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Archiv "IgA-Nephropathie: Klinik, Pathogenese und Therapie der häufigsten Glomerulonephritis" (13.10.2000)

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A2708 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000

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ach wie vor sind immunvermittel- te glomeruläre Erkrankungen in Mitteleuropa die häufigste Ursa- che für die dialysepflichtige Nierenin- suffizienz. Unter ihnen stellt die IgA- Nephritis mit bis zu 35 Prozent die häu- figste Glomerulonephritis dar. Die Be- griffe IgA-Nephritis und IgA-Nephro- pathie (IgAN) werden synonym ver- wendet.

Die IgA-Nephritis wurde erstmals 1968 von Berger und Hinglais, basie- rend auf immunhistologischen Merk- malen, beschrieben. Histologisches Charakteristikum der IgA-Nephropa- thie ist die Ablagerung von Immunglo- bulin-A im Mesangium der erkrankten Glomeruli (Textkasten 1). Dieses im- munhistologische Merkmal wird beglei- tet von einer Vermehrung von Mesangi- umzellen und einer Verbreiterung der mesangialen Matrix. Wegen ihrer Häu- figkeit und ihres unterschiedlichen Ver- laufs, vor allem auch bei jungen Men- schen, ist diese Nierenerkrankung von großer klinisch praktischer Bedeutung.

Neue Vorstellungen zur Pathogenese, Erkenntnisse in der Risikoabwägung für den individuellen Verlauf und kon- trollierte Studien zur Behandlung der IgA-Nephropathie sind Gründe für ei- ne aktuelle Diskussion dieses Krank- heitsbildes.

Klinisches Bild

Die klinischen Leitsymptome der IgA- Nephritis können sehr unterschiedlich sein. Vom Minimalbefund einer gerin- gen persistierenden Mikrohämaturie bis zu rezidivierenden Episoden einer Makrohämaturie bietet diese Erkran- kung ein breites Spektrum. Die ma- krohämaturischen Episoden sind fast immer assoziiert mit einer Infektion der

oberen Luftwege. Die Hämaturie ist oft von einer milden Proteinurie (0,5 bis 2 g pro Tag) begleitet. Seltener tritt ei- ne nephrotische Proteinurie (> 3 g/24 h) auf. Die IgA-Nephritis kommt häufiger bei Männern als bei Frauen vor, der Er- krankungsgipfel liegt zwischen dem 16.

und 35. Lebensjahr. Ein weiteres klini- sches Leitsymptom ist die arterielle Hy- pertonie, die vor allem bei fortschrei- tender Erkrankung nachweisbar ist.

Häufig findet sich in der Frühphase der Erkrankung eine fast normale oder nur geringgradig eingeschränkte Nieren- funktion.

Obwohl die klinischen Leitsympto- me das Vorliegen einer IgA-Nephritis sehr wahrscheinlich machen, ist zur

IgA-Nephropathie

Klinik, Pathogenese und Therapie der häufigsten Glomerulonephritis

Friedrich Thaiss Rolf A. K. Stahl

Zusammenfassung

Die IgA-Nephropathie (IgAN) ist die häufigste Glomerulonephritis. Klinisch ist die IgAN durch eine oft postinfektiös auftretende Makro- oder persistierende Mikrohämaturie mit einer mil- den Proteinurie und einer arteriellen Hyperto- nie gekennzeichnet. Dieses klinische Bild wird hervorgerufen durch mesangiale Ablagerun- gen von Immunkomplexen, die aus abnormen IgA1-Molekülen und Antikörpern bestehen.

Bei etwa 20 bis 30 Prozent aller Patienten mit einer IgAN entwickelt sich im Laufe von Jahren eine terminale Niereninsuffizienz. Klinische und morphologische Kriterien erlauben eine eingeschränkte Risikoklassifizierung von Pati- enten, die von einer konsequenten antihyper- tensiven und immunmodulierenden Therapie profitieren. Neue pathophysiologische Kon- zepte zur Entstehung der IgAN, Parameter zur Beurteilung der Prognose der Erkrankung und therapeutische Strategien werden vorgestellt.

