A 216 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 112|
Heft 6|
6. Februar 2015Z
wei Drittel der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sehen ihre berufliche Zukunft in einem Anstellungsverhältnis – sei es im Krankenhaus (40,9 Prozent) oder in einem Medizinischen Versorgungs- zentrum beziehungsweise einer Arztpraxis (26,9 Prozent). Nur 26,8 Prozent wollen später selbstständig in eigener Praxis tätig sein. Das ist ein Ergebnis einer Befragung des Hartmannbundes (HB), an der sich 1 400 Nachwuchsärzte beteiligten.Ein Grund für dieses Umfrageer- gebnis sei, „dass die Ausbildung die jungen Ärztinnen und Ärzte zu- nächst einmal primär in die Klinik führt und sich trotz der dort zu be- mängelnden Arbeitsbedingungen viele Kolleginnen und Kollegen grundsätzlich wohl fühlen“, kom- mentiert die Vorsitzende des HB- Arbeitskreises „Assistenzärzte“, Dr.
med. Kathrin Krome. Dies sei unter anderem auch der Tatsache geschul- det, dass an der Klinik überwiegend im Team gearbeitet werde. Krome:
„Viele verbinden mit der Niederlas- sung noch immer die Vorstellung, dort als Einzelkämpfer tätig zu sein, was ja beileibe längst nicht mehr der Fall ist.“ Auch in der Niederlas- sung könne man hervorragend in Kooperationen arbeiten oder sich mit Kollegen vernetzen.
„Es ist uns noch nicht in ausrei- chendem Maße gelungen, einer Ge- neration, die so viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Be- ruf legt wie keine zuvor, deutlich zu machen, dass sie diesen Anspruch gerade in einer eigenen Praxis so gut umsetzen kann wie nirgends sonst“, zeigt sich der HB-Vorsitzen- de Dr. med. Klaus Reinhardt selbst- kritisch. Andererseits seien aber auch politische Initiativen, wie die jetzt geplante Soll-Regelung zum Aufkauf von Arztsitzen durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen, nicht dazu geeignet, den jungen As- sistenzärzten Mut für den Schritt in die Selbstständigkeit zu machen.
Gefragt, ob die Nachwuchskam- pagnen der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung und der Kassenärzt- lichen Vereinigungen dazu beitra- gen könnten, den jungen Ärzten die Scheu vor der Niederlassung zu nehmen, antwortet Reinhardt: „Ich begrüße es sehr, dass die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung auch durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit dem Propagandadruck der Kran- kenkassen gegen die niedergelasse- nen Kolleginnen und Kollegen et- was entgegenzusetzen versucht.“
Wert und Wirkung solcher Kampa- gnen seien allerdings – „zumindest kurzfristig“ – sehr schlecht einzu- schätzen.
Durchschnittliche Bezahlung, mäßige Arbeitsbedingungen
Insgesamt bewerten immerhin 39 Prozent der Ärzte in Weiterbildung ihre Arbeitsbedingungen in der Kli- nik als „gut“ oder „sehr gut“ und 18,3 Prozent als „schlecht“ oder„sehr schlecht“ („durchschnittlich“:
42,7 Prozent). 34,9 Prozent stufen ihre Bezahlung als „gut“ oder „sehr gut“ ein und 15,6 Prozent als
„schlecht“ oder „sehr schlecht“
(„durchschnittlich“: 49,6 Prozent).
Mehr als 40 Prozent der Befrag- ten geben an, dass ihre Weiterbil- dung nicht im Rahmen der Kernar- beitszeit durchgeführt wird. Viele Weiterbildungsassistenten sind also weiterhin gezwungen, lange Ar- beitszeiten in Kauf zu nehmen. Auf die Frage, ob die zu erbringenden Weiterbildungsinhalte problemlos gemäß den Anforderungen der Ärz- tekammer durchgeführt werden könnten, antworten nur 42,5 Pro- zent mit „ja“: Regelmäßige Gesprä-
che mit dem Weiterbilder führen gerade einmal 50,4 Prozent der Be- fragten. Dazu passt, dass knapp 80 Prozent der angehenden Fachärzte vor Beginn ihrer Weiterbildung kein Weiterbildungscurriculum er- halten haben. Zusammenfassend bewerten 31,5 Prozent der Befrag- ten die Qualität ihrer Weiterbildung als „gut“ oder „sehr gut“ und 22,1 Prozent als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ („durchschnittlich“: 46,4 Prozent).
Vor dem Hintergrund der nicht zufriedenstellenden Arbeitsbedin- gungen in den Krankenhäusern ap- pelliert der HB-Vorsitzende an die jungen Kolleginnen und Kollegen, selbstbewusst zu sein: „Die meisten Kliniken reißen sich um Assistenz- ärzte. Das ist eigentlich eine gute Voraussetzung dafür, vernünftige Arbeitsbedingungen einzufordern und auch durchzusetzen“, betont Reinhardt. Sein Verband setze sich politisch für eine tatsächlich wirk- same Überwachung der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes an den Kli- niken ein. Die quasi freiwillige Selbstkontrolle reiche hier eben- so wenig wie die stichprobenarti- ge Kontrolle mit Vorankündigung durch das Gewerbeaufsichtsamt.
