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Archiv "Vergiftungen durch einheimische Pilze" (06.10.1977)

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Vergiftungen

durch einheimische Pilze

Ruth Seeger

Aus dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg

Pilzvergiftungen begegnen dem Arzt nicht häufig und nur zu bestimmten Jahreszeiten.

Nur zu oft entscheidet dann die richtige und schnelle Diagnose das weitere Schick- sal des Patienten. Die folgen- de Übersicht über die Giftstof- fe der einheimischen Pilze will dem behandelnden Arzt eine rasche Übersicht über die un- gewohnte Materie ermögli- chen, ihm die klinische Dia- gnose erleichtern und die le- bensrettenden Erstmaßnah- men und klinischen Behand- lungsmöglichkeiten in Erinne- rung rufen.

Für die Belange des praktisch täti- gen Arztes sollen die Giftstoffe der Pilze nach Angriffsort und Wir- kungsweise in fünf Gruppen einge- teilt werden. Die Angaben über das jahreszeitliche Vorkommen und die Häufigkeit gelten für die Bundesre- publik Deutschland. Für die botani- schen Merkmale der Giftpilze wird auf die zahlreichen Bestimmungs- bücher verwiesen, von denen einige im Literaturverzeichnis aufgeführt sind. (Die Notfallsituation „Pilzver- giftung" wurde bereits in Heft 31/

1977, Seite 1959 ff., behandelt.)

1. Gifte mit lokaler Reizwirkung auf den Magen-Darm-Trakt

kommen in zahlreichen Pilzen vor, zum Beispiel: Riesenrötling (Rhodo- phyllus sinuatus), Tigerritterling (Tricholoma pardinum), Satanspilz (Boletus satanas), Speitäubling (Russula emetica) und andere scharfschmeckende Täublinge, Bleicher Ziegenbart (Ramaria palli- da), Birkenreizker (Lactarius tormi- nosus), Weißer Giftchampignon (Agaricus xanthodermus) und viele andere. Die chemische Natur dieser Giftstoffe ist unbekannt.

Beginn: 1/4 bis 2 Stunden nach dem Essen.

Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle, Leibschmerzen. Eventu- ell Exsikkose mit Muskelkrämpfen und Kollaps.

Therapie: Im allgemeinen heilt die Erkrankung unter den üblichen diä- tetischen Maßnahmen in ein bis we- nigen Tagen aus. Bei Exsikkose In- fusionsbehandlung.

Prognose: Gut.

Vorkommen und Häufigkeit: Von Frühsommer bis Spätherbst. Die häufigsten Pilzvergiftungen.

Differentialdiagnose: Eine entspre- chende Erkrankung kann als Über- empfindlichkeitsreaktion auch nach dem Genuß eindeutig ungiftiger Pilze auftreten, ferner als bakterielle Infektion nach verdorbenen Spei- sepilzen beziehungsweise -pilzge- richten. — Besonders häufig sind ga- strointestinale Störungen nach ro- hen Pilzen. — Cave: Auch Knollen- blätterpilzvergiftungen beginnen mit Erbrechen und Durchfällen. Sie un- terscheiden sich von diesen harmlo- seren Pilzvergiftungen jedoch durch eine längere Latenzzeit.

2. Muscarin

ist in Pilzen besonders weit verbrei- tet. In hoher Konzentration kommt es in zahlreichen Rißpilzen (Inocy- be-Arten) vor, von denen der Ziegel- rote Rißpilz (Inocybe patouillardii) (Abbildung 1) häufiger zu Vergiftun- gen führt; Muscarin ist außerdem das Toxin der giftigen Trichterlinge (Clitocybe-Arten), aber auch in Gift- pilzen anderer Gattungen, z. B. dem

(2)