Schlüsselwörter: IgA-Glomerulonephritis, Patho- physiologie, Prognose, Therapie

Summary

IgA-Nephropathy – Clinic, Pathogenesis and Therapy of the Most Common Glomerulo- nephritis

IgA-nephropathy (IgAN) is the most common glomerulonephritis. The clinical syndrome is characterized by postinfectious macrohemat- uria or persistent microhematuria with protein- uria and arterial hypertension. These symptoms are caused by mesangial deposits of immune complexes which are composed of IgA1-mole- cules and antibodies. End stage renal disease develops in about 20 to 30 per cent of all pa- tients with IgA-nephropathy. Clinical as well as morphological criteria are the basis for risk stratification and may delineate a subgroup of patients which may benefit from consequent antihypertensive and immun-modulatory thera- py. New pathophysiologic concepts concerning IgA-nephropathy, prognostic criteria and the- rapeutic strategies are outlined.

Key words: IgA-glomerulonephritis, pathophys- iology, prognostic parameters, therapy

Medizinische Klinik, Abteilung Nephrologie und Osteolo- gie (Direktor: Prof. Dr. med. Rolf A. K. Stahl) der Univer- sität Hamburg

Morphologie der IgA-Nephropathie (IgAN) Lichtmikroskopie:

Glomerulär:

Proliferation von Mesangiumzellen

Zunahme der mesangialen Matrix

Infiltration von Entzündungszellen

Fokale/segmentale oder globale Hyalinose und Sklerose

Halbmondbildung

Vaskulär:

Hyalinose/Sklerose

Tubulo-interstitiell

Tubuläre Atrophie

Erythrozytenzylinder

Interstitielles zelluläres Infiltrat

Interstitielle Fibrose Immunhistochemie:

Ablagerungen von:

IgA

IgG, IgM

C3-Komplementspaltprodukt

Fibrin und Spaltprodukte Elektronenmikroskopie:

Depots:

Elektronendichtes Material im Mesangium Textkasten 1

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Diagnosesicherung die Nierenbiopsie erforderlich. Hier ist eine so genann- te „Tripeldiagnostik“ erforderlich, be- stehend aus licht-, immun- und elektro- nenmikroskopischer Untersuchung des Biopsiematerials. Nur so ist eine Siche- rung der Diagnose und eine eindeutige Abgrenzung aller sekundären Formen mit mesangialer IgA-Ablagerung mög- lich. Die Nierenbiopsie hat jedoch nicht nur diagnostische Bedeutung, sondern liefert auch prognostische Parameter, die die Grundlage für eine eventuelle Therapie bilden (9, 10).

Prognose

Die IgA-Nephritis kann einen unter- schiedlichen Verlauf nehmen, der von relativ rasch fortschreitendem Funkti- onsverlust mit terminaler Niereninsuf- fizienz bis zu blanden Verläufen mit über Jahrzehnte unveränderter Nieren- funktion reicht. Unter den Patienten mit bioptisch gesicherter IgA-Nephritis werden etwa 15 bis 30 Prozent (je nach Untersucherserie) eine chronisch fort- schreitende Nierenerkrankung erlei- den, während nahezu 70 Prozent der Patienten einen blanden Verlauf haben.

Für den erkrankten Patienten ist es da- her von entscheidender Bedeutung, zu welcher Gruppe er gehört und ob eine intensive Therapie erforderlich und nützlich ist. Diese Zuordnung ist noch nicht mit letzter Sicherheit möglich und oft nur aus dem Verlauf ersichtlich. Es gibt jedoch eine Reihe von klinischen und pathologisch-anatomischen Risiko- faktoren, die eine prognostische Aussa- ge erlauben (Textkasten 2).

Klinische Parameter, die mit einem fortschreitenden Funktionsverlust einherge- hen, sind: männliches Ge- schlecht, eine arterielle Hy- pertonie, eine Proteinurie

> 1,5 g/24 h sowie eine bei Diagnosestellung geringgra- dig eingeschränkte Nieren- funktion. Prognostisch un- günstige pathologisch-ana- tomische Faktoren sind: fo- kale und segmentale glome- ruläre Sklerosen, tubuloin- terstitielle Fibrosierung so- wie eine Arterio- und Arte- riolosklerose der Nierenge- fäße. Bei Vorliegen dieser Faktoren ist die Indikation für therapeutische Maßnah- men gegeben (7, 17, 23).

Pathogenese

Grundlage für rationale Therapiestrategien der IgA- Nephritis ist das bessere Verständnis der Pathogene- se der Erkrankung. Im Zen- trum des Interesses zur Pa- thophysiologie dieser Er- krankung steht neben den kausalen genetischen Fak-

toren (14) die Bedeutung des Immung- lobulin-A-Moleküls. Es ist davon aus- zugehen, dass aus IgA und anderen Ei- weißmolekülen bestehende Immun- komplexe im glomerulären Mesangium einen Entzündungs- und Vernarbungs- prozess initiieren, der für den struktu- rellen und funktionellen Verlust der Niere verantwortlich ist.

