DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
AKTUELLE MEDIZIN
Bedeutung des Nachweises einer HIV-Infektion bei Kindern
Diagnostische Maßnahmen
und ärztliche Beratung in der Praxis (Stand: August 1988)
Empfehlung des
Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer
D
ie klinische Symptomatik der HIV-Infektion eines Kindes (WHO-Defini- tion: 0 bis 13 Jahre) weicht — vor allem nach prä- und pe- rinataler Infektion — von den HIV- assoziierten Krankheitsbildern bei Erwachsenen (Dtsch. Ärztebl. 85, Heft 4 1988) ab. Im folgenden sollen diese Krankheitsbilder — pädiatri- sches AIDS, andere HIV-assoziierte Symptome — und die zu ihrer Erken- nung erforderlichen diagnostischen Maßnahmen beschrieben werden.Dem Bundesgesundheitsamt wurden bis zum 31. August 1988 ins- gesamt 40 AIDS-Erkrankte im Alter zwischen 0 bis 14 Jahren gemeldet (das heißt 1,7 Prozent aller AIDS- Erkrankungen), insgesamt 59 (2,5 Prozent) Erkrankungen traten bei 0- bis 19jährigen auf; in der Mehrzahl handelt es sich um Kinder HIV-infi- zierter Mütter, auch um Hämophile und Empfänger von Bluttransfusio- nen.
Übertragungswege
Das „human immunodeficiency virus" (HIV; Serotypen HIV-1, HIV-2) kann von einer infizierten Mutter auf das Kind übertragen wer- den. Diese Erregerübertragung er- folgt überwiegend vor, eventuell auch während der Geburt. In Ein- zelfällen wurde eine postnatale In- fektion des Kindes durch die Mut-
termilch beobachtet. Die Häufig- keit, mit welcher HIV von infizier- ten Müttern auf ihre Kinder übertra- gen wird, kann nicht zuverlässig an- gegeben werden; nach bisher veröf- fentlichten Befunden beträgt sie et- wa 25 bis 50 Prozent.
In der Vergangenheit wurden Kinder außerdem durch die Verab- reichung von HIV-haltigem Blut oder von HIV-haltigen Blutproduk- ten, zum Beispiel durch die Substitu- tion von Gerinnungsfaktoren bei Hämophilen, infiziert. Dieser Über- tragungsweg ist aufgrund der in der Bundesrepublik seit 1985 getroffe- nen Maßnahmen ohne wesentliche Bedeutung.
Ablauf der HIV-Infektion
Da die diaplazentare Übertra- gung von HIV zu einem derzeit nicht bekannten Zeitpunkt erfolgt, sind die Inkubationszeit, die akute HIV- Krankheit sowie Teile der Inappa- renzphase (s. Dtsch. Ärztebl. 85, Heft 4/1988) der Beobachtung ent- zogen. Der Arzt wird in der Regel mit Symptomen konfrontiert, die ei- ne — meist in einem Zeitraum zwi- schen wenigen Monaten und mehre- ren Jahren nach der Geburt erfol- gende — Manifestation der HIV-In- fektion anzeigen.
Symptomatik der HIV- Infektion im Kindesalter (0 bis 13 Jahre)
Folgende Symptome sollten den Verdacht auf eine HIV-Infektion er- wecken:
• Vorliegen von mindestens zwei unspezifischen Symptomen für die Dauer von mindestens zwei Mo- naten, zum Beispiel Fieber (ohne er- kennbare Ursache), Nichtgedeihen, Gewichtsverlust, Leber- und/oder Milzvergrößerung, generalisierte Lymphknotenvergrößerung, Paroti- tis , Diarrhoe;
• Progrediente neurologische Symptome; zum Beispiel Entwick- lungsrückschritt, erworbene Mikro- zephalie, progrediente, symmetri- sche Bewegungsstörungen;
• Lymphoide interstitielle Pneumonie, die länger als zwei Mo- nate besteht (schleichend beginnen- de chronische Erkrankung, die rönt- genologisch durch retikulo-noduläre Infiltrate mit oder ohne Hiluslymph- knotenbeteiligung gekennzeichnet ist);
• Infektionskrankheiten:
a) Auftreten mehrerer schwe- rer bakterieller Infektionskrank- heiten innerhalb von zwei Jahren (Sepsis, Meningitis, Pneumonie, Abszeßbildung in einem Organ, in den Knochen oder Gelenken);
b) andere Infektionen, zum Beispiel rezidivierende orale Candi- diasis, Stomatitis herpetica (mehr als zwei Episoden innerhalb eines Jah- res), disseminierter Zoster;
c) opportunistische Infektio- nen, zum Beispiel Pneumocystis-ca- rinii-Pneumonie ;
• andere Erkrankungen, die HIV-assoziiert sein können, zum Beispiel Thrombozytopenie, An- ämie, Kardiomyopathie, Hepatopa- thie, Nephropathie;
• maligne Tumoren, zum Bei- spiel B-Zell-Non-Hodgkin-Lympho- me.
