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Archiv "Sonderformen der chronischen Pankreatitis" (13.11.1980)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 46 vom 13. November 1980

Sonderformen

der chronischen Pankreatitis

Volker Becker

Aus dem Pathologischen Institut

(Direktor: Professor Dr. med. Volker Becker) der Universität Erlangen-Nürnberg

Die Pathogenese der chroni- schen Pankreatitis ist mit dem Schlagwort „alkoholtoxisch' und „Gallensteinkomplika- tion - nur ganz unbestimmt umschrieben. Durch das Auf- zeigen von Sonderformen wird versucht, schlaglichtarti- ge Einsichten in die Pathoge- nese der chronischen Pan- kreatitis zu vermitteln. Die Ab- flußbehinderung des Bauch- speichels — nicht der Totalver- schluß des Gangsystems — er- weist sich als entscheidender Faktor für Entstehung und Un- terhalt der Erkrankung.

Die Pankreatitis ist in den letzten 15 Jahren zu einer verbreiteten Erkran- kung geworden. Die akute Pankrea- titis hat dabei weniger deutlich an Häufigkeit zugenommen als die chronische Pankreatitis. Sowohl die akuten als auch die chronischen Krankheitsformen sind durch die Selbstverdauung des Pankreas ge- kennzeichnet. Bei der akuten Pan- kreatitis werden „als Drama in ei- nem Akt" große Teile oder die ganze Drüse autodigestiv zerstört. Bei der chronischen Pankreatitis läuft der gleiche Vorgang in zeitlich und ört- lich getrennt auseinandergezogener Weise ab. Kleine Drüsenteile werden in einzelnen Zerstörungsepisoden in unregelmäßigen Intervallen und mit mehr oder weniger ausgedehnten Ruhezeiten dazwischen zerstört. Die Selbstverdauung wird durch begün- stigende Faktoren in Gang gebracht, zum Beispiel durch schlechte Durchblutung der Drüse oder durch Abflußbehinderung.

Wenn es gelingt, Sonderformen in Ätiologie und Pathogenese von mehreren Seiten her zu beleuchten, kommen wir vielleicht zu neuen Er- kenntnissen über die Entstehungs- weise dieser Erkrankung.

Das Lebensalter der Patienten oder der Altersgipfel dieser Erkrankung berechtigen uns nicht, daraus Son- derformen abzuleiten („juvenil",

„senil"). Ein solches Vorgehen wäre

nur möglich, wenn ein pathogeneti- scher Aspekt mit in die Altersgruppe einbezogen werden könnte. Am- mann (2)*), der eine solche Unter- scheidung macht, glaubt an die pa- thogenetische Bedeutung eines vas- kulären Faktors, dieser würde in der Tat eine Beziehung zum Lebensalter herstellen. Wir haben gute Gründe, zum Beispiel eine Arteriosklerose nicht ursächlich für eine Pankreati- tis anzuschuldigen und lehnen da- her die vaskuläre Sonderform auch dann ab, wenn gleichzeitig noch an- dere Gefäßverschluß-Syndrome vor- liegen. Dementsprechend sind die Risikofaktoren der Gefäßerkrankun- gen nicht unbedingt die gleichen wie die einer Pankreatitis.

Deutlich wird dieser Sachverhalt bei dem Diabetes mellitus. Wir können zwar Gefäßkomplikationen, nicht aber chronische Entzündungszu- stände der Bauchspeicheldrüse auf den Diabetes zurückführen. Der Dia- betes stellt keine „Vorstufe" und keinen Risikofaktor für eine chroni- sche Pankreatitis, unabhängig da- von, ob durch den Diabetes eine Ar- teriosklerose auch in der Bauchspei- cheldrüse manifest wird.

Die Sonderformen der Erkrankung können unterschieden werden: >

") Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

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Abbildung 1 (rechts): Chronische Pankreatitis, Querschnitt, Das Ausführungssystem ist mit größe- ren und kleineren Steinen gefaßt.

auch die Seitenäste sind durch Steineinklemmungen aufgetrie- ben. Das die Ausführungsgänge bekleidende Gewebe ist weißlich homogen: Vernarbung. — Diagno- se: Chronische kalzifizierende, metatryptische Pankreatitis Abbildung 2 (Mitte links): Große Pankreaskopf-Pseudozyste (Zu- stand nach akuter Pankreatitis).

