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Archiv "Weiterbildung Allgemeinmedizin: Verbünde schaffen eine neue Weiterbildungskultur" (09.03.2012)

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A 464 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 10

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9. März 2012

WEITERBILDUNG ALLGEMEINMEDIZIN

Verbünde schaffen eine neue Weiterbildungskultur

Hausärzte werden zur Mangelware. Die Weiterbildung aus einer Hand, ohne mühsame Stellensuche und Ortswechsel, soll das Fach für den Nachwuchs attraktiver machen.

Die Verbundweiterbildung an der Universität Heidelberg ist für viele ein Vorbild.

F

ür Dr. med. Celia Richter stand von Anfang an fest, dass sie Hausärztin werden will. „Ich bin sozusagen in der Allgemeinarztpra- xis aufgewachsen und fand die Ar- beit immer schon total spannend“, sagt die 27-Jährige. Man könne als Hausarzt vom Kleinkind bis zum alten Menschen die unterschied- lichsten Patienten betreuen: „Ei- gentlich ist dort nichts alltäglich.“

Außerdem schätzt sie das Soziale am Beruf, dass man zuweilen auch ein bisschen Lebenshilfe leistet.

Richter hat im Januar 2010 ihre allgemeinmedizinische Weiterbil- dung begonnen. Zurzeit hat sie eine halbe Stelle in einer kleinen Beleg- arztklinik hauptsächlich für Chirur- gie und Schmerztherapie. Die ande- re Hälfte der Zeit arbeitet sie an der Abteilung für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Göttin- gen. In dieser Funktion nimmt Richter auch am 28. Februar an ei- ner Fachtagung der Abteilung All-

gemeinmedizin und Versorgungs- forschung des Universitätsklini- kums Heidelberg teil. Thema ist das dort entwickelte Konzept der Ver- bundweiterbildung plus, das vielen inzwischen als Vorbild dient.

Weiterbildung darf kein Zufallsprodukt sein

Seit 2007 unterstützt und koordiniert das Kompetenzzentrum Allgemein- medizin (www.weiterbildung-allge meinmedizin.de) von Heidelberg aus den Aufbau regionaler Weiterbil- dungsverbünde, die Krankenhäuser und Praxen in ganz Baden-Württem- berg miteinander vernetzen. Dem Kompetenzzentrum gehören die fünf baden-württembergischen Lehrbe- reiche für Allgemeinmedizin an – neben Heidelberg sind das Freiburg, Mannheim, Tübingen und Ulm.

Für die angehenden Hausärzte bedeutet die Verbundweiterbildung, dass sie ihre gesamte Weiterbildung nach einem festen Rotationsplan in

einer Region absolvieren können – ohne mühsame Stellensuche, ohne Phasen der Arbeitslosigkeit und oh- ne größere Ortswechsel. Flankiert wird die Weiterbildung durch ge- meinsame Schulungstage und Men- toren-Programme. Auch die Weiter- bilder profitieren vom Verbund. Sie erhalten nicht nur Unterstützung bei organisatorischen Fragen, sondern können sich auch in sogenannten Train-the-Trainer-Kursen didaktisch fortbilden. „Wir haben es geschafft, eine völlig neue Weiterbildungskul- tur zu entwickeln“, sagt Prof. Dr.

med. Joachim Szecsenyi, Ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemein- medizin an der Universität Heidel- berg und Initiator der Verbundwei- terbildung plus. „Wir wollen durch Verlässlichkeit und eine hohe Qua- lität der Weiterbildung die Attrakti- vität des Fachs steigern.“ Weiterbil- dung dürfe nicht länger ein „Zu- fallsprodukt“ sein. 217 Ärztinnen und Ärzte nehmen Szecsenyi zufol- ge derzeit an dem Programm teil.

Ziel sei eine Ausweitung auf bis zu 400 Teilnehmer.

Die Verbundweiterbildung plus als Blaupause für Göttingen? Celia Richter verspricht sich viel von ei- ner Weiterbildung, die besser struk- turiert und auf den hausärztlichen Bedarf abgestimmt ist. „Bei den Kollegen und Chefs ist man oft ,nur’ die Allgemeinmedizinerin, die nicht richtig ernst genommen wird und manches auch nicht machen darf. Ganz spezielle Dinge will man ja vielleicht auch gar nicht lernen, weil man sie im hausärztlichen All- tag ohnehin nicht braucht.“ Aber:

Zurzeit stecke hinter solchem Vor- gehen kaum jemals ein Konzept.

