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Archiv "Was Krebspatienten wissen wollen – alternative Krebstherapie seit 1991" (02.05.2003)

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S P E K T R U M

A

A1182 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 182. Mai 2003

A

lternativ, sanft, ganzheitlich und komplementär – lange war für Krebspatienten mit diesen Wor- ten vor allem Hoffnung verbunden, auf ein längeres Leben oder wenigstens auf eine bessere Lebensqualität. Der wis- senschaftliche Beweis der Wirksamkeit steht für die meisten der Verfahren, die mit diesen Begriffen verknüpft werden, bisher aus (2). Die wenigen Methoden, die in Studien überprüft wurden, zeig- ten nicht selten widersprüchliche oder gar keine Effekte. Einigen Verfahren, für die eine entsprechende Prüfung

fehlte, wurden von dritter Seite gefähr- liche Nebenwirkungen attestiert, so zum Beispiel Kapseln mit Germanium, vor denen das ehemalige Bundesinsti- tut für Gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin (jetzt Bundesinstitut für Risikobewertung BfR und Bundesamt für Verbraucher- schutz und Lebensmittelsicherheit BVL) im Jahr 2000 ausdrücklich warn- te: Germanium führte zu schweren Ge- sundheitsschäden und hatte mindestens fünf Todesfälle verursacht. Ähnliche Warnungen sprach das Bundesinstitut für Noni-Säfte aus einer polynesischen

Frucht aus oder für Algenpräparate, die nicht nur gegen Krebs, sondern auch ge- gen Depressionen schützen sollten (3).

Was von vielen Aussagen bleibt, ist ein meist nur vager Bezug auf die Lebens- qualität und eine unspezifische Stär- kung des Immunsystems.

Die Krebspatienten in Deutschland haben auf diese Erkenntnisse reagiert:

Fragten 1991 und 1996 noch 20,4 bezie- hungsweise 21,2 Prozent der Anrufer beim Krebsinformationsdienst (KID) im Deutschen Krebsforschungszen- trum nach alternativen Methoden, ist

ihr Anteil 2001 auf 14,8 Prozent gesun- ken. Gleichzeitig steigt das Interesse an klinischen Studien. Die Nachfragen sind jedoch nicht nur abhängig von den Angeboten, die ein Krebspatient – meist nach Abschluss der ersten Be- handlung – erhält, sondern auch von Medienberichten, die spektakuläre Ver- fahren aufgreifen und Hoffnungen wecken, sowie vom Ausmaß der Bewer- bung von Mitteln, die eine verbesserte Lebensqualität in Aussicht stellen. So bleibt der Trend beim Interesse an al- ternativen Methoden in der Krebsthe- rapie trotz eines generellen Vertrauens- zuwachses in die evidenzbasierte Medi- zin kurzfristigen Schwankungen unter- worfen.

Was Krebspatienten wissen wollen – alternative Krebstherapie seit 1991

Birgit Hiller

Zusammenfassung

In alternative und unbewiesene Methoden set- zen viele Krebspatienten große Hoffnungen.

1991, 1996 und 2001 enthielten bis zu 20 Pro- zent der Anrufe beim Krebsinformationsdienst KID, Deutsches Krebsforschungszentrum, ent- sprechende Fragen. Meistgenanntes Thema ist die Misteltherapie. Andere Methoden werden durch die Medien populär, das Interesse an ih- nen lässt schnell nach, wenn Behörden oder Fachgesellschaften kritische Stellungnahmen publizieren. Viele dieser Methoden können von Patienten wie Ärzten ohne solche Hinter- grundinformationen kaum als unkonventionell identifiziert werden: Ihre Anbieter sind Wis- senschaftler und verstehen ihre Verfahren selbst keineswegs als alternativ, unkonventio- nell oder ganzheitlich. Die „Imitation“ evidenz- basierter Verfahren durch alternative Metho- den lässt insgesamt aber auf ein gewachsenes Vertrauen der Bevölkerung in eine naturwis- senschaftlich orientierte Medizin schließen.