Flachschnitt durch den Kopf der Bauchspeicheldrüse. Rechts Duo- denum. Oben hintere Hälfte des Ductus choledochus, der trichter- förmig eingeengt ist durch die von unten drängende Pseudozyste.

Links im Bild mäßig erweiterter Ductus Wirsungianus. In Bildmitte die Pseudozyste, die zum Teil ge- reinigt, zum Teil noch Zelldetritus enthält (Ansicht von hinten) Abbildung 3 (Mitte rechts): Duo- denalwandzysten bei chronischer Pankreatitis, Flachschnitt durch den Pankreaskopf und das Duodenum. Links im Bild Duo- denum, zum Teil eingeengt durch die (obere) Duodenalwandzyste.

Beachte den Unterschied zu der Zystenlage bei der Pseudozyste (Abbildung 2): Die Duodenal- wandzyste liegt in der Duodenal- wand, die Muskulatur wird aufge- splittert (deutlich bei der unteren Zyste)

Abbildung 4 (unten links): Duode- nalwandzysten bei chronischer Pankreatitis, Flachschnitt durch Pankreaskopf und Duodenal- wand. Oben Ductus choledochus, mäßig eingeengt, Bildmitte Duc- tus pancreaticus, durch die Ver- narbungen in der Zystenwand et- was eingeengt. Eine Reihe von vier miteinander kommunizieren- der Zysten in der Duodenalwand.

Beachte die Muskulatur als feine Schicht zwischen dem Pankreas- kopf (Ansicht von hinten) und den Zysten

Abbildung 5 (unten rechts): Große Duodenalwandzysten bei chroni- scher Pankreatitis. Flachschnitt durch den Pankreaskopf und Duodenalwand. Die großen Zy- sten engen das Lumen des Duo- denum ein (Indikation zur Opera- tion: Duodenalstenose). Gleich- zeitig Einengung des Ductus Wir- sungianus (rechte Bildmitte) mit Kalkinkrustationen

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Abbildung 8 (oben): Rin- nenpankreatitis. Rechts im Bild noch Rest des Duode- nums, Flachschnitt durch den Pankreaskopf. Im Bilde weiß das Narbengewebe zwischen dem Duodenal- rand und dem Pankreas- kopf, dessen Drüsenstruk- tur zwischen den großen Gängen noch erkennbar ist. Von oben kommen senkrecht in Richtung auf die Vatersche Papille der weite Ductus choledochus, rechts davon der Ductus Wirsungianus (Ansicht von hinten)

Abbildung 7 (rechts): Duo- denaldivertikel. Kastanien- großes Divertikel oberhalb der Vaterschen Papille. Der Ductus Wirsungianus und sein Ausfluß in die Vater- sche Papille wurde mit ei- nem roten Faden markiert.

Mündung des Ductus Wir- sungianus am unteren En- de des Divertikels

Abbildung 6 (links): Flach- schnitt durch Duodenal- wandzysten (histologisch).

Links Falten des Duode- nums, zart rosa: Brunner- sche Drüsen. Unmittelbar in der Muskulatur drei von einschichtigen Epithelien ausgekleidete Duodenal- wandzysten

Aktuelle Medizin

Abbildung 9: Schematische Ubersicht über die Divertikel-Pankreatitis, die Duodenalwand-Pankreatitis und die Rinnen- Pankreatitis: Gemeinsames pathogenetisches Prinzip: Teilverschluß des Ductus Wirsungianus

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 46 vom 13. November 1980 2713

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Chronische Pankreatitits

O nach der Phänomenologie O nach der Pathogenese.

0 Nach der Phänomenologie Sehr eindrucksvoll ist die kalzifizie- rende Pankreatitis. Sie ist in voll ent- wickeltem Zustand relativ leicht zu diagnostizieren, weil die Übersichts- aufnahme des Oberbauches bereits die Steine erkennen läßt. Sie hat da- her schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, insbesondere un- ter dem Einfluß der klinischen, rönt- genologischen, pathologisch-anato- mischen und epidemiologischen Studien der Marseiller Schule von H.

