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Archiv "Die Betreuung des chronisch kranken Kindes durch den Hausarzt — Harnwegsinfektionen" (10.02.1977)

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Die chronische Harnwegsinfektion beim Kind ist durch einen chro- nisch-rekurrierenden Verlauf ge- kennzeichnet. Bis vor einigen Jah- ren galt es als sicher, daß die auf- einanderfolgenden Schübe Relap- se sind und von Keimen ausgehen, die trotz Antibiotikabehandlung im Gewebe persistieren und jederzeit zur Exazerbation führen können.

Als Ursache der neuen Schübe wurde ein Versagen der Antibioti- kabehandlung angeschuldigt. Alle Versuche, neue Schübe zu unter- binden, waren daher auf eine Inten- sivierung der Therapie abgestellt;

die Behandlungsdauer wurde ver- längert, eine Antibiotikakombina- tion eingesetzt oder ein Wechsel mehrerer Medikamente mit einan- der ergänzendem Wirkungsmecha- nismus versucht. Dieses Grundkon- zept wurde jedoch hinfällig, als vor einigen Jahren vor allem mit Hilfe der serologischen Keimtypisierung nachgewiesen wurde, daß die auf- einanderfolgenden Schübe bei Kin- dern in mindestens 80 Prozent der Fälle durch jeweils neue Erreger hervorgerufen werden und somit Reinfektionen sind. Darstellung 1 zeigt den Unterschied zwischen Re- infekt und Relaps. Als Ursache der Reinfektionen kann nicht eine Insuf- fizienz der vorangegangenen Anti- biotikabehandlung angeschuldigt werden; unzureichend ist bei die- sen Kindern vielmehr die körper- eigene Infektabwehr. Der Weg her-

aus aus dem chronisch-rekurrieren- den Verlauf wird auf Grund dieser neuen Erkenntnisse nicht mehr über eine stärkere antibiotische Behand- lung, sondern über eine Verhütung von Reinfekten gesucht.

Harndiagnostik

Die klinischen Symptome bei Erst- manifestation und erneutem Schub einer Harnwegsinfektion sind in der Mehrzahl der Fälle uncharakte- ristisch. Den Schlüssel zur Diagno- se stellt somit die Harnuntersu- chung dar.

Indikationen zur Harnuntersuchung Wegen der besonderen Schwierig- keiten der Harngewinnung vor al- lem beim jungen Kind wird die Harnuntersuchung in der Pädiatrie noch immer nicht häufig genug durchgeführt. Bei den sogenannten klassischen klinischen Symptomen einer Harnwegsinfektion bedarf die Forderung nach der Harnuntersu- chung zur Sicherung der Diagnose keiner besonderen Betonung. Es kann sich aber auch hinter jedem Fieber ohne greifbaren Organbe- fund und hinter jeder Enuresis eine behandlungsbedürftige Harnwegs- infektion verstecken. Bei einem erheblichen Teil der Patienten, die einmal eine Harnwegsinfektion

Es werden praxisreife Metho- den der Harnuntersuchung beschrieben, mit denen der niedergelassene Arzt im ei- genen Labor die Diagnose Harnwegsinfektion genauso sicher stellen kann wie eine Klinik. Bei jungen Kindern bleibt trotz aller neueren Hilfsmittel die Gewinnung von für bakteriologische Un- tersuchungen geeignetem Harn eine beträchtliche Schwierigkeit. Die Ergebnis- se der Harnuntersuchungen müssen -der jeweiligen Art der Harngewinnung, dem Al- ter und dem Geschlecht des Kindes angemessen beurteilt werden. Eine antibiotische Schubbehandlung, für die noch bis vor wenigen Jahren mindestens 3 Wochen gefor- dert wurden, braucht nicht länger zu sein als 10 bis 14 Tage. Co-Trimoxazol hat sich als Mittel der ersten Wahl durchgesetzt; Ampicillin- und Cephalosporinpräparate sind derzeit als Mittel der zweiten Wahl einzustufen. Für eine antibiotische Reinfektions- prophylaxe gibt es primäre und sekundäre Indikationen.

