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Archiv "Ovarialkarzinom: Das prognostisch ungünstigste Genitalkarzinom" (20.04.1989)

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Ovarialkarzinom:

Das prognostisch ungünstigste Genitalkarzinom

J. Matthias Wenderlein

Das Ovarialkarzinom ist nach Brust- und Dickdarm- Krebs die dritthäufigste Todesursache. Welche Risiko- faktoren sind bekannt? Wie steht es mit der Entdeckung und Abklärung von Ovarialtumoren? Bei der präoperati- ven Diagnostik ist zu bedenken, daß meist nur die Lapa- rotomie exakt Art und Stadium der Tumorerkrankung klärt. Maximale Tumorreduktion ohne Zurücklassen von Tumorresten über zwei Zentimeter Durchmesser läßt hilfreiche Chemotherapie erwarten.

as Ovarialkarzinom steht in der Häufigkeit maligner Tumoren bei der Frau an fünfter Stelle, als Genitalkrebs an dritter Stelle. Bei jährlich 15 Neu- erkrankungen pro 100 000 Frauen ist die altersabhängige Inzidenz zu be- denken. Bei 30- bis 40jährigen ist mit etwa sieben, bei über 70jährigen mit über 50 Neuerkrankungen pro Jahr zu rechnen. Neben dem Risikofaktor Alter ist eine hohe Ovulationsanzahl bekannt. So haben unverheiratete Frauen, Nulliparae und jene mit hö- herem Sozialstatus ein erhöhtes Ovarialkarzinom-Risiko. Die längere Ovulationshemmer-Einnahme hat einen gewissen protektiven Effekt.

Eine relative Risikominderung von 1 auf 0,6 wurde errechnet.

Bei zirka 70 Prozent der Frauen mit Ovarialkarzinom läßt sich keine dauerhafte Heilung erreichen. Der Krankheitsverlauf läßt sich nur mehr oder minder verzögern, trotz ausge- dehnter Operationen und aggressi- ver Chemotherapie-Kombinationen und/oder Strahlentherapie. Das gilt nicht selten auch für kleine Tumoren mit Zelldissemination oder Oberflä- chendurchbruch und damit schlech- ter Prognose. Bei etwa drei von sie- ben entdeckten malignen Adnextu- moren handelt es sich um Fernmeta- stasen von Tumoren mit anderer Pri- märlokalisation.

Methoden für ein effektives Früherkennen von Ovarialkrebs feh- len derzeit ebenso wie eine generelle Prophylaxe. Etwa jeder zehnte Ova- rialkrebs wird im Rahmen der Vor- sorge oder zufällig entdeckt. Bei neun von zehn Frauen führen recht unterschiedliche, unspezifische Sym- ptome zum Arzt, der meistens einen Ovarialkrebs im fortgeschrittenen

Stadium feststellt. Das Ovarialkarzi- nom stellt die dritthäufigste Todes- ursache nach Mammakarzinom und Dickdarmkarzinom dar.

1. Präoperative Abklärung

Bei Tumoren im kleinen Becken lassen sich präoperativ mittels So- nographie und CT neben der Organ- zugehörigkeit, Größe und Konsi- stenz auch sekundäre Veränderun- gen durch den Tumor nachweisen, wie Aszites und Stauungsniere. Wei- ter interessiert präoperativ, ob ein Konglomerat mit Darmschlingen be- steht und sich Metastasen in Netz oder Leber befinden.

Auch bei Ovarialtumoren sind nicht selten Dignitätsaussagen mit indirekten Methoden begrenzt. Die sonographische Treffsicherheit wird zwischen 40 und 90 Prozent einge- stuft. Die präoperative Diagnostik ist auf wenig belastende Methoden zu beschränken, da ohnehin zu laparo- tomieren ist Ähnliches gilt später für die Verlaufskontrolle der Che- motherapie.

Bei der präoperativen Abklä- rung ist vor Punktionsversuchen zu warnen wegen des Risikos, daß Tu- morzellen in die freie Bauchhöhle austreten und dort einen guten Nährboden finden. Nur beim Rezi- div eines früher diagnostizierten und behandelten Ovarialkarzinoms sind Tumorpunktionen erlaubt. Gleiches gilt für Patientinnen mit sehr schlechtem Allgemeinzustand und damit zu hohen Risiken für eine La- parotomie. Dabei stellt sich die Fra- ge, ob das Punktionsergebnis thera- Frauenklinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Christian Lauritzen) der Universität Ulm

peutische Konsequenzen hat. — Bei Adnextumoren nach der Menopause ist an Metastasen eines Korpuskarzi- noms zu denken und die fraktionier- te Abrasio zu überlegen, denn bei Zervixbefall bedeutet das eine Wert- heim-Operation.

