• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Was jetzt zu tun ist: Konsequenzen aus dem Gesundheits-Strukturgesetz" (21.12.1992)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Was jetzt zu tun ist: Konsequenzen aus dem Gesundheits-Strukturgesetz" (21.12.1992)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Dr. Ulrich Oesingmann: Kräfte bündeln und den Blick nach vorne richten. Für den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stehen als nächstes konkrete Hilfestellungen für die Kassen- ärzte an, wie diese mit dem neuen Ge- Setz zurechtkommen können

Gerade kommt aus Bonn die Nachricht, daß das Gesundheits- Strukturgesetz im Bundestag verab- schiedet wurde. Das war zu erwar- ten; das ganze Gesetzgebungsverfah- ren lief wie programmiert. Wir Ärz- te, insbesondere wir Kassenärzte, haben dieses Gesetz nicht gewollt, wir haben uns gegen viele der neuen Vorschriften gewehrt. Auf die Kas- senärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung kommen nun Aufgaben zu, nach de- nen sie sich wahrlich nicht gedrängt haben. Sie werden sich diesen Auf- gaben stellen und im Rahmen des gesetzlich Möglichen das Bestmögli- che für die Kassenärzte zu erreichen suchen.

Vordringlich ist jetzt die ver- ständliche und umfassende Informa- tion der Kassenärzte, aber auch der Patienten über das, was auf sie zu- kommt. Die Kassenärztliche Bun- desvereinigung bereitet dazu eine umfangreiche Schrift vor, die bereits dem nächsten Heft des Deutschen Ärzteblattes (Heft 1/2 1993) beige- legt werden soll. Dabei wollen wir nicht nur über die Gesetzesbestim- mungen informieren, sondern dem einzelnen Arzt auch praktische Hin- weise geben, wie er mit den neuen Vorschriften zurechtkommen kann.

Praktikable Lösungen für die Kassenärzte

Daneben laufen die Vorberei- tungen mit unseren Vertragspart- nern, um die Fülle an Vereinbarun- gen, die abzuschließen sind, bewälti- gen zu können. Auch hierbei steht für die Kassenärztliche Bundesverei- nigung im Vordergrund, praktikable Lösungen für die Kassenärzte zu er- reichen.

Ich will hier nicht auf Details des GSG eingehen. Zwei in den letzten Monaten heftig diskutierte Fragen seien aber hervorgehoben: Arznei- mittelbudget und Gliederung in

hausärztliche und fachärztliche Ver- sorgung.

Arzneimittelbudgets sind für 1993 vorgeschrieben, soweit und so- lange es keine Richtgrößen für die Arzneiverordnung gibt. Die KBV ar- beitet zur Zeit daran, dem Arzt prak- tisch nutzbare Ratschläge zu geben, wie er persönlich mit „seinem Bud- get" umgehen kann. Im direkten Zu- sammenhang mit den Regelungen für das Arzneibudget stehen die vom Gesetz vorgeschriebenen Richtgrö- ßenvereinbarungen. Sie werden mit Hochdruck bearbeitet werden müs- sen, um die Arzneibudgets möglichst

gar nicht prüfen zu lassen. Das be- deutet: Die Richtgrößen müssen 1993 möglichst früh in Kraft treten, verbunden mit flankierenden Maß- nahmen, die dem Arzt die Einhal- tung der Richtgrößen ermöglichen oder deren Überschreiten wegen Praxisbesonderheiten legitimieren.

Auch die Gliederung in eine hausärztliche und fachärztliche Ver- sorgung ist gesetzlich vorgeschrie- ben, und zwar schon seit der letzten

„Gesundheitsreform"; das GSG be- kräftigt und präzisiert das. Innerärzt- lich hat es gerade hierüber viel Streit gegeben, insbesondere mit den be- sonders betroffenen Internisten. Das kann man verstehen, nicht verstehen kann ich Art und Stil. Harte Ausein- andersetzungen in der Sache müssen nicht einhergehen mit persönlichen Verunglimpfungen. Ich plädiere da- für, nunmehr den Blick nach vorn zu richten und konstruktiv nach einer Lösung zu suchen. Deshalb begrüße ich die Bereitschaft der Hauptbe- troffenen, sich nunmehr zusammen- zusetzen. Die jüngste Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die zwar im er- sten Teil noch von den erwähnten Auseinandersetzungen geprägt war, hat schließlich doch ein Hoffnungs- zeichen gesetzt.

