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Archiv "Solutio Castellani: Untersuchungen und Bemerkungen zu einer altbewährten Tinktur" (24.12.1990)

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(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Untersuchungen

und Bemerkungen zu einer altbewährten Tinktur

Solutio Castellani

Roswitha Schroer, Thomas Krech und

Christian Peter Hommerich

1

n der Mitte des vorigen Jahrhun- derts entdeckte man in England und Frankreich die ersten Ani- linfarben. Mit den Triphenylmethan- derivaten wie Brillantgrün, Fuchsin, Gentiana- und Methylviolett begann die eigentliche klinische Anwendung der Farbstoffe in fast allen medizini- schen Fachgebieten. Das Originalre- zept der Solutio Castellani geht auf Professor Aldo Castellani zurück, ei- nen Tropenarzt aus Italien, der Ende der 20er Jahre die Lösung aus Fuch- sin, Phenol, Resorzin, Borsäure, Aceton und Alkohol zur Behandlung von Hautinfektionen herstellte. 1950 wurde sie in die deutschen Rezept- formeln aufgenommen.

Moderne Antibiotika und Anti- mykotika haben heute die traditio- nelle Farbstoffbehandlung weitge- hend verdrängt. Dennoch hat die So- lutio Castellani ihren Stammplatz besonders in der Dermatologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde be- hauptet.

In den letzten Jahren war die Rezeptur jedoch immer wieder Ge- genstand von Diskussionen. Anfang der 80er Jahre wurde zunächst das Phenol wegen seiner hohen Toxizität durch Chlorkresol ersetzt. Die An- wendung der Borsäure wurde aus dem gleichen Grund ersatzlos aus der Rezeptur gestrichen. Zudem mehrten sich die Stimmen bezüglich einer kanzerogenen Wirkung des Farbstoffes Fuchsin. Dies führte da- zu, daß schließlich auch das Fuchsin aus der Lösung verschwand. Von der Originallösung Castellanis blieb letztlich nur noch eine farblose Vari-

ante übrig, bestehend aus Chlorkre- sol, Resorzin, Aceton, Äthanol und Wasser.

Bei der klinischen Anwendung zeigte die neue Solutio jedoch ein- deutig schlechtere Behandlungser- gebnisse als die alte rote Lösung.

Diese Beobachtungen nahmen wir zum Anlaß, die antimikrobiellen Ei- genschaften der verschiedenen Re- zepturen einer In-vitro-Testung zu

In

-

vitro

-

Testergebnisse

Aus der Vielzahl der Einzeler- gebnisse sind folgende Erkenntnisse für die Anwendung der Solutio Ca- stellani in der Praxis erwähnenswert.

Die Lösung wirkt nachweislich bak- terizid oder fungizid gegen alle gete- steten Keime. Die Wirkung erwies sich insgesamt gegen Staphylokok- ken am größten, gegenüber Pseudo- monas am schwächsten, wobei kein wesentlicher Unterschied zwischen der Originalrezeptur und der neuen fuchsinhaltigen Lösung festzustellen war. Durch den Wegfall der Borsäu- re wie auch durch den Ersatz des Phenols durch Chlorkresol konnte der klinisch beobachtete Wirkungs- verlust nicht erklärt werden. Erst nach Ausfall des Farbstoffs Fuchsin kam es zu einem deutlichen Wir- kungsabfall, besonders ausgeprägt bei den Staphylokokken. Um den Unterschied zu verdeutlichen, seien hier einmal zwei Zahlenwerte ge- nannt. Während die farblose Solutio Castellani nur bis zu einer Verdün- nung von 1:20 die Staphylokokken abtöten konnte, war die fuchsinhalti- ge Lösung noch bis zu einer Verdün- nung von etwa 1:5000 voll bakterizid wirksam. Fuchsin allein beeinflußt bevorzugt das Wachstum der gram- positiven Keimflora, dagegen erfaßt

unterziehen. Dazu diente ein stan- dardisierter Reihenverdünnungstest, wie er von der Deutschen Gesell- schaft für Hygiene und Mikrobiolo- gie auch für die Testung und Bewer- tung von Desinfektionsmitteln emp- fohlen wird. Als repräsentative Test- keime, wie sie häufig auch bei der Otitis externa vorkommen, wurde ein Staphylokokkenstamm, als Ver- treter einer Mykose Candida albi- cans sowie als Problemkeim Pseudo- monas aeruginosa ausgewählt. Um das Milieu eines exsudativen Ent- zündungsprozesses nachzuahmen, wurden die Testreihen auch unter Zugabe von Rinderserum angesetzt.