Tabelle: Giftstoffe einheimischer Pilze

I. Muscarin

/ OH H3C

1-13 C—N CH2 0 CH3 H3C

II. Ibotensäure

eNH,—CH C006

/OH

N • H20

111. Muscimol

IV. a-Amanitin

OH

H3 C CH—CH2- 0H CH

HN—CH—CO—NH—CH—CO—NH—CH2 —CO

OC I-12 C

H CH 0=S N

HO/ N CH2 H

0C—CH—NH—CO—CH—NH—CO—CH,--NH

I

H2 C— CO —NH2

NH 1 /../. .3 OH H—C—CH

CO \ 02 H5

V. Gyromitrin

ZCH3 CH3—CH=N—N

\CH II O

Vl. Coprin

0 NH3

II I II HO C—CH—CH2—CH2--C

HO NH

Pilzvergiftung

Fliegenpilz, enthalten, hier in gerin- gerer Konzentration und für die Gift- wirkung von untergeordneter Be- deutung.

Chemische Eigenschaften: Musca- rin (1)1 ist 2-Methy1-3-hydroxy-5-tri- methyl-ammoniumtetrahydrofuran;

die Verbindung enthält das Cholin- molekül, ist also dem physiologi- schen Überträgerstoff Acetylcholin

strukturverwandt. Sie ist jedoch durch Cholinesterasen nicht spalt- bar und stabil gegen Kochen und Verdauungssäfte.

Angriffsort und Wirkungsmechanis- mus: Muscarin ist ein direktes Para- sympathikomimetikum. Es reagiert spezifisch mit den cholinergen Re- zeptoren der vegetativen Organe wie Acetylcholin bei einer normalen Pa-

rasympathikuserregung. Während hierbei jedoch Acetylcholin in Milli- sekunden durch Acetylcholinestera- se inaktiviert wird, ist Muscarin durch das Enzym nicht spaltbar und löst so das Bild einer lang anhalten- den Parasympathikuserregung aus.

— An den Acetylcholinrezeptoren der Ganglien und der neuromuskulären Endplatte ist Muscarin unwirksam.

Beginn: 1/4 bis 2 Stunden nach dem Essen.

Symptome: Erbrechen, Durchfälle, Magen-Darm-Koliken wie auch bei anderen Pilzvergiftungen. Dazu als typische Symptome: Schweißaus- bruch, Speichelfluß, Tränensekre- tion, Pupillenverengung eventuell mit Sehstörung, Bradykardie, 131ut- druckabfall, Bronchospasmus und Atemnot mit Gefahr von Lungen- ödem und Herzversagen. Unbehan- delte Fälle können innerhalb weni- ger Stunden tödlich enden.

Therapie: Sofortige Atropingabe wirkt lebensrettend: Atropin ver- drängt als spezifischer Antagonist Muscarin von den Acetylcholinre- zeptoren. Dosierung je nach Schwere der Vergiftung. Für Er- wachsene etwa zwei Milligramm.

Prognose: Bei entsprechender Be- handlung gut.

Vorkommen und Häufigkeit: Vergif- tungen durch Ziegelrote Rißpilze:

Juni/Juli. Besonders im Alpenvor- land nicht selten. — Vergiftungen durch andere Rißpilze oder Trichter- linge: Sommer bis Spätherbst. Da viele dieser kleineren Pilze das Ein- sammeln nicht lohnen, eher selten.

Differentialdiagnose: Bei Beachtung der typischen Parasympathikuserre- gung bereitet die Diagnose kaum Schwierigkeiten. Für unklare Fälle, zum Beispiel Vergiftung durch mus- carinhaltige und andere Giftpilze, gilt: Sprechen die Symptome auf Atropin nicht an, so handelt es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine Muscarinvergiftung!

*) die römischen Ziffern beziehen sich auf die Formeln in der Tabelle

2370 Heft 40 vom 6. Oktober 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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3. Toxische Isoxazole mit zentralnervöser Wirkung kommen im Fliegenpilz (Amanita muscaria) und im Pantherpilz (Ama- nita pantherina) (Abbildung 2) vor.

