angel- und Fehlernährung im Krankenhaus ist ein eu- ropaweit zunehmendes Pro- blem, dem bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Diese Einstellung sollte geän- dert werden, denn Mangelernährung senkt die Lebensqualität und erhöht das Sterberisiko. Der Europarat, dem 41 Staaten mit 750 Millionen Einwoh- nern angehören, hat sich diesem Pro- blem angenommen: Auf Initiative des Public Health Committee des Euro- parates wurde kürzlich eine Ad-hoc- Gruppe „Nutrition Programmes in Hospitals“ ins Leben gerufen, die bis März 2001 Richtlinien zur Prävention und Therapie der Mangelernährung im Krankenhaus entwickeln soll. Die Richtlinien werden für die 18 Mit- gliedstaaten gelten, die das „Partial Agreement in the Social and Public Health Field“ ratifiziert haben.
Prävalenz erfassen
Ein Arbeitsprogramm wurde vereinbart, das unter anderem die Prävalenz der Mangelernährung in den einzelnen Staaten erfassen soll.
Darüber hinaus sind Maßnahmen vorgesehen, die die ernährungsme- dizinische Ausbildung („need for improved training in nutrition for staff“) intensivieren sollen. Der Be- griff „staff“ bezieht sich auf Ärzte und medizinisches Fachpersonal. Dies ist insofern wichtig, als das Arbeitspro- gramm auch Fragen der Zusammen- arbeit und Kompetenz verschiedener Berufsgruppen bei der Bekämpfung der Mangelernährung im Kranken- haus betrifft.
Die Akademie für Ernährungs- medizin Hannover, eine Arbeitsge- meinschaft von zwölf deutschen Ärz- tekammern, unterstützt die Initiati- ve des Europarates. In allen nieder- sächsischen Krankenhäusern wurde eine Umfrage durchgeführt, die auf einem Fragebogen der Ad-hoc-Grup- pe („Revised Questionnaire“) basier- te. Von den 160 kooperierenden Kli- niken und Abteilungen wurde
❃ die Initiative des Europarates mehrheitlich als notwendig eingestuft,
❃ die Prävalenz der Mangel- ernährung bei allen Patienten auf et- wa drei bis 20 Prozent geschätzt,
❃ die Prävalenz bei Senioren ähnlich hoch angegeben wie bei Krebspatienten.
Der Wert der Umfrage besteht unter anderem darin, dass sie die Krankenhäuser über die Initiative des Europarates informiert und für Pro- bleme der Mangel- und Fehlernährung sensibilisiert. Eine enge Kooperation mit den Krankenhäusern ist aus Sicht des Vorstandes der Akademie, dem die Präsidenten der kooperierenden Ärztekammern angehören, für die praxisnahe Gestaltung der Richtlinien – und damit letztlich für den Erfolg der Initiative des Europarates – von großer Bedeutung. Beschlossen wurde auch, dass die Ärztekammern analoge Umfragen in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen und Sachsen- Anhalt durchführen.
Mit dem Ziel, die ernährungsme- dizinische Versorgung der Bevölke- rung, und damit auch die der Kran- kenhauspatienten, zu verbessern, för- dert die Bundesärztekammer seit Jah- ren Maßnahmen zur Intensivierung
der Aus-, Weiter- und Fortbildung auf diesem Gebiet. Unter Federführung zahlreicher Ärztekammern werden ernährungsmedizinische Kurse nach einheitlichen Qualitätskriterien (Cur- riculum Ernährungsmedizin) ange- boten und zertifiziert. In der Satzung der Ärztekammer Niedersachsen ist inzwischen eine Fachkunde Ernäh- rungsmedizin verankert. Diese und andere Aktivitäten haben das Inter- esse der Ärzteschaft an ernährungs- medizinischer Qualifikation erheb- lich gesteigert. Auch dies unterstützt die Initiative des Europarates.
Neue berufliche Perspektiven
Aus der Initiative des Europara- tes könnten die Patienten allerdings nur dann unmittelbaren Nutzen zie- hen, wenn gleichzeitig günstige Rah- menbedingungen für die Umsetzung der zu erarbeitenden Richtlinien ge- schaffen würden, erklärte der Vor- stand der Akademie. Die Zahl der von Ärzten geleisteten Überstunden habe ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Es wäre daher unrealistisch anzunehmen, dass die Probleme der Mangelernäh- rung im Krankenhaus einfach gelöst werden könnten, indem man den Ärz- ten zusätzliche Aufgaben überträgt.
Der Vorstand hält es daher für not- wendig, die anfallende Mehrarbeit zu quantifizieren, um Konzepte zur Be- wältigung entwickeln zu können.
Die Initiative des Europarates ist begrüßenswert und eröffnet für Ärzte neue berufliche Perspektiven. Gerade im Interesse der jungen Ärztegenera- tion scheint es geboten, sie zu unter- stützen. Im Übrigen gehört es nicht nur im Krankenhaus zu den ärztlichen Aufgaben, Mangelernährung zu be- kämpfen, sondern auch im ambulan- ten Bereich.
Beteiligte Autoren: Peter Schauder, Ur- sula Auerswald, Walter Brandstädter, Andreas Crusius, Heyo Eckel, Henning Friebel, Friedrich-Wilhelm Kolkmann, Jan Schulze, Udo Wolter
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Peter Schauder Akademie für Ernährungsmedizin Berliner Allee 20
30175 Hannover A-354 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 7, 18. Februar 2000
Europarat-Initiative
Mangelernährung – ein zunehmendes Problem
Die Akademie für Ernährungsmedizin Hannover
unterstützt die Initiative des Europarates zur Bekämpfung von Mangel- und Fehlernährung im Krankenhaus.
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