A494 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 107. März 2008
P O L I T I K
D
ie Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) aus dem Jahr 2002 hat das Medizinstudium grundlegend verändert. Das frühere erste, zweite und dritte Staatsex- amen wurde zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M2) zu- sammengelegt. Dieses „Hammerex- amen“ findet nach dem praktischen Jahr (PJ) statt. Besonders ins Visier der Kritiker gerieten zunächst die Ergebnisse der schriftlichen Prüfun- gen, denn überdurchschnittlich vie- le Studierenden fielen durch – nicht zuletzt, weil ein Großteil der Fragenanhand von neu konzipierten Fall- beispielen gestellt wurde. Im Herbst 2007 lag die Misserfolgsquote nun aber bei 5,7 Prozent (Herbst 2006:
9,8 Prozent). Man hat den Eindruck, dass langsam Normalität einkehrt.
Eine Herausforderung für die Fakultäten ist aber weiterhin der mündlich-praktische Examensteil.
Er soll praxisorientiert sein und fin- det nicht mehr an einem, sondern an zwei Tagen statt – ein deutlicher Mehraufwand für die Prüfer. Der mündlich-praktische Teil hat ein starkes Gewicht, denn er macht ein Drittel der Endnote aus. Das lässt For- derungen nach mehr Qualität und bes- serer Vergleichbarkeit laut werden.
Bleiben schließlich noch die Aus- wirkungen auf das PJ. Die bisheri- gen Erfahrungen zeigen: Die Stu- dierenden gehen schlechter vorbe- reitet in die praktische Ausbildung als früher, denn sie haben zuvor kei- ne Prüfung. Die Wissenslücke kann das PJ in seiner bislang vielfach unstrukturierten Form kaum aus- gleichen. Viele Fakultäten bemühen sich daher, die Lehre den neuen Gegebenheiten anzupassen – auch um die Studierenden auf das bevor- stehende M2 vorzubereiten.
„Ich glaube nicht, dass das Ei des Kolumbus schon irgendwo herum- liegt“, sagte Prof. Dr. med. Udo Obertacke, Mannheim, bei einem Symposium des dortigen Kompetenz- zentrums PJ. In der Tat wurde bei der Veranstaltung deutlich, dass die Fakultäten mit ganz unterschiedli- chen Ansätzen auf die neue ÄAppO reagiert haben. So hat beispiels- weise die Regensburger Fakultät ei- ne PJ-Reifeprüfung eingeführt. Die Studierenden müssen vor dem PJ ei- ne theoretische Prüfung mit 90 Auf- gaben, davon 70 Multiple-Choice- Fragen, bestehen. Nach einigen An- laufschwierigkeiten habe sich die Prüfung gut etabliert, berichtete Dr.
med. Falitsa Mandraka. „Auch für uns überraschend sind die Proteste der Studenten mittlerweile in Sym- pathie umgeschlagen.“ Bestätigt sieht sich Mandraka durch das gute Abschneiden der Regensburger Stu- dierenden im neuen M2.
Entscheidend für ein erfolgrei- ches PJ ist aber nicht nur eine fun- dierte theoretische Grundlage zu Beginn. Auch die Ausbildung im PJ darf nicht dem Zufall überlassen werden. Deshalb arbeitet die Tech- nische Universität (TU) München seit Oktober 2007 im Chirurgie-Ter- tial mit einem PJ-Logbuch. Es ent- hält Lernziele sowie eine Liste prak-
tischer Tätigkeiten, die der PJler ausführen muss. Mindestens 70 Prozent der Anforderungen sind nachzuweisen. Das sei nicht nur als Kontrolle zu verstehen, sondern als Ansporn, erläuterte Prof. Dr. med.
Robert Brauer. „Die Studenten sol- len Leistungen einfordern können.“
Ergänzt wird das Logbuch unter an- derem durch eine Mentorenschaft, die Oberärzte übernehmen. Seit Be- ginn des Tertials im Februar kom- men an der TU Logbücher in zehn weiteren Fächern zum Einsatz.
An der Universität Lübeck wird neben einem gut struktuierten PJ in der Inneren Medizin ein Repeti- torium zur Prüfungsvorbereitung angeboten. So wolle man den Stu- dierenden die Angst vorm „Ham- merexamen“ nehmen und den Lern- druck im PJ reduzieren, sagte Dr.
med. Susann Fuhrmann.
Dr. med. Bernhard Marschall, Münster, hat die Erfahrung gemacht, dass PJ-Studierende einer guten Be- treuung oftmals hinterherlaufen müs- sen. Deshalb hält er es für sinnvoll, hier neue Anreize schaffen. In Müns- ter erfolgt die Vergütung für die PJ- Ausbildung an die akademischen Lehrkrankenhäuser deshalb nicht di- rekt als Pauschale. Die Studieren- den werden hier an der Geldvergabe beteiligt. Unter anderem können die PJler auf einer Onlineplattform zehn Euro am Tag einem Arzt zuweisen, der sie besonders gut betreut hat.
Auch Brauer forderte mehr An- reize für eine gute Ausbildung. Die Einwerbung von Drittmitteln und der Erwerb von Impact-Punkten seien vielfach höher angesehen als ein gu- ter Studentenunterricht. Er plädierte für einen höheren Stellenwert der Lehre neben Forschung und Kran- kenversorgung: „Nur wenn die Leh- re etwas wert ist, wird sie gut.“ I Dr. med. Birgit Hibbeler
MEDIZINSTUDIUM
Gute Lehre darf kein Zufall sein
Wie kann man Studierende gut auf das praktische Jahr (PJ) vorbereiten? Was muss geschehen, damit das PJ ein erfolgreiches Training für Staatsexamen und Arztberuf ist?
Die medizinischen Fakultäten suchen nach Rezepten.
Gut vorbereitet ins praktische Jahr:Erfahrungen zeigen, dass das bei vielen Studierenden nicht der Fall ist.
Foto:Peter Wirtz