Das IgA-Immunglobulin findet sich physiologisch in hohen Konzentratio- nen im Respirations- und Gastroin- testinaltrakt, während im Serum nur geringe IgA-Mengen auftreten. Man unterscheidet beim IgA zwei Isofor- men, das IgA1- und das IgA2-Molekül.

Der wesentliche Unterschied der bei- den IgA-Moleküle besteht in dem Vor- liegen einer Gelenkregion (Hinge Re- gion) zwischen dem F(ab)2 und dem Fc-Anteil des Immunglobulins, die sich lediglich beim IgA1-Molekül nachweisen lässt (Grafik 1a)(16). Das Immunglobulin-A kann in monomerer

oder polymerer Form vorliegen. Bei der polymeren Form sind die Fc-An- teile der Monomere durch eine so ge- nannte J-Kette miteinander verbun- den.

Die wichtigste physiologische Funkti- on des IgA-Moleküls besteht in der Ab- wehr inhalativ oder oral aufgenomme- ner Antigene. Dazu wird das in den Ton- sillen oder den lokoregionären Lymph- knoten oder den Peyerschen Plaques synthetisierte IgA-Globulin an die so ge- nannte sekretorische Komponente (SK) gebunden. Die SK wird in den Epithel- zellen gebildet und dient dem transzel- lulären Transport des IgA. Das sekreto- rische IgA-Globulin liegt als polymeres IgA vor und besteht meist aus IgA2- und IgA1-Molekülen. Das im Serumkom- partiment nachweisbare IgA wird in den Plasmazellen des Knochenmarks syn- thetisiert. Es ist meist monomer und be- steht vorwiegend aus IgA1. Zwischen beiden Kompartimenten findet norma- M E D I Z I N

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Indikatoren für eine schlechte Prognose Klinisch:

Proteinurie > 1,5 g/Tag

GFR < 70 bis 80 ml/min

Hypertonie

Männliches Geschlecht Morphologisch:

Entzündliches Infiltrat

Glomerulosklerose

Tubulusatrophie

GFR, glomeruläre Filtrationsrate Textkasten 2

Gelenkregion von IgA1 des Moleküls

Serin 0 GalNAc

GalNAc

Gal

β–1,3–GT

Ig A1 Protein

CH1 Ser Thr Pro Pro Thr Pro Ser Pro Ser Thr Pro Pro Thr Pro Ser Pro Ser CH2 224

240 Gelenk-

region

C-terminales Ende

Gal Ser α–1–O–

β–1,3 GalNAc

NeuNAc Ser α–1–O–

α–2,6 GalNAc

Ser α–1–O–

Keine Antikörper Antikörper gegen GalNAc oder NeuNAc 1a

1b

VL VH

Fab CL

CH1

CH2 Fc CH3 Grafik 1

Allen et al*1 D`Amigo G*2

a) Gelenkregion des IgA-Globulins und die an den Aminosäu- ren Serin oder Threonin erfolgende O-Glykierung. GalNAc,N- Acetylgalaktosamin; Gal, Galaktose; GT, b-1,3-Glykosyltrans- ferase. b) Normale Glykierung und die bei einem Defekt der ß- 1,3-Glykosyltransferase (GT) sich bildenden endständigen Zuckerreste (26). NeuNAc, N-Acetyl-Neuraminsäure; Ser, Serin.

*1Nephrol Dial Transplant, 1995; 10: 1121–1124. Mit freundli- cher Genehmigung: Oxford University Press; *2Cur Opn Neph

& Hyper 1998; 7: 247–250. Mit freundlicher Genehmigung: Lip- pincott, Williams & Wilkins.

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lerweise kein wesentlicher Austausch statt (Grafik 2a)(3, 11, 19, 25).

Bei Patienten mit IgA- Nephritis findet sich in den Glomeruli ausschließlich IgA1, welches in polymerer Form, also verbunden durch eine J-Kette, vorliegt. Dies weist darauf hin, dass für die Ent- stehung der IgA-Immunkom- plexe in den Glomeruli das im Serumkompartiment vorkom- mende IgA von Bedeutung ist.

