Archiv "Objektive im Test" (23.03.1984)

Or. O.:Was halten Sie von Objektivtests in fotografi- schen Fachzeitschriften?

Or. 0.: Objektivtests in Fo- to-Fachzeitschriften ent- sprechen zweifellos einem legitimen Wunsch der Le- ser nach Information. Die Problematik dieser Tests sehen wir darin, daß sie einerseits einen sehr ho- hen meßtechnischen Auf- wand erfordern und ande- rerseits der Leser absolut überfordert ist, wenn er sich selbst aus einer not- wendigen Vielzahl von Da- ten, Meßkurven oder Ver- gleichsfotos ein Urteil bil- den soll. Wir begrüßen durchaus derartige Tests, wenn sie sachkundig und mit Sorgfalt durchgeführt und redaktionell so aufbe- reitet werden, daß die Er- gebnisse für den Leser überschaubar und inter- pretierbar sind.

Or. 0.: Wie sind nach Ihrer Meinung die Tests der Stif- tung Warentest zu beurtei- len?

Or. 0.: Die Stiftung Waren- test ist in der Lage, die Tests in fachkundigen und meßtechnisch gut ausge- rüsteten Institutionen durchführen zu lassen. Da- mit ist in der Regel sicher- gestellt, daß die Messun- gen richtig durchgeführt werden und die Meßergeb- nisse zuverlässig sind. Un- sere Kritik setzt bei den Auswahlkriterien für die Bewertung der Meßdaten an. So kann es passieren, daß eine Reihe von Objek- tiven als gleichwertig ein- gestuft werden mit dem Hinweis, der Mehrpreis für

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Leserdienst

Objektive im Test

ln zahlreichen Fotozeitschriften und in Veröffentlichun- gen der Stiftung Warentest werden häufig Objektiv-Tests veröffentlicht. Der Bearbeiter unserer Fotorubrik hat da- zu Dr. Eckart Delingat befragt, den Leiter der Optik-Ent- wicklung des Hauses Leitz in Wetzlar. Dort, wo man Ob- jektive der Spitzenklasse konstruiert und fertigt, sollte man eine verbindliche Information über Wert oder Un- wert- Sinn oder Unsinn- solcher Tests geben können.

Reuse. Leica R4, Vario Elmar-R 3,5/35-70, Agfa Vario XL das teure Objektiv lohne

sich nicht. Dabei wurde übersehen, daß das teure Produkt Eigenschaften wie z. B. Haltbarkeit und Zu- verlässigkeit für Jahrzehn-

te aufweist, die überhaupt nicht bewertet wurden.

Or. 0.: Wie sollte aus Ihrer Sicht ein Objektivtest aus- sehen?

Fenster in Aid ben Haddou (Marokko). Leica R4, Vario Elmar-R 3,5/35-70, Agfa Vario XL Fotos: Orbach

Or. 0.: Voraussetzung für jeden Objektivtest ist, daß Meßverfahren verwendet werden, die eindeutige und reproduzierbare Er- gebnisse liefern. Außer- dem müssen die Messun- gen das Objektiv vollstän- dig beschreiben; neben ei- ner ausreichend hohen Zahl von MTF-Kurven oder ähnlichen Aberrationskur- ven müssen noch Angaben über Falschlicht, Verzeich- nung, Vignettierung und Transmission gemacht werden.

Or. 0.: Was ist eigentlich MTF?

Or. 0.: MTF ist die Abkür- zung für "Modulation Transfer Function" (über- setzt: Modulations-Über- tragungsfunktion). Stark vereinfacht kann man sa- gen, daß die MTF aussagt, mit welchem Kontrast ver- schieden feine Strukturen abgebildet werden - an ei- ner Stelle im Bildfeld, bei einer Objektentfernung, einer Blende, einer Fokus- sierung. Zur vollständigen meßtechnischen Beschrei- bung eines Objektivs sind über 100 MTF-Kurven not- wendig. Die Schwierigkeit liegt darin, daß der Foto- amateur mit diesen Kurven fast nichts anfangen kann.

Lassen Sie mich das mit ei- nem Vergleich erläutern.

Die Interpretation von MTF-Kurven ist schwieri- ger als die Aufgabe, sich die Frequenzgang-Kurve eines Lautsprechers anzu- sehen und sich dann vor-

zustellen, wie Beethovens ~ Neunte wiedergegeben

durch diesen Lautsprecher klingt.

