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Archiv "Koordinierungsausschuss: Neue Machtinstanz" (14.06.2002)

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DÄ:Könnte man die Nationale Ver- sorgungsleitlinie in die Empfehlungen des Koordinierungsausschusses implemen- tieren?

Schulze: Ich denke zukünftig ja, wo- bei es darauf ankommt, noch vorhan- dene Inkompatibilitäten zu beseitigen, damit künftig die medizinischen Inhal- te der Rechtsverordnung mit den Aus- sagen der Nationalen Leitlinie überein- stimmen.

DÄ:Satzungsgemäß soll der Koordi- nierungsausschuss auf der Grundlage evi- denzbasierter Leitlinien Kriterien für eine in Hinblick auf das diagnostische und the- rapeutische Ziel ausgerichtete zweck- mäßige und wirtschaftliche Leistungser- bringung für zu bestimmende Krank- heiten entwickeln. Ist hier nicht schon ein kaum lösbarer Grundkonflikt mit einer Leitlinie programmiert, die sich an einer optimalen medizinischen Versor- gung orientiert?

Schulze: Ich hoffe und wünsche, dass ein solcher „Grundkonflikt“ zwischen Rechtsverordnung und Nationaler Leitli- nie auch deshalb nicht zu befürchten ist, weil wir für die notwendige individuelle Patientenversorgung die „Öffnungsklau- seln“ einführen konnten.

DÄ:Dem gemeinsamen Votum der Krankenkassenvertreter im Koordinie- rungsausschuss kann nur mit einem ge- meinsamen Votum der Vertreter von Kas- senärztlicher Bundesvereinigung, Bun- desärztekammer und Deutscher Kran- kenhausgesellschaft begegnet werden.

Reichen die gemeinsamen Interessen aus, um bei den noch ausstehenden DMP medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnis- se in ausreichendem Maße zu berücksich- tigen?

Schulze: In entscheidenden Punkten, wie beispielsweise Dokumentation, wohl schon. Allerdings besteht ein Abstim- mungsbedarf unter einem nicht so hohen Zeitdruck.

DÄ:Am 17. Juni findet im Bundes- gesundheitsministerium eine weitere An- hörung zu diesem Thema statt, bevor die Empfehlungen durch eine Rechtsver- ordnung bindend werden. Ist eine erneute inhaltliche Überarbeitung wahrschein- lich?

Schulze: Eine Überarbeitung auf der Basis der Nationalen Versorgungsleitlinie an entscheidenden Stellen wäre wün- schenswert. Anderenfalls haben die ent- sprechenden Fachgesellschaften und auch die KBV aus jeweils unterschiedli- chen Gründen angekündigt, sich nicht an diesem Programm zu beteiligen.

DÄ-Fragen:Dr. med. Eva A. Richter, Thomas Gerst P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002 AA1631

Koordinierungsausschuss

Neue Machtinstanz

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich mit dem Koordinierungsausschuss im Gesund- heitswesen eine neue Machtinstanz etabliert, die aufgrund ihrer Kompetenzen, stärker noch als ur- sprünglich intendiert, in das tägliche Leistungsge- schehen eingreifen könnte. Gesetzliche Grundlage ist der mit der Gesundheitsreform 2000 ins Sozial- gesetzbuch V eingefügte Paragraph 137 e. Der Ko- ordinierungsausschuss sollte in erster Linie dafür sorgen, die Entscheidungen der bereits bestehen- den Bundesausschüsse und des Ausschusses Kran- kenhaus zu koordinieren und unterschiedliche Entscheidungen in den einzelnen Versorgungsbe- reichen zu vermeiden. Sektorenübergreifend und damit einheitlich beurteilt der Koordinierungs- ausschuss die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit medizinischer Verfahren in der Gesetzlichen Kran- kenversicherung.

