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Archiv "Diabetes und chronische Pankreatitis: Wann, wie oft und wie zu therapieren?" (07.07.2000)

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(1)

M E D I Z I N

A1894 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 27½½7. Juli 2000

D

ie enge anatomische Nachbar- schaft innerhalb des Pankreas lässt vermuten, dass Erkrankungen des exokrinen auch den endokrinen Anteil der Drüse beeinflussen und umgekehrt.

Während die endokrine Insuffizienz und insbesondere ihre Therapie bei chroni- scher Pankreatitis unterschätzt wird, mehren sich in letzter Zeit – vorläufige – Berichte, die zu einer Überschätzung der exokrinen Insuffizienz bei Diabetes mel- litus und damit zu unnötigen Therapie- konsequenzen führen. Beides richtigzu- stellen ist Anlass dieses Editorials.

Diabetes mellitus bei chronischer Pankreatitis

Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes spie- len bei der Entwicklung des pankreatoge- nen Diabetes autoimmunologische und genetische Faktoren keine Rolle. Ursa- che ist eine progrediente Gewebszerstö- rung, die auch die Langerhansschen In- seln einbezieht (7). Die Häufigkeit eines Diabetes mellitus bei chronischer Pank- reatitis variiert in der Literatur zwischen 30 und 70 Prozent (15). Sie ist abhängig vom Zeitpunkt der Untersuchung. So hatten zum Beispiel nur acht Prozent der in Göttingen beobachteten 335 Patien- ten, bei denen zwischen 1965 und 1986 ei- ne chronische Pankreatitis diagnostiziert wurde, eine endokrine Pankreasinsuffizi- enz, zehn Jahre später waren es 78 Pro- zent, und der Anteil insulinpflichtiger Patienten war von 5 auf 40 Prozent ge- stiegen (8). Exokriner und endokriner Pankreasfunktionsverlust gingen nicht einfach parallel. Auch nach zehn Jahren hatten 22 Prozent der Patienten mit exo- kriner Pankreasinsuffizienz auf dem Bo- den einer chronischen Pankreatitis noch eine normale Glucosetoleranz. Mehr als die Hälfte der Patienten mit schwerer

enzymsubstitutionspflichtiger exokriner Pankreasinsuffizienz hatten eine norma- le Glucosetoleranz, oder sie bedurften keiner Insulintherapie, selbst wenn sie Diabetiker waren. Umgekehrt benötigte jeder zweite, beziehungsweise dritte in- sulinpflichtige Diabetiker keine Enzym- substitution für seine exokrine Pankreas- insuffizienz (8, 12). Die Diagnostik des pankreatogenen Diabetes beruht wie bei anderen Diabetesformen auf der Mes- sung des Blutzuckers nüchtern bezie- hungsweise postprandial und/oder einem oralen Glucosetoleranztest. Die Thera- pie richtet sich nach dem Ausmaß der In- suffizienz und beinhaltet eine Diabetes- diät und medikamentös am ehesten Insu- lin. Aufgrund pathophysiologischer Er- kenntnisse besteht bei Patienten mit chronischer Pankreatitis und endokriner Insuffizienz ein Insulinmangel, das heißt, die B-Zell-Masse in den Langerhans- schen Inseln ist reduziert, und die Insu- lin- beziehungsweise C-Peptid-Anstiege nach entsprechenden Stimuli sind ver- mindert (7). Es ist daher wahrscheinlich, dass orale Antidiabetika vom Typ Sul- fonylharnstoffe nur einen geringen und/oder vorübergehenden Effekt im Hinblick auf eine Verbesserung der me- tabolischen Kontrolle haben können.

Studien, die dies im langfristigen Einsatz oder im Vergleich mit einer Insulinthera- pie belegen könnten, fehlen aber. Umge- kehrt dagegen ist aber häufig – auch bei größeren Patientengruppen – beschrie- ben worden, dass ein nennenswerter An- teil der Patienten mit Diät und oralen Antidiabetika behandelt wurde (8, 12).

