A 332 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 112|
Heft 8|
20. Februar 2015DIAGNOSTIK VON DEMENZEN
Frühe, spezifische Diagnostik durch Hausärzte ist möglich und sinnvoll
Demenzen werden im Allgemeinen in der Primärversorgung zuerst erkannt. Daten einer interventionellen Studie weisen auf Optimierungsbedarf der Diagnostik hin.
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em Welt-Alzheimer-Bericht von 2011 zufolge werden Demenzen in der Grundversorgung häufig nicht erkannt oder erst in ei- nem fort geschrittenen Erkrankungs- stadium diagnostiziert (1). Selbst in hoch ent wickelten Industrieländern erhalten lediglich 20 bis 50 Prozent der Menschen mit Demenz eine for- melle Diagnose. Aufgrund unter- schiedlicher Symptomatik, Progno- se und therapeutischen Optionen fordern evidenzbasierte Leitlinien(2, 3) neben der syndromalen auch eine ätiologische Differenzialdiag- nostik. Für Deutschland fehlen Pri- märdaten aus dem allgemeinärztli- chen Versorgungsbereich, sowohl zu Diagnoseraten als auch zur Dif- ferenzialdiagnostik der Demenz.
Die DelpHi-MV-Studie ist eine laufende bevölkerungsbasierte, clus- ter-randomisierte und kontrollierte Interventionsstudie im hausärztli- chen Bereich zur Optimierung der
ambulanten Versorgung von Patien- ten mit Demenz in Mecklenburg- Vorpommern. Ein wichtiges Ziel der Studie ist die Verbesserung der Frühdiagnostik der Demenz.
Um Studienteilnehmer für die Studie zu rekrutieren, werden zu Hause lebende Patienten ab 70 Jah- ren von teilnehmenden Hausarzt- praxen mit dem kognitiven Test DemTect (4) auf Demenz ge- screent. Vorläufige Analysen der aktuell noch andauernden Studie
deuteten bei 17 Prozent der ge- screenten Patienten auf eine De- menz hin (DemTect < 9). Es erklär- ten sich 59 Prozent der positiv auf Demenz gescreenten Patienten zur Teilnahme an der DelpHi-Studie bereit. Die vorliegende Analyse be- ruht auf Daten von 243 Studienteil- nehmern. Die bestehenden forma- len Demenzdiagnosen (ICD-10) in- klusive des Datums der Diagnose- stellung wurden aus der Patienten-
akte des behandelnden Hausarztes entnommen.
Bei 40 Prozent der positiv auf Demenz gescreenten Patienten war zu einem Zeitpunkt vor dem Scree- ning eine formale Demenzdiagnose dokumentiert. Von diesen Patienten hatten 53 Prozent ausschließlich eine unspezifische Demenzdiagno- se (F03). Die Diagnose vaskuläre Demenz (F011) war bei 24 Prozent der Patienten und die Diagnose Demenz bei Alzheimer-Krankheit (F00/G30) bei 19 Prozent gestellt worden.
Die Ergebnisse dieser Zwischen- auswertung weisen darauf hin, dass in der primärärztlichen Versorgung Demenzen auch in Deutschland häufig nicht diagnostiziert werden.
Die Diagnoseraten liegen im Be- reich internationaler Vergleichsda- ten. Der hohe Anteil an unspezi - fischen Demenzdiagnosen ist kri- tisch zu diskutieren, da erst eine ätiolo gische Differenzialdiagnostik eine optimale Behandlung und Ver- sorgung der Menschen mit Demenz ermöglicht und zudem die Voraus - setzung ist für die Identifikation und Therapie reversibler Ursachen der kognitiven Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Depression oder Vitamin-B12-Mangel.
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Dr. rer. med. Tilly Eichler Dr. rer. med. Jochen René Thyrian Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann Die Autoren arbeiten am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Greifswald (Helmholtz-Gemeinschaft) Originalarbeit: Eichler T, Thyrian J, Hertel J, et al.:
Rates of formal diagnosis in people screened posi- tive for dementia in primary care: Results of the DelpHi-trial. J Alzheimers Dis 014; 42: 451–8.
Open access: http://iospress.metapress.com/con- tent/251w3851817u6661/fulltext.pdf?page=1
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Literatur im Internet:www.aerzteblatt.de/lit0815 oder über QR-Code Kernspin (Koro-
narschnitt) des Kop- fes einer Patientin mit Alzheimer De-
menz: Hippocam- pus und zerebraler
Cortex sind atro- phiert. Beim Haus- arzt sind kognitive Tests die Methode der Wahl.
Foto: mauritius images