Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 715. Februar 2008 A317
P O L I T I K
dem Projekt k-MED (Knowledge in Medical Education; Internet: www.
k-med.org) der Universitäten Gießen und Marburg. Die Lernplattform, die für das humanmedizinische Studi- um konzipiert wurde, nutzen in Hes- sen derzeit mehr als 7 700 Medizin- studierende pro Jahr. Im Rahmen der Kooperation wurde innerhalb der Plattform ein Bereich für die LÄKH implementiert. Dieser enthält bislang nur Test-Content, soll jedoch mit mehreren Modulen im Herbst 2008 starten. Vorgesehen sind unter ande- rem ein Modul „Strahlenschutz“ so- wie weitere Module im Bereich Ar- beits- und Umweltmedizin. Mittel- fristig sei der Aufbau einer Daten- bank mit Lernmodulen und weiteren Inhalten geplant. Da man jedoch nicht alle Module selbst entwickeln könne, so Blehle, hoffe man sehr auf die Kooperation mit anderen Län- dern und Ärztekammern.
Innovative Lernangebote
Podcasts, Wikis und Blogs, Elemente des Web 2.0, die vor allem dem inter- aktiven Austausch von Internet-Com- munities dienen, lassen sich auch für das medizinische Wissensmanage- ment nutzen. Nicole Klein von der Helios-Akademie stellte einen Wiki- pedia-Hybridansatz vor, den der Kli- nikkonzern seit Kurzem zur Ver- netzung von Wissen einsetzt. Dabei werden die abonnierten Inhalte der Onlineenzyklopädie mit konzern- eigenen Inhalten verknüpft, bei- spielsweise mit einer Datenbank, die Animationen und Onlinefortbildun- gen enthält, sowie mit einer Daten- bank zu Präsenzveranstaltungen. Der Nutzer, der einen Begriff bei Wikipe- dia, zum Beispiel Asthma, nach- schlägt, gelangt mit dem nächsten Klick direkt zu einer Fortbildungs- veranstaltung zum Thema, kann sich online gleich dazu anmelden oder bei wiederholten Kursen Onlinebe- wertungen von Teilnehmern abrufen.„Web 2.0 ist in der Klinik angekom- men und wird bereits genutzt“, beton- te Klein. Die Akzeptanz solcher inno- vativen Lernangebote sei in den letz- ten Jahren deutlich gestiegen. Dies könne mit dazu beitragen, Wissen zur Qualitätssteigerung und besseren Pa- tientenversorgung zu generieren. I Heike E. Krüger-Brand
N
och immer fehlen in Deutsch- land hochwertige evidenzba- sierte Leitlinien, die gleichermaßen den Ansprüchen von Wissenschaft und Praxis gerecht werden. Darauf wies in Berlin die Deutsche Gesell- schaft für Innere Medizin (DGIM) hin. „Richtig angewandt verbessern Leitlinien die Therapie, erhöhen die Lebenserwartung und die Lebens- qualität“, sagte Prof. Dr. med. Georg Ertl, Vorsitzender der DGIM. Doch gebe es immer mehr wissenschafts- fremde Einflüsse auf Leitlinien. Be- sonders im Rahmen der Disease- Management-Programme (DMP) würden aus Empfehlungen strenge Verpflichtungen. Weiche ein Arzt von einer Vorgabe ab, komme er vor der Krankenkasse des Patienten un- ter Rechtfertigungsdruck. „Leitlini- en dürfen Ärzte nicht einengen“, warnte Ertl. Auch sollten Behand- lungsempfehlungen nicht „politi- siert“ werden.Aber auch jenseits der DMP be- reitet die Umsetzung von Leitlinien bei den häufig alten und multimor- biden Patienten Probleme. „Oft be- stimmt die Summe der Nebener- krankungen die Lebensqualität stär- ker als eine einzelne Grunderkran- kung, für welche die Leitlinie gilt“, so Ertl. Die Patientenversorgung er- fordere daher nach wie vor solide Kenntnisse und Erfahrungen der ge- samten Inneren Medizin.
Ausbau des nationalen Leitlinienprogramms nötig
Ebenso wichtig sei es, dass Leitli- nien „die Besonderheiten unserer Gesellschaft und unseres Gesund- heitssystems berücksichtigen“. Der DGIM-Vorsitzende forderte daher den weiteren Ausbau des nationa- len Leitlinienprogramms der Ärzte- schaft. Ziel des 2002 unter derSchirmherrschaft der Bundesärzte- kammer (BÄK) gestarteten Pro- gramms ist es, bundeseinheitliche Leitlinien-Empfehlungen vorzulegen, die dem Stand der Wissenschaft ent- sprechen. Mittlerweile ist auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissen- schaftlichen Medizinischen Fach- gesellschaften an dem Projekt betei- ligt. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin koordiniert das Projekt für die BÄK und die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Weitgehend unerforscht:
Seltene Erkrankungen
Bislang erarbeiteten die Fachleute Versorgungsleitlinien zu den The- men Asthma und COPD, Typ-II- Diabetes (Netzhaut- und Fußkom- plikationen) und koronare Herz- krankheit. Noch in Arbeit sind Emp- fehlungen zu Depression, Herzin- suffizienz, Kreuzschmerz sowie Typ- II-Diabetes-Nephropathie und Typ- II-Diabetes-Neuropathie.
Nach Meinung Ertls werden Leit- linien künftig vor allem für die Be- handlung von Volkskrankheiten ent- wickelt. „Dies liegt auch daran, dass klinische Studien nur dann erfolg- reich sein können, wenn auch ge- nügend Patienten an der entspre- chenden Erkrankung leiden.“ In Deutschland seien etwa vier Millio- nen Menschen von einer sogenann- ten seltenen Erkrankung betroffen.
Für diese Krankheiten fehlten nicht nur Leitlinien, „es findet auch wenig Austausch zwischen Grundlagen- forschung und klinischen Fragestel- lungen statt“. Der DGIM-Vorsit- zende kündigte an, dass diese Pro- blematik beim diesjährigen Inter- nistenkongress Ende März in Wiesbaden ein Schwerpunktthema
sein wird. I
Samir Rabbata