Sarles (16-20).

In Deutschland war die Erkrankung damals eine Rarität (Abbildung 1).

Mittlerweile ist die Welle der kalzifi- zierenden Pankreatitis auf uns zuge- kommen. Die Erkrankung ist heute bei uns genau so häufig wie in Süd- frankreich, ohne daß wir außer den üblichen Bemerkungen zur Wohl- standskränkheit sicher sagen könn- ten, woher dies kommt, da dem Al- kohol auch früher schon in beson- derer Weise zugesprochen worden ist. Da eine der pathogenetischen

„Sonderformen" die chronische Pankreatitis bei Hyperparathyreo- idismus darstellt, liegt der Gedanke nahe, daß diese Form in besonderer Weise mit der chronisch kalzifizie- renden Pankreatitis verknüpft sein könnte. Dies trifft aber nicht zu, da nur in einem Drittel der Fälle von chronischer Pankreatitis bei gleich- zeitig bestehendem Hyperpara- thyreoidismus eine kalzifizierende Pankreatitis vorliegt (21); mithin also in etwa der gleichen Größenord- nung vorkommt wie die übrigen Ur- sachen. Aus dem anatomischen Bild der chronisch kalzifizierenden Pan- kreatitis läßt sich die Ursache — etwa Hyperparathyreoidismus oder ähnli- ches — nicht ableiten (19). Aus dem Beispiel chronische Pankreatitis — einmal mit und einmal ohne Kalk — ergibt sich, daß die Kalkinkrustation im Pankreasparenchym und im Duc- tus pancreaticus nur eine Dreinga- be, nicht aber mit dem Wesen der Krankheit essentiell verknüpft ist.

Zudem setzt die Verkalkung erst mit der Leistungseinschränkung ein (3).

Zur Phänomenologie gehört auch die Pseudozyste, die in 35 Prozent aller Fälle von chronischer Pankrea- titis in allerdings unterschiedlicher Größe vorkommt (Abbildung 2). Die Pseudozysten geben uns insofern einen pathogenetischen Hinweis, als sie ein sicheres Anzeichen bilden für eine überstandene akute Pankreati- tis mit mehr oder weniger großen Organzerstörungen, die vielleicht unter einem klinisch nicht charakte- ristischen Bild ablief. Je nach Drä- nage durch das Gangsystem kann die Pseudozyste größer werden und

„wie ein Tumor" imponieren. Sie kann, wenn sie nicht zu groß ist, spontan organisiert werden.

Meist ist sie mit Cruor und Zelldetri- tus (Abbildung 2) angefüllt. Sie stellt damit keine akute Gefahr, wohl aber eine Gefährdung dar, weil der Zy- steninhalt infiziert und dann von ei- nem Antibiotikum nicht erreicht wer- den kann.

Nach der Pathomechanik Eine Unmasse von Versuchen wurde angestellt, um eine akute oder auch chronische Pankreatitis im Experi- ment zu erzeugen. Alle Experimen- tatoren beginnen damit, daß sie den Ausführungsgang abbinden, weil durch die in der Drüse zurückgehal- tenen Enzyme eine Selbstverdauung in Gang gesetzt werden soll. Eine solche Abbindung führt aber „nur"

zu einem Speichelödem, bei dem zwar auch Amylase im Blut nachge- wiesen werden kann, bei dem auch das Parenchym durch eine fibrosie- rende Pankreatitis gemäß dem Ban- ting- und Best-Modell allmählich untergeht, bei dem aber keine tryptische Nekrose beobachtet wird (6, 7, 5).

Die Kenntnis des Speichelödems vermittelt uns einen Einblick in die drüseneigene Abwehr, in die Physio- logie und in die Besonderheiten der Speichelabgabe, nicht aber in die Entstehungsweise der akuten oder chronischen Erkrankung.