Ebenso wichtig wie eine anti- biotische Behandlung sind regelmäßige Kontrolluntersu- chungen des Harns in vorher festgelegten Zeitabständen, damit die häufigen asympto- matischen neuen Schübe rechtzeitig erfaßt und ausge- schaltet werden können.

durchgemacht haben, bleibt über viele Jahre, bei manchen wahr- scheinlich sogar lebenslang eine erhöhte Disposition zu Reinfektio- nen bestehen; darum sind bei ent- sprechender Anamnese in vorher festgelegten Zeitabständen Kon- trolluntersuchungen erforderlich (siehe unten). Schließlich sollte die Harnuntersuchung Bestandteil je- der gründlichen Allgemeinuntersu- chung auch beim Kind werden. >

Die Betreuung

des chronisch kranken Kindes durch den Hausarzt —

Harnwegsinfektionen

Hermann Olbing

Aus der Universitätskinderklinik, Klinikum Essen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 6 vom 10. Februar 1977 365

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I Reinfektion Therapie

E. coli 04:K3:H5

kein

Erregernachweis

E. coli kein

Erregernachweis 04.:K3 :H5

I Relaps

Therapie

E. coli 04:K3:H5

Proteus oder E. coli 02:K1:H4

Darstellung 1: Schematische Darstellung von Reinfektion und Relaps bei Harnwegsinfektion. Der Nachweis der gleichen Erregerspezies bei aufeinan- derfolgenden Schüben beweist noch keinen Relaps. Vielfach gelingt durch eingehendere bakteriologische Untersuchungen der Nachweis, daß es sich um verschiedene Typen der gleichen Spezies und somit nicht um eine Reinfektion handelt

Tabelle 1: Indikationen und Kontraindikationen der Blasenpunktion I. Indikationen:

O Überprüfung einer signifikanten Bakteriurie/Leukozyturie in Mit- telstrahl- oder Spontanurin

Blasenkatheterismus kontraindiziert:

Blasenentleerungsstörung (Restharn);

Balanitis, starke Phimose;

Vulvitis, starker Fluor.

Blasenkatheterismus erschwert:

Widerstand in proximaler Urethra;

Urethralmündung nicht eindeutig auszumachen.

Befunde im Katheterurin zweifelhaft:

Bakterienmenge im verdächtigen Bereich;

Leukozyten vermehrt, Kultur nicht steril.

O Notfalluntersuchung

(Optimaler bakteriologischer Befund muß sofort sichergestellt und Therapie mit Antibiotika begonnen werden.)

Sepsisverdacht;

Verdacht auf Pyelonephritis bei schwerkranken Patienten.

II. Kontraindikationen

O Harnblase nicht eindeutig gefüllt: (Sorgfältige Palpation, bei Säuglingen Windelprobe.)

O Operationsnarben am Unterbauch: Verdacht auf intraabdominel- le Adhäsionen.

O Hautinfektionen in der Nachbarschaft der Punktionsstelle.

366 Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Harngewinnung

Die erste orientierende Untersu- chung erfolgt in Spontan-, mög- lichst Mittelstrahlurin. Bei Jungen jenseits der Säuglingszeit ohne Ba- lanitis und ohne Phimose sind pa- thologische Befunde im Mittel- strahlurin verläßlich und bedürfen keiner weiteren Überprüfung. Bei Säuglingen und bei allen Mädchen sollte jedoch ein in Spontanurin er- hobener pathologischer bakteriolo- gischer Befund im Blasenurin veri- fiziert werden. Als Methoden hierfür stehen der Blasenkatheterismus und die suprapubische Blasen- punktion zur Verfügung. Beide Me- thoden haben in der Diagnostik ih- ren festen Platz; wir richten uns bei der Auswahl zwischen ihnen nach den in Tabelle 1 zusammen- gestellten Indikationen und Kon- traindikationen. Eine Blasenpunk- tion ist nur bei voller Blase sinn- voll.

