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Archiv "Koordinierungsausschuss: Alles im Griff – unter einem Dach" (06.10.2000)

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enn ein scheinbar simpler Auftrag des Gesetzgebers in- nerhalb eines Jahres nicht er- ledigt ist, dann steckt offenbar mehr Brisanz dahinter, als auf den ersten Blick zutage tritt. Beim so genannten Koordinierungsausschuss ist dies der Fall. Krankenkassen und Ärzte haben es trotz mehrerer Verhandlungsrun- den bislang nicht geschafft, sich auf gemeinsame Positionen zu verständi- gen.

Die Brisanz steckt in den Details

Vordergründig geht es um die Frage, wer in welchem Umfang die Geschäfte des neuen Gremiums führen soll. Dies könnte durchaus als nebensächlich gel- ten, würde es sich um eine Institution handeln, deren Einfluss auf das Ge- schehen im Gesundheitswesen eher marginal ist. Der Koordinierungsaus- schuss – wie ihn der Gesetzgeber wünscht – ist jedoch von anderer Qua- lität. Er kann zum zentralen Steue- rungsinstrument in der ambulanten und stationären Versorgung werden.

Schon die sektorübergreifende Zu- sammensetzung der Mitglieder lässt den übergeordneten Anspruch erken- nen. Danach sollen dem Koordinie- rungsausschuss die Vorsitzenden der bisherigen Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen und des neuen Ausschusses Krankenhaus angehören.

Hinzu kommen je neun Vertreter der so

genannten Leistungserbringer (ambu- lant und stationär) und der Kranken- kassen. Der Ausschuss soll als „Ar- beitsgemeinschaft“ errichtet werden und das für seine Aufgaben notwendige Personal anstellen. Aber was ist das:

notwendig?

Während die Kassenärztliche Bun- desvereinigung der Geschäftsführung des Koordinierungsausschusses ledig- lich eine Organisationskompetenz ein- räumen möchte, die „inhaltliche Ar- beit“ aber nach wie vor bei den bisheri- gen Gremien der gemeinsamen Selbst- verwaltung angesiedelt sieht, wollen die Krankenkassen eine andere Lösung.

Sie streben die Zusammenlegung der bisher autonomen Geschäftsführungen der bestehenden Ausschüsse beim Ko- ordinierungsausschuss an. Auf diese Weise entstünde ein „Verwaltungsap- parat“, dem bis zu 33 hauptamtliche Kräfte angehören könnten. Geschätzte Kosten jährlich: bis zu fünf Millionen Mark.

Die Folge wäre ein „Meta-Aus- schuss“ mit allen Möglichkeiten auf sei- ner Seite und die damit verbundene Entmachtung der bisherigen Gremien.

Zumindest wäre der Einfluss der Einzel- ausschüsse nachhaltig geschwächt – umso mehr, als der Koordinierungsaus- schuss die ambulante und stationäre Versorgung umfassend im Blick haben soll. Das ihm vom Gesetzgeber zuge- dachte Aufgabenspektrum zielt näm- lich genau in diese Richtung.

Nach Paragraph 137 e SGB V soll der Koordinierungsausschuss „insbesonde-

re auf der Grundlage evidenzbasierter Leitlinien die Kriterien für eine im Hin- blick auf das diagnostische und thera- peutische Ziel ausgerichtete zweck- mäßige und wirtschaftliche Leistungs- erbringung für mindestens zehn Krank- heiten je Jahr beschließen, bei denen Hinweise auf unzureichende, fehlerhaf- te oder übermäßige Versorgung beste- hen und deren Beseitigung die Morbi- dität und Mortalität der Bevölkerung nachhaltig beeinflussen kann“. Diese Aufgabenbeschreibung ist so kompli- ziert formuliert, dass eine einfache Handlungsanleitung daraus nicht abge- leitet werden kann. Klar ist auf den er- sten Blick nur, dass es dem Gesetzgeber um die konzentrierte Betrachtung von relevanten Krankheitsbildern geht, de- ren Behandlungsangebot und -abläufe optimiert werden sollen. Insbesondere die Verquickung der Begriffe „Leitlini- en“ und „Kriterien“ führt zu Irritatio- nen.

Kriterien zur Kosten-Nutzen- Betrachtung von Leistungen

So hat das Bundesgesundheitsministe- rium bereits mehrfach öffentlich er- klärt, dass der Koordinierungsaus- schuss selbst keine Leitlinien aufstel- len solle, sondern sich solcher zu be- dienen habe. Liest man allerdings die Erläuterungen des Gesundheitsaus- schusses des Bundestages zum Para- graphen 137 e, könnte man die aufzu- stellenden „Kriterien“ sehr wohl als P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000 AA2579

Koordinierungsausschuss

Alles im Griff – unter einem Dach

Die Verhandlungen zur Errichtung des so genannten Koordinierungsausschusses sind seit Monaten festgefahren.

Krankenkassen und Ärzte sind uneins über die

Organisation und inhaltliche Arbeit des neuen Gremiums.

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Kosten und Nutzen orientierte Leitli- nien verstehen.

Dort heißt es, dass für mindestens zehn Krankheiten im Jahr Kriterien für die Leistungserbringung der Vertrags- ärzte und der Krankenhäuser festzule- gen sind. „Die Kriterien beschreiben in- dikationsbezogene Handlungskorrido- re und sollen . . . eine rationale Diagno- stik und Therapie sicherstellen. Die Kriterien sollen durch die Berücksichti- gung von Kosten-Nutzen-Aspekten ei- ne große gesundheitsökonomische und medizinische Relevanz haben.“

Sind die „Kriterien“ am Ende doch Leitlinien?