Zur Dauer der Behandlung, Auswahl der Medikamente, Wirksamkeit, Qua-

lität der Stoffwechseleinstellung und zum klinischen Ergebnis (Häufigkeit von Fol- geschäden, Hypoglykämie-Episoden) fehlen jedoch die notwendigen Infor- mationen. Insbesondere die Hypoglykä- miegefahr bei eingeschränkter Gluka- gonsekretion (11–13), unregelmäßiger Nahrungsaufnahme und gleichzeitigem Alkoholgenuss lassen den Einsatz von Sulfonylharnstoffen nur unter besonde- ren Vorsichtsmaßnahmen anraten. Eine schwere Hypoglykämie ist nicht selten Todesursache bei Patienten mit chroni- scher Pankreatitis (1, 8, 12). Bei Patien- ten mit fortgesetztem Alkoholkonsum ist Metformin kontraindiziert (Risiko der Laktazidose). a-Glucosidase-Hemmmer (Acarbose, Miglitol) können durch ihren Wirkmechanismus die Symptome einer exokrinen Pankreasinsuffizienz verstär- ken (Völlegefühl, Bauchschmerzen, Me- teorismus, Flatulenz, Diarrhoe) und sind deshalb nicht als ideale (wenn auch nicht streng kontraindizierte) Medikamente zu betrachten. Frühere Studien hatten ergeben, dass bei unbehandelter ausge- prägter Steatorrhoe die Sekretion des in- sulinotropen Darmhormons Gastric In- hibitory Polypeptide (GIP), die an die Resorption von Nährstoffen gekoppelt ist, durch gleichzeitige Gabe von Pank- reasenzymen deutlich gesteigert werden kann. Außerdem verbesserte sich die In- sulinsekretion und die Glucosetoleranz nach einer gemischten Mahlzeit (2). Die Indikation zur Substitution von Pankrea- tin war aber bei allen Patienten durch die schwere exokrine Insuffizienz mit erheb- licher Steatorrhoe gegeben und klinisch absolut notwendig. Eine Substitution al- lein zur Verbesserung der Stoffwechselsi- tuation, das heißt im Sinne der Diabe- testherapie, auch bei geringergradiger Einschränkung der exokrinen Funktion, ist deshalb aufgrund dieser Ergebnisse nicht zu belegen. Hiervon muss eindeutig

Diabetes und

chronische Pankreatitis

Wann, wie oft und wie zu therapieren?

Paul Georg Lankisch

1

, Michael Nauck

2

Editorial

1Medizinische Klinik (Chefarzt: Prof. Dr. med. Paul Georg Lankisch), Städtisches Klinikum Lüneburg

2Diabeteszentrum Bad Lauterberg (Leitende Ärzte: Prof.

Dr. med. Berend Willms, Prof. Dr. med. Michael Nauck), Bad Lauterberg

(2)

abgeraten werden (4). So bleibt es also – wenn eine Diabetesdiät nicht ausrei- chend ist – in der Regel bei der Gabe von Insulin. Da auch die Glukagonsekretion bei chronischer Pankreatitis einge- schränkt ist (11, 13) und die Compliance, insbesondere bei Patienten mit alkohol- induzierter Pankreatitis, oft nicht gege- ben ist, kann eine intensivierte Insu- lintherapie nur bei den Patienten erfol- gen, die entsprechend compliant sind und/oder alkoholabstinent bleiben.

Exokrine Pankreasinsuffizienz bei Diabetes mellitus

Das Pankreas ist bei Diabetikern ge- genüber Gesunden beziehungsweise bei insulinpflichtigen gegenüber nichtinsu- linpflichtigen Diabetikern und unter An- wendung unterschiedlicher bildgebender Verfahren kleiner (3). Zahlreiche Unter- suchungen der exokrinen Pankreasfunk- tion bei Diabetes mellitus mithilfe des Goldstandards der Pankreasfunktions- tests, (Sekretintest beziehungsweise Se- kretin-Pankreozymin-Test) haben unter- schiedliche Häufigkeiten einer exokri- nen Insuffizienz gezeigt (5) und zu wider- sprüchlichen Ergebnissen geführt. In ei- ner Göttinger Untersuchung bei 53 Pati- enten mit einem langjährigen Typ-1-Dia- betes – keiner hatte früher eine akute Pankreatitis durchgemacht oder über un- klare abdominale Beschwerden geklagt – ergab ein Sekretin-Pankreozymin-Test bei 43 Prozent der Fälle ein pathologi- sches Ergebnis. Die exokrine Pankreas- insuffizienz war jedoch nur leicht und bedurfte keiner Substitution. Sie war un- abhängig vom Alter der Patienten, der Dauer des Diabetes mellitus und von diabetogenen Spätschäden wie Retino-, Neuro- und Nephropathie (9). Kürzlich wurde der Frage, wie häufig nun wirk- lich eine exokrine Pankreasinsuffizienz beim Diabetes mellitus vorliegt, noch- mals von zwei Arbeitsgruppen nachge- gangen. Beide benutzten allerdings die im Vergleich zum Sekretin-Pankreozy- min-Test deutlich weniger sensitiven und spezifischen indirekten Pankreasfunkti- onstests, die Elastase-1- beziehungsweise Chymotrypsinbestimmung im Stuhl (10).