A-2824 (40) Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988
Diese Krankheitsbilder sind so- wohl die Grundlage der klinischen Klassifikation der symptomatischen HIV-Infektion (MMWR 36 [1987]
225-236) als auch der derzeit gülti- gen AIDS-Definition, die vom Bun- desgesundheitsamt kürzlich veröf- fentlicht wurde (s. Dtsch. Ärztebl.
85, Heft 17/1988).
Maßnahmen in der Praxis
Vor jeder diagnostischen Maß- nahme ist eine gründliche Erhebung der Anamnese bei Mutter und Kind erforderlich. Risikofaktoren für eine HIV-Infektion der Mutter sind zum Beispiel ihre iv-Drogenabhängig- keit , Sexualverkehr mit HIV-infi- zierten Partnern oder mit häufig wechselnden Partnern. Risikofakto- ren für das Kind sind zum Beispiel Bluttransfusionen in der Zeit zwi- schen 1980 und Mitte 1985 (ein- schließlich Austauschtransfusionen bei Neugeborenen), Verabreichung von bestimmten Blutprodukten (et- wa Gerinnungsfaktoren) vor Mitte 1985. Ergeben sich keine anamnesti- schen Hinweise für die Risikofakto- ren beim Kind, so sollte unter Um- ständen (insbesondere bei Säuglin- gen und Kleinkindern) zunächst die Diagnostik zum Nachweis einer HIV-Infektion bei der Mutter veran- laßt werden.
Nachweis
einer HIV-Infektion
1. Kinder im Alter unter 15 Monaten: Die Wertung eines HIV- Antikörpernachweises ist bei Kin- dern in diesem Lebensalter mit be- sonderen Schwierigkeiten behaftet.
Bei Neugeborenen anti-HIV-positi- ver Mütter sind gewöhnlich IgG-An- tikörper gegen HIV nachweisbar;
ihr Nachweis kann eine HIV-Infek- tion des Kindes anzeigen, kann aber auch lediglich auf dem Vorhanden- sein passiv übertragener mütter- licher Antikörper beruhen. Wird der positive HIV-Antikörpernachweis bei mehrfachen Kontrollen inner- halb der ersten 15 Lebensmonate negativ, so ist dies auf den Abbau
der passiv übertragenen mütter- lichen Antikörper zurückzuführen;
eine HIV-Infektion des Kindes wird hierdurch nicht sicher ausgeschlos- sen (siehe unten). Der Nachweis HIV-spezifischer IgM-Antikörper ist offenbar nicht in allen Fällen möglich, dieser Test steht derzeit auch nicht allgemein zur Verfügung.
Beweisend für eine HIV-Infektion eines Kindes ist lediglich der Nach- weis des Virus durch entsprechende Isolierungsversuche aus Blutzellen oder anderen Zellen. Aufgrund me- thodischer Schwierigkeiten ist dieser Nachweis aber nicht regelmäßig zu führen. In Zukunft wird dies eventu- ell durch den Nachweis einer Anti- körper-Produktion gegen HIV bei in-vitro gezüchteten B-Zellen des Kindes möglich. In jedem Fall sind zusätzliche Untersuchungen zum Nachweis eines eventuell vorhande- nen Immundefektes zu veranlassen.