Chemische Eigenschaften: Die aus Fliegen- und Pantherpilzen isolier- ten Isoxazole lbotensäure und Mus- cimol und das Oxazol Muscazon stellen atypische Amine beziehungs- weise Aminosäuren dar. Davon überwiegt im Pilz Ibotensäure (II) (a-

Am i no-3-hyd roxy-5-isoxazolessig- säure); sie ist jedoch labil und geht leicht durch Dekarboxylierung in das stärker giftige Muscimol (III) über. Muscazon ist nur wenig toxisch.

Daneben sind unbedeutende Men- gen Muscarin auch in diesen Pilzen enthalten. Das vielzitierte „Pilzatro- pin" gibt es dagegen nicht.

Angriffsort und Wirkungsmechanis- mus: Fliegen- und Pantherpilze wir- ken zentral erregend, halluzinogen und im weiteren Verlauf der Vergif- tung zentral dämpfend. Durch Ibo- tensäure und Muscimol lassen sich die Wirkungen der Gesamtpilze weitgehend reproduzieren. Wirkort scheinen y-Aminobuttersäure- und Glutaminsäurerezeptoren der Neu- rone zu sein. - Andere, noch unbe- kannte Toxine dürften an der Pilz- vergiftung mitbeteiligt sein, Musca- rin dagegen kaum. - Daneben wir- ken die Isoxazole schwach insek- tizid.

Beginn: 1/2 bis 1 1/2 Stunden nach dem Essen.

Symptome: Toxische Psychose; zu- nächst einem schweren Alkohol- rausch ähnlich; dann Erregungszu- stände, Halluzinationen, Kopf- schmerzen, motorische Unruhe, Ataxie, eventuell vorübergehende Lähmungen; nach einigen Stunden Übergang in Bewußtlosigkeit. Vege- tative Zeichen - Pupillenweite, Blut- druck, Pulsfrequenz - wechseln von Fall zu Fall. Zu Beginn der Vergif- tung oft Erbrechen.

Therapie: Möglichst in einer Psych- iatrischen Klinik: Im Zustand der Psychose besteht Selbst- und Ge-

Abbildung 1:

Ziegelroter Riß- pilz (Inocybe pa- touillardii). Jung weiß, an Druck- stellen rötlich anlaufend; alt ziegelrot. Hut ke- gelförmig, reißt beim Aufschir- men vom Rand her ein

meingefährlichkeit! Magenspülung, sofern der Patient noch bei vollem Bewußtsein ist. Bei Erregungszu- ständen Neuroleptika. Kein Atropin!

Bei Koma wie Schlafmittelvergif- tung.

Prognose: Gut. Die Psychose kann tagelang bestehenbleiben, heilt aber im allgemeinen ohne Folgen aus.

Vorkommen und Häufigkeit: Flie- genpilzvergiftungen: Akzidentelle Vergiftungen sind, da der Pilz allge- mein als giftig bekannt ist, äußerst selten. Dagegen werden Fliegenpil- ze gelegentlich als Rauschgift kon- sumiert. Spätherbst. - Pantherpilz- vergiftungen: Juli bis Oktober. Nicht selten.

Differentialdiagnose: Je nach Sta- dium kann die Vergiftung verwech- selt werden mit Kinderlähmung oder Schlafmittelvergiftung.

4. Parenchymgifte

a) Knollenblätterpilzgifte - Amanitine

kommen in tödlicher Menge vor im Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) (Abbildung 3), in den beiden weißen Knollenblätterpilzen Amanita verna und Amanita virosa (Spitzhütiger Knollenblätterpilz) und im Nadelholzschüppling (Galerina marginata). Spuren dieser Giftstoffe wurden auch in Speisepilzen nach- gewiesen.

Chemische Eigenschaften: Aus dem Grünen Knollenblätterpilz wurden 13 verschiedene Toxine isoliert, die nach Struktur und Wirkung drei Gruppen zuzuordnen sind; es sind ausnahmslos atypische Eiweißkör- per, die durch Proteasen nicht spalt- bar und teilweise aus im Nahrungs- eiweiß nicht vorkommenden Amino- säuren aufgebaut sind. Für die Gift-

(4)

Abbildung 2:

Pantherpilz (Amanita pan- therina). Hut graubraun mit weißen, warzi- gen Hüllresten.