Öffentliche Aufmerksamkeit erregt der Koordi- nierungsausschuss aber jetzt mit einem weiteren ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Im Zusammenhang mit dem Risikostrukturausgleich soll der Koordinierungsausschuss die Anforde- rungsprofile für Disease-Management-Programme bei der Versorgung chronisch Kranker entwickeln.

Stimmberechtigte Mitglieder des Koordinierungs- ausschusses sind hierbei die Vertreter der Spitzen- verbände der gesetzlichen Krankenkassen, der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, der Bundes- ärztekammer und der Deutschen Krankenhausge- sellschaft, die Vorsitzenden der Bundesausschüsse Ärzte/Zahnärzte und Krankenkassen sowie des Aus-

schusses Krankenhaus. Einem gemeinsamen Votum der Krankenkassen kann nur mit einer einheitlichen Stimmabgabe der Ärzte- und Krankenhausvertreter im Ausschuss begegnet werden.

Einen Vorgeschmack auf künftige Auseinander- setzungen bietet das soeben vom Koordinierungs- ausschuss einvernehmlich verabschiedete Anforde- rungsprofil für Disease-Management-Programme bei Diabetes mellitus Typ 2. Kaum lag der entspre- chende Entwurf einer Rechtsverordnung des Bun- desgesundheitsministeriums vor, wurde heftige Kri- tik an den Inhalten laut. Diese betrifft zum einen Fragen des Datenschutzes: Als nicht akzeptabel lehnten sowohl die Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung als auch der Deutsche Ärztetag Bestimmungen ab, nach denen der Arzt den Krankenkassen Details über die Com- pliance der Patienten mitzuteilen hat. Sollte hier bei der noch anstehenden Anhörung am 17. Juni im Bundesgesundheitsministerium keine Änderung er- folgen, werde sich die Ärzteschaft einer Mitwirkung bei den Disease-Management-Programmen ver- weigern.

Unter heftigen Beschuss gerieten auch die me- dizinischen Inhalte des vom Koordinierungsaus- schuss verabschiedeten Anforderungsprofils. Gera- de vor dem Hintergrund der soeben vorgestellten Nationalen Versorgungsleitlinie Diabetes mellitus Typ 2 (siehe DÄ, Heft 22/2002) wurde an den Vor- gaben des Koordinierungsausschusses kritisiert, dass sie nicht mehr den Standards einer modernen diabetologischen Versorgung entsprechen. Diese Kritik wird in dem nebenstehenden Interview mit Prof. Dr. med. Jan Schulze deutlich. Im folgenden Beitrag werden die Auffassungen der – nach An- sicht von Schulze – „diabetologischen Außenseiter- gruppe“ referiert. Thomas Gerst

Schulze: Unverzichtbar sind eine norm- nahe Blutdruck-, Blutzucker- und Blut- fetteinstellung, die Feststellung einer Mikroalbuminurie – unabhängig vom Vor- liegen einer Retinopathie –, Einsatz von innovativen Medikamenten, konkrete Be- handlungs-/Beratungsoptionen und Qua- lifikationsanforderungen.

DÄ:Warum wurden nach Ihrer An- sicht diese Punkte bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nicht berücksichtigt?

Schulze: Weil zum einen ein falsches Verständnis des Typ-2-Diabetes mellitus als blander „Altersdiabetes“ zugrunde ge- legt wurde. Der Risikocluster mit Adiposi- tas, Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Hy- pertonie und Koagulopathie, der heute Le- bensqualität und -erwartung entscheidend beeinflusst, wird nicht ausreichend berück- sichtigt. Zum anderen kann ich es nur als Ignoranz betrachten und es dem von den Krankenkassen bereits vorgelegten Mini- malprogramm (CURAPLAN) sowie dem engen Zeitfenster anlasten, dass wir Ärzte keinen Einfluss auf die Gestaltung des Ver- sorgungsprozesses nehmen konnten.

DÄ:In die Empfehlungen des Koor- dinierungsausschusses sollen auch Thera- pieziele für die Behandlung des Metaboli- schen Syndroms Eingang finden. Decken sich diese mit Ihren Empfehlungen bezie- hungsweise denen der DDG?