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 12 vom 23. März 1984 (125) 947

Caroussel-Projektoren von Kodak

Die sogenannte 1000er Familie ergänzt die für professionelle Höchstbelastung konzipierten Modelle der 2000er Klasse der preisgünstigen Caroussel-Projektoren von Kodak. Es handelt sich um die Modelle 1010, 1030 und 1050. Alle wichtigen Funk- tionen der bekannten 2000er Reihe wurden für die 1000er Modelle übernommen, z. B. der schnelle Diawechsel von einer Sekunde und der neue stabile Universal-Objektivträger. Das Spitzenmodell der 1000er Reihe, das Modell 1050 ist für den überblendbetrieb geeignet (Hersteller: Kodak, Hedelfinger Straße 7, Stuttgart 60) Orbach/Werkfoto

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FOTOGRAFIE

Dr. 0.: Es wird häufig un- terstellt, daß man in Ihrem Hause eine, wenn ich so sagen darf, besondere Vor- stellung von der Korrek- tion eines Objektivs hat.

Können Sie uns etwas da- zu sagen?

Dr. D.: Sie schneiden ein seitenfüllendes Thema an.

Wir können hier nur andeu- ten, daß wir uns im Hause Leitz für die Qualität unse- rer Objektive einigen — un- geschriebenen — Grundsät- zen verpflichtet fühlen. So steht bei der Entwicklung eines Objektives die opti- male Leistung für die ge- nau umrissene Anwendung im Vordergrund. Denn je mehr Anwendungsmög- lichkeiten ein Objektiv ha- ben soll, desto mehr Kom- promisse sind bezüglich der Leistung zu machen.

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Ein weiterer Grundsatz ist, daß schon bei der Anfangs- öffnung eine hohe Abbil- dungsleistung erreicht wird. Lassen Sie mich an einem Detail erläutern, was es ganz konkret mit diesen Grundsätzen auf sich hat.

Von jedem Objektiv wird beim Entwurf aus den Kenndaten der optischen Gläser die spektrale Durch- lässigkeit errechnet und vom Computer zusammen mit einer Sollkurve, die für alle Objektive gilt, automa- tisch gezeichnet. Die Ent- wicklungsabteilung für Dünne Schichten sorgt mit der Berechnung entspre- chender reflexmindernder Schichten in Verbindung mit UV-absorbierenden Kit- ten (Absorban) dafür, daß die spektrale Durchlässig- keit jedes einzelnen Ob- jektives genau jener Soll- kurve entspricht.

Dr. 0.: Eine letzte Frage noch: Einem Versender- Katalog vom Oktober 82 entnehme ich, daß ein 28-mm-Objektiv eines sehr bekannten japanischen Herstellers von Fremdob- jektiven dort für 153,— DM angeboten wird. Für das Elmarit-R 1:2,8/28 mm Ih- res Hauses hat man 1156,—

DM auf den Tisch des La- dens zu legen.

Oft hört man den Spruch vom bezahlten Namen.

Worin unterscheidet sich vermutlich Ihr Produkt von dem des japanischen Her- stellers?

Dr. D.: Aus dem bisher Ge- sagten läßt sich unschwer erkennen, welch ein enor- mer Aufwand bei Leitz ge- trieben wird, um Objektive zu rechnen, zu konstruieren und zu fertigen. Sie liegen oft an der Grenze des physi- kalisch und ökonomisch Machbaren. Doch nicht nur die Optik allein,d. h.dieein- zelnen Linsen und deren Kombination sind entschei- dend für ein gutes Objektiv, auch die Mechanik istaußer- ordentlich wichtig. Ein prä- ziser Schneckengang zur Scharfeinstellung, der auch

nach Jahren härtester Be- anspruchung noch eine ex- akte Führung gewährlei- stet, ist ein wahres Meister- werkder Feinmechanik. Ge- nauso wie die auf wenige Tausendstel Millimeter Ge- nauigkeit gefertigten Lin- sen-Fassungsteile und die Springblende, die auch bei minus 25° C und plus 60° C noch arbeitet.

Alles das sind nur einige Beispiele dafür, warum die Kosten der von uns gefer- tigten Objektive höher an- gesetzt werden müssen. ❑

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Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 12 vom 23. März 1984 (127) ₉₄₉