Lamellen weiß.

Stielknolle. Typi- sches Merkmal:

Der Stiel scheint in die Knolle hin- eingestaucht Pilzvergiftung

wirkung des Pilzes sind vor allem die Amanitine, von diesen wiederum w- und f3-Amanitin (IV) verantwortlich;

es sind zyklische Oktapeptide, die außer gegen Proteasen auch gegen Kochen stabil sind. — Die Phallotoxi- ne, der Hauptvertreter ist das hepa- totoxische Phalloidin, sind zyklische Heptapeptide und ebenfalls thermo- stabil. Da sie viel weniger toxisch sind als die Amanitine, dürften sie bei der Pilzvergiftung nur eine un- tergeordnete Rolle spielen. — Die Phallolysine, die zu den wirksam- sten pflanzlichen Hämolysinen ge- hören, sind dagegen hochmolekula- re Proteine, die beim Kochen der Pilze zerstört werden und an der Pilzvergiftung nicht beteiligt sind.

Angriffsort und Wirkungsmechanis- mus: Amanitine hemmen die Nu- kleinsäuresynthese durch spezifi- schen Angriff an der DNS-abhängi-

gen RNS-Polymerase II. Die Folge ist eine Störung der Proteinsynthese, die zu einer Schädigung der paren- chymatösen Organe führt. Infolge der Ausscheidungsfunktion von Le- ber und Niere und der damit verbun- denen Toxinan reicherung manife- stieren sich die Schäden besonders hier. Aus tierexperimentellen Befun- den geht hervor, daß nach erfolgter Resorption die Gifte sehr schnell wirken, rasch mit der Galle und durch die Niere ausgeschieden wer- den und, zumindest bei manchen Spezies, ein enterohepatischer Kreislauf und tubuläre Reabsorption vorkommen.

Beginn: 8 bis 24 Stunden nach dem Essen.

Symptome: Nach einer völlig sym- ptomfreien Latenz beginnt die Er- krankung mit Erbrechen und schwe- ren choleraähnlichen Durchfällen.

Dieses gastrointestinale Stadium dauert ein bis zwei Tage und kann durch Exsikkose rasch zum Tode führen, läßt sich aber durch Infu- sionsbehandlung beherrschen. Da- nach Besserung für ein bis zwei Tage. Anschließend entwickelt sich eine Lebernekrose mit Leberschwel- lung und manchmal Ikterus, schwer- ster Stoffwechselstörung mit extrem hohem Anstieg der Transaminasen und Störung der Blutgerinnung.

Gleichzeitig Nierentubulusnekrose mit Oligurie und Gefahr der Urämie.

Die Kranken sterben im Leberkoma oder an Komplikationen wie Blutun- gen infolge der Gerinnungsstörung oder Sepsis infolge allgemeiner Ab- wehrschwäche, seltener an Urämie.

Therapie: Einweisung in eine Klinik mit Möglichkeit zur Intensivtherapie.

Magenspülung auch nach langer Latenz und bei noch nicht erkrank- ten Tischnachbarn: Pilze sind schwer verdaulich und können unter Umständen einen Tag im Magen ver- weilen. — Im gastrointestinalen Sta- dium Flüssigkeits- und Elektrolyter- satz (fünf Liter pro Tag können er- forderlich sein). — Im hepatischen Stadium symptomatische Therapie wie bei akuter gelber Leberatrophie anderer Genese. Ein spezifisches Antidot gibt es nicht. Über günstige Ergebnisse mit frühzeitiger Hämo- perfusion oder Hämodialyse wurde berichtet. Auch Thioctsäure (Thioct- acid®, bis 500 mg täglich i. v.) und Penicillin G (exzessiv hohe Dosen) wurden günstige Wirkungen zuge- schrieben; sie lassen indes toxische Wirkungen befürchten: 250 mg = ca. 0,5 Mega I. E./Kg/Tag als i. v.