„Hier wäre ein Curriculum, wie es Seit 1999 fördern die gesetzlichen Krankenkas-

sen und (anteilig) die private Krankenversicherung allgemeinmedizinische Weiterbildungsstellen. In der ambulanten Versorgung beteiligen sich Kas- sen und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) zu gleichen Teilen an der Fördersumme. Hintergrund des Förderprogramms Allgemeinmedizin war die Verlängerung der Weiterbildungszeit im Fach All- gemeinmedizin von drei auf fünf Jahre.

Seit dem 1. Januar 2010 können jährlich min- destens 5 000 Stellen in Krankenhäusern und Arztpraxen gefördert werden. Im ambulanten Be- reich zahlen KVen und Kassen jeweils 1 750 Euro je Stelle. In unterversorgten Gebieten gibt es ei-

nen Zuschlag von insgesamt 500 Euro. Im Kran- kenhaus entrichten die Kassen für Stellen in der Inneren Medizin und ihren Schwerpunkten 1 020 Euro, in anderen Gebieten der unmittelbaren Pa- tientenversorgung gibt es 1 750 Euro. Im Jahr 2010 flossen so etwa 84 Millionen Euro in die all- gemeinmedizinische Weiterbildung.

Das Förderprogramm sieht darüber hinaus vor, flächendeckend Koordinierungsstellen einzurich- ten. Sie sollen unter anderem Weiterbildungsver- bünde fördern, um den angehenden Hausärzten eine reibungslose Weiterbildung zu ermöglichen.

In zwölf von 17 Ärztekammerbereichen existieren solche Stellen inzwischen.

UMWORBENES FACH

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9. März 2012 A 465 die Heidelberger gerade entwickeln,

sehr hilfreich“, meint Richter. Einen hohen Stellenwert räumt sie auch dem „Train the Trainer“-Konzept ein. Es sei wichtig, dass die Befug- ten ihre Rolle als Weiterbilder ernst nähmen und die Assistenten nicht primär als diejenigen ansähen, die die Arbeit wegschafften, damit sie selbst Zeit zum Forschen hätten.

Wichtig ist der angehenden Haus- ärztin auch die Planungssicherheit, die eine Weiterbildung im Verbund verspricht. „Man muss sich dann nicht alle drei Monate einen neuen Job suchen – samt Einarbeitungs- zeit, Urlaubssperre und sämtlichem organisatorischem Tamtam.“

Anschlussprobleme bei der Stel- lensuche, Unterbrechungen, Teilzeit- tätigkeit – eine Umfrage im Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe habe ergeben, dass die durchschnitt- liche Weiterbildungszeit in der All- gemeinmedizin 9,5 Jahre dauere, sagte Prof. Dr. med. Ferdinand Ger- lach bei der Tagung in Heidelberg.

„Das ist viel länger als nötig“, so der Direktor des Instituts für Allgemein- medizin am Klinikum der Johann- Wolfgang-Goethe-Universität Frank- furt am Main. Um hier Abhilfe zu schaffen, brauche die allgemein - medizinische Weiterbildung sichere Rahmenbedingungen, eine bessere Struktur und ein klares Konzept.

„Leider sind wir in Hessen noch nicht so weit wie in Baden-Württem- berg“, erklärte Gerlach. Aber der Boden sei bereitet. Inzwischen ha- ben Universität, Krankenhausgesell- schaft und Landesärztekammer auch dort eine Koordinierungsstelle zur Förderung von Weiterbildungsver- bünden und ein Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin eingerichtet.

Denn: „Die Bedeutung des Ge- neralisten steigt“, ist Gerlach über- zeugt. Angesichts des demografi- schen Wandels mit immer mehr älteren, multimorbiden, chronisch kranken Menschen und einer fort- schreitenden Spezialisierung in der Medizin benötige man einen Arzt, der den Überblick behält, die Be- handlung der Patienten koordiniert und diese im Zweifel vor Überdia - gnostik schützt. Außerdem belegten Studien, dass eine hausärztlich ko- ordinierte Versorgung kosteneffek-

tiver sei. Neben solchen „Mega- trends“ zeichnen sich Gerlach zu- folge zwei grobe Fehlentwicklun- gen ab: Zum einen steht einer stei- genden Zahl von Fachärzten eine sinkende Zahl von Hausärzten ge- genüber. Zum anderen sind die meisten Ärzte dort, wo sie am we- nigsten gebraucht werden: in den städtischen Ballungsräumen.