2. Kinder im Alter über 15 Mo- nate: Für den Nachweis einer HIV- Infektion bei Kindern in diesem Le- bensalter gelten die gleichen Hin- weise, welche für Erwachsene gege- ben wurden (Dtsch. Ärztebl. 85, Heft 4/1988).
Die bisherigen Erfahrungen ha- ben gezeigt, daß der Nachweis einer HIV-Infektion im Kindesalter mit besonderen Schwierigkeiten behaf- tet ist, eine endgültige Diagnose kann häufig erst aufgrund wieder- holter Untersuchungen gestellt wer- den. Aus diesem Grund sollen die notwendigen Untersuchungen zum Nachweis beziehungsweise zum Ausschluß einer HIV-Infektion bei HIV-exponierten Säuglingen und Kleinkindern in enger Zusammenar- beit mit einer erfahrenen Kinderkli- nik erfolgen.
Untersuchungsprogramm zur Verlaufskontrolle bei nachgewiesener HIV-Infektion
1. Kinder ohne klinische Sym- ptome: Untersuchungen im 1. und 2.
Lebensjahr in Abständen von drei Monaten (Ausnahme siehe unten), ab 3. Lebensjahr in Abständen von sechs Monaten:
a) pädiatrische Untersuchung mit neurologischem Status und Ent- wicklungsdiagnostik einschließlich Schädelumfangskontrolle;
b) Blutbild (qualitativ, quanti- tativ) einschließlich Thrombozyten- zählung, Bestimmung der T4-Zell- zahl, T4/T8-Quotienten (diese Un- tersuchungen sind am gleichen Tag durchzuführen), LDH, Urinstatus, quantitative Bestimmung der Im- munglobuline, falls möglich B-Zell- Bestimmung, HIV-Serologie.
c) Zur Erkennung einer even- tuell entstehenden interstitiellen Pneumonie wird eine Thorax-Rönt- genuntersuchung in sechsmonatigen Abständen empfohlen, außerdem eine Oberbauchsonographie sowie Schädelsonographie.
2. Kinder mit klinischen Sym- ptomen und/oder pathologischen Befunden in dem obengenannten Untersuchungsprogramm: Ergeben sich in dem obengenannten Untersu- chungsprogamm pathologische Be- funde oder zeigen sich Abweichun- gen von der altersgerechten Ent- wicklung des Kindes, so sind die ge- nannten Laborparameter in kürze- ren Abständen zu kontrollieren. Das weitere diagnostische Vorgehen richtet sich nach der jeweiligen klini- schen Symptomatik. Die Prognose HIV-infizierter Kinder kann durch regelmäßige Kontrolluntersuchun- gen und dadurch unverzüglich ein- setzende therapeutische Maßnah- men deutlich verbessert werden.
Ärztliche Beratung der Eltern oder
Sorgeberechtigten eines HM-infizierten Kindes
Die Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten eines HIV-expo- nierten oder -infizierten Kindes sind über die mögliche oder nachgewie- sene HIV-Infektion und über die zu ihrer Erkennung und zur Verlaufs- kontrolle notwendigen diagnosti- schen Maßnahmen (siehe oben) zu informieren. Sie müssen darüber aufgeklärt werden, daß das Kind beim Auftreten von Krankheitsym- ptomen oder von sonstigen Auffäl- ligkeiten (zum Beispiel Entwick- A-2826 (42) Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988
lungsstillstand und/oder -rück- schritt) unverzüglich einem Arzt vorgestellt werden sollte.
Wird bei der Mutter und/oder dem Kind eine HIV-Infektion fest- gestellt, so ist der Vater über die Möglichkeit einer bei ihm vorliegen- den HIV-Infektion und deren Kon- sequenzen zu unterrichten. Gegebe- nenfalls sollte auch bei Geschwistern eine mögliche intrauterin erfolgte Infektion abgeklärt werden.
Zur Durchführung der Untersu- chung, der erforderlichen Zustim- mung der Untersuchten beziehungs- weise Eltern usw. , der Information der Eltern und Sorgeberechtigten finden sich in der Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Beirates (Dtsch. Ärztebl. 85, Heft 4/1988) entsprechende Hinweise; hierauf wird verwiesen.