Wenn also die aufzustellenden „Kriteri- en“ ausgehend von einer ökono- mischen Kosten-Nutzen-Betrachtung indikationsbezogene

Handlungskorridore beschreiben, dann ist die Gleichsetzung der Begriffe „Kriterien“

und „Leitlinien“ für den künftigen Be- handlungsalltag der Ärzte in Praxis und Klinik keineswegs ei- ne nur böswillige In- terpretation der ge- setzgeberischen Ab- sicht. Tatsächlich wird der Bundestagsge- sundheitsausschuss an einer anderen Stel- le seiner Paragraphen-

begründung noch deutlicher: „Die Ein- haltung der aufgrund dieser Vorschrift beschlossenen Kriterien durch die Lei- stungserbringer wird im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für den am- bulanten Bereich . . . und für den sta- tionären Bereich . . . (jeweils nach den einschlägigen Paragraphen im SGB V, die Red.) geprüft.“

Mit anderen Worten: Wenn Ärzte in ihrer Behandlungsweise von den be- schlossenen Kriterien abweichen und dies von den Betroffenen bei der Wirt- schaftlichkeitsprüfung nicht „plausibel“

gemacht werden kann, drohen Sanktio- nen. Es geht also letztlich um eine stan- dardisierte Medizin, deren mögliche Folgen für die Versorgung der Patienten

nicht absehbar sind. Zur Vorbereitung der Beschlüsse des Koordinierungsaus- schusses sollen zwar auch medizinisch- wissenschaftliche Sachverständige her- angezogen werden, doch das kann die hauptsächlich ökonomisch ausgerichtete Betrachtung der Krankheitsbilder nicht überdecken. Die Sorge, dass die diagno- stische und therapeutische Freiheit bei der Behandlung des individuellen Falles zulasten des Patienten an den Grenzen der „Behandlungskorridore“ endet, ist nicht von der Hand zu weisen.

Nachdem die Kriterien zu den ausge- wählten Krankheitsbildern aufgestellt sind, soll der Koordinierungsausschuss Empfehlungen zu den daraus folgenden notwendigen Verfahren geben – insbe- sondere zur Dokumentation der Lei- stungserbringer, wie es im Gesetz heißt.

Dies betrifft sowohl die stationäre als auch die ambulante Versorgung. Der

Verbindlichkeitsgrad dieser Empfeh- lungen ist im Gesetz nicht geregelt. Im Hinblick auf die bereits erwähnten Wirtschaftlichkeitsprüfungen dürfte den Vorgaben des neuen Gremiums je- doch eine nicht zu unterschätzende Be- deutung zukommen.

Sektorübergreifende Steuerung

Ebenso vage fällt die Formulierung des Gesetzgebers an einer anderen Stelle aus: „Der Koordinierungsausschuss gibt Empfehlungen in sonstigen sek- torübergreifenden Angelegenheiten der Bundesausschüsse und des Aus-

schusses Krankenhaus.“ Dies klingt nach Steuerung – und ist wohl auch so gemeint. Dieser Passus macht Sinn, wenn man unterstellt, dass der Gesetz- geber die starren Grenzen zwischen den Versorgungsbereichen aufheben möch- te. Der Koordinierungsausschuss wäre dafür zwar prädestiniert, aber nicht oh- ne weiteres legitimiert.

Insgesamt lässt die Konstruktion des Koordinierungsausschusses auf die Absicht schließen, die Machtverhält- nisse in der gemeinsamen Selbstver- waltung schrittweise, aber doch nach- haltig zu verändern. Die Krankenkas- sen sehen diesen Ansatz und bestehen wohl deshalb auf einer „vereinheitlich- ten“ Geschäftsführung aller Einzelaus- schüsse beim neuen Koordinierungs- ausschuss.

Gesetz sieht keine Fristen für die Einigung vor

Was passiert aber, wenn auch bei den nächsten Verhandlungsrunden zur Er- richtung des Koordinierungsausschus- ses keine Einigung erzielt wird? Nichts – denn ausgerechnet bei diesem Para- graphen fehlen im Gesetz sämtliche Be- stimmungen zu Einigungsfristen oder eventuellen „Ersatzvornahmen“ durch das Bundesgesundheitsministerium.

Bei sehr vielen anderen Einzelbestim- mungen ist genau geregelt, bis wann die Selbstverwaltung sich einigen muss, wenn nicht ein Schiedsamt die Regelun- gen treffen soll.

Allerdings zeigt sich Dr. jur. Manfred Zipperer, der Errichtungsbeauftragte des Bundesgesundheitsministeriums für den Koordinierungsausschuss, opti- mistisch. „Mitte Oktober treffen wir uns erneut“, sagte der frühere Abtei- lungsleiter Gesetzliche Krankenversi- cherung im BMG gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt. „Ich bin zuversicht- lich, dass die Beteiligten sich einigen werden.“

Danach könnte die Kompromisslö- sung zwar eine gemeinschaftliche Ge- schäftsführung vorsehen. Allerdings sollen die Mitarbeiter nur ihren bisheri- gen Einzelausschüssen gegenüber wei- sungsgebunden sein. Auch für den Sitz des neuen Ausschusses gibt es einen Vorschlag: Bonn. Josef Maus P O L I T I K

A

A2580 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000

Dr. jur. Manfred Zipperer ist mit der Er- richtung des Koordinierungsausschusses beauftragt. Der ehemalige leitende BMG- Mitarbeiter ist optimistisch.

Foto: privat

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