Dagegen gibt es andere pathogene- tische Sonderformen:

0

Bei etwa 35 Prozent aller Fälle von chronischer Pankreatitis findet man echte Zysten in der Wandung des Duodenums (25, 26). Diese Zy- sten haben mit der Bauchspeichel- drüse primär nichts zu tun, sie ver- mögen aber den Ductus Wirsungia- nus an der großen und den Ductus Santorini an der kleinen Papille ein- zuengen. Sie kommen einzeln oder auch zu mehreren vor (Abbildung 3), sind unterschiedlich groß (Abbil- dung 4), oval der Duodenalwand an- gepaßt, gelegentlich auch prall ge- füllt und vermögen dann das Lumen des Duodenums einzuengen (Abbil- dung 5). Sie liegen in der Dünndarm- wand unter der Tunica muscularis mucosae, manchmal auch in der Muscularis propria, die dann aufge- spalten ist, und sind von Darmepi- thel ausgekleidet. Oft sind reichlich schleimbildende Becherzellen vor- handen, seltener Reste von Brunner- schen Drüsen (Abbildung 6). Ihre Genese ist unklar, vor allem ist ihre Beziehung zu der chronischen Pan- kreatitis nicht geklärt (25, 26). Diese Zysten können aber für die Entste- hung der Pankreatitis insofern eine Rolle spielen, als sie in der Lage sind, durch wechselnde Füllung die Pankreasausführungsgänge unter- schiedlich einzuengen und so den Abfluß in das Duodenum zu behin- dern.

Bei den Fällen von chronischer Pan- kreatitis, bei denen die Duodenal- wandzysten eine Rolle spielen, spre- chen wir von der Duodenalwandzy- sten-Pankreatitis.

0

Ganz ähnlich liegen die Verhält- nisse bei der Divertikelpankreatitis (5). Das perivaterianische Divertikel ist kein seltenes Ereignis. Im unaus- gewählten Sektionsgut findet man es unter geeigneten Präparationsbe- dingungen in etwa 20 Prozent der im Erwachsenenalter Verstorbenen (26). Ähnliche Zahlen haben Zilly und Tschöp (31) angegeben. Ein sol- ches Divertikel stellt eine Aussak- kung der Duodenalwand in der Um- gebung der Vaterschen Papille dar (Abbildung 7).

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Chronische Pankreatitis

Gelegentlich kommt es zu Retentio- nen, die durch die ausgedünnte Muskulatur nicht wieder herausge- preßt werden können. Eine Erosion, eine Exulzeration im Divertikel, eine Divertikulitis und Peridivertikulitis sind die Folge.. Verantwortlich für die Einengung der Ausführungsgän- ge kann auch eine Vernarbung mit

„harter" kollagener Bindegewebs- schicht werden. Der emanzipiert ver- laufende Gallengang kann eher aus- weichen. Bei Druck durch Divertikel und durch Duodenalwandzysten kommt es zu keinem dauerhaften Verschluß, sondern nur zu einer Be- hinderung als begünstigendem Fak- tor (10). Die Divertikelpankreatitis kommt relativ selten vor. In unserem Material ist sie mit 2 Prozent vertre- ten (26).

® Eine weitere Art der Behinderung des Ausflusses kann durch eine ei- genartige Form der topographi- schen Ausbreitung und einer Ver- narbung entstehen: die Rinnenpan- kreatitis (Abbildung 8). Durch ei- ne der chronischen Pankreatitis vorausgehende akute segmentale Kopfpankreatitis, die vorwiegend peripherisch verläuft, kann eine Nar- benschicht in der „Rinne" zwischen dem Duodenum und dem Pankreas- kopf entstehen. Durch sie wird der Pankreasgang — gelegentlich auch der Ductus choledochus — einge- engt. Im ERCP-Bild und in der Duo- denal-Prallfüllung wird nicht selten ein Pankreaskopfkarzinom vorge- täuscht. Die restliche Bauchspei- cheldrüse — Corpus und Cauda — sind zunächst noch nicht beteiligt.