Für den Vorstand der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und für mich als Vorsitzenden möchte ich nachdrücklich erklären: Wir ver- stehen uns als Sachwalter der gesam- ten Kassenärzteschaft, wir sind nicht Interessenvertreter der einen oder anderen Gruppierung, sondern sind bestrebt, Lösungen zu finden, die ei- ner objektiven Beurteilung standhal- ten. Unsere und meine Bereitschaft zum Dialog sei hiermit noch einmal bekräftigt.

Die politische Konstellation

sommumwm■■ 1

Aber zurück zum GSG: Die Vielzahl bürokratischer Vorschrif- ten, die jetzt kommen und die notge- drungen von der kassenärztlichen Selbstverwaltung übernommen wer- den müssen, sind nicht unsere Erfin- dungen, ja, sie laufen größtenteils unseren eigenen Vorschlägen entge-

Ulrich Oesingmann

Was jetzt zu tun ist

Konsequenzen aus dem Gesundheits-Strukturgesetz

Dt. Ärztebl. 89, Heft 51/52, 21. Dezember 1992 (19) A1-4347

(2)

gen. Der Bundesgesundheitsminister und die das GSG tragenden Parteien haben sich über unsere Alternativen einfach hinweggesetzt.

Seit der Klausurtagung der Re- gierungskoalition in Nürburg im Mai diesen Jahres mußte jedem klar sein, daß im Gesundheitswesen ein neuer Versuch der Kostendämpfung, wenn wir es zutreffender ausdrücken wol- len: der Kostenumverteilung, kom- men würde. Die Wirtschaftsdaten:

bedrohliche Minderung des Wirt- schaftswachstums, ungeheuere Ver- schuldung der öffentlichen Hand, Arbeitslosigkeit, dazu die weit unter- schätzten Kosten der Sanierung der neuen Bundesländer, das alles warf erhebliche Probleme auf. Die Aus- gabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahre 1991 hat all denen Rückenwind gegeben, die das Eingreifen des Gesetzgebers zur Kostendämpfung forderten. Das waren de facto alle in der Bundesre- publik bestimmenden Kräfte, Partei- en, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Krankenkassen. Der Bundesgesund- heitsminister konnte daher von An- fang an mit der Unterstützung so gut wie aller in die Sozialpolitik einge- bundenen Kräfte rechnen, als er an die Vorbereitung seines Gesund- heits-Strukturgesetzes ging. Auch den Ärzten, den Apothekern und der Pharma-Industrie war klar, daß die Regierung handeln mußte. Eben- so klar war es, daß ein Gesetz, wel- ches von allen Opfer forderte, auch Widerstand wecken würde.

Das Alternativkonzept der KBV

Politisch waren wir also mit ei- ner "großen Koalition in der Sache"

konfrontiert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und ihr Vorstand standen vor einer schweren Wahl:

Sollten wir, wie uns einige ärztliche Gruppierungen nahelegten, Funda- mentalopposition gegen die Geset- zespläne betreiben oder sollten wir, bei aller grundsätzlichen Gegner- schaft gegen das Gesetzesvorhaben, nach Verhandlungsmöglichkeiten suchen, um zu retten, was zu retten war. Totale Konfrontation hätte uns vielleicht dann etwas gebracht, wenn

wir die Öffentlichkeit für uns hätten gewinnen können. Ganz zu Beginn, als die ersten Pläne bekannt wurden, hätte das vielleicht noch gelingen können. Später ~~er zeichnete sich ab, daß der Offentlichkeit nur schwer zu vermitteln war, daß auch sie von dem Gesetz erhebliche Nach- teile zu erwarten hätte. In der Öf- fentlichkeit herrscht die Auffassung vor, maximale Krankenversorgung sei nach wie vor zu gleichbleibenden Preisen zu bekommen. Das böse Er- wachen wird erst kommen.

Der KBV-Vorstand hat sich not- gedrungen für den Verhandlungsweg entschieden. Die Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung am 9. September und der anschließende Deutsche Kassen- ärztetag haben den Weg vorgezeich- net: Zu den damals bekannten Eck- punkten des geplanten Gesetzes be- schlossen sie ein Alternativkonzept und beauftragten den Vorstand da- mit, auf dieser Basis zu verhandeln.

Die wesentlichen Punkte dieses Ver- handlungskonzeptes lauteten:

~ Ausgliederung präventiver Leistungen aus der Budgetregelung.

~ Förderung des ambulanten Operierens.

~ Vermeiden der Nachteile, die bei der Ausgabenbudgetierung den Kassenärzten aller KVen als Folge unterschiedlicher Vertragsab- schlüsse entstehen können.

~ Ersatz eines von der Regie- rung gewollten Malussystems durch Richtgrößenprüfungen und pharma- katherapeutische Beratung.