Schulze: Diese Empfehlungen befin- den sich zurzeit noch in der Abstimmung im Expertenkreis des Koordinierungs- ausschusses.

DÄ:Der Koordinierungsausschuss be- tont, dass seine Empfehlungen nur Richt- werte sind. Der einzelne Arzt könnte die Therapie immer noch individuell auf den Patienten ausrichten. Halten Sie eine sol- che „Öffnungsklausel“ für ausreichend?

Schulze: Im Vergleich zur Erstversion, die als Grundlage für die Rechtsverord- nung dienen sollte, ist der jetzt vorliegen- de Referentenentwurf trotz der genann- ten Kritiken ein diskussionspflichtiger Minimalkonsens, insbesondere durch die

„Öffnungsklauseln“. Allerdings ist es sehr schwierig, eine einmal formulierte Minimalforderung durch Öffnungsklau- seln ausweiten zu wollen.

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A1632 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002

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eben der Nationalen Versorgungs- leitlinie findet auch die „Entschei- dungsgrundlage zur evidenzbasier- ten Diagnostik und Therapie für Dia- betes mellitus Typ 2“ des AOK-Bundes- verbands ihren Niederschlag in den Empfehlungen des Koordinierungsaus- schusses. Dieses Papier entstand unter der Federführung von Prof. Dr. med.

Peter T. Sawicki, Köln.

Der Internist ist mit dem Kompro- miss zwischen Ärzteschaft und Kran- kenkassen und dem daraus entwickel- ten Referentenentwurf des Bundesge- sundheitsministeriums zufrieden: „Etwa 75 Prozent unserer Vorstellungen zu ei- nem Disease-Management-Programm Diabetes Typ 2 sind darin enthalten. Das Programm kann die Versorgung dieser Patienten schnell und entscheidend ver- bessern.“ Für Sawicki ist bei der Thera- pie des Diabetes mellitus Typ 2 die Blut- drucksenkung der Blutzuckersenkung überlegen. „Im Gegensatz zur anti- hypertensiven Therapie reduziert die Blutzuckersenkung die makrovaskuläre Morbidität und Mortalität nicht“, er- klärt er. Deshalb müsse endlich bei Pati- enten mit Typ-2-Diabetes vom undiffe- renzierten Blutzucker-Senken bis hinab in hypoglykämie-gefährdete Bereiche zur konsequenten Hypertonie-Behand- lung übergegangen werden. „Eine trau- rige Tatsache ist, dass es trotz aller Fort- schritte in der Medizin in den letzten 30 Jahren nicht gelungen ist, die dramatisch erhöhte Rate kardio- und zerebrovas- kulärer Komplikationen zu reduzieren“, erklärt Sawicki. Einer der Hauptgründe dafür sei, dass nur weniger als 20 Pro- zent der hypertonen Diabetes-Typ-2-Pa- tienten gut kontrollierte Blutdruckwer- te unter 140/90 mmHg aufwiesen. Die- ser Richtwert soll nach Sawickis Ansicht für alle Patienten gelten. Zur Therapie empfiehlt er entsprechend der Begleit- erkrankungen Thiaziddiuretika, Beta1-

selektive Beta-Blocker und ACE-Hem- mer. Um eine dauerhafte normotone Blutdruckeinstellung zu ermöglichen, müsse den Patienten im Rahmen der DMP die Teilnahme an einem struktu- rierten Hypertonie-Behandlungs- und Schulungsprogramm angeboten wer- den. Dies sei zwar eine aufwendige In- vestition. Sie führe aber nachweislich zur Senkung von Komplikationen und zur Lebensverlängerung.

„Ein weiteres großes Versorgungs- problemfeld bei Diabetes ist die hohe Rate der Amputationen“, erinnert Sa- wicki. Es sei bedenklich, dass die Häu- figkeit dieser verstümmelnