Süd- Württemberg haben in diesem Zu- sammenhang bemängelt, dass die Au-

toren der Studie mit keinem Wort das gemeinsame Aktionsprogramm von Ärzteschaft und gesetzlichen Kran- kenkassen erwähnen. Dadurch wur- den im Herbst 1999 Einschränkungen bei Arznei- und Heilmitteln vorgege- ben, um die Budgets einzuhalten.

Die befragten Versicherten wie- derum gaben an, in den meisten Fäl- len sei die Ablehnung von den Ärzten damit begründet worden, sonst müsse man die Leistung wegen der Budge- tierung aus der eigenen Tasche bezah- len (bei 44 Prozent aller Ablehnungen von Untersuchungen/68 Prozent aller Ablehnungen der Verordnung eines bisher verschriebenen Medikaments).

Öfter wurde die Verweigerung auch gar nicht begründet (20 Prozent aller Ablehnungen von Untersuchungen/

bei 33 Prozent aller Ablehnungen von vorher verschriebenen Medikamen- ten). Medizinisch-therapeutisch argu- mentierten die Ärzte zu 33 Prozent im Fall von abgelehnten Untersuchun- gen, zu 14 Prozent im Fall von verwei- gerten Medikamenten.

Ein Viertel der Befragten in Be- handlung gab an, deswegen sehr viele/

viele „spürbare gesundheitliche Nach- teile“ gehabt zu haben. Etliche bezahl- ten gewünschte Arzneimittel selbst. Ob und wie stark sich die Verweigerungen für die Betroffenen tatsächlich ausge- wirkt haben, bleibt offen. Zur Aussage- fähigkeit der Ergebnisse heißt es: „Ei- ne Vielzahl von Studien über subjekti- ve Bewertung von Gesundheit zeigt immer wieder, mit welcher Zuverläs- sigkeit Patienten in der Lage sind, Aus- sagen zu ihrem Gesundheitszustand zu machen. Die Studien zeigen eine hohe Übereinstimmung mit Ergebnissen ob- jektiver oder professionell-ärztlicher Diagnostik.“ Sabine Rieser

Studie: Vertragswidrige Ablehnung von Leistungen

Viel Stimmung,

wenig Wissenschaft

Versicherte der Gmünder ErsatzKasse meinen, ihren Ärztinnen und Ärzten ginge es zu sehr ums Geld. Hieb- und stichfest sind die erhobenen Daten aber nicht.

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