Wir alle wissen, daß das KBV- Alternativkonzept insgesamt nicht durchgesetzt werden konnte. Hätten wir mit Obstruktion und öffentlichen Aktionen mehr erreicht? Ich sage:

nein. Wir hätten dann nicht einmal die Teilerfolge erringen können, die wir tatsächlich erreicht haben:

Wir haben erreicht, daß das Recht der Aufsichtsbehörde, Ver- tragsabschlüsse zwischen Ärzten und Krankenkassen mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden, weggefal- len ist. Die Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Krankenkassen bleibt daher grundsätzlich erhalten.

Wir haben erreicht, daß das Arz- neibudget faktisch auf das Jahr 1993 begrenzt wird und die Ausgleichs- Ac4348 (20) Dt. Ärztebl. 89, Heft 51/52, 21. Dezember 1992

pflichtder Kassenärztlichen Vereini- gungen bei Überschreitungen maxi- mal ein Prozent der Gesamtvergü- tung ausmachen darf.

Wir haben erreicht, daß beim ambulanten Operieren und bei prä- ventiven Leistungen ein Zuwachs von 10 Prozent beziehungsweise 6 Prozent über der Grundlohnsum- menentwicklung gewährt wird.

Wir haben erreicht, daß das La- bor nicht, wie beabsichtigt war, aus der kassenärztlichen Versorgung ausgegliedert wird.

Wir haben erreicht, daß eine zu- sätzliche Erhöhung der Gesamtver- gütung in den neuen Bundesländern gezahlt wird.

Warnung vor

radikalen Gruppierungen

Angesichts der gewaltigen politi- schen Mehrheit, die das Gesetz trägt, angesichts aber auch der Quer- schüsse und der Gruppenbildung im eigenen ärztlichen Lager, angesichts schließlich der beklemmenden Wirt- schaftslage ist das, was wir in unzäh- ligen Verhandlungen geschafft ha- ben, beachtlich.

Wir, die von den Kassenärzten als ihre Repräsentanten gewählt wurden, sind uns bewußt, daß wir unseren Wählern Rechenschaft ab- legen müssen. Dem stellen wir uns.

Unsere Wähler, die Kassenärzte, aber sollten die Lage, trotz aller ver- ständlicher Erregung, kühl analysie- ren. Gegenüber "der Politik" waren wir als relativ kleine gesellschaftliche Gruppierung weitgehend machtlos.

Das muß uns allen eine Lehre sein.

Wir Ärzte müssen künftig in den de- mokratischen Parteien mehr mitar- beiten und Mandate anstreben.

Falsch wäre es allerdings, wenn wir aus Enttäuschung über die etablier- ten Parteien uns radikalen Gruppie- rungen zuwenden würden, die uns heute versprechen, was uns gut in den Ohren klingt, die uns dann aber in die Sackgasse führen würden.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Ulrich Oesingmann Erster Vorsitzender der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3 W-5000 Köln 41

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Seehofer selbst, der sein Kommen für den Nachmittag dessel- ben Tages angekündigt hat, wird dann wohl handfeste und für die Än- derung des Gesetzentwurfs ausfor- mulierte

bleme nicht gelöst werden. Notwendig ist eine für Krankenkassen und Kassen- ärzte eindeutige Definition der zu La- sten der Krankenkassen zu gewährenden Sachleistungen und —

cher Steuerung und leistungsgerech- ten Entgelten bei der Krankenhaus- finanzierung müßten den Kranken- hausträgern die unternehmerische Autonomie zurückgegeben und die

Finanzielle Schwierigkeiten gibt es allerdings auch in den Fäl- len, in denen nur die Kinder zum Studium in „den Westen" ge- kommen sind, während die Eltern nach wie vor in

Es wäre sicher wünschenswert und im Interesse gerade der Ärzte- schaft sinnvoll gewesen, in diesem Gesetz deutlich zu formulieren, daß jeder Schwangerschaftsabbruch nur aus

Der Vorsitzende der Kassenärz- t 1 ichen Bundesvereinigung leitet daraus die Forderung ab, daß auch während der vorgesehenen dreijähri- gen Ausgabenbudgetierung für die

Die neuen Eckwerte zum Gesundheits-Strukturgesetz, vorgelegt nach einer Klausurtagung der Regierungskoalition und der SPD in Lahnstein, werden nach Auf- fassung der

Das mit großer Mehrheit verabschiedete Konzept für eine „Strukturreform 1993" (das in diesem Heft im Wort- laut dokumentiert wird) der Bundes- ärztekammer sollte die Grundlage