Das Bild weist auf die Möglichkeit der Entstehung einer chronischen Pankreatitis durch eine Abflußbehin- derung im Gangsystem hin. Die Kenntnis dieser Rinnenpankreatitis ist nicht nur wegen der Differential- diagnose gegenüber dem Pankreas- karzinom wichtig, sondern auch weil nach Ausschluß des Karzinoms die operative Erhaltung von Pankreas- körper und -schwanz möglich ist.

Im eigenen Material ist die Rinnen- pankreatitis mit 10 Prozent an den Fällen von chronischer Pankreatitis beteiligt. Sie ist also nicht ganz selten.

® Die Rinnenpankreatitis bildet ein Beispiel aus der Reihe der segmen- talen Pankreatitiden, sie ist eine to- pographische Sonderform. Neben ihr gibt es auch noch segmenta- le Schwanzpankreatitiden, häufiger aber ist die segmentale Kopfpan- kreatitis. Die Ursache solchen seg- mentalen Befalls ist im Einzelfall nicht immer zu klären. Nicht selten läßt sich im anatomischen Pankrea- togramm am Operationspräparat ei- ne Einengung des Ganges etwa am Übergang von Corpus in Cauda nachweisen.

Die Sonderformen lassen sich alle durch den gleichen pathogeneti- schen Risikofaktor — eine Einen- gung — erklären. Sie zeigten die Ein- engung, nicht den totalen Verschluß als Risikofaktor (Abbildung 9).

Die Frage Einengung oder Ver- schluß ist wichtig im Hinblick auf die neue Okklusionstherapieder chroni- schen Pankreatitis (8, 9). Wenn es gelingt, die Produktion des Bauch- speichels durch den subtotalen Ver- schluß des gesamten Gangsystems mit allen seinen Verzweigungen zu stoppen, dann bedeutet das die bal- dige Atrophie der Drüse mittels De- fektheilung — aber langzeitig die Er- haltung des Inselapparates. Wird aber nur ein Teilverschlu ß erreicht, dann wird die Okklusion eine weite- re Ursache, und damit ein weiterer Risikofaktor für den Unterhalt der chronischen Pankreatitis. Ein Heilef- fekt ist dann nicht erreicht.

Eine ganz andere pathogenetische Beeinflussung der Bauchspeichel- drüse haben wir erst in der letzten Zeit kennengelernt. Es war schon immer die Frage, ob die akute Pan- kreatitis durch das Shwartzman-Sa- narelli-Phänomen zu erklären ist (11, 27, 28, 29, 30) und ob bei der chroni- schen Pankreatitis auch Autoim- munvorgänge eine Rolle spielen. Die Arbeitsgruppe von Seelig und Seelig (23, 24) hat die Bedeutung des Kom- plementes für die Auslösung der akuten Nekrose gezeigt.

Der zytotoxische Effekt ist durch ih- re Arbeit weiter differenziert und analysiert worden, so daß an der Be-

deutung des Komplementes 3 für die Auslösung bestimmter Formen der akuten tryptischen Pankreatitis kein Zweifel mehr besteht. Die Frage, wie oft dieser Mechanismus als verursa- chend angesehen werden muß, ist zwar noch nicht geklärt, die Frage nach den immunologischen Mecha- nismen bei der Unterhaltung der chronischen Pankreatitis kann heu- te im Prinzip aber bejaht werden, weil es in Tierversuchen gelungen ist, autoimmunologische Prozesse in Gang zu setzen und chronische Pankreatitiden zu erzeugen (14, 15).

Die Übertragung der im Tierversuch gewonnenen Ergebnisse auf die menschliche Erkrankung steht noch aus. Es scheint aber trotzdem schon jetzt klar, daß in einem bis heute noch nicht zu nennenden Prozent- satz die chronische Pankreatitis — wenn sie auch nicht ursächlich durch autoimmunologische Vorgän- ge in Gang gesetzt wird — bei ent- standener tryptischer Nekrose in der Drüse durch derartige Prozesse un- terhalten wird.