Dauerinfusion für die ersten 36 Stunden nach Klinikaufnahme. Der tatsächliche Wert ist noch nicht beur- teilbar, da die Schwere der Erkran- kung kontrollierte Untersuchungen nicht erlaubt und bei der Interpreta- tion von Tierexperimenten Spezies- unterschiede zu bedenken sind.

Prognose: Auch bei Einsatz aller Möglichkeiten der Intensivtherapie noch immer ungünstig.

Vorkommen und Häufigkeit:

(J u I i—)Aug ust—September—Oktober.

Häufig.

2372 Heft 40 vom 6. Oktober 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Differentialdiagnose: Die Anfangs- symptome Erbrechen und Durchfall kommen auch bei anderen Pilzver- giftungen vor. Typisch ist die lange Latenzzeit.

..,. Pilzvergiftungen, die mehr als sechs Stunden nach dem Essen be- ginnen, sind fast immer Knollenblät- terpilzvergiftungen!

b) Das Lorchelgift Gyromitrin

kommt vor in der Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta), einem nur im Frühling wachsenden Pilz mit brau- nem, gehirnähnlichem Hut.

Herbstlorcheln sind ungiftig. Chemische Eigenschaften: Gyromi- trin (V) ist N-Methyi-N-formyl-acetal- dehydhydrazon. Es ist wasserlös- lich, hitzelabil und flüchtig. Lorcheln lassen sich daher durch mindestens zweimaliges Abkochen und Verwer- fen des Kochwassers entgiften;

auch getrocknete Lorcheln gelten nach mehrmonatigem Lagern als ungiftig. Andererseits entstehen Vergiftungen auch durch Einatmen der Dämpfe beim Kochen und Kon- servieren. Da auch bei vorschrifts- mäßiger Zubereitung Vergiftungen nicht auszuschließen sind, ist vom Genuß der Frühjahrslorchel drin- gend abzuraten; als Markt- und Kon- servenpilz ist sie nicht mehr zuge- lassen.

Angriffsort und Wirkungsmechanis- mus: Nach lokaler Einwirkung (Dampf) am Auge epitheliale Kerati- tis; Hustenreiz, Erbrechen, manch- mal Ikterus. Nach oraler Aufnahme massive Fettleber, subakute oder akute gelbe Leberatrophie. - Wir- kungsmechanismus unbekannt.

Beginn: zwei bis 24 Stunden nach dem Essen.

Symptome: Ähnlich der Knollenblät- terpilzvergiftung. Dazu zentralner- vöse Symptome. Beginn mit Kopf- schmerzen, Übelkeit; danach meist heftiges Erbrechen, das ein bis zwei Tage anhalten kann. Schmerzen im Oberbauch; manchmal choleraähn- liche Durchfälle. Benommenheit,

Hut schmutzig- grün bis weiß- lich. Lamellen weiß. Stielknolle.

Typisches Kenn- zeichen: Lappi- ge Scheide um die Stielknolle

Delirien, gelegentlich Fieber. Nach 35 bis 40 Stunden schmerzhafte Le- berschwellung, Ikterus, eventuell Entwicklung eines Leberkomas. Therapie: Symptomatisch (verglei- che Knollenblätterpilzvergiftung). Prognose: Nur wenig günstiger als bei Knollenblätterpilzvergiftung. Vorkommen und Häufigkeit: Nur März bis Mai. Seltener.

Differentialdiagnose: Im fortge- schrittenen Stadium gleicht die Lor- chelvergiftung der Knollenblätter- pilzvergiftung, läßt sich aber durch das Auftreten zu anderer Jahreszeit eindeutig abgrenzen.

c) Orellanine

kommen vor im Orangefuchsigen Hautkopf (Dermocybe orellana), ei- nem in Deutschland seltenen Herbstpilz. Es sind niedermolekula- re, hitzestabile Giftstoffe von unbe- kannter Struktur, die vorwiegend

nephrotoxisch wirken. Der genaue Wirkungsmechanismus ist unbe- kannt.

Gleichartig wirkende Toxine wurden neuerdings auch in anderen Schlei- erlingen (Cortinarius speciosissi- mus, Cortinarius gentilis) nachge- wiesen, Vergiftungen durch diese Pilze auch aus Deutschland bekannt.