Schlüsselwörter: Krebstherapie, Alternativ- medizin, Kommunikationsförderung, Krebs- forschung, Misteltherapie

Summary

What Cancer Patients Want to Know – Alternative Cancer Therapy During the Last Decade

Alternative and often unproven methods are a source of hope for many cancer patients. In 1991, 1996 and 2001, up to 20 per cent of the callers to KID, the German Cancer Information Service at the German Cancer Research Center, were interested in this topic. The most common question was after mistletoe. Requests for other methods are related to media reports and decrease when recommendations or statements have been published by medical associations or government authorities. Many of these methods cannot be identified by pa- tients and even medical professionals as being unproven: They are promoted by scientists who do not associate their findings with words like alternative, unconventional or holistic. The

“imitation“ of evidence based methods by al- ternative therapy, however, can also be inter- preted as growing confidence in science orient- ed medicine.

Key words: cancer therapy, alternative medi- cine, communication, cancer research, mistletoe

Krebsinformationsdienst KID, Deutsches Krebsfor- schungszentrum (kommissarischer Leiter: Prof. Dr. med.

Gerhard van Kaick), Heidelberg Tabelle 1C´

Die Dokumentation der Anfragen und der vom Krebsinformationsdienst recherchierten Information zeigt, wie groß bei unbewiesenen Methoden die Differenz zwischen der Wahrnehmung der Fragesteller und den belegten Fakten sein kann.

Anfrage (Beispiel, Auszug): Rechercheergebnis (Beispiel, Auszug):

„Wie komme ich an das Mittel P., das der „Dr. XY ist Rechtsanwalt und Heilpraktiker, kein Krebsspezialist Dr. XY empfiehlt und das in Arzt. Der Vertrieb des Mittels P. wurde in den USA schon zugelassen ist? Warum laufen USA von der Food and Drug Administration (FDA) bei uns keine Studien dazu?“ im Februar 2002 gestoppt, die Behörde warnte

Patienten vor der weiteren Einnahme und emp- fahl den Arztbesuch, da unerlaubte Beimischun- gen gefunden worden waren. In späteren Un- tersuchungen fanden sich in dem angeblichen Kräuterpräparat weitere Spuren von eigentlich verschreibungspflichtigen Substanzen.“

(2)

Krebsinformationsdienst

Die Vermittlung neutraler und wissen- schaftlich fundierter Information, auch zu umstrittenen Themen, ist seit 1986 die Hauptaufgabe des telefonischen Krebsinformationsdienstes, der jedoch keine Empfehlungen ausspricht oder berät. Ziele des Dienstes sind vielmehr die Unterstützung der Krankheitsbe- wältigung durch die Schaffung eines Zugangs zum aktuellen Wissen über Krebs und zu den Angeboten des Ge- sundheitswesens, der Abbau von Vorur- teilen, die Förderung der Prävention und schließlich die Rückmeldung über den Informationsbedarf der Bevölke- rung an Organisationen und Fachleute im Gesundheitswesen.

Im Deutschen Krebsforschungszen- trum, gefördert vom Bundesministeri- um für Gesundheit und Soziale Siche- rung und vom Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg, hat KID bisher rund 200 000 Anfragen bearbei- tet und anonymisiert dokumentiert, der überwiegende Teil davon Anrufe un- ter der Telefonnummer des Dienstes, 0 62 21/41 01 21. Seit 1999 ist KID im Internet vertreten (www.krebsinforma tion.de), seit Ende 2001 sind Anfragen auch per E-Mail möglich.

Da Frage und Antwort jeweils ge- trennt und narrativ dokumentiert wer- den, erlaubt ihre Auswertung nicht nur einen Einblick auf die Motive, aus de- nen heraus der Informationsbedarf zu unkonventionellen Methoden entsteht, sondern zeigt auch Diskrepanzen zwi- schen belegten Fakten und Wahrneh- mung der Fragesteller bei den einzel- nen Verfahren auf (Tabelle 1).