Auf der Wunschliste dessen, was sich ändern soll, damit der Arztbe- ruf noch attraktiver wird, steht die
„Unterstützung bei der Vereinbar- keit von Familie und Beruf“ an ers- ter Stelle der Antworten. Hier habe sich in den vergangenen Jahren durchaus einiges getan, zumindest was das Bewusstsein für diese Her- ausforderung angehe, meint die Vorsitzende des HB-Arbeitskreises Assistenzärzte, Krome: „Das Pro- blem ist, dass es bei der Umsetzung dieser Erkenntnisse an Entschlos- senheit und Fantasie fehlt.“ Dass der Umfrage zufolge mehr als zwei ÄRZTE IN WEITERBILDUNG
Unzufrieden in der Klinik – Respekt vor der Niederlassung
An einer Umfrage des Hartmannbundes beteiligten sich 1 400 Nachwuchsärzte.
P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 112|
Heft 6|
6. Februar 2015 A 217GRAFIK 3
Bevorzugt im Team: Dass man heutzutage auch in der eigenen Praxis kein Einzelkämpfer mehr ist, wissen viele nicht.
Angestrebte Berufsausübung nach der Facharztprüfung
Anstellung in der Klinik Anstellung in Praxis/MVZ Niederlassung Anstellung im öffentlichen
Gesundheitsdienst keine Tätigkeit in der Patientenversorgung
Sonstiges
40,9%
26,9%
26,8%
0,9%
1,9%
2,6%
Drittel der schwangeren Frauen ihre Pausenzeiten nicht einhalten könn- ten, sei ein gutes Beispiel dafür.
„Bei vielen Arbeitgebern kann ich noch nicht erkennen, dass sie sich wirklich des Potenzials bewusst sind, das ihnen verloren geht, wenn es nicht endlich ernsthafte Fort- schritte beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt.“ Dies gelte im Übrigen sowohl im Hin- blick auf die Vereinbarkeit von Be- ruf und Kindern, aber auch für die Vereinbarkeit der beruflichen Ver- pflichtungen mit der Pflege von äl- teren Angehörigen.
Den wirtschaftlichen Druck nicht beim Personal abladen
Obwohl der jungen Generation oft unterstellt wird, sehr freizeitorien- tiert zu sein, haben 43 Prozent der Umfrageteilnehmer eine Opt-out- Regelung unterschrieben und ak- zeptieren somit freiwillig eine Wo- chenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden. So mancher Kollege sehe vielleicht gerade in der Zeit der Fa- miliengründung in der Opt-out-Re- gelung eine Chance, etwas dazuzu- verdienen, mutmaßt Krome. Viele beschäftigten sich aber wohl auch nicht ausreichend mit der Frage der Opt-out-Regelung – „das zeigen auch viele Beratungen junger Ärzte und Ärztinnen, die wir im Verband machen“. Andererseits würden vie- le junge Ärztinnen und Ärzte je- doch auch „sanft“ von ihrem Ar- beitgeber gedrängt, eine solche Ver- einbarung zu unterschreiben – „da gilt es, Aufklärung zu leisten“.„Wir brauchen flexible und intel- ligente Arbeitszeitmodelle, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse Rücksicht nehmen“, schlussfolgert der HB-Vorsitzende Reinhardt aus der Umfrage. Vor allem jungen Frauen – inzwischen die Mehrheit beim ärztlichen Nachwuchs – müssten bessere Perspektiven für ihre ärztliche Laufbahn geboten werden. Reinhardt: „Letztendlich, und dieses Thema wird uns immer stärker beschäftigen, müssen wir vor allem darauf achten, dass der steigende wirtschaftliche Druck an den Kliniken nicht beim ärztlichen Personal abgeladen wird.“
▄
Jens Flintrop GRAFIK 2
Ein Drittel der Befragten stufen ihre Bezahlung als
„gut“ oder sogar
„sehr gut“ ein – ein beachtlich hoher Wert
Einstufung der Bezahlung für geleistete Arbeit GRAFIK 1
Viele Kliniken suchen Ärzte – eigentlich eine gute Basis, um bessere Arbeitsbedingungen einzufordern Bewertung der Arbeitsbedingungen insgesamt
GRAFIK 4
Die gute Verein- barkeit von Familie und Beruf steht weiterhin ganz oben auf der Priori- tätenliste der jun- gen Ärztinnen und Ärzte.
Wird vom Arbeitgeber eine Kinderbetreuung angeboten?
5,6%
sehr gut
29,3%
gut
49,6%
durch- schnittlich
12,3%
schlecht
3,3%
sehr schlecht 5,5%
sehr gut
33,5%
gut
42,7%
durch–
schnittlich
15,8%
schlecht
2,5%
sehr schlecht
ja
Ja, aber es gibt keine Garantie für einen Platz.
Ja, es gibt jedoch keine Kinderkrippe.
Ja, es ist jederzeit ein Platz frei.
nein nein, aber Unterstützung bei der Suche nach Alternativen Nein, aber es gibt eine finanzielle Unterstützung.
weiß nicht/keine Antwort
8,3%
4,8%
20,2%
1,7%
0,5%
37,3%
2,1%
0,6%
24,5%
Ja, aber es gibt keine sinnvollen Öffnungszeiten.