Bei Säuglingen und Krabblern wird man den Spontanurin für die orien- tierende erste Untersuchung in der Regel in Klebebeuteln durch die Mutter auffangen und dann zur Un- tersuchung ins Praxislabor bringen lassen. Bei normalem Befund kann man sich mit dieser Untersuchung zufriedengeben. Bei pathologi- schem Ergebnis ist es jedoch vor allem in dieser Altersgruppe erfor- derlich, den Befund im Blasenurin zu überprüfen.

Methoden der Harnuntersuchung Zur Basisdiagnostik der Harnwegs- infektion gehört die Bestimmung der Leukozyten-, Erythrozyten- und vor allem der Keimzahl im Harn.

Für diese Untersuchungen stehen heute praxisgerechte Methoden zur Verfügung, mit denen der nieder- gelassene Arzt eine eindeutige Dia- gnose genausogut stellen kann wie die Klinik. Das Problem bei der Harndiagnostik von Harnwegsin- fektionen liegt nicht mehr wie noch vor etlichen Jahren beim Fehlen praxisgerechter, zuverlässiger Me- thoden, sondern im sinnvollen Ein-

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Tabelle 2: Beurteilungskriterien für die Leukozyten-, Erythrozyten- und Keimzahl im Harn bei Kindern bei verschiedenen Arten der Harngewinnung

Leukozyten/mm 3

Katheter- und Mittelstrahlurin normal

Jungen unter 3 Jahren Mädchen

Jungen über 3 Jahren verdächtig

Jungen unter 3 Jahren Mädchen

Jungen über 3 Jahren pathologisch

Jungen unter 3 Jahren Mädchen unter 3 Jahren Jungen über 3 Jahren

Spontanurin (außer Mittelstrahlurin) normal

verdächtig pathologisch

weniger als 15 weniger als 15 weniger als 5

15-50 15-50 5-10

über 50 über 50 über 10

weniger als 20 20-50

über 50

Erythrozyten/mm 3

Keine Abhängigkeit von Harngewinnung, Alter und Geschlecht!

normal bis 5

verdächtig 5-10

pathologisch über 10

Bakterien

Punktionsharn: Jeder Keimnachweis ist pathologisch

Katheterurin: Keimkolonien/ml

normal bis 10'

verdächtig

Kinder unter 3 Jahren 10 3 -5 x 10 4 Kinder über 3 Jahren 10 3 -5 x 104 pathologisch

Kinder unter 3 Jahren Kinder über 3 Jahren Spontan- und Mittelstrahlurin:

normal verdächtig pathologisch

über 5 x 10 4 über 5 x 1 0 3

bis 104 10 4-10 5

über 105 satz der vorhandenen Hilfsmittel

und in einer den Besonderheiten der Fragestellung und der jeweili- gen Harngewinnung angepaßten Interpretation der Ergebnisse.

Für die Beurteilung der Leukozy- ten- und Erythrozytenmenge im Harn ist die Untersuchung von un- zentrifugiertem Harn in einer Zähl- kammer weitaus am besten geeig- net. Sie nimmt nicht mehr Zeit in Anspruch als die herkömmliche Se- dimentobjektträgermethode, liefert aber weitaus genauere Ergebnisse.

Die Beurteilungskriterien für Kin- der sind in Tabelle 2 zusammenge- stellt.

Wichtigste Untersuchung bei Pa- tienten mit Harnwegsinfektion ist die Keimzahlbestimmung im Harn.

Die Durchführung dieser Untersu- chung im Praxislabor hat den gro- ßen Vorteil, daß der Harntransport, welcher die Möglichkeit einer un- kontrollierbaren Keimvermehrung und damit Verfälschung des Befun- des gibt, vermieden werden kann.

Im Handel wird eine ganze Anzahl gut brauchbarer Firmenpräparate angeboten, die sich in ihrer Quali- tät nicht nennenswert unterschei- den (zum Beispiel Uricult, Urotube).