Methoden mit bisher unbewiesener Wirksamkeit

Bei der Analyse der Anfragen arbei- tet der Krebsinformationsdienst nicht mit den Begriffen „unkonventionell“,

„ganzheitlich“, „alternativ“, „sanft“

oder „biologisch“: Die bisher in der Li- teratur dokumentierten Kategorisie- rungen, die auf diesen Begriffen beru- hen, sind weder in sich konsistent noch untereinander vergleichbar. Auch kom- men sie zur Verdeutlichung nicht ohne Beispiele aus. Die Kriterien, an denen

sich KID bei der Zuordnung orientiert, sind das der bewiesenen Wirksamkeit, gemessen an den Bedingungen, die für die evidenzbasierte Medizin gelten, die Durchführung von international aner- kannten Studien und deren Dokumen- tation, die Arzneimittelzulassung sowie der rechtliche Rahmen für Vertrieb oder Bewerbung.

Diese Kriterien werden Fragestel- lern im Gespräch als Hintergrund zur eigentlichen Sachinformation ebenfalls vermittelt, sodass sie diese mit ihren persönlichen Krebstheorien und ihrem Wissen abgleichen können. Empfehlun- gen spricht KID nicht aus. Beantwor- tungsrichtlinien, die Nennung der bei der Recherche genutzten Quellen, der Hinweis auf die Rahmenbedingungen der Kostenübernahme durch die Ge- setzliche Krankenversicherung sowie der Verweis auf Ansprechpartner, dar- unter sowohl die behandelnden Ärzte

wie auch der Anbieter eines Verfahrens, sichern die Neutralität und Qualität der Information und ermöglichen Betroffe- nen autonome Entscheidungen.

Trends von 1991 bis 2001

Der Anteil der Anfragen nach Metho- den mit unbewiesener Wirksamkeit be- trug im Jahr 1991 20,4 Prozent (bei 10 413 bearbeiteten Anfragen), im Jahr 1996 21,2 Prozent (bei 12 728 Anfra- gen), er sank im Jahr 2001 auf 14,8 Pro- zent bei 13 758 Interessenten an dem Krebsinformationsdienst. Die Auswer- tung repräsentativer Stichproben der Jahre 1991, 1996 und 2001 ergab, dass sich ein Trend weg von der sanften oder biologischen Therapie hin zu auf den er- sten Blick moderner Forschung schon seit längerem abzeichnet. Auch werden zunehmend Verfahren nachgefragt, die S P E K T R U M

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 182. Mai 2003 AA1183

Tabelle 2C´

Auswertung repräsentativer Stichproben der Anfragen an den Krebsinformations- dienst, in denen sich Fragesteller nach einer oder mehreren Methoden mit bisher unbewiesener Wirksamheit erkundigt hatten

Frageninhalte 1991 1996 2001

Angaben in % Angaben in % Angaben in %

Platz 1: Mistel, Mistellektine 23,9 18,8 22,4

Platz 2 1996: chemisch definierte Stoffe, 3,0 16,9 9,8

Recancostat

Klinik für „alternative Verfahren“ (Adresse) 15,3 13,6 6,6 Platz 2 2001: alternative Therapie allgemein 13,9 12,9 19,0 Organpräparate, Präparate tierischer Herkunft 6,7 6,8 4,9

Physikalische Methoden, Hyperthermie 3,3 6,1 8,3

Platz 2 1991: Vakzinetherapien, Impfungen 16,2 5,6 6,9

Arzt für Naturheilverfahren (Adr. gewünscht) 3,7 5,3 2,0

Literatur, Sonstiges 3,5 3,0 3,2

Diäten, Ernährungsumstellung 3,3 2,9 4,6

(kurative Behandlung)

Mikroorganismen, ihre Stoffwechselprodukte 0,5 1,9 0,6

Pflanzliche Präparate 1,4 1,9 7,2

(nicht Mistel, nicht Homöopathika)

Diagnosemethode, namentlich genannt 2,5 1,6 2,3

Heilpraktiker, Heiler, Rutengänger 0,5 1,1 0,9

(Adresse gewünscht)

Methoden auch nach Recherche nicht klärbar 1,8 0,7 0

Homöopathika 0,5 0,5 1,1

Alternative Diagnostik allgemein 0 0,3 0,3

1991: n = 569 Fragen in 456 Gesprächen, 1996: n = 887 Fragen in 642 Gesprächen, 2001: n = 348 Fragen in 249 Gesprächen

(3)

wegen der Umstände ihrer Vermark- tung den unkonventionellen Methoden zuzuordnen sind.