Beim Ovarialkarzinom ist neben der Ko-Inzidenz mit Korpuskarzi- nom auch an das Mammakarzinom zu denken. Frauen mit Ovarialkarzi- nom haben ein vier- bis fünfmal hö- heres Risiko, an Mammakarzinom zu erkranken.

Ovarialmalignome sind zu zirka 20 Prozent Metastasen eines Gastro- intestinaltumors, bis 10 Prozent ei- nes Korpuskarzinoms und bis zu 30 Prozent eines Mammakarzinoms.

Präoperativ bedeutet die gründ- liche Darmvorbereitung durch me- chanische Entleerung für nicht weni- ge Patientinnen ein bewußtes Aus- einandersetzen, mit Darmresektion und eventuell mit einem Anus prae- ter leben zu müssen.

Bei der OP-Einwilligung ist ex- plizit, vor allem bei jüngeren Frauen, darauf hinzuweisen, daß im allge- meinen ein großer Zugang zur Bauchhöhle zur operativen Explora- tion von Oberbauch- und Paraaortal- Bereich gewählt werden muß. Bei Ovarialkarzinom-Verdacht ist eine weitergehende und pauschalere Zu- stimmung zu intraoperativ sich erge- benden Operationserweiterungen, insbesondere Darmeingriffen, nötig als bei den übrigen Genitalkrebsen.

2. Intraoperative Aspekte

Trotz Sonographie und CT er- möglicht oft erst die Laparotomie die definitive Stadiumbestimmung.

Vom ausgedehnten Längsschnitt sind systematische Untersuchungen A-1130 (60) Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989

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und maximale Tumorreduktion als primäre Therapiemaßnahmen weiter wichtig. Denn für eine erfolgreiche Chemotherapie dürfen nur Tumor- reste von weniger als zwei Zentime- ter Durchmesser zurückbleiben, oder es müssen über 90 Prozent der Tumormasse entfernt werden.

Auch kleinste Tumorabsiedlun- gen sind zu beachten, möglichst zu entfernen oder zumindest gut zu do- kumentieren. Gynäkologen, die Ova- rialkrebse operieren, brauchen Er- fahrungen in Abdominal-Chirurgie und müssen sich auf operative Kom- plikationen einstellen wie massive Blutungen, Blasen-/Urether-Läsio- nen, Darmeröffnung, Darmatonie, Platzbauch, Wundinfektionen und so weiter.

Bei den chirurgischen Maßnah- men ist unter prognostischen Aspekten die Entscheidung „inope- rabel" reiflich zu überlegen. Das Wachstum von Ovarialkrebsen geht oft entlang der intraabdominalen Wand- beziehungsweise Organ- Strukturen. Damit sind nicht selten mehr Möglichkeiten organerhalten- den Vorgehens gegeben als etwa bei fortgeschrittenem Zervixkrebs.

3. Postoperatives Vorgehen

Auch beim scheinbar nur auf das Ovar oder das kleine Becken be- schränkten Ovarialkrebsen lassen sich mikroskopisch Tumorzellen meist in der gesamten Bauchhöhle bis unter dem Zwerchfell nachwei- sen. Therapien mit Platin-Verbin- dungen sind daher oft indiziert.

Trotz reichlicher Flüssigkeitszufuhr mit forcierter Diurese sind renale tu- buläre Läsionen nicht immer ver- meidbar. Die Neurotoxizität kann neben Parästhesien und Taubheits- gefühl, insbesondere im Finger- und Zehenbereich, auch völlige Gefühl- losigkeit, progediente Muskelschwä- che bis hin zu motorischen Lähmun- gen und Obstipation bis hin zum pa- ralytischen Ileus bewirken.

Solche bedrohliche Komplika- tionen mit langsamer Rückbildung nach Absetzen der Therapie kom- men bei ausreichend ärztlicher Er- fahrung mit Zytostase selten vor.

Von Carboplatin sind weniger Pro-

bleme zu erwarten als von Cisplatin, ausgenommen die myelosuppressive Wirkung.

Von Platinbehandlungen sind im Stadium III und IV mittlere Überlebenszeiten von etwa zwei Jah- ren zu erwarten. Von den gebräuch- lichen Zytostasebehandlungen wer- den derzeit Remissionen bis 80 Pro- zent, Vollremissionen bis zu etwa ei- nem Drittel beschrieben. Die Zyto- stase-Therapie sollte nicht an den Remissionsraten gemessen werden, sondern sinnvoller an den Jahren re- zidivfreien Überlebens!