Die Durchführung dieser Untersu- chungen ist viel leichter als eine Differentialblutzählung. Die mit dem Nährmedium beschichteten Träger werden in den zu untersuchenden Harn getaucht oder unmittelbar in den Harnstrahl gehalten. Über- schüssiger Harn muß abgestreift und der beimpfte Träger anschlie- ßend inkubiert werden. Die Keime wachsen zu mit bloßem Auge sicht- baren Kolonien aus. Die Beurtei- lung der Keimzahl erfolgt durch Vergleich der Koloniedichte mit ei- ner jeder Packung beigefügten Skala. In Tabelle 3 sind die Indika- tionen für eine Untersuchung der Keimzahl im Harn zusammenge- stellt.

Die mit diesen praxisreifen Metho- den ermittelten Keimzahlen sind nur verwertbar, wenn der Harn frisch untersucht oder bis zur Un- tersuchung abgekühlt wird und

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 6 vom 10. Februar 1977 367

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Tabelle 3: Indikationen für die Durchführung einer Keimzählung im Harn

Pathologische Leukozyturie und Erythrozyturie Positive Nitritprobe

Klinische Hinweise auf Harnwegsinfektion (Schmerzen in der Bla- sengegend, Schmerzen beim Wasserlassen, Enuresis)

Kontrolluntersuchung am 3. Behandlungstag

Kontrolluntersuchung nach Behandlungsende (4. bis 5. Tag) Kontrolluntersuchungen während der Reinfektionsprophylaxe

Tabelle 4: Dosisempfehtungen für Antibiotikabehandlung von Harnwegsinfektionen bei Kindern

Freinamen Handelsnamen Tagesdosis

pro kg Amblosin, Binotal, Deripen,

Penbristol, Penbröck Ceporex, Oracef Bactrim, Eusaprim

Aristamid, Elkosin, Gantrisin aura-Med, Furadantin, Ituran, Urolong, Uro-Tablinen

100 mg (4 ED) 100 mg (4 ED) 3-5 mg TMP (2 ED) 0,15-0,2 g (4-6 ED) 5 mg (4 ED) Ampicillin

Cephalexin Co-Trimoxazol Kurzzeitsulfonamide Nitrofurantoin

Pivampicillin Berocillin, Maxifen 50 mg

Amoxycillin Clamoxyl (4 ED)

wenn die Kinder zur Zeit der Harn- gewinnung nicht mit Antibiotika be- handelt werden. Die Beurteilungs- kriterien sind in Tabelle 2 zusam- mengestellt.

Die starke Betonung der großen Bedeutung der Keimzahl in der Harndiagnostik von Harnwegsin- fektionen hat die Untersuchung von Leukozyten und Erythrozyten zu Unrecht in eine Aschenbrödel-

rolle gedrängt. Während eine pa- thologische Keimzahl im Harn für

-eine Harnwegsinfektion pathogno-

monisch ist, sind pathologische Leukozyturien und Erythrozyturien vieldeutig. Sie stellen aber wichtige Hinweise auf die Notwendigkeit weitergehender, auch bakteriologi- scher Untersuchungen dar und bleiben daher ein unentbehrlicher Bestandteil der Harndiagnostik. Die Durchführung von Keimidentifi- zierungen und Resistenzbestim- mungen setzt nicht unbeträchtliche bakteriologische Erfahrungen vor- aus. Die im Handel angebotenen Testbestecke für diese Untersu- chungen gehören nur in die Hand

des Geübten. In der Regel wird man diese Untersuchungen besser ei- nem Speziallaboratorium überlas- sen.

Antibiotische Therapie

Schubbehandlung

Jeder Nachweis einer für die jewei- lige Art der Harngewinnung patho- logischen Keimzahl im Harn stellt eine Indikation zur Antibiotikabe- handlung dar. Derzeit muß Co-Tri- moxazol als Mittel der ersten Wahl besonders hervorgehoben wer- den. Als Nebenwirkungen kommen vor allem Thrombopenien und Gra-

nulozytopenien in Betracht; die An- gaben über ihre Häufigkeit gehen erheblich auseinander. Beide uner- wünschten Wirkungen sind nach Ende der Therapie rasch reversi- bel; Blutungen als Folge von Thrombopenien und schwere Infek- te infolge einer Granulozytopenie scheinen außerordentlich selten zu sein. Ampicillin und seine Weiter- entwicklungen sowie Cephalo- sporine sind Mittel der zweiten Wahl. Die Stellung des Nitrofuran- toin in der Schubbehandlung ist

noch umstritten.

