• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Der Ärztepräsident ging und kam wieder" (11.05.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Der Ärztepräsident ging und kam wieder" (11.05.1984)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

Der Ärztepräsident ging und kam wieder

Spaniens Ärztekammer

wehrt sich gegen Staatsmedizin

Seit Übernahme der Regierungs- gewalt durch die Sozialisten (So- zialistische Arbeiterpartei in Spa- nien — PSOE) nach dem Wahlsieg im Oktober 1982 ist die Unruhe in den spanischen Ärzteverbänden über den von der Regierung ein- geschlagenen Kurs für die an sich von allen Seiten für dringend er- forderlich gehaltene grundlegen- de Reform des Gesundheitswe- sens spürbar größer und auch durch vereinzelte Streikaktionen deutlicher geworden.

Schon im Herbst 1983 haben die Verbände in den einzelnen Pro- vinzen auf Indiskretionen aus Re- gierungskreisen scharf reagiert und mit Beschlüssen und Samm- lung von Unterschriften für eine freie Medizin in Spanien plädiert.

Indirekt hatte auch der spanische König in die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Ärzte- schaft eingegriffen, indem er an- läßlich der Eröffnung des I. Deon- tologischen Kongresses im De- zember in Madrid die wichtigen sozialen und menschlichen Funk- tionen der Ärzte, ihre ständige und totale Integration in der Ge- sellschaft des Landes und ihren hohen wissenschaftlichen Stel- lenwert besonders herausstellte.

Hilfestellung haben die Ärzte ebenfalls von der „Alianza Popu- lar" (AP) erhalten, der im Senat und Cortes mit Abstand größten Oppositionspartei im Lande. Mit Schlagzeilen wie „Nach einem Jahr sozialistischer Regierung sind die Ärzte demoralisiert" wird bemängelt, daß der Minister für Gesundheit, Ernesto Lluch, 95 Prozent seiner Versprechungen nicht erfüllt habe. Für das Ge- sundheitswesen war das Jahr ein verlorenes Jahr. Die Opposition kritisiert unter anderem weiter,

daß die Regierung mit beabsich- tigten Indiskretionen die Haltung der Ärzte zu testen versucht, was zu Verwirrungen Anlaß gibt.

Harte Kritik wird auch geübt an

„dantischen" Zuständen in vielen Krankenhäusern. Es werden na- mentlich Krankenhäuser aufge- führt, in denen Bruchoperationen erst nach Wartezeiten von über zwölf Monaten, Brustkrebsunter- suchungen nach mehr als drei Monaten und Behandlungen von Allergien nach mehr als zwölf Mo- naten erfolgen können.

In den Ambulatorien haben die Ärzte die doppelte Anzahl von Pa- tienten als normal zugewiesen be-

Dr. Ramiro Rivera (Foto: ABC) kommen; trotzdem müssen Pri- vatkliniken immer öfter schließen, und das Heer der Arbeitslosen wird dadurch vergrößert.

Die Ärzteschaft hält den Entwurf der Regierung zur Reform deS Ge- sundheitswesens für verfassungs- widrig und wirft der Regierung vor, Verhältnisse wie in Kuba oder

„hinter dem Eisernen Vorhang"

anzustreben.

Die Ärzteschaft hat ihrerseits Vor- schläge erarbeitet, die detailliert alle vorhandenen Aspekte zusam- menhängend vorstellen. Es sei — hieß es in einer Erklärung der Ärz- tekammer in Madrid — jedoch be- dauerlich, daß keine der Anregun- gen und Wünsche vom zuständi- gen Minister aufgenommen wur- de. Man sei der Meinung, daß die

notwendige Reform am besten miteinander und nicht auf den Rücken der Ärzte erarbeitet wer- den sollte, insbesondere, weil die Unerfahrenheit der Mannschaft des Ministers immer augen- scheinlicher wird. Es sieht so aus, als wenn die Verantwortlichen des Ministeriums immer mehr auf eine Abschaffung der privaten Gesund- heitspflege hinaus wollen. Dabei sind beide — private und öffent- liche Medizin — absolut notwendig und möglich. Man muß immer wieder darauf hinweisen, daß Spanien das einzige Land in Euro- pa ist, das die freie Krankenhaus- wahl nicht kennt, die überall in den Ländern des Gemeinsamen Marktes praktiziert wird, und im Vergleich mit der europäischen Nachbarschaft das Land mit der geringsten Bettendichte ist.