Schutzimpfungen
Um HIV-exponierte und -infi- zierte Kinder vor Infektionen zu schützen, ist die rechtzeitige Durch- führung von Schutzimpfungen anzu- raten. Angaben über die Indikatio- nen zu Schutzimpfungen, über Kon- traindikationen und über die Durch- führung der Schutzimpfungen bei diesen Kindern finden sich in der Veröffentlichung der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV):
„Schutzimpfungen nach dem ,Impf- kalender für Kinder' der STIKO*) bei HIV-Infizierten und AIDS- Kranken" (siehe auch Anhang zu diesen Empfehlungen).
Empfehlungen zur Versorgung in Kindertagesstätten, Kindergarten und Schule
Anhaltspunkte für eine Infek- tionsgefährdung durch HIV-infizier- te Kinder für die übrigen Kinder und das Betreuungspersonal in einer Kindertagesstätte und einem Kin- dergarten liegen bis heute nicht vor.
*) Ständige Impfkommission des Bundesge- sundheitsamtes
Um das HIV-infizierte Kleinkind, das in einer Kindertagesstätte ver- sorgt wird, vor Kontakten mit Kin- dern, die an banalen Infektions- krankheiten oder Kinderkrank- heiten leiden, zu schützen, kann es erforderlich sein, von der Versor- gung in einer Kindertagesstätte ab- zuraten; dies trifft besonders für HIV-infizierte Kinder zu, bei denen ein Immundefekt besteht.
Gegen den Besuch eines Kin- dergartens durch infizierte asympto- matische Kinder bestehen keine Be- denken. Liegen bei einem Kind kli- nische Symptome (zum Beispiel psy- chische Auffälligkeiten, nässende
Anhang
Der Immunisierungsausschuß der Deutschen Vereinigung zur Be- kämpfung der Viruskrankheiten e. V. (DVV) hat auf seiner Sitzung am 25. 6. 1987 folgende Empfehlun- gen zur Durchführung der Schutz- impfungen, die im „Impfkalender für Kinder" der Ständigen Impf- kommission (STIKO) des Bundes- gesundheitsamtes (Stand: Juni 1984)*) aufgeführt sind, bei HIV-In- fizierten und AIDS-Kranken be- schlossen:
Allgemeines
Nach gegenwärtigen Erfahrun- gen können zahlreiche Infektions- krankheiten bei Kindern mit einer Immundefizienz als Folge einer HIV-Infektion schwerer verlaufen als bei nicht infizierten. HIV-infi- zierte Kinder sollten durch rechtzei- tig vorgenommene Schutzimpfungen hiervor geschützt werden. Zur Ver- meidung einer — theoretisch mög- lichen — Gefährdung durch Impfun- gen jener Kinder, bei denen ein Im- mundefekt als Folge einer HIV-In- fektion besteht, soll
über die Impffä-
*) Bundesgesundhbl. 27 (1984) 310-311; Dtsch.
Ärzten 82 (1985) 2889-2894
Hauterkrankungen) vor, so ist die Entscheidung hierüber in jedem Einzelfall zu treffen.
Bei den in der Schule üblichen Kontakten besteht kein Risiko einer HIV-Übertragung von einem infi- zierten Schüler auf andere; HIV-in- fizierte Kinder können also in der Regel am Schulunterricht teilneh- men. Lediglich bei Kindern mit er- heblichen psychischen Veränderun- gen, vor allem aggressiven Verhal- tensweisen, kann hiervon abgewi- chen werden. Dies entspricht auch den Empfehlungen der 225. Plenar- sitzung der Kultusministerkonferenz am 17./18. Oktober 1985.
higkeit aller HIV-Infizierten nur nach sorgfältiger klinischer Untersu- chung der Kinder und ggf. nach Vor- nahme entsprechender Labortests entschieden werden. In Zweifelsfäl- len wird geraten, den Rat einer — auf diesem Gebiet — erfahrenen Klinik einzuholen.