Beginn: 3 bis 14 Tage nach dem Essen.

Symptome: Beginn mit Trockenheit im Mund und starkem Durst, gefolgt von gastrointestinalen Störungen. Entwicklung einer interstitiellen Nephritis. Tod an Urämie. Auch Übergang in chronische Nephritis.

Therapie: Symptomatisch. Prognose: Ungünstig.

Vorkommen und Häufigkeit: Spät- herbst. Selten. lnfolge der langen Latenzzeit jedoch sicher oft ver-

kannt. [>

(6)

Therapiekontrolle

durch Autoradiographie der Liquorzellen

Autoradiographische Untersuchun- gen von Liquorzellen sind zur Fest- stellung ihrer Proliferationsfähigkeit geeignet. Bei entzündlichen Hirn- hauterkrankungen sind 6-8 Prozent der Zellen, meist „Lymphoidzellen"

und Plasmazellen, markiert, gestat- ten eine Feststellung des Krank- heitsstadiums (gemeint ist vermut- lich die Differenzierung des „Exsu- dations-" vom „Reparationssta- dium"). Diese Methode wird daher zur Verlaufsbeobachtung empfoh- len. Bei Meningealkarzinosen sind die Markierungsindizes in der Regel dagegen höher. Unter intrathekaler zytostatischer Therapie, die nur pal- liativen Wert hat aber die klinische Symptomatik oft erstaunlich bes- sert, ist ein Rückgang des Markie- rungsindex zu beobachten. Er kann somit als Erfolgskontrolle dienen.

Eine Differenzierung der Tumorzel- len von proliferierenden, nichtneo- plastischen Zellen ist autoradiogra- phisch aber nicht sicher möglich.Ehl

Engelhardt, P.:

Intrathecal Cytostatic Therapy of Meningeal Carcinomatosis

Autoradiographic Investigations of the CSF Cells

J. Neurol. 213 (1976), 309-315

Dommasch, D., Grüninger, W., Schultze, B.:

Autoradiographic Demonstration of Prolifera- ting cells in cerebrospinal fluid

J. Neurol. 214 (1977), 97-112

Effekt einer Vagotomie auf den Morbus Mänätrier

Der bei der sogenannten Riesenfal- tengastritis (Foveoläre Hyperplasie, Morbus Menetrier) zu beobachtende enterale Eiweißverlust im Rahmen einer exsudativen Gastropathie kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen, so daß eine totale Ga- strektomie erforderlich wird. Offen- sichtlich läßt sich jedoch auch durch eine Vagotomie eine Reduktion des Eiweißverlustes durchaus erzielen.

Bei einer 62jährigen Patientin mit hochgradiger peripherer Durchblu- tungsstörung infolge Arteriosklero-

se fand sich zusätzlich ein Morbus Mererier mit einem Gesamteiweiß von 3,36 g/dl und einem Serumalbu- min von 1,82 g/dl. Der tägliche Plas- maverlust wurde mittels einer Dop- pelisotopentechnik mit 104 ml be- stimmt. Ein Versuch einer Anticho- linergikatherapie mit Atropin bezie- hungsweise Trimethophan erwies sich als erfolgreich, so daß eine pro- ximale gastrale Vagotomie ange- schlossen wurde. Wie die Verlaufs- beobachtung während eines Jahres zeigte, kam es zu einer weitgehen- den Normalisierung der Serumpro- teine und zu einer deutlichen Re- duktion des enteralen Eiweißver- lusts.

Russel, I. J., Smith, J., Dozois, R., Wahner, H.

W., Bartholomew, L. G.:

Mänetrier's disease. Effect of medical and sur- gical vagotomy.