Zusammenfassung

Die Sonderformen der Phänomeno- logie und Pathogenese geben einen Einblick in den Ablauf der chro- nischen Pankreatitis. Sie machen deutlich, daß die Einengung, nicht der Verschluß des Gangsystems ei- ne entscheidende Rolle spielt. Damit ist nichts über die Ätiologie ausge- sagt, für die es auch „Sonderfor- men" geben mag.

Die üblichen Angaben zur Ätiologie

— Alkohol, Gallensteine, idiopathi- sche Sonderursachen — bilden in er- ster Linie statistisch gesicherte Ko- inzidenzen und sind daher sicher einsetzbare Größen.

Die Ätiologie läßt sich eher mit stati- stischen Mitteln fassen als die Pa- thogenese: Die pathogenetischen

„Sonderformen" sind jedoch nicht korreliert mit den statistisch gesi- cherten Bezügen zu Alkohol und Gallenstein. Bei ihnen sind zum Bei- spiel die alkoholisch verursachten Krankheitsformen ebenso häufig wie in anderen Gruppen. Daraus

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 46 vom 13. November 1980 2715

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FÜR SIE GELESEN

Die kontinente lleostomie nach Kock wird seit elf Jahren in Göteborg praktiziert. Kommt sie bei Morbus Crohn zur Anwendung, so liegt die Komplikationsrate bei 27 Prozent. 97 Prozent aller mit Nippelklappe ver- sorgten Patienten sind kontinent.

Rezidive treten zu gleichen Teilen im Reservoir oder in den unmittelbar voranliegenden Dünndarmabschnit- ten auf.

Störungen der Sexualfunktion In der prospektiven Studie über den Effekt der Rektumresektion auf die männliche Sexualfunktion wird aus- geführt, daß erhebliche Störungen bei der Operation entzündlicher Rektumerkrankungen in 11 Prozent zu erwarten sind. Bei Karzinomre- sektion dieses Darmabschnitts liegt die Inzidenzrate bei 50 Prozent. Die Karzinompatienten haben allerdings meist ein höheres Lebensalter, und die postoperative Dysfunktion der Sexualität tritt bei Patienten unter 50 Jahren nur in geringem Maße oder überhaupt erst jenseits der fünfziger Jahre auf.

Komplikationen des Urinaltrakts 20 Prozent aller Patienten mit Mor- bus Crohn haben Komplikatio- nen des Urinaltrakts, meist Zystitis.

Blasenentzündungen rezidivieren mehrfach mit drei bis vier Attacken im Jahr. 3 von 328 Patienten bekom- men eine chronische Pyelonephritis.

Nur einzelne Patienten haben eine Hydronephrose oder gar Pyone- phrose. 8 Patienten haben eine ileo- vesikale Fistel (fast immer Männer!).

Die Fisteln verlangen nach Ansicht der Autoren weder aggressive Dia- gnostik noch radikale Chirurgie.

Indikationen zur

totalen parenteralen Ernährung Bis zu 40 Prozent aller Patienten er- fahren eine Besserung der Enteritis regionalis Crohn durch die teure, im

Mittel über 37 Tage vorgenommene totale parenterale Ernährung (TPE).

Für die TPE bestehen folgende Indi- kationen:

4)

schwere Kolitis

O starke Ausdehnung des entzünd- lichen Befundes

E)

schlechter Ernährungszustand

• kein Ansprechen auf Medika- mente

O unbeherrschbare Diarrhöen.

Auch bei enterokutanen Fisteln hat die TPE einen günstigen Effekt.

Elektive Operationen können nach TPE vermieden, verzögert oder un- ter besseren Bedingungen vorge- nommen werden. Eine negative Stickstoffbilanz kann sich umkeh- ren. In einem Drittel der Fälle treten in der langen Zeit der TPE erhebli- che Katheterkomplikationen auf.

(Kathetersepsis, Thrombophlebitis, Luftembolie, Pneumothorax).

Die Rezidivrate des Morbus Crohn wird nach Ansicht von Glotzer nach chirurgischer Sanierung ungerecht- fertigt hoch angesetzt. Sie liegt nach dessen Ansicht und Beweisführung nicht bei 30 bis 40 Prozent, sondern tatsächlich bei 16 Prozent. Ldr

Kock, N. G., Myrvold. H. E., Nilsson, L. 0.:

Progress Report on the Continent Ileostomy, World J. Surg. 4 (1980) 143-148, Department of Surgery II. Sahlgrenska Sjukhuset, University of Göteborg. Göteborg, Schweden — Fazio, V.