Man nimmt an, dass bei Pa- tienten mit IgA-Nephritis eine Störung der sekretorischen, normalerweise Infekte abweh- renden IgA-Komponente vor- liegt und dass es dann im Rah- men von Infekten der oberen Luftwege oder des Gastroin- testinaltrakts zu einer Stimula- tion der Neusynthese von IgA im Knochenmark kommt. Im Knochenmark liegt offensicht- lich zusätzlich ein bislang nicht näher charakterisierter Defekt der Stammzellen vor, der für die Überproduktion von IgA verantwortlich ist, wie ak- tuelle tierexperimentelle Be- funde nahe legen (15, 21). Die- se Befunde erklären jedoch noch nicht, weshalb die IgA1- Moleküle in polymerer Form im Glomerulus nachgewiesen werden. Auch hier haben ak- tuelle Untersuchungen we- sentlich zum besseren Ver- ständnis beigetragen. Das IgA- Molekül gehört zu den weni- gen Serumproteinen, die in O- glykierter Form vorliegen. Die Glykierung erfolgt an den Se-

rin- oder Threoninresten der aus- schließlich im IgA1-Molekül vorliegen- den Gelenkregionen (Grafik 1a). Durch das Enzym a1-O-Glykosyltransfera- se wird ein Acetylgalaktosamin (Gal- NAc) an die Aminosäuren gebunden.

Durch einen weiteren Glykierungs- schritt, der durch das Enzym 1,3-ß-Gly- kosyltransferase vermittelt wird, wird Galaktose endständig gebunden (2, 12).

So entsteht das komplette IgA1-Mo- lekül. Bei Patienten mit IgA-Nephritis wurde nachgewiesen, dass die Aktivität

der 1,3-ß-Glykosyltransferase vermin- dert ist (1). Dadurch unterbleibt der zweite Glykierungsschritt und es ent- stehen Seitenketten mit endständigem N-Acetylgalaktosamin. Diese endstän- digen N-Acetylgalaktosamine werden vom Organismus jedoch als fremd er- kannt und folglich werden dagegen An- tikörper gebildet (Grafik 1b). Die da- durch entstehenden IgA-IgG-Immun- komplexe zirkulieren im Blut. Diese Im- munkomplexe können in der Leber, wo normalerweise das IgA1-Molekül abge-

baut und ausgeschieden wird, nicht ver- stoffwechselt werden und akkumulieren so in der Zirkulation. Solche Immun- komplexe treten insbesondere nach ei- nem Infekt auf, wenn die IgA-Synthese stimuliert ist und damit besonders viel IgA produziert wird, und lagern sich dann, bedingt durch Größen- und La- dungseigenschaften, im glomerulären Mesangium ab (Grafik 2b) (18, 20, 26).

IgA1 hat nur eine geringes Komplement- aktivierungsvermögen. Wird das IgA1 jedoch als Immunkomplex in Verbin- dung mit IgG- oder IgM-Antikörpern im Mesangium abgelagert, dann kommt es zur Aktivierung von Komplement und Auslösung einer Entzündungskaskade, die von einer Reihe von Entzündungs- mediatoren vermittelt wird. Diese Ent- zündungsmediatoren regulieren das Einwandern von Entzündungszellen, steigern das Wachstum ortsständiger glomerulärer Zellen und führen zur ver- mehrten Bildung von extrazellulärer Matrix. Zahlreiche klinische und experi- mentelle Beobachtungen sprechen für den hier dargestellten Entstehungsme- chanismus einer IgA-Nephritis, wenn- gleich noch nicht alle Details eindeutig belegt sind.

Therapie

Betrachtet man die immunpathogeneti- schen Vorstellungen zur Entstehung und zum Verlauf der IgA-Nephritis, dann sollte die Therapie antientzünd- lich, antiproliferativ und gegen eine vermehrte Matrixbildung gerichtet sein. Bei der oben dargestellten unter- schiedlichen Prognose der Erkrankung ist jedoch wichtig festzulegen, welcher Patient einer immunmodulierenden oder antientzündlichen Therapie be- darf. Berücksichtigt man die Prognose- faktoren, ist davon auszugehen, dass diejenigen Patienten von einer Thera- pie profitieren, die einen oder mehrere der Risikofaktoren, wie in Textkasten 2 dargestellt, aufweisen. Für dieses Pati- entenkollektiv gibt es einige prospekti- ve randomisierte und kontrollierte kli- nische Studien, die einen Nutzen der Therapie gezeigt haben.

Patienten mit der genannten Risiko- konstellation einer IgA-Nephritis wur- den mit Glucocorticoiden behandelt.

