DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Zahlreiche Entschließungen gegen Einzelbestimmungen des Regierungs- entwurfs • Vorschläge für eine
gezielte Gesundheitsförderung • Neue, ergänzte Fassung der Berufs- ordnung für die deutschen Ärzte 10. bis 14. Mai in Frankfurt/Main
Der Ärztetag bekräftigt die Grundpfeiler für eine
sachgerechte Strukturreform
Drei Schwerpunkte hatte die Arbeit des 91. Deutsche Ärzteta- ges in Frankfurt: Neufassung der ärztlichen Berufsordnung, Struk- turreform im Gesundheitswesen und Gesundheitsförderung. Dem Ärztetag vorangegangen waren Veranstaltungen ärztlicher Orga- nisationen, so eine Sitzung der Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (dazu Berichte in Heft 20/1988)
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ie Neufassung der „Be- rufsordnung für die deut- schen Ärzte" hatte bereits im vorigen Jahr auf der Tagesordnung des Deutschen Ärzte- tages gestanden. Das Thema war, wie sich in Frankfurt zeigte, jetzt wahrhaftig überfällig, sind doch in den letzten Jahren viele Fragen of- fen geblieben, zu denen in der Be- rufsordnung klare Antworten gege- ben werden müssen. Um nur zwei zu nennen: Die sich abzeichnende Überfüllung des ärztlichen Berufes oder die biomedizinische Forschung sind Herausforderungen auch für die Berufsethik. So hatte der Vorstand der Bundesärztekammer im Verein mit dem Präsidium des Deutschen Ärztetages die Berufsordnung als Punkt 1 auf die Tagesordnung ge- setzt. Referent war Dr. Wilhelm Baldus. Er ist Präsident der Ärzte- kammer Westfalen-Lippe und somit Mitglied des Vorstandes der Bun- desärztekammer und vom Vorstand mit dem Vorsitz des „Ausschusses und der Ständigen Konferenz zur Beratung der Berufsordnung für die Deutschen Ärzte" betraut. Uber die Forschung an menschlichen Em- bryonen wurde in Frankfurt heftig diskutiert. Das war nach den Aus-einandersetzungen der jüngsten Zeit (dazu auch Heft 10: „Forschung an Embryonen — Kanalisieren oder ver- bieten?") zu erwarten. Der Ärzte- tag kam mehrheitlich, wenn auch knapp, zu einem Ergebnis, das sei- ner bisherigen Meinungsbildung in etwa entspricht: die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken soll berufsrechtlich verboten sein.
Die Forschung an Embryonen, die als Folge einer In-vitro-Fertilisation
„anfallen", soll „grundsätzlich" un- tersagt bleiben.
Blüm vermochte nicht zu überzeugen
In der Öffentlichkeit ist dieses Beratungsergebnis auf kritische Re- sonanz gestoßen. Öffentlich kaum beachtet waren hingegen die Be- schlüsse über die (unbezahlte) Gast- arzt- und Volontärtätigkeit. Sie sind gleichwohl innerärztlich von einiger Bedeutung. Der Ärztetag sprach sich eindeutig gegen solche Beschäf- tigungen aus.
Der zweite Schwerpunkt: die Strukturreform. Die Beratungen wurden eingeleitet durch Referate
des Präsidenten der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärzte- tages, Dr. Karsten Vilmar. Der Ärz- tetag faßte die Einwände in einem umfangreichen Beschluß zusammen.
Tenor: die Gesetzesvorlage der Bundesregierung wird abgelehnt.
Einerseits weil sie drängende Pro- bleme, etwa die der Rentner-Kran- kenversicherung, nicht anpackt und zum anderen, weil sie Arzte wie Versicherte mit einem Übermaß an Bürokratie zu überziehen droht.
Bundesarbeitsminister Dr. Nor- bert Blüm hatte den Ärztetag bei der Eröffnung am 10. Mai noch ein- mal von seinem Konzept überzeu- gen wollen. Blüm wurde zwar freundlich angehört, aber er über- zeugte, wie die spätere Beschlußfas- sung erweist, offensichtlich nicht.
Immerhin erklärte der Minister, auch während des parlamentari- schen Verfahrens für Gespräche of- fen zu sein. Änderungen im Regie- rungsentwurf sind zwar jetzt nicht mehr unmittelbar Sache der Bundes- regierung sondern des Parlaments, aber ein offenes Ohr bei Blüm kann gewiß
hilfreich sein. Eine
grundle- gende Änderung des Gesetzesent- wurfs dürfte nach den Bekundungen Blüms wie auch des hessischen Wis- Dt. Ärztebl. 85, Heft 21, 26. Mai 1988 (19) A-1507senschaftsministers vor dem Ärzte- tag freilich nicht möglich sein. Mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg könnte aber an einzelnen Gesetzes- bestimmungen noch gefeilt werden.
Der dritte Schwerpunkt schließ- lich betraf das weite Feld der Prä- vention, auf dem Ärztetag einge- grenzt zu dem Thema „Gesund- heitsförderung als ärztliche Aufga- be". Referent war Professor Dr.
Horst Bourmer, hier in seiner Ei- genschaft als Vorsitzender des Bun- desärztekammer-Ausschusses Ge- sundheitsberatung und -vorsorge.
Bourmer, der als Präsident der Ärz- tekammer Nordrhein dem Vorstand der Bundesärztekammer angehört, ist mit einem Vorschlag über Inhalt und Abrechnungsmöglichkeiten ei-
ner ärztlichen Gesundheitsberatung • r auch im Deutschen Ärzteblatt (Heft
49/85) hervorgetreten.
Dieses Arztetag-Thema steht ebenfalls im Zusammenhang mit dem Gesundheits-Reformgesetz.
Das sieht nämlich die Förderung der Prävention auf zweierlei Weise vor:
Den Krankenkassen soll ein allge- mein gehaltener Auftrag erteilt wer- den. Ferner soll ein regelmäßiger Check-up, durchzuführen von den Kassenärzten, eingeführt werden.
Die offene Frage ist, ob und wie die Ärzte auch in die allgemeine Prä- vention - vor allem im Sinne der Ge- sundheitsberatung - einzubeziehen sind. Der Ärztetag bekräftigte den Anspruch der Ärzte, auch hier maß- geblich mitzuwirken. DÄ
Bild oben: Im Bürgersinne wieder er- richtet: die Alte Oper zu Frankfurt, Bera- tungsstätte des 91. Deutschen Ärzteta- ges - Foto Mitte: Blick ins Ärztetagsple- num im Großen Saal - Bild rechts: Die Tagungsleitung und ihre Helfer wäh- rend der Diskussion, Präsident (Dr. Kar- sten Vilmar) und Vizepräsidenten (Dr.
Helmuth Klotz, Prof. Dr. Gustav Oster- wald), Geschäftsführender Arzt (Dr. P.
Erwin Odenbach), der Referent zum Ta- gesordnungspunkt III (Prof. Dr. Horst Bourmer); am Pult Dr. Dietrich Maiwald (Mannheim)
A-1508 (20) Dt. Ärztebl. 85, Heft 21, 26. Mai 1988