Hardt und Kloer (6) untersuchten 128 Patienten mit einem nicht näher klassifi- zierten Diabetes mellitus und fanden ei-

ne leichte bis mäßig schwere exokrine Pankreasinsuffizienz mithilfe der Elasta- se-1- und Chymotrypsinmessung bei 46,1 beziehungsweise 44,7 Prozent der Pati- enten und eine schwere exokrine Insuffi- zienz bei 28,9 beziehungsweise 21,1 Pro- zent. Der Anteil der Patienten mit exo- kriner Insuffizienz war bei den insulin- pflichtigen Patienten deutlich höher als bei den nichtinsulinpflichtigen. Rath- mann et al. (14) berichteten über 526 Typ-2-Diabetiker, von denen nach der Elastase-1-Messung 11,8 Prozent eine schwere exokrine Pankreasinsuffizienz hatten, während dies nur bei 3,4 Prozent der 526 nichtdiabetischen Kontrollen der Fall war. Das Risiko, eine exokrine Pan- kreasinsuffizienz zu bekommen, war für Typ-2-Diabetiker um das 3,8-fache er- höht. In beiden Studien (6, 14), von de- nen die eine nur in Abstract-Form vor- liegt (14), wurden keine weiterführenden Funktionsuntersuchungen berichtet, die die exokrine Pankreasfunktion besser charakterisieren ließen. Eine klinische Bedeutung der mitgeteilten Befunde steht also völlig infrage, zumal die Patien- ten mit verringerter Enzymausscheidung ohne besondere klinische Kennzeichen beschrieben wurden. Klinische Konse- quenzen irgendeiner Art lassen sich mit diesen Daten vorerst nicht begründen.

Es darf sogar infrage gestellt werden, ob die Elastase-1- beziehungsweise Chymo- trypsin-Messungen bei Diabetikern ohne weiteres als Screeningtest herangezogen werden dürfen. Ein Insulinmangel kann das Pankreasenzymmuster verschieben, was für die a-Amylase gut belegt und für die genannten Enzyme nicht ausreichend untersucht ist. Die Hypothese ist aber sinnvoll, weil die Ergebnisse von Hardt und Kloer (6) sowie von Rathmann et al.

(14) früheren Untersuchungen zur exo- krinen Pankreasfunktion bei Typ-2-Dia- betikern klar widersprechen, die ihrer- seits mit der sehr viel verlässlicheren Me- thode des Sekretin-Pankreozymin-Tests durchgeführt wurden und uneinge- schränkt das Fehlen einer exokrinen Funktionseinbuße belegen (5). Keines- falls ist also ein niedriger Elastase-1- oder Chymotrypsin-Wert allein ein Grund, mit einer Enzymsubstitution zu begin- nen. Hier gelten als Indikationen eine Steatorrhoe (deutlich > 7 g/d) und ein progredienter Gewichtsverlust bezie- hungsweise Untergewicht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1894–1895 [Heft 27]

Literatur

1. Ammann RW, Akovbiantz A, Largiadèr F, Schueler G:

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13. Nakamura T, Imamura K-I, Takebe K et al.: Correlation between pancreatic endocrine and exocrine function and characteristics of pancreatic endocrine function in pati- ents with diabetes mellitus owing to chronic pancreatitis.

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14. Rathmann W, Icks A, Haastert B et al.: Pancreatic exocri- ne insufficiency and type 2 diabetes are strongly associa- ted (abstract). DBTGAJ 1999; 42 (suppl 1): A82.

15. Raue G, Keim V: Sekundärer Diabetes bei chronischer Pankreatitis. Z Gastroenterol 1999; (suppl 1): 4–9.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Paul Georg Lankisch

Medizinische Klinik, Städtisches Klinikum Lüneburg Bögelstraße 1

21339 Lüneburg

E-Mail: lankisch@uni-lueneburg.de Prof. Dr. med. Michael Nauck Diabeteszentrum Bad Lauterberg Kirchberg 21

37431 Bad Lauterberg

E-Mail: nauck@diabeteszentrum.de M E D I Z I N

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