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Archiv "VFA-Veranstaltung zu Arzneimittelbudgets: Verärgerung und Angst bei chronisch Kranken" (15.09.2000)

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ie Arzneimittelbudgets haben aus- gedient, denn sie führen zu Ra- tionierung und Unterversorgung – diese Auffassung vertritt der Ver- band Forschender Arzneimittelherstel- ler (VFA) seit langem. Ende August er- hielt er darin in Berlin Unterstützung von Vertretern zahlreicher Patienten- Selbsthilfegruppen.

Die Deutsche Parkinson Vereinigung befragte kürzlich 60 in Spezialkliniken neu eingestellte Patienten nach ihrer am- bulanten Weiterbehandlung. Zwölf ga- ben an, die Verordnungen seien aus Bud- getgründen nicht fortgesetzt worden.

Von einer Beeinträchtigung der Versor- gung berichtete auch Ingrid-Ellen Mau- rischat von der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Lymphdrainagen oder Kranken- gymnastik würden seltener verordnet, deutlich weniger Anschlussheilbehand- lungen und Reha-Maßnahmen bewilligt.

Lediglich Dr. Stefan Etgeton von der Deutschen AIDS-Hilfe beur- teilte die Versorgung seiner Kli- entel als gut. Sorge bereite jedoch die Entwicklung im Bereich der ambulanten Pflege und die Situa- tion außerhalb der Großstädte.

Die Diskussion um Rationie- rung und Regresse verunsichere viele Patienten und mache ihnen Angst um ihre Versorgung, er- gänzte Silvia Wollersheim, Ge- schäftsführerin der Deutschen Rheuma-Liga. Sie befragt derzeit ihre Mitglieder, welche konkreten Einschränkungen es gibt. So sollen die Vorwürfe besser untermauert werden.

Den meisten Selbsthilfegruppen fehlen allerdings Geld und Personal, um re- präsentative Befragungen oder wissen- schaftliche Studien vorzulegen. So bleibt es bei Einzelfallschilderungen und per- sönlichen Eindrücken.

Dass Patienten-Selbsthilfegruppen den Schulterschluss mit Pharmaverbän- den, einzelnen Herstellern oder, wie un- längst, dem Bündnis Gesundheit 2000 suchen (siehe DÄ 27/2000), zeigt gewis- ses strategisches Geschick auf allen Sei- ten. Es belegt aber auch den Druck, der durch die sektorale Budgetierung be- reits auf den Patienten lastet, vor allem auf chronisch kranken Menschen. Schul- terschluss bedeutet aber nicht in allem Übereinstimmung.

So kritisierte Dr. med. Ekkehard W.

Jecht, Vorsitzender des Deutschen Pso- riasis Bundes, das VFA-Modell der Arz- neimittelzuzahlung nach Schweregrad der Erkrankung. Jecht meinte, es sei ei- nem Patienten zuzumuten, im Fall einer schweren Infektion Antibiotika selbst zu bezahlen. Dagegen solle ein chro- nisch Kranker nicht noch finanziell be- lastet werden.

Widerspruch erntete auch Dr. med.

Manfred Richter-Reichhelm, Vorsit- zender der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV). Er warb um Ver- ständnis für die Konflikte der niederge- lassenen Ärztinnen und Ärzte durch die Arzneimittelbudgets. „Sie können nicht die Solidarität der Patienten for-

dern, denen Sie die Behandlung verwei- gern“, erwiderte Wollersheim. „Ma- chen Sie einen anderen Vorschlag“, gab Richter-Reichhelm zurück. Das taten mehrere Vertreter von Selbsthilfegrup- pen. Sie verlangten, in wichtigen Gre- mien wie zum Beispiel dem Bundesaus- schuss der Ärzte und Krankenkassen mitentscheiden zu können.

Vertreter von Selbsthilfe-Gruppen würden sicher helfen, den Blick man- cher Gremien zu weiten. Inhaltliche Differenzen und Verteilungskämpfe wären damit aber nicht aus der Welt.

Dazu kommt, dass auch die Position mancher Selbsthilfegruppen nicht in sich schlüssig ist. Sie fordern ausdrück- lich eine wissenschaftlich fundierte, op- timale Therapie. Gleichzeitig ist der Wunsch vorhanden, auch umstrittene Behandlungsmethoden auszuprobieren, die in Einzelfällen helfen könnten.

Auf viele Fragen gibt es keine einfa- chen Antworten. Ein Beispiel: das Indi- kationsgebiet Alzheimer. Nach Auffas- sung des VFA und der Deutschen Alz- heimer Gesellschaft werden Betroffe- nen zu selten neuartige Medikamente verordnet. Die KBV sieht dies ähnlich.

Dr. med. Peter Schwoerer trat dem entgegen. Er ist stellvertretender Ge- schäftsführer des Medizinischen Dien- stes der Krankenkassen Baden-Würt- temberg und war früher stellvertreten- der Vorsitzender der KBV. Schwoerer sagte, keine Studie belege län- gerfristige bessernde Effekte.

Sabine Jansen, Geschäftsfüh- rerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, widersprach ihm.

Wer wolle eigentlich beurteilen, ob ein bis zwei Jahre mehr Le- bensqualität für einen Kranken es nicht wert seien, ihm neuartige Medikamente zu verschreiben?

Eine Besserung des Gesund- heitszustandes um ein bis zwei Jahre werde behauptet, entgeg- nete Schwoerer. Belegt sei dies aber nur für ein halbes Jahr. Viel- leicht sei es klüger, Geld nicht für der- artige Medikamente, sondern für die Prävention auszugeben. Er regte an, dass sich Selbsthilfegruppen in derarti- gen Streitfällen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen zusammen- setzen könnten, um sich über Therapie- ansätze zu verständigen. Sabine Rieser P O L I T I K

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A2350 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 37½½½½15. September 2000

VFA-Veranstaltung zu Arzneimittelbudgets

Verärgerung und Angst bei chronisch Kranken

Selbsthilfegruppen suchen Schulterschluss und verlangen mehr Mitsprache.

Zum Teil überversorgt

Als einziger hat Hans-Joachim Wöbbeking vom Bundesverband Poliomyelitis während der Veran- staltung des VFA darauf hingewiesen, dass es auch Überversorgung im System gibt. Zwar würden aus Unwissenheit über das Post-Polio-Syndrom oft Hilfsmittel in unzureichendem Ausmaß verordnet.

Andererseits erhielten Betroffene aber Elektroroll- stühle im Wert von 15 000 bis 25 000 DM, die nicht angepasst oder für die Wohnung völlig ungeeignet seien. Hinweise auf bessere und günstigere Lösun- gen würden ignoriert.

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