Mayo Clin. Proc. 52 (1977) 91-96

Mayo Graduate School of Medicine (University of Minnesota), Rochester

Sigmakarzinome nach Ureterosigmoidostomie

In der Weltliteratur sind seit 1929 40 Fälle von Sigmakarzinomen nach Harnleiterimplantation in das Sigma beschrieben worden. Bei primär be- nignem Grundleiden (80 Prozent) werden die Latenzzeit zwischen Harnumleitungsoperation und Ent- stehung des Dickdarmkarzinoms mit 22 und das Manifestationsalter mit 34 Jahren angegeben gegenüber sieben respektive 61 Jahren bei ei- ner malignen Grunderkrankung. Das niedrige durchschnittliche Manife- stationsalter von 41 Jahren und eine erhöhte Morbidität gegenüber Sig- makarzinomen unterscheiden diese Patienten von der Normalbevölke- rung. Die Ätiologie ist ungeklärt. Die Konsequenzen sind: Langzeitüber- wachung der betroffenen Patienten- gruppe und entsprechende Abklä- rung falls Komplikationen wie Harn- stauung oder rektale Blutabgänge zur angegebenen Latenzzeit auftre- ten. PA

Ecke, M., Müller, G.-W.:

Sigmakarzinome nach Ureterosigmoidostomie Zschr. Urol. 70 (1977) 391-397

M. Ecke, Urologische Klinik der Medizinischen Akademie Magdeburg, DDR-3010 Magdeburg, Leipziger Str. 44

5. Allgemeinerkrankungen durch spezifische Pilzinhaltsstoffe Der Kahle Krempling (Paxillus invo- lutus) gilt roh als giftig, ausreichend gekocht als eßbar. Todesfälle sind jedoch auch nach gekochten Kremplingen vorgekommen, mögli- cherweise allergisch ausgelöst: Im- munhämolyse durch Sensibilisie- rung gegen Antigene aus gekochten Kremplingen wurde beschrieben.

Als Marktpilz nicht mehr zugelassen.

Coprin (VI) (N 5-(1-Hydroxycyclopro- pyl)-L-glutamin) kommt vor im Kno- tentintling (Coprinus atramenta- rius); es hemmt die Aldehyddehy- drogenase und ist für sich allein un- giftig. Wird jedoch zu den Knoten- tintlingen oder bis zwei Tagen da- nach Alkohol getrunken, so tritt ein Antabus-Syndrom auf. Alkoholver- bot für drei Tage ist angebracht.

Die Diagnose einer Pilzvergiftung bereitet bei Beachtung von Anamne- se, Latenzzeit, Symptomatologie, jahreszeitlichem Auftreten sowie Wachstumsgewohnheiten und örtli- chem Vorkommen der in Frage kom- menden Pilze keine besonderen Schwierigkeiten. In zweifelhaften Fällen lasse man den Küchenabfall, auch Speisereste sicherstellen. Die Identifizierung der Pilze erfolgt dann botanisch mit Hilfe der Sporenmerk- male. Sie gelingt auf diese Weise auch noch im Mageninhalt. Dage- gen sind chemische Nachweise der Toxine, soweit überhaupt möglich, für praktische Zwecke zu aufwendig.

Literatur

Benedict, R. G.: Mushroom toxins other than Amanita; in: Kadis, S., Ciegler, A., Ajl, S. J., Edit.: Microbial toxins, Vol. VIII. New York - London, 1972, p. 281-320 - Eugster, C. H.:

Über den Fliegenpilz. Zürich, 1967 - Hatfield, G. M., Brady, L. R.: Toxins of higher fungi.

Lloydia 38 (1975), 36-55 - Waser, P. G.:

Chemistry and pharmacology of muscarine, muscarone and some related compounds.

Pharmacol. Rev. 13 (1961), 465-515 - Wieland, Th., Wieland, 0.: The toxic peptides of Amanita species; in: Kadis, S., Ciegler, A., Ajl, S. J., Edit.: Microbial toxins, Vol. VIII. New York - London, 1972. p. 249-280

Anschrift der Verfasserin:

Privatdozentin Dr. med. Ruth Seeger Institut für Pharmakologie

und Toxikologie der Universität

Versbacher Landstraße 9 8700 Würzburg

FÜR SIE GELESEN Pilzvergiftung

2374 Heft 40 vom 6. Oktober 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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