Durch die im Impfkalender zur allgemeinen Anwendung empfohle- nen Impfstoffe wurden bisher keine Gesundheitsschäden bei HIV-infi- zierten symptomlosen Kindern be- obachtet; die inapparente HIV-In- fektion ist somit keine Kontraindi- kation zur Anwendung dieser Impf- stoffe. Auch nach der Verabrei- chung von Lebendimpfstoffen an HIV-infizierte Kinder, die klinische Symptome von AIDS oder ARC aufwiesen, wurden nach den bisheri- gen — allerdings recht begrenzten — Erfahrungen keine Schäden festge- stellt. Trotzdem wird geraten, auf die Anwendung von Lebendimpf- stoffen bei diesen Kindern zu ver- zichten. Bei Kindern mit klinischen Symptomen von AIDS oder ARC gelten also die unten aufgeführten eingeschränkten Indikationen für
die genannten Schutzimpfungen.
Die im „Impfkalender für Kin- der" nur bei Vorliegen bestimmter Indikationen empfohlene BCG-Imp-
Durchführung der Schutzimpfungen
nach dem „Impfkalender für Kinder" der STIKO bei HIV-Infizierten und AIDS-Kranken
Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988 (45) A-2827
fung ist bei allen HIV-Infizierten u. a. wegen der auch bei Nicht-Infi- zierten zu beobachtenden Häufig- keit von Nebenwirkungen kontrain- diziert. Die Verabreichung der übri- gen Lebendimpfstoffe ist bei HIV- infizierten symptomlosen Kindern — wie oben ausgeführt — nicht kon- traindiziert. Zur Schutzimpfung ge- gen Poliomyelitis wird jedoch an Stelle der Impfung mit oralem Polio- Impfstoff (Schluckimpfung) die drei- malige Verabreichung von inakti- viertem Polio-Impfstoff (Salk) im Abstand von jeweils vier bis acht Wochen empfohlen. Hierdurch soll ein theoretisch mögliches, bei HIV- Infizierten bisher aber nicht beob- achtetes Risiko für den Impfling aus- geschlossen werden. Vor allem sol- len aber durch die Verwendung des inaktivierten Impfstoffes Kontaktin- fektionen bei HIV-infizierten Fami- lienangehörigen, bei denen unter Umständen eine Immundefizienz bestehen könnte, mit dem — vom Impfling ausgeschiedenen — Impfvi- rus vermieden werden.
Zur Zeit ist in der Bundesrepu- blik kein inaktivierter Polio-Impf- stoff im Handel, voraussichtlich wird dieser Impfstoff innerhalb der näch- sten Monate wieder verfügbar sein.
Falls vorher Polio-Impfungen vorge- nommen werden müssen, kann im- portierter Impfstoff über internatio- nale Apotheken bezogen werden.
Nach derzeit vorliegenden Be- richten scheinen die Impferfolge zu- mindest bei jenen HIV-infizierten Kindern, die Symptome von AIDS oder ARC aufweisen, schlechter zu sein als bei nicht infizierten. Deshalb sollte der Impferfolg bei allen HIV- infizierten Impflingen durch ent- sprechende postvaccinale Antikör- perbestimmungen kontrolliert wer- den.
Da der Nachweis einer HIV-In- fektion im ersten Lebensjahr schwierig ist und häufig nicht ein- deutig geführt werden kann, gelten die folgenden Empfehlungen außer für Kinder mit nachgewiesener HIV- Infektion auch für alle Kinder in die- sem Lebensalter, die von HIV-infi- zierten Müttern geboren wurden.
Zur Durchführung der Schutz- impfungen werden folgende Emp- fehlungen gegeben:
A. HIV-infizierte Kinder ohne klinische Symptome (und Kinder HIV-infizierter Mütter):
1. Allgemein empfohlene Schutz- impfungen
DT-Impfung: kann entspre- chend Impfkalender durchgeführt werden,
Polio-Impfung: dreimalige Ver- abreichung von inaktiviertem Polio- Impfstoff im Abstand von jeweils 4-8 Wochen (eine Booster-Dosis kann nach 6-12 Monaten erforder- lich sein),
Mumps-, Masern-, Röteln-Imp- fung: kann entsprechend Impfkalen- der durchgeführt werden.