Die Auswahl von Unterkategorien für die Auswertung, die zuerst 1991 ge- troffen wurde, orientierte sich an der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Litera- tur, vor allem den Untersuchungen der schweizerischen Studiengruppe über Methoden mit unbewiesener Wirksam- keit und der im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft erstellten Dokumen- tation „Krebsmedikamente mit fragli- cher Wirksamkeit“ (7, 8). Diese Katego- risierung berücksichtigte vor allem zu dieser Zeit erhältliche Fertigpräparate.

Sie wurde für den Krebsinformations- dienst erweitert, um auch Fragen nach diagnostischen Verfahren oder offene Fragen erfassen zu können.

Größte Nachfrage zur Misteltherapie

Zwar bleibt die trotz moderner Studien im Wesentlichen der anthroposophi- schen Lehre verpflichtete Mistelthera- pie über zehn Jahre der Spitzenreiter unter den nachgefragten Themen aus der Alternativmedizin (Tabelle 2). Den zweiten Platz nahmen jedoch bereits 1991 und 1996 Methoden ein, die von den Anbietern keineswegs als alternativ oder sanft, sondern als Ergebnis inter- nationaler Spitzenforschung präsen- tiert worden waren, obwohl ein nach- vollziehbarer Beleg für ihre Wirksam- keit fehlte. Beide Verfahren, eine Vakzi- netherapie weitgehend ungeklärten In- halts (5, 6) und eine angebliche Frisch- zubereitung (1), die als Kapsel ein Ge- misch aus verschiedenen ungeprüften Chemikalien enthielt, waren durch Me- dienberichte bekannt geworden. Bei beiden Verfahren war für Patienten und zumindest zu Beginn auch für ihre behandelnden Ärzte weder erkennbar, dass ein Wirkungsnachweis vorlag, noch dass die Herstellung und der Ver- trieb der Mittel sich juristisch in Grau- zonen bewegten. Sie verloren an Be- deutung, nachdem Fachgesellschaften und Behörden ihren Stellenwert dis- kutiert und ihre Verbreitung einge- schränkt hatten – auch diese Informa- tion wurde durch die Medien verbrei- tet. Im Jahr 2001, in dem ein entspre-

chendes Medienereignis fehlte, stieg die Zahl der Anfragen bezüglich alter- nativer Methoden allgemein auf Rang 2. Hier zeigte sich der Wunsch nach ei- ner echten „Alternative“ und einer entsprechenden Empfehlung.

Gruppen mit

Informationsbedarf

Die anonyme Dokumentation der An- fragen an den Krebsinformationsdienst erlaubt auch Aufschlüsse darüber, wer Informationen zur Alternativmedizin benötigt und warum. Das Interesse

kann demnach kaum besonderen Per- sonenkreisen zugeordnet werden, wie es in der Vergangenheit gelegentlich in der Literatur dokumentiert wurde. Die Unterschiede zum Gesamtkollektiv der Nutzer des Krebsinformationsdienstes sind gering: Im Vergleich zum Kollektiv, das keine Fragen danach gestellt hatte, war die Erkrankung der Anfrager wei- ter fortgeschritten.

Unter den Anrufern, die sich nach Methoden mit unbewiesener Wirksam- keit erkundigten, hielten sich Patienten und ihre Angehörigen und Freunde mit jeweils etwas mehr als 40 Prozent die Waage. Professionelle im Gesundheits- wesen waren jedoch häufiger vertreten:

Ihr Anteil stieg gegenüber einem Ver- gleichskollektiv durchschnittlich von weniger als 3 Prozent auf mehr als 8

Prozent mit Fragen zu unbewiesenen Methoden an.

Motive und Kontext

In der Auswertung 1996, mit der größ- ten Stichprobe von Anrufen, konnten auch Motiv und Kontext des Interesses erfasst werden. Vor allem die von den Medien propagierten unbewiesenen Verfahren wurden von 30,6 Prozent der Anfrager aus dem Motiv heraus abge- fragt, auch kleinste Chancen zu nutzen und nichts unversucht zu lassen. Das in der Literatur häufig genannte Motiv, selbst aktiv an der Behandlung mitzu- wirken, spielte dagegen mit 15,2 Pro- zent eine geringere Rolle. Zur Ent- scheidungsfindung wünschten sich 23 Prozent der Fragesteller ein Gutachten oder Hinweise, wie sie entsprechen- de Stellungnahmen erlangen konnten (Grafik).