β 1,3 Defekt 2a

2b

PP pIgA

Darm

Knochen- mark

Knochenmark

mlgA

Katabo- lismus Leber

Darm

Sc-pIgA ASGP-R

PP

pIgA

Darm

2 1

3

4

Antigen

IL2 IgG IL10

TGFIL6β IgA

ASGP-R IgA1-IgG2 Depots Grafik 2

a) Physiologischer Funktionsbereich der beiden IgA-Kom- partimente: Das sekretorische IgA (links) wird in den lokore- gionären Lymphknoten, zum Beispiel den Peyerschen Pla- ques (PP), als polymeres IgA (pIgA) synthetisiert, an die se- kretorische Komponente (Sc) gekoppelt und über die Epithelien nach luminal sezerniert. Das Serum-IgA (rechts) wird dagegen in den Plasmazellen des Knochenmarks vor- wiegend als monomeres IgA (mIgA) synthetisiert, entweder katabolisiert oder nach Bindung an Asialoglykoprotein-Re- zeptoren (ASGP-R) in der Leber über die Gallengänge ausge- schieden. b) Pathophysiologische Störungen, die zur Ent- wicklung einer IgA-Nephropathie führen können: durch defekte Klärfunktion des sekretorischen IgA können Antige- ne in die Zirkulation gelangen und Plasmazellen im Kno- chenmark stimulieren; verzögerter Wechsel von der IgA- zur IgG-Globulinsynthese, wahrscheinlich bedingt durch ei- ne defekte Zytokinsynthese mit persisiterend hoher IL6-Syn- these und Sekretion von Transforming Growth Factor ß (TGFß) und fehlendem Wechsel zur IL2- und IL10-Synthese;

Mangel an Aktivität der ß-1,3-Glykosyltransferase mit de- fekter Glykierung der Gelenkregion des IgA-Moleküls; da- durch Bildung zirkulierender Immunkomplexe, die sich im Glomerulus ablagern.

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Dabei kam es zu einer deutlichen Reduk- tion des fortschreitenden Funktionsver- lusts und zu einer Stabilisierung der Pro- teinurie. In einem Beobachtungszeit- raum von insgesamt zwei Jahren kam es bei einem geringeren Prozentsatz der be- handelten Patienten im Vergleich mit den nicht behandelten Patienten zu ei- ner Funktionsverschlechterung. Bei den unbehandelten Patienten stieg die Pro- teinurie im Verlauf kontinuierlich an, war in der Gruppe der behandelten Pati- enten jedoch stabil (17, 22).

Eine in der Zwischenzeit über fünf Jahre durchgeführte prospektive Unter- suchung macht sich den positiven Effekt von mehrfach ungesättigten Fettsäuren

aus Fischöl zunutze. Es ist bekannt, dass die im Fischöl enthaltenen Eikosapenta- en- und Dokosahexaensäuren zu einem günstigen Profil der Cyclooxygenaseme- tabolite führen, die antiinflammatorische und antiproliferative sowie blutdruck- senkende Eigenschaften haben (4). Die- ses Konzept liegt der Strategie zur The- rapie der IgA-Nephropathie mit Fischöl zugrunde. Dabei ist zu beobachten, dass die Patienten mit IgA-Nephritis, die täg- lich drei bis vier Gramm Fischöl zu sich genommen haben, einen deutlich günsti- geren Verlauf ihrer Erkrankung hatten als die nicht behandelten Patienten (5, 6, 8).

Ein dritter therapeutischer Ansatz be- ruht auf der Erkenntnis, dass der Vaso- konstriktor Angiotensin II neben seinen hämodynamischen Eigenschaften auch strukturelle Defekte bei Nierenkrank- heiten induziert. In mehreren großen multizentrischen Studien wurde gezeigt, dass die Gabe eines Angiotensin-Kon- versionsenzymhemmers zu einer deutli-

chen Reduktion des fortschreitenden Funktionsverlusts auch bei Patienten mit IgA-Nephritis führt, sodass der Einsatz dieser Medikamentengruppe gerade auch für Patienten mit einer IgA- Nephropathie von Nutzen ist (17, 24).

Unabhängig von dieser spezifischen Therapieempfehlung gelten natürlich auch bei der IgA-Nephropathie alle The- rapieformen, die die Progression einer Niereninsuffizienz hemmen, wie strikte Behandlung einer arteriellen Hyperto- nie, rechtzeitiger Beginn der Prophylaxe des sich entwickelnden sekundären Hy- perparathyreoidismus, des Vitamin-D- Mangels, der renalen Anämie und Azi- dose, einer Fettstoffwechselstörung und eine diätetische Führung der Patienten.