Viele wollen sich niederlassen – sogar auf dem Land

Für eine Niederlassung in ländli- chen Regionen wirbt man im Rah- men der Verbundweiterbildung plus mit „Landtagen“, indem man Ärzte in Weiterbildung mit Verantwortli- chen aus den Kommunen an einen Tisch bringt. So können gegenseiti- ge Erwartungen abgeklopft und Vor- urteile abgebaut werden. Grundsätz- lich ist die Bereitschaft des ärztli- chen Nachwuchses, sich auf dem Land niederzulassen, nämlich rela- tiv hoch. Das belegt zumindest eine Online-Befragung des Kompetenz- zentrums Allgemeinmedizin von Ärzten in Weiterbildung im Jahr 2010. Danach konnten sich immer-

hin 77 Prozent der 528 Teilnehmer vorstellen, auf dem Land zu prakti- zieren. Die drei wichtigsten Ein- flussfaktoren für eine Niederlassung waren der Umfrage zufolge ein fa- milienfreundliches Umfeld, der Ort und die Zusammenarbeit mit Kolle- gen. Für den Weg zur Arbeit war die Mehrheit der Befragten bereit, bis zu 30 Minuten zu investieren. Den Entscheidungsträgern vor Ort raten die Wissenschaftler deshalb unter anderem, ihr Augenmerk auf „arzt- freundliche“ Bereitschaftsdienstre- gelungen und Arbeitsmodelle zu richten, die es erlauben, mit mehre- ren Kollegen zusammenzuarbeiten.

„Ich würde mich später gerne niederlassen, fände es aber gut, ei- nen Praxispartner oder -partnerin zu haben“, bestätigt Celia Richter den Befund der Wissenschaftler. „Selbst- ständig zu sein, kann ich mir sehr gut vorstellen – sogar auf dem Land.“

Allerdings müsse sich der künfti- ge Praxisstandort möglichst in der Nähe einer Universitätsstadt befin- den. „Ich bin da partnerschaftlich

gebunden.“

Heike Korzilius

Herr Dr. Clever, was kann die Ärztekammer tun, um den hausärztlichen Nachwuchs zu fördern?

Clever: Wir versuchen hier in Baden-Württemberg, unter an- derem durch Besuche in allen 49 Kreisvereinen, herauszufin- den, wo Rahmenbedingungen verbessert werden müssen und dies der Politik nahezubringen.

Ein Problem ist sicherlich, dass man sich hierzulande zu wenig darum kümmert, ob denn der Partner in der Region eben- falls berufliche Möglichkeiten hat. Fragen wie: „Gibt es Schu- len, Kindergärten, Einkaufsmög- lichkeiten?“ sind wichtig – und zwar nicht nur für Frauen.

Ein weiterer Punkt ist: Wir müssen auch über Geld spre-

chen. Wir dürfen künftige Haus- ärzte nicht mit finanziellen Anrei- zen aufs Land „locken“. Es geht vielmehr darum, ihnen langfristig ein verlässliches und angemes- senes Honorar zu bieten.

Wichtig ist auch eine Reform der Bereitschaftsdienstregelun- gen. Als Anfänger darf man nicht gleich so belastet werden, dass man es kaum bewältigen kann.

Machen sich die Kammer und das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin gegensei- tig Konkurrenz?

Clever: Ich würde sagen, Kon- kurrenz im positiven Sinne. Jede Idee, die dazu beiträgt, die hausärztliche Versorgung in der Fläche sicherzustellen, ist be- grüßenswert. Das Kompetenz-

zentrum mit seiner Verbundwei- terbildung plus leistet hier er- folgreiche Arbeit. Auch die Kam- mer organisiert Weiterbildungs- verbünde. Wir treten uns aber nicht gegenseitig auf die Füße.

Die allgemeinmedizinische Weiterbildung ist die einzige, die finanziell gefördert wird.

Warum fehlt es dennoch an Nachwuchs?

Clever: Da haben wir als Ärzte- schaft mit unseren Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Honorare vielleicht eine gewisse Mitschuld. Wir ler- nen gerade durch unsere Besu- che an der Basis, die Gratwan- derung zwischen der Attraktivität der Arbeit und tatsächlichen Pro- blemen besser zu bewältigen.

3 FRAGEN AN . . .

Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg

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