Unkritisch stehen Patienten wie An- gehörige den unkonventionellen Verfah- ren demnach keineswegs gegenüber, wie auch die Analyse des Kontextes der An- fragen zeigt. Obwohl sie ein oder mehre- re unkonventionelle Methoden bereits nutzten oder genutzt hatten, benötigten 1996 14 Prozent der Anrufer weitere, teilweise auch grundlegende Informatio- nen zum jeweils genannten Diagnose- oder Therapieverfahren. Mehr Informa- tionen wollten auch weitere 31 Prozent erhalten, denen ein entsprechender The- rapievorschlag unterbreitet wurde.

1991 war noch die Mehrzahl der An- fragen offen nach dem Motto: „Wo wird eine bestimmte Methode angeboten?“

Das Spektrum der Fragen hat sich zehn Jahre später deutlich erweitert: Patien- ten ohne klinische Symptome suchen beispielsweise nach Argumenten, um ei- ne vom Arzt vorgeschlagene Dauerbe- handlung mit Mistel abzubrechen. Auch die Diskrepanz zwischen den Informa- tionen aus der erstbehandelnden Klinik, die den Patienten als tumorfrei mit eini- gen Nachsorgeterminen entlässt, und der Auskunft des niedergelassenen Arz- tes, der eine Fülle von Präparaten zur Nachbehandlung und Rezidivprophy- laxe rezeptiert, führt zu Verunsicherung und Informationsbedarf.

Informationsbedarf zu unbewiese- nen Methoden zeigen auch die Kundi- S P E K T R U M

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A1184 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 182. Mai 2003

Grafik

1996 konnte das Motiv der 692 Fragesteller für ihr Interesse an unbewiesenen Methoden genauer erfasst werden.

Was Krebspatienten wissen wollen

(4)

gen im Gesundheitswesen, wie der im Vergleich zur Kontrollgruppe größere Anteil von Ärzten, Pflegekräften sowie Krebsberatungsstellen belegt. Sie kön- nen wie ihre Patienten nur selten auf klassische Informationsquellen zurück- greifen.

Nachgefragte Verfahren

Das Spektrum der zwischen 1991 und 2001 beim Krebsinformationsdienst nachgefragten Verfahren wurde durch die in Deutschland für Patienten erhält- lichen Broschüren, Bücher oder Inter- netangebote mit wissenschaftlicher Ba- sis nicht abgedeckt. Für fast alle fehlten offizielle Stellungnahmen oder Gutach- ten, auf die Fachleute hätten zugreifen können. Wurden solche dagegen publi- ziert oder reagierten die Behörden auf Ungereimtheiten bei Vertrieb oder Herstellung und verbreitete sich diese Information auch über die Medien, sank das Interesse meist rasch, wie das Beispiel der 1996 häufig gestellten Fra- ge nach Recancostat zeigt (1).

Keine der Unterkategorien wie

„pflanzliches Präparat“ oder „chemisch definierter Inhaltsstoff“, die bis heute in der Literatur herangezogen werden, um

über das Kriterium des wissenschaftlich geführten Wirkungsnachweises hinaus eine schnelle Einordnung neuer Ver- fahren zu ermöglichen, erlaubt zudem eine flexible Anpassung an Trends und neue Entwicklungen in der alternativen Krebsszene. So spielen heute Nah- rungsergänzungsmittel – unabhängig von ihrem Inhalt – wegen ihrer kaum der Kontrolle unterworfenen Vermark- tungsmöglichkeiten eine wesentliche Rolle in der unkonventionellen Krebs- therapie, obwohl ihnen eine krankheits- bezogene Wirkung allein aufgrund der gesetzlichen Rahmenbestimmungen abgesprochen werden muss (4).