Die Änderungen der Rezeptur ha- ben wir schrittweise nachvollzogen und die verschiedenen Lösungen so- wie die Einzelsubstanzen auf ihre antimikrobiellen Eigenschaften in vitro überprüft.

die Solutio Castellani wegen ihres Gehaltes an Chlorkresol und Resor- zin auch Problemkeime wie Pseudo- monas.

Der sauere Charakter der Lö- sung (pH 3,2) ist für die Behandlung wichtig, da sich die Keime bei einer Infektion nach Zerstörung des phy- siologischen Säuremantels bei hö- heren pH-Werten vermehren. Das schlechte Abschneiden der farblosen Lösung ist aber nicht durch ihren hö- heren pH-Wert bedingt, denn durch Ansäuerung von Original pH 4,7 auf einen entsprechenden niedrigeren Wert ließ sich ihre Wirkung nicht steigern. Auf eine alleinige Ansäu- erung des Milieus läßt sich also der Effekt des Fuchsins in der roten Lö- sung nicht zurückführen.

Über den genauen Mechanis- mus der bakteriziden Wirkung von Farbstoffen liegen unterschiedliche Untersuchungsergebnisse vor. Allge- mein wird heute angenommen, daß der Angriffsort die Enzyme der At- mungskette sind.

Alternativ-Farbstoffe

zum Fuchsin

Die Eigenschaft von Fuchsin, grampositive Keime abzutöten, wird schon lange in der Mikrobiologie bei Dt. Ärztebl. 87, Heft 51/52, 24. Dezember 1990 (53) A-4123

(2)

Solutio Castellani

(„Originallösung") (DRF 1950) Solut. Fuchsini

spirit. (10%) 10,0

Phenol liquef.

5,0 Aq. des. ad. 100,0 Acid. borici puls. 1,0

Acetoni 5,0

Resorcini 10,0

Solutio Castellani (NRF 1984) (cum et sine colore)

Solut. Fuchsini spirit. (10%) Chlorkresol Resorzin Aceton

Äthanol 70% (V/V) Wasser

10,0 0,1 10,0 5,0 10,0 zu 100,0 der Selektivzüchtung gramnegativer

Bakterien ausgenutzt, indem man diesem Farbstoff Nährböden zusetzt, um das Begleitwachstum anderer Keime zu unterdrücken. Wegen der aufkommenden Diskussion um die Kanzerogenität des Fuchsins wurde es im Laborbereich durch den eben- falls roten Farbstoff Safranin ersetzt.

Der Ersatz des Fuchsins durch Saf- ranin in der Castellanischen Rezep- tur führt jedoch nach unseren Unter- suchungen zu einem Wirkungsver- lust.

Brillantgrün, ebenso wie Fuch- sin ein Triphenylmethanfarbstoff, wird gelegentlich der Castellani- schen Lösung vorgezogen. Der di- rekte In-vitro-Vergleich zeigt, daß sich eine einprozentige wässerige Brillantgrünlösung und die Castel- lanische Lösung mit Farbstoff bei der Hemmung des Staphylokokken- wachstums etwa gleichwertig verhal- ten. Die Vermehrung der Hefen wurde dagegen deutlich besser durch den grünen Farbstoff gehemmt. Bei der Bekämpfung von Pseudomonas war das Brillantgrün der Solutio mit und ohne Farbstoff unterlegen. Daß die Castellanische Lösung vielfach bei der Behandlung von Hautinfek- tionen, insbesondere auch Mykosen, dem Brillantgrün vorgezogen wird, läßt sich durch die In-vitro-Ergebnis- se allein nicht erklären. Entschei- dend für den Erfolg in der Lokalthe- rapie dürften hier die zusätzlichen juckreizstillenden, austrocknenden und keratolytischen Eigenschaften der Lösung sein. Allerdings bietet sich Brillantgrün durchaus als Be- handlungsalternative an, nicht zu- letzt wegen ihrer noch etwas geringe- ren allergischen Potenz.

Haltbarkeit der Lösung

Bisher wurde eine begrenzte Haltbarkeit der Lösung von etwa ei- nem Monat angenommen (Deutsche Arzneimittelkommission). Die Lage- rung soll vor Licht geschützt unter- halb 25° C erfolgen. Im Alltag kommt es jedoch gelegentlich vor, daß die angesetzte Lösung länger als vier Wochen benutzt wird, ohne daß klinisch der Eindruck eines Wir- kungsverlustes entstanden wäre.