Die Second-look- beziehungs- weise auch Third-look-Operation zur Erfolgs-Kontrolle der Chemo- therapie ist obligat, wenn bei der pri- mären Operation nicht sicher alles Tumormaterial entfernt wurde. Ob weiter eine Chemotherapie notwen- dig ist, läßt sich bis heute am sicher- sten durch diese Nachschau-Opera- tionen entscheiden. Neben dem Ver- meiden von Überbehandlungen mit Zytostase sollen Nachschau-Opera- tionen bei vorausgehenden, recht unvollständigen Operationen eine maximale Tumorreduktion bewirken oder klären, ob inoperable Befunde durch Zytostase operabel wurden.

Die postoperative Verlaufskon- trolle mit Tumormarkern ist noch nicht recht zufriedenstellend. Sinn- volle Zeitabstände sind zu wählen.

Einfacher als den Abfall der Tumor- marker nach der Operation zu kon- trollieren, ist ein ausführliches Lesen des Operationsberichtes. Der Tu- mormarkerabfall sagt eventuell we- nig aus, wenn es sich um eine recht heterogene Zellpopulation handelt.

Ähnliches gilt für einen Tumormar- keranstieg mit diversen Ursachen.

Neben Tumorwachstum ist auch an Gewebsschäden und Entzündungen zu denken.

Eine Besonderheit sind ovarielle Borderline-Tumoren, also Zellver- mehrungen mit zellulären Atypien ohne Invasionsentwicklung. Sie stel- len eine Gruppe zwischen gutartigen Kystomen und eindeutigen Krebsen dar. Bei diesen Übergangstumoren zwischen Gutartigkeit und Bösartig- keit führen radikales und „unvoll- ständiges" Operieren bei Langzeit- beobachtung zu ähnlichen Überle- benskurven.

4. Tumornachsorge

Wegen schlechter Früherken- nungsmöglichkeiten werden weiter 80 Prozent der Tumoren bei der Pri- märbehandlung bereits im Stadium III und IV sein, also ohne Heilungs- chancen. Die 5-Jahres-Heilungsra- ten in diesen Stadien werden zwi- schen 0 und 10 Prozent angegeben.

80 Prozent der Ovarialkrebse wer- den nach dem 50. Lebensjahr dia- gnostiziert Hohes Lebensalter be- deutet bereits schlechtere Prognose.

Bei subtotaler Tumorresektion wegen ungünstiger Tumorlokalisa- tion mit in der Regel recht schlechter Prognose sind viele helfende Ge- spräche nötig Ähnliches gilt für Me- tastasen außerhalb der Bauchhöhle, zum Beispiel ausgedehnt im Bereich der Lunge oder multiplem Metasta- senbefall der Leber. „Rezeptartige"

Verhaltensanleitungen für offene Gespräche mit diesen Patientinnen sind sinnlos Hilfreich sind bekannt- lich Balint- und ähnliche Gruppener- fahrungen dazu.

Bei Tumorprogredienz trotz Chemotherapie ist ein Chemothera- piewechsel selten längerfristig er- folgreich Ähnliches gilt für Opera- tionen und Radiatio. Oft bleibt bei Ileusproblemen nur das Anlegen von Darmanastomosen oder Anus praeter. Bei gutem Allgemeinzu- stand und lokaler Metastasierung ist zweifelsohne die palliative Strahlen- therapie hilfreich.

Frauen mit Ovarialkarzinom im Finalstadium haben selten einen

„gnädigen" Tod durch Urämie zu er- warten. Häufiger haben sie mit quä- lenden Ileusproblemen bei vollem Bewußtsein zu kämpfen. Im Final- stadium sind das andauernde Erbre- chen, der quälende Durst mit massi- ver Unruhe, sehr schmerzhaft ge- blähtes Abdomen mit Zwerchfell- hochstand und Atemnot intensivst interdisziplinär zu behandeln. Nur dann bleibt Freiraum für persönliche Zuwendung von seiten des Arztes und der Angehörigen.

Herrn Prof, Dr. Ch. Lauritzen zum 65. Ge- burtstag gewidmet.

Prof. Dr. med.

J. Matthias Wenderlein Universitäts-Frauenklinik Prittwitzstraße 43 7900 Ulm Dt. Ärztebl. 86, Heft 16, 20. April 1989 (63) A-1131

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