Knapp einen Monat nach dieser Stellungnahme gab der Präsident der Ärztekammer, Dr. Ramiro Ri- vera, in einem Schreiben an den Vizepräsidenten der Kammer überraschend seinen „unwider- ruflichen Rücktritt" bekannt. Der Präsident erläuterte seinen Rück- tritt mit der starren Haltung des

Ministers für Gesundheit, der of- fenbar nicht die Absicht habe, mit der Ärztevertretung über die Ge- sundheitsreform zu verhandeln, solange er, Rivera, Präsident sei.

Offenbar habe der Minister Rük- kendeckung vom Kabinett erhal- ten, da auch der Regierungschef

Felipe Gonzälez abgelehnt habe, ihn zu empfangen. Vom Sekreta- riat Gonzälez' wurde mitgeteilt, daß er Präsident Rivera zur Zeit nicht empfangen könnte — mit Hinweis darauf, daß Minister Lluch die technischen Aspekte zusammen mit der Ärztekammer erörtern werde. Rivera vermerkt weiter, seine Organisation habe sich gegenüber der Regierung trotz des im Ministerium erkenn- baren ideologischen Dogmatis- mus fair verhalten, daß die Ärzte- kammer sich jedoch jeglichen An- griffen widersetzen müsse. Er ver- abschiedet sich mit der Bemer- kung: „Der Präsident geht, aber die Schwierigkeiten bleiben."

1522 (22) Heft 19 vom 11. Mai 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

In einer außerordentlichen Ärzte- versammlung, an der fast alle Ver- treter aus den spanischen Provin- zen mit ihren Präsidenten teilnah- men, wurde die Entscheidung Dr.

Riveras lebhaft bedauert.

Einigkeit bestand in folgenden Punkten:

1. Dem scheidenden Präsidenten wurde ausdrücklich versichert, daß er sich in allen seinen Hand- lungen im Einklang mit den Be- schlüssen der Versammlung be- fand und absolut in Übereinstim- mung mit seinem Mandat han- delte.

2. Die Organisation wird weiter ge- mäß der gefaßten Beschlüsse handeln.

3. Gemäß der satzungsmäßigen Regelung wird Vizepräsident Her- rero die Leitung übernehmen.

In einer weiteren Sitzung im Fe- bruar wurden dann Bedenken ge- äußerst darüber, daß die Angele- genheit zu voreilig behandelt wor- den sei und dadurch Zweifel auf- getaucht seien, die Spekulationen und Verleumdungen auf den Weg bringen.

Unter Führung der andalusischen Vertreter wurde die „Rückkehr"

von Rivera betrieben, da eine Or- ganisation wie die der Ärzte es nicht zulassen könne, daß irgend- ein Minister auf die Benennung oder Entlassung des Präsidenten Einfluß haben kann.

Mit 39 Stimmen bei fünf Enthal- tungen und neun Gegenstimmen wurde Rivera wieder zum Präsi- denten gewählt.

Damit war die eine Woche dauern- de Krise der Ärzteführung been- det, und die für Mai vorgesehene Generalversammlung kann sich wieder Sachproblemen zuwen- den. Rivera selbst betrachtete die deutlich gewordene klare Haltung des Verbandes als wichtigen Schritt vorwärts: „Jetzt muß die Verwaltung mit uns diskutieren und nicht nur dialogisieren!" Dr

Ambulante Notfallversorgung:

Schwerpunktaufgabe niedergelassener Ärzte

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und das Bun- desministerium für Jugend, Fami- lie und Gesundheit sind überein- stimmend der Auffassung, daß es zu den wesentlichen Berufspflich- ten der niedergelassenen Ärzte gehört, jederzeit in Notfällen Hilfe zu leisten.

Der Parlamentarische Staatsse- kretär des Bundesarbeitsminsteri- ums, Wolfgang Vogt, beantworte- te die Frage des CDU-Abgeordne- ten Hermann Kroll-Schlüter aus Warstein nach dem ärztlichen Si- cherstellungsauftrag für die Hilfe in Ausnahmesituationen unter be- sonderer Berücksichtigung der medizinischen Katastrophenhilfe wie folgt:

„Nach der gesetzlichen Regelung haben die Kassenärztlichen Verei- nigungen die ambulante ärztliche Versorgung der versicherten Be- völkerung sicherzustellen. Dieser Auftrag umfaßt auch — wie Sie zu Recht annehmen — die ärztliche Versorgung in Ausnahmesituatio- nen, also beispielsweise bei Kata- strophen. Da die kassenärztliche Versorgung die ambulante Ver- sorgung durch niedergelassene Ärzte betrifft, ergeben sich hier- durch naturgemäß faktische Gren- zen der Hilfsmöglichkeiten. Das umfassende Verständnis des Si- cherstellungsauftrages ergibt sich auch aus der Vorschrift, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen einen ausreichenden Notfall- dienst zu gewährleisten haben.

Auch in der Praxis versteht die Kassenärzteschaft ihre Aufgabe umfassend, wie die Notmaßnah- men in Fällen von Flutkatastro- phen und Schneekatastrophen gezeigt haben."

Staatssekretär Vogt hob dabei auch die Verpflichtung der nieder- gelassenen Ärzte hervor, sich für den ärztlichen Notfalldienst und

auch für die katastrophenmedizi- nische Versorgung umfassend fortzubilden.

Im Februar 1984 wurde die Frage des CSU-Abgeordneten Dr. Kurt Faltlhauser, München, zur medizi- nischen Versorgung der Bevölke- rung an Wochenenden durch die parlamentarische Staatssekretä- rin Irmgard Karwatzki gleichlau- tend beantwortet. Daraus geht hervor, daß in allen Bundeslän- dern Regelungen über die Berufs- pflichten der Ärzte, die die Ver- pflichtung zur Versorgung von Pa- tienten auch an Wochenenden einschließen, bestehen. Danach gehört es zu den wesentlichen Berufspflichten jedes Arztes, je- derzeit in Notfällen Hilfe zu lei- sten. Ihren Patienten gegenüber haben Ärzte gesteigerte Pflichten, sowohl bei der regelmäßigen Be- handlung als auch bei der Notfall- behandlung, die sich auf die am- bulante Versorgung an Wochen- enden erstrecken. Nach den Be- rufsordnungen für Ärzte hat grundsätzlich jeder niedergelas- sene Arzt am Notfalldienst teilzu- nehmen. Der Notfalldienst, der gemeinsam von den Ärztekam- mern und den Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert wird, tritt ein, wenn der behandelnde Arzt nicht erreichbar ist. Er soll die Zeit bis zu einer normalen ärzt- lichen Versorgung durch geeigne- te Maßnahmen überbrücken.

Die Einrichtung eines Notfalldien- stes entbindet den behandelnden Arzt jedoch nicht von seiner Ver- pflichtung, für die Betreuung sei- ner Patienten in dem Umfang Sor- ge zu tragen, wie das der Krank- heitszustand erfordert. Die Staats- sekretärin wies darauf hin, daß in bedrohlichen Fällen, insbesonde- re bei Unfällen, der „Notarzt" — hier ist nach der Nomenklatur der Bundesärztekammer der „Ret- tungsarzt" gemeint - des in den Bundesländern flächendeckend organisierten Rettungsdienstes rund um die Uhr — also auch an den Wochenenden — zur Hilfelei- stung herangezogen werden kann. Dr. med. Michael Popovid Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 19 vom 11. Mai 1984 (23) 1523

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ursprünglich hatte der Marburger Bund gehofft,bis Ende 2005 einen Tarifab- schluss mit den Ländern verkünden zu können, weil dann die zweijährige Über- gangsfrist für

Die Einrich- tung mit ihren Gesamtkosten von jährlich etwa 450 000 DM finan- ziert der Berliner Senator für Ge- sundheit, Soziales und Familie aus Förderungsmitteln des vom Berli-

Virchow sah sein Ende voraus Rudolf Virchow (1821 bis 1902) hatte 1902 einen Oberschenkel- bruch ausgeheilt, ging zur Nach- kur nach Teplitz, bearbeitete dort

Diese Grundsatzpapie- re, an denen sich unsere Arbeit in der ÖH orientiert, werden aber in einer Broschüre, die an alle Studierenden der TU Graz versandt wird,

*) Pro Bericht werden durchschnittlich 1,4 Symptome angegeben, durch Aufnahme in mehr als eine Gruppe hegt die %-Summe über 100..

Allerdings hat sich der Abstand zwischen den Raten verschoben (Nerven- ärzte einschließlich Psy- chotherapeuten plus 10,3 Prozent, Orthopäden plus 3,8 Prozent, Praktische Ärzte

Die Kopf- pauschale für die auf der Liste des niedergelassenen Arztes eingetragenen Pa- tienten erhöht sich auf 7,05 Pfund, für 65- bis 74jährige Patienten auf 9,15 und für..

Isenberg for- derte eine ärztliche Offenba- rungspflicht und eine systema- tische Medizinschadensfor- schung sowie einen staatlichen Fonds für unabhängige