Eine Behandlungsdauer von zehn, maximal vierzehn Tagen reicht voll aus; die früher erhobenen Forde- rungen nach einer Behandlungs- dauer von mindestens drei Wochen sind durch neuere Befunde wider- legt.

Auf die Behandlung von Infektio- nen durch sogenannte Problemkei- me (zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa, indolpositive Proteus) kann hier nicht eingegangen wer- den.

Tabelle 4 enthält Dosisvorschläge zur Behandlung von Kindern.

Reinfektionsprophylaxe

In der Frage der Indikation einer antibiotischen Reinfektionsprophy- laxe gibt es derzeit keine Einigkeit.

368 Heft 6 vom 10. Februar 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 5: Indikationen für eine antibiotische Reinfek- tionsprophylaxe

Primäre Indikationen:

Blasenentleerungsstörung Vesiko-uretero-renaler Reflux bei mehreren vorausgegan- genen Schüben von Harn- wegsinfektion

Harnsteine bei vorausgegan- genen Schüben von Harn- wegsinfektion

0 Sekundäre Indikationen:

Mehr als zwei Schübe von Harnwegsinfektion in sechs Monaten trotz intensiver Schubbehandlung

Tabelle 6: Grundforderungen an Antibiotika in der Reinfek- tionsprophylaxe

Breites Wirkungsspektrum Bakterizide Wirkung Hohe Harnkonzentration Keine Resistenzentwicklung Resorption oberer Darmtrakt Gute Verträglichkeit

Tabelle 7: Indikationen für die Ausscheidungsurogra- phie und Miktionszystoure- thrographie bei Kindern mit Harnwegsinfektion

Säuglinge

Hämaturie 1 Woche nach Therapiebeginn

Jungen: 2 Schübe Mädchen: 3 Schübe

Diagnose muß eindeutig sein Die einen lehnen eine Reinfektions-

prophylaxe generell ab, behandeln jeden Schub, bemühen sich durch häufige Kontrolluntersuchungen, je- den neuen Schub frühzeitig zu erfas- sen und rechtzeitig zu behandeln. An- dererseits werden von vielen Ärz- ten alle Kinder mit Harnwegsinfek- tion im Anschluß an die Schubbe- handlung einer antibiotischen Reinfektionsprophylaxe zugeführt.

Mir scheint der in Tabelle 5 zusam- mengestellte Kompromiß, der in unserer Klinik praktiziert wird, ein guter Mittelweg zu sein. Wir führen alle Kinder mit primärer Indikation nach erfolgreicher Schubbehand- lung einer Reinfektionsprophylaxe zu.

Wenn keine primäre Indikation vorliegt, warten wir nach erfolgrei- cher Schubbehandlung den weite- ren Krankheitsverlauf ab. Erst wenn sich im Laufe eines halben Jahres mehr als zwei neue Schübe einstellen, halten wir eine sekundä- re Indikation zur antibiotischen Reinfektionsprophylaxe für gege- ben.

Die Grundforderungen an eine Reinfektionsprophylaxe (Tabelle 6) unterscheiden sich grundlegend von den allgemein bekannten Grundforderungen an eine Schub- behandlung. Das eingesetzte Anti- biotikum wird nicht auf Grund des Resistenzergebnisses der Erreger von vorangegangenen Schüben ausgewählt. Als Erreger eines neuen Schubes kommen alle bei Harnwegsinfektionen vorkommen- den Keime in Betracht. Aus die- sem Grunde muß das eingesetz- te Antibiotikum ein möglichst brei- tes Wirkungsspektrum haben.

Reinfektionen steigen intrakanali- kulär in den Harnwegen auf; daher sind Antibiotika mit hohen Harn- konzentrationen in der Prophylaxe besonders wirksam. Nitrofurantoin und Co-Trimoxazol erfüllen die Grundforderungen in etwa glei- chem Maße. Beide haben sich in einer Dosis von ein Drittel bis ein- halb der therapeutischen Dosis als prophylaktisch wirksam erwiesen.

