DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Verpackungsmüll:
Arznei hat besondere Ansprüche
Franz-Josef Bohle
W
nn am 1. Dezember die erste Stufe der von Bun- desumweltminister Prof.Klaus Töpfer eingeführ- ten Verpackungsverordnung in Kraft tritt, sind Händler und Produzenten zur Rücknahme und Verwertung von Verpackungen verpflichtet. Auch Arzneimittelhersteller müssen sich deshalb Gedanken über die Redu- zierung des Verpackungsabfalls ma- chen.
Anders als bei normalen Kon- sumgütern ist die Arzneimittelver- packung normalerweise kein Instru- ment der Absatzförderung. Somit sind Überdimensionierungen eine Ausnahmeerscheinung. Was das Arzneimittel zu einem Sonderfall unter den industriellen Verbrauchs- gütern macht, sind die hohen Anfor- derungen an Qualität, Haltbarkeit, Anwendungssicherheit und detail- lierte Produktinformation.
Der Gesetzgeber verlangt die Informationen auf Sekundärverpak- kungen und Beipackzetteln und gibt den Verbrauch an entsprechendem Material vor. Einfaches Offnen der Packung für ältere Patienten, Schutz vor Kinderhänden und Schutz des Arzneimittels vor äußeren Einflüs- sen, wie Feuchtigkeit sind weitere Bedingungen, die eine Arzneimittel- verpackung erfüllen muß. Nicht oh- ne Grund behält sich das Bundesge- sundheitsamt vor, alle Änderungen in diesem Zusammenhang zu geneh- migen.
Ersatz von bisherigem Verpackungsmaterial
Entsprechend der Prioritäten- skala des Bundesumweltministeri- ums (vermeiden, wiederverwenden, verbrennen, deponieren) suchen Verpackungstechnologen umwelt- freundlichere Lösungen. Dabei steht vor allem der Ersatz von bisherigem Verpackungsmaterial zur Debatte.
In die ökologische Beurteilung des Materials muß der gesamte Prozeß von der Rohstoffgewinnung über den Rohstoff- und Energiever- brauch, die Emissionen bei der Pro- duktion und die Handhabung beim Konsumenten bis zur Entsorgung einbezogen werden.
Im Bereich der Medikamenten- verpackung wäre die Umstellung von Durchdrückpackungen (Blisterstrei- fen) auf Glasbehältnisse kein Fort- schritt. Denn kindergesicherte Glas- behältnisse sind für ältere Menschen schwer zu öffnen und bei der Aufbe- wahrung von feuchtigkeits-empfind- lichen Arzneimitteln ergeben sich zusätzliche Probleme. Bei der Bli- sterpackung ist dagegen jede Tablet- te einzeln hygienisch verpackt und geschützt — auch vor Kindern. Für den Produzenten ist diese Verpack- ung außerdem rationeller und kosten- günstiger.
Es zeichnet sich ab, daß das PVC-Material der Blisterstreifen bald durch Polypropylen ersetzt wer- den kann. Die Zustimmung des Bun- desgesundheitsamts und der zustän- digen Landesbehörden vorausge- setzt, will die Bayer AG bis Mitte 1992 ihre Produktion entsprechend umstellen.
Papier und Karton haben den größten Anteil an den Verpackungs- materialien. Sie sind jedoch keines- wegs universell einsetzbar. Als Pri- märverpackung sind sie — insbeson- dere wegen des mangelnden Feuch- tigkeitsschutzes — nicht geeignet. Als Informationsträger müssen sie den Anforderungen an Druck und Les- barkeit entsprechen. Obwohl die Kartons zu einem sehr hohen Pro- zentsatz aus Altpapier hergestellt werden, ist der Recycling-Prozeß be- grenzt. Denn durch den wiederhol- ten Mahlungsvorgang wird die Fa- serlänge verkürzt, und daher muß bei der Herstellung des Papiers im- mer wieder Frischfasermaterial zu- gemischt werden.
Die Verpackung von Medika- menten dient klar definierten — vom Gesetzgeber vorgeschriebenen — Funktionen und eine Vermeidung ist nur in Ausnahmefällen, wie bei den Transportverpackungen mög-
lich. Nach der neuen Verpackungs- verordnung, die zwischen Trans- port-, Umverpackung und Verkaufs- verpackung unterscheidet, müssen Hersteller und Vertreiber ab 1. De- zember 1991 die Transportverpak- kung zurücknehmen. Eine Umstel- lung von Wellpappe auf Mehrweg- Kunststoffkisten als Transportver- packung wäre bei Arzneimitteln eine denkbare Lösung, um Verpackungs- material einzusparen.
Vom 1. April 1992 an fordert der Gesetzgeber, daß die Umverpackun- gen quasi an der Kasse entfernt und zurückgenommen werden sollen.
Von dieser Regelung ist die Phar- mabranche nicht betroffen, da die Medikamentenschachteln nicht als Um- sondern als Verkaufsverpak- kung eingestuft werden. Dies ist auch sinnvoll, da die Schachtel nicht nur notwendige Informationen lie- fert, sondern auch für die Aufbewah- rung von Blister und Beipackzettel eine wichtige Funktion hat.
Gebrauchte Verkaufsverpak- kungen können, sofern sie Reste an Altarzneimitteln enthalten, auch jetzt schon an den Apotheker zu-
rückgegeben werden. Ab 1. Janu- ar 1993 ist dies auch die dritte Stufe der Verpackungsregelung. Sicherlich entstehen dadurch insbesondere für die Apotheker organisatorische Pro- bleme, die wir gemeinsam lösen müs- sen.
Anschrift des Verfassers:
Dr. rer. nat. Franz-Josef Bohle
Leiter des Bereichs
Gesundheitspolitik Bayer AG
Sektor Gesundheit
5090 Leverkusen, Bayerwerk
I Rückgabe an den Apotheker
Dt. Ärztebl. 88, Heft 43, 24. Oktober 1991 (25) A-3609