Aus den bislang vorliegen- den prospektiven Studien lässt sich ein Therapievorschlag ab- leiten (Grafik 3), der bei Pati- enten mit einer IgA-Nephritis und bekannter Risikokonstel- lation (Textkasten 2)zu einer Funktionserhaltung oder zu- mindest einem verlangsamten Funktionsverlust ihrer Niere führt. Diese Therapieempfeh- lung wird man neu überdenken müssen, sobald die Daten von zwei derzeit laufenden Studien zum Vergleich einer Steroid-/ Fischölthe- rapie und einer Therapie mit unter- schiedlichen Dosierungen von Fischöl vorliegen (13).

Herrn Professor Dr. med. Wilhelm Schoeppe zum 70. Ge- burtstag gewidmet.

Alle Kollegen, die Patienten mit einer IgA-Nephropathie be- treuen und Interesse an einer Kooperation zur Erforschung dieser Erkrankung haben, sind eingeladen, sich der natio- nalen (stahl@uke.uni-hamburg.de) oder der internationa- len (www.nkfs.org) Studiengruppe zur Erforschung der IgA- Nephropathie anzuschließen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 2708–2711 [Heft 41]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Friedrich Thaiss Universität Hamburg Medizinische Klinik

Abteilung Nephrologie und Osteologie Martinistraße 52, 20246 Hamburg E-Mail: thaiss@uke.uni-hamburg.de ACE-I Dosierung so hoch wie möglich

Fischöl 1,8 g/Tag EPA; 1,2 g DOCA

Wiederholung?

Steroide 1 mg/kg KG/Tag

1 2 3 4 5 6 12 24 48

Monate Grafik 3

Konzept zur Therapie von Patienten mit einer IgA-Nephritis, die aufgrund der in TTeexxttkkaasstteenn 22 genannten Parameter ei- nen prognostisch ungünstigen Verlauf nehmen kann. ACE-I, ACE-Hemmer; EPA, Eikosapentaensäure; DOCA, Dokosahexaensäure.

Die Autoren berichten über das Ergeb- nis einer Screening-Koloskopie bei 3 121 Patienten mit Verdacht auf ein kolorek- tales Karzinom mit einem Durchschnitts- alter von 62,9 Jahren, wobei in 37,5 Pro- zent mindestens eine neoplastische Lä- sionen gefunden wurden. Dabei handelt es sich in 7,9 Prozent um ein Adenom von mehr als 10 mm Durchmesser, in 1,6 Prozent um ein Adenom mit hochgradi- ger Dysplasie und in 1 Prozent um ein in- vasives Karzinom. 52 Prozent der gefun- denen Neoplasien wären mit einer Sig- moidoskopie nicht entdeckt worden.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt ei- ne zweite Studie mit 1 994 konsekuti- ven asymptomatischen Erwachsenen im Alter von über 50 Jahren, bei der der Frage nachgegangen wurde, ob eine Koloskopie nur bei den Patienten durchgeführt werden sollte, die distal Polypen aufweisen. Zwar trifft es zu, dass Patienten mit Adenomen in Rek- tum und Sigma häufiger in den proxi- malen Darmabschnitten neoplastische Veränderungen aufweisen als Perso- nen, bei denen das distale Kolon tumor- frei ist. Würde jedoch das koloskopi- sche Screening nur bei den Patienten mit distalen Polypen durchgeführt, dann würden rund die Hälfte der fort- geschrittenen proximalen Neoplasien nicht erfasst werden.

Für ein Screening ist die Sigmoido- skopie daher nicht ausreichend. Aller- dings muss ein anlässlich einer Kolo- skopie als adenomfrei gefundener Darm nur alle fünf bis zehn Jahre unter-

sucht werden. w

Liebermann DA, Weiss DG, Bond JH et al: Use of colono- scopy to screen asymptomatic adults for colorectal cancer.

N Engl J Med 2000: 343; 162–168.

Dr. Liebermann, Division of Gastroenterology, Oregon Health Sciences University, Portland Veterans Affairs Medi- cal Center, P3–G1, P.O. Box 1034, Portland, OR 97207 USA.

Imperiale TF Wagner DR, Lin CY et al.: Risk of advanced pro- ximal neoplasms in asymptomatic adults according to the distal colorectal findings. N Engl J Med 2000; 343:

169–174.

Dr. Imperiale, Indiana University Medical Center, Division of

Koloskopie-Screening sinnvoll?

Referiert

Referenzen

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