Wahrscheinlich ist eine einzige Ta- gesdosis genauso wirksam wie die Verteilung auf zwei Einzeldosen am Tag. Nitrofurantoin führt bei un- gefähr 15 Prozent der Kinder zu Appetitstörungen, Übelkeit und Be- einträchtigung des Allgemeinbefin- dens.

Bei der geringen erforderlichen Dosis ist die Wahrscheinlich- keit von Thrombopenien oder Gra- nulozytopenien während der Pro- phylaxe mit Co-Trimoxazol außer- ordentlich gering.

Wenn es uns bei einem Patienten im ersten Versuch nicht gelingt, die Häufigkeit neuer Schübe durch eine antibiotische Reinfektionspro- phylaxe zu vermindern, setzen wir von Nitrofurantoin auf Co-Trimoxa- zol um oder umgekehrt. Wenn sich auch hiernach der Verlauf nicht bessert, geben wir den Versuch ei- ner antibiotischen Reinfektionspro- phylaxe auf. Wir beenden die Pro- phylaxe, wenn ein Kind ein Jahr lang schubfrei ist.

Abkühlung, zum Beispiel durch längeres Baden, disponiert zu neu- en Schüben einer chronisch-re-

kurrierenden Harnwegsinfektion.

Wir erlauben Bäder nur für zehn Minuten; anschließend müssen die Patienten sich sorgfältig abtrock- nen und warm bekleiden.

Kontrolluntersuchungen

Neue Schübe einer Harnwegsinfek- tion sind in mindestens 50 Prozent der Fälle asymptomatisch. Daher müssen nach vorher festgelegten Zeitabständen Kontrolluntersu- chungen des Harns durchgeführt werden, auch wenn die Kinder kli- nisch symptomfrei bleiben. Wir füh- ren im ersten Vierteljahr jeden Mo- nat, während des Restes des er- sten Jahres alle drei Monate und anschließend in Abständen von sechs Monaten Kontrolluntersu- chungen durch. Drei bis fünf Tage vor der Kontrolluntersuchung wer-

den zur Reinfektionsprophylaxe ein- gesetzte Antibiotika ausgesetzt. t DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 10. Februar 1977 369

(6)

Diphtherieverdacht

An Diphtherie ist differentialdiagno- stisch bei flächig-eitrigen Verände- rungen im Nasopharyngealraum zu denken. Im Verdachtsfall sollte ein Abstrich jeder Serum- und Antibioti- katherapie vorangehen, um falsch negative Ergebnisse zu vermeiden.

Auch wenn die Befunde mikrosko- pisch negativ sind, bleibt der Diph- therieverdacht bestehen. Überdies sind die sofortige Gabe von antitoxi- schem Diphtherieserum sowie kon- sequente Antibiotikabehandlung ebenso dringend indiziert wie in bakteriologisch eindeutig positiven Fällen. Unter der stationären Be- handlung einer Diphtherie mit Allge- meinerscheinungen sollten nach Absetzen der Antibiotika drei Abstri- che im Abstand von zwei Tagen bak- teriologisch negativ sein. he

Sorgo, W., Franz, Chr., Gladtke, 6.: Münch.

med. Wschr. 118 (1976) 1631-1634

Gonorrhöediagnostik in der Praxis

Die Erkenntnis, daß etwa 31 Prozent der untersuchten Adnexitiden Go- nokokken als Erreger aufwiesen, veranlaßte die Autoren, mögliche diagnostische Methoden zu verglei- chen. Als überlegen und zuverlässig erwies sich dabei ein in der Praxis durchführbares Verfahren auf der Basis der Kerzenflammethode nach Chapin unter Verwendung des se- lektiven Nährbodens von Martin und Thayer. Grampräparate verhalfen nur in der Hälfte aller Fälle zur richti- gen Diagnose; der Transport zu ent- sprechenden Laboratorien wie- derum, denen das Anlegen einer Kultur aufgetragen war, verursachte durch die Dauer (bis zu 48 Stunden) und die Umgebungstemperatur des Postweges eine durchschnittliche diagnostische Verlustrate von annä- hernd 50 Prozent. Als Indikation zum Anlegen einer derartigen Kultur in der Praxis gelten: zweifelhafte mi- kroskopische Befunde, negative Grampräparate bei klinischem Ver- dacht auf eine venerische Erkran- kung, forensische Untersuchungen, Versagen einer Erstbehandlung,