W., Fletcher, J., Montague, D.: Prospective Study of the Effect of Resection of the Rectum on Male Sexual Function, World J. Surg. 4 (1980) 149-152, Department of Colon and Rec- tual Surgery and Urology, Cleveland Clinic Foundation, Cleveland, Ohio 44 106, USA — Kyle, J.: Urinary Complications of Crohn's Dis- ease, World J. Surg. 4 (1980) 153-160, Gastro- enterology Research Unit, Royal lnfirmary, Ab- erdeen AB 9 2Zb Scotland, Großbritannien — Descos, L., Vignal, J.: Total Parenteral Nutri- tion in the Management of Crohn's Disease, World J. Surg. 4 (1980) 161-162, Hospital Edouard Herriot, Pavillon H. Bis, Place d'Ar- sonval, 69374 Lyon, Cödex 2, France — Glotzer, D. J.: Recurrence in Crohn's Colitis: The Num- bers Game, World J. Surg. 4 (1980) 173-182, Beth Israel Hospital, 330 Brookline Avenue.

Boston, Massachusetts 02215. USA

Chronische Pankreatitis

wird deutlich, daß die pathogeneti- schen Spotlights von ganz verschie- denen Richtungen ausgehen und daß Entstehung und Verlauf der Er- krankung durch vielerlei gleichzeitig bestehende Faktoren zu erklären sind.

Aus der Betrachtung der „Sonder- formen" ergibt sich aber ein allge- meinpathologischer Gesichtspunkt:

Nur die genaue Analyse des Einzel- falles gibt einen Einblick in die Pa- thogenese des betreffenden Falles.

Sie bereichert unser Verständnis für die vorliegende Erkrankung, denn jeder Kranke ist ein „Sonderfall".

Literatur

Ammann, R.: Zur vaskulären Genese der chro- nischen Pankreatitis, Tatsachen und Hypothe- sen, Dtsch. med. Wschr. 101 (1976) 867-868 — Becker, V.: Bauchspeicheldrüse (Inselapparat ausgenommen) in: Doerr-Seifert-Uhelinger, Spezielle pathologische Anatomie, Bd. 6 (1973) — Doerr, W.: Pathogenese der akuten und chronischen Pankreatitis, Verhandl.

Dtsch. Ges. Inn. Med. 70 (1964) 718-758 — Gebhardt, Ch., und Stolte, M.: Pankreasgang- Okklusion durch Injektion einer schnellhärten- den Aminosäurelösung, Experimentelle Stu- dien, Langenbecks Arch. Chir. 346 (1978) 149-166 — Richter, K.: Immunserum-induzierte Pankreatitis der Ratte, Verh. Dtsch. Ges. Path.

62 (1978) 475 — Sarles, H., u. Singer, M.: Akute und chronische Pankreatitis, Das gastroente- rologische Kompendium Bd. 4 — Seelig, R., und Seelig, H. P.: The Possible Role of Serum Complement in the formal Pathogenesis of acute Pancratitis, Acta Hepato-Gastroen- terologica 22 (1975) 263-268, 335-346 — Stolte, M.: Cysten in der Duodenalwandung und chro- nische Pankreatitis, Verhandl. Dtsch. Ges.

Path. 60 (1976) 320 — Stolte, M.: Beitrag zur Pathogenese der chronischen Pankreatitis.

Morphologie-Pankreatikographie-Differential- diagnose, Habil. Schrift (Med.) Erlangen-Nürn- berg, (1979) — Zilly, W., und Tschöp, M.: Zur Frage der klinischen Bedeutung von Duode- naldivertikeln, K. Demeter-Verlag Gräfelfing (1977)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Volker Becker Direktor des

Pathologischen Instituts der Universität

Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 8-10 8520 Erlangen

Behandlung der Enteritis regionalis

Referenzen

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