2. Impfungen bei besonderer In- dikation
BCG-Impfung: kontraindiziert, Pertussis-Impfung: gleiche Indi- kationen und Kontraindikationen wie bei Nicht-Infizierten.
Hepatitis-B-Impfung: gleiche Indikationen und Kontraindikatio- nen wie bei Nicht-Infizierten.
Influenza-Impfung: gleiche In- dikationen und Kontraindikationen wie bei Nicht-Infizierten.
B. HIV-infizierte Kinder mit AIDS- oder ARC-Symptomen (und Kinder HIV-infizierter Mütter):
Die unter A 1. und A 2. aufge- führten Tot- und Toxoidimpfstoffe können bei Beachtung der angege- benen Indikationen und Kontraindi- kationen verwendet werden. Le- bendimpfstoffe sollten vermieden und nur in Einzelfällen bei besonde- rer Indikation angewendet werden;
passive Immunisierungsmaßnahmen sind vorzuziehen.
Prof. Dr. Maass (Münster), Prof. Dr. Eggers (Köln), Prof. Dr. Enders (Stuttgart), Prof. Dr.
Joppich (Göttingen), Prof. Dr. Kreth (Würz- burg), Prof. Dr. Posch (Mettmann), Dr. Rog- gendorf (München), Dr. Ruppert (Regens- burg), Dr. Schumacher (Überlingen), Prof. Dr.
Spiess (München)
Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Vi- ruskrankheiten e. V., Pettenkoferstr. 9 a, 8000 München 2.
Quellenangabe: Bundesgesundhbl. 30, Nr. 12, Dez. 1987. Nachdruck in: pädiat. prax. 36 (1897/88) 185 bis 186
Korrespondenzanschrift:
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer Geschäftsführung Herbert-Lewin-Straße 3 5000 Köln 41
Mitglieder des Arbeitskreises
„AIDS"
des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer:
Prof. Dr. med. F. Deinhardt Direktor des Max von Pettenkofer-In- stituts für Hygiene und Med. Mikro- biologie der Universität München Prof. Dr. med. H. J. Eggers Direktor des Instituts für Virologie der Universität zu Köln
Dr. med. G. Ratten
Zentralinstitut f. d. Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln
Prof. Dr. med. F.-D. Goebel Medizinische Poliklinik der Universi- tät München
Frau Prof. Dr. med. I. Grosch-Wör- ner
Kinderklinik und Poliklinik der Uni- versität Kaiserin-Auguste-Victoria- Haus, Berlin
Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. Gross Leiter der Medizinisch-wissenschaft- lichen Redaktion des Deutschen Ärzteblattes, Köln
Prof. Dr. med. K.-O. Habermehl Direktor des Instituts für klinische und experimentelle Virologie der Uni- versität Berlin
Dr. jur. R. Hess
Hauptgeschäftsführer der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung Köln Prof. Dr. med. G. Maass (federfüh- rend)
Direktor des Hygienisch Bakteriologi- schen Untersuchungsamtes „Westfa- len", Münster
Frau Assessorin U. Wollersheim Rechtsabteilung der Bundesärztekam- mer, Köln
Prof. Dr. med. H. D. Pohle
Leiter der II. Medizinischen Klinik Universitätsklinikum Rudolf Vir- chow, Berlin
Dr. med. R. Rasokat Universitäts-Hautklinik, Köln Dr. med. A. Schäfer
Universitäts-Frauenklinik und Polikli- nik Universitätsklinikum Charlotten- burg, Berlin
Prof. Dr. med. M. Stauber
I. Universitäts-Frauenklinik München Prof. Dr. med. G. K. Steigleder Direktor der Universitäts-Hautklinik, Köln
Frau Dr. med. M. Vocks
Kinderklinik und Poliklinik der Uni- versität Kaiserin-Auguste-Victoria- Haus, Berlin
Prof. Dr. med. V. Wahn
Kinderklinik und Poliklinik der Uni- versität Düsseldorf
A-2828 (46) Dt. Ärztebl. 85, Heft 41, 13. Oktober 1988