Identifizierung positiver Grampräpa- rate und Notwendigkeit einer Thera-

piekontrolle. Sg

Litschgi, M., Benz, J. J., Glatthaar, 6.: Beitrag zur Gonorrhoediagnostik, Geburtsh. und Frau- enheilk. 36 (1976) 817-819

Mediastinaltumoren

Mediastinaltumoren sind oft röntge- nologische Zufallsbefunde. Ent- scheidend für die Verdachtsdiagno- se ist in allen Fällen die Thoraxüber- sichtsaufnahme in zwei Ebenen. In acht Jahren wurden an der Chirurgi- schen Klinik der Universität Mün- chen 82 Patienten wegen eines Me- diastinaltumors operiert; 35 Media- stinaltumoren wurden bei Untersu- chungen wegen anderer Erkrankun- gen oder im Rahmen einer Reihen- untersuchung diagnostiziert. Die Operationsletalität betrug 1,22 Pro- zent. Mit 29,3 Prozent waren Thymo- me am häufigsten. Die Malignitäts- rate betrug 34,2 Prozent. Durch die Operation sind die meisten Patien- ten mit benignen Mediastinaltumo- ren geheilt. he

Salzmann, G., Kuntz, R., Spelsberg, F.: Münch.

med. Wsch. 118 (1976) 1675-1678

Citicolin für Schwangere

Auch als pulmonologisches Thera- peutikum empfiehlt sich das Psy- chotherapeutikum Citicolin. Als eine der Komponenten, die zur Synthese der Lipide führen, stimu- liert Citicolin — wie neuere Ergeb- nisse bestätigen — die Bildung der alveolären oberflächenaktiven Sub- stanzen. Wird die Substanz Schwangeren verabreicht, tritt bei den Neugeborenen kein „acute re- spiratory distress syndrome" auf.

Citicolin führte bei chronischen Pneumopathien mit stabiler chroni- scher Ateminsuffizienz im allgemei- nen zu einer Erhöhung des Sauer- stoffgehaltes in den Arterien und einer Abnahme des Kohlendioxid- gehalts. Die Substanz bewirkt eine Verbesserung der Hämodynamik der Lunge und hat zusätzlich eine zentrale analeptische Wirkung. he

(Cornia, G., Gramiccioni, E.: Münch. med.

Wschr. 118 [1976] 817-818)

Indikationen

zur Röntgenuntersuchung des Harntrakts

Harnwegsinfektionen sind häufig Komplikationen von Anomalien des Harntrakts. Ein Teil dieser An- omalien ist operationsbedürftig.

Je früher notwendige Opera- tionen zur Beseitigung von Harnstauungen durchgeführt wer- den, desto besser erholt sich das Nierengewebe in der Regel.

Hieraus ergibt sich die Forderung nach möglichst frühzeitiger Indika- tion zur Röntgenuntersuchung. An- dererseits muß die Strahlenbela- stung möglichst klein gehalten werden. Außerdem ist die Kapazi- tät der vorhandenen Röntgenein- richtungen für Untersuchungen al- ler Kinder mit Harnwegsinfektion nicht groß genug.

Diese einander entgegenstehenden Gesichtspunkte stellen den Kinder- arzt bei der Indikation zur Röntgen- untersuchung vor ein Dilemma. In Tabelle 7 ist ein Kompromißvor- schlag zusammengestellt. Wir hal- ten bei allen Kindern mit der Indi- kation• zur Ausscheidungsurogra- phie auch eine Miktionszystoure- thrographie für ratsam.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Hermann Olbing Universitätskinderklinik Klinikum Essen

Hufelandstraße 55 4300 Essen

370 Heft 6 vom 10. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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