Um in der Praxis schnell auf Patien- tenanfragen eingehen zu können, hat der Krebsinformationsdienst aufgrund der Anfragen subjektive Krebstheorien in einem Modell zusammengefasst (Ta- belle 3). Es erlaubt einen Vergleich der hinter einer Methode stehenden Hypo- thesen mit anerkanntem Wissen zur Krebsentstehung und zur Krebsthera- pie. Ob ein Verfahren unspezifisch im- munstärkend wirken soll, an der Krebs- persönlichkeit ansetzt, Giftstoffe aus- leiten oder angebliche Krebserreger bekämpfen kann, ist im Vergleich zu heute anerkanntem Wissen meist aussa- gekräftig genug, um zum Beispiel im

ärztlichen Gespräch eine erste Ein- schätzung abgeben zu können, bis ande- re Informationsquellen zur Verfügung stehen. Patienten mit (naturwissen- schaftlich) fundiertem Wissen über Krebs zeigen oft eher Interesse an ver- meintlich den modernsten, aber unbe- wiesenen Methoden. Zur Erläuterung werden hier Informationen über die Rahmenbedingungen benötigt, unter denen neue Verfahren heute zu Stan- dards in der Onkologie werden.

Mein besonderer Dank gilt Frau Hilke Stamatiadis-Smidt, M. A., Krebsinformationsdienst KID, Deutsches Krebsfor- schungszentrum, und Herrn em. Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Chistian Herfarth, Chirurgische Universitätsklinik Heidel- berg, die die Durchführung der vorliegenden Unter- suchung ermöglicht haben.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1182–1185 [Heft 18]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1803 abrufbar ist.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. sc. hum. Birgit Hiller Krebsinformationsdienst KID Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg E-Mail: B.Hiller@dkfz.de S P E K T R U M

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 182. Mai 2003 AA1185

Tabelle 3C´

Übersicht der wichtigsten subjektiven Krebstheorien, die sich anhand der Anfragen an den Krebsinformationsdienst rein qualitativ identifizieren lassen

Hinwendung zu Verfahren, die das Immun- Subjektives Bedürfnis nach Immunstärkung durch system unspezifisch stimulieren oder eine

„Mein Immunsystem hat versagt“ Standardverfahren nicht erfüllt, Zytostatika werden spezifische Beeinflussung des Immunsy- als immunschwächend erlebt stems aufgrund neuester Forschungsergeb-

nisse postulieren

Subjektives Bedürfnis nach Beschäftigung Hinwendung zu Verfahren möglich, die

„Ich habe eine Krebspersönlichkeit, Depressionen, mit dem Grundproblem Psyche durch Standard-

Entlastung, Entspannung, Problemlösung Stress, Ärger haben mich krank gemacht“ verfahren nicht erfüllt, als „Herumdoktern

oder seelische Reinigung versprechen an Symptomen“ erlebt

Hinwendung zu Verfahren, die Ausleitung, Entgiftung, Entsäuerung, Sanierung an- bieten oder durch Zufuhr von angeblich

„Krebs ist Ausdruck eines fehlenden Subjektives Bedürfnis nach Gleichgewicht durch fehlenden Komponenten Gleichgewicht Gleichgewichtes in meinem Stoffwechsel/ Reinigung von schädlichen Einflüssen und Zufuhr wieder herstellen, die Zellatmung stärken, meinem Energiehaushalt, meiner fehlender Komponenten, häufig Ablehnung von

Diäten et cetera, häufig Übergänge zum

Zellatmung“ Zytostatika

zweiten Punkt („Krebspersönlichkeit“) und vierten Punkt („externe Risiko- faktoren“)

„Für alle Phasen einer Krebserkrankung sind Subjektives Bedürfnis nach Gleichgewicht durch Anwendung ausleitender, reinigender externe Risikofaktoren wie Umweltgifte et cetera Reinigung von schädlichen Einflüssen und Zufuhr Verfahren, Interesse an Diäten verantwortlich, Chemotherapie schadet“ fehlender Komponenten, Ablehnung von Zytostatika

Die Anfragen bestimmen das Interesse und die Erwartungen an unbewiesenen Methoden sowie die Akzeptanz schulmedizinischer Verfahren. Im Abgleich mit den wissenschaftlich belegten Fakten zur Krebsentstehung und den Rahmenbedingungen der klinischen Forschung sind sie auch zur schnellen Einordnung nachgefragter neuer Verfahren geeignet.

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