Nach unseren Untersuchungsergeb- nissen bleibt die Autosterilität und antimikrobielle Wirksamkeit der Lö- sung über neun Monate voll erhal- ten, selbst bei unsachgemäßer Lage- rung über 25° C.

Nebenwirkungen und fragliche Kanzerogenität Über lokale Nebenwirkungen, bei denen es sich fast ausschließlich um allergische Reaktionen handelt, wird ausgesprochen selten berichtet.

Dies ist im übrigen auch ein Vorteil gegenüber Tinkturen, die antibioti- sche Substanzen (zum Beispiel Neo- mycin, Gentamycin und andere) mit einer wesentlich höheren allergi- schen Potenz enthalten. Die Inhalts- stoffe der neuen Castellanischen Lö- sung haben in therapeutischen Do- sen eine zu vernachlässigende syste- mische Wirkung. Dies unterscheidet sie von dem Originalrezept, aus dem die Borsäure und das Phenol wegen ihrer erheblichen nephro- und hepa- totoxischen Wirkung gestrichen wur- den.

Die Diskussion um die Kanzero- genität von Fuchsin wurde ausgelöst durch eine epidemiologische Studie an englischen Fabrikarbeitern, die mit der Herstellung von Fuchsin be- schäftigt waren. Bei diesen beobach-

tete man ein vermehrtes Auftreten von Blasenkrebsen. Es stellte sich je- doch heraus, daß im Herstellungs- prozeß noch andere Substanzen ver- wendet wurden, die nicht auf ihre mögliche Kanzerogenität hin unter- sucht wurden. Trotzdem wurde die- ser Frage in tierexperimentellen Un- tersuchungen nachgegangen. Im Einzelfall konnten dabei durch intra- gastrale und subkutane Verabrei- chung von Fuchsin Sarkome ausge- löst werden. Allerdings bleibt einzu- wenden, daß bei diesen Versuchen mit extrem hohen Konzentrationen gearbeitet wurde. Außerdem dürfte die verwendete Applikationsart kei- ne klinische Relevanz besitzen. Über eine kanzerogene Wirkung des Fuchsins ist im therapeutischen Zu- sammenhang bisher jedenfalls nie berichtet worden. Auf vielfachen Wunsch wurde die fuchsinhaltige So- lutio Castellani inzwischen von der Deutschen Arzneimittelkommission wieder in die Rezeptformeln aufge- nommen

Literatur

1. Case, R. A.; Pearson, J. T.: Tumors of the urinary bladder in workman engaged in the manufacture and use of certain dyestuff in- termediates in the British chemical industry.

British Journal of industr. Med. 11 (1954) 213-216.

2. Castellani, A.: The treatment of certain types of epidermophytosis by means of a carbol fuchsin paint. New Orleans med. a. surg.

journ. Bd. 80, Nr. 12 (1928) 833-835.

3. Fräki, J. E. et al.: Contact allergy to various components of topical preparations for treat- ment of external otitis. Acta Otolaryngol.

(Stockh), 100 (1985) 414-418.

4. Hommerich, Ch. P., Kau, R. J.: Ist die verse- hentliche Gabe von Solutio Castellani ins Mittelohr schädlich? Zentralblatt HNO-Heil- kunde, Bd. 134, Heft 2 (1987) 104.

5. Lundell, E.; Nordman, R.: A case of infantile poisoning by topical applikation of castella- ni's solution. Ann clin. Res. 5 (1973) 404.

6. Müller, H. E.: Über die angebliche Cancero- ßenität des Fuchsins. Ärztl. Lab. 29 (1983)

188-190.

7. Schmäht D.; Bertram, B.: Chemische Carci- nogene und ihre Bedeutung für die Krebsent- stehung beim Menschen unter der beson- deren Berücksichtigung dermatologischer Aspekte. Dermatosen 29, Nr. 3 (1981) 75-79.

Anschrift für die Verfassen

Privatdozent Dr. med.

Christian Peter Hommerich Oberarzt der

Hals-Nasen-Ohrenklinik Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Moorenstr. 5, W-4000 Düsseldorf 1 A-4124 (54) Dt. Ärztebl. 87, Heft 51/52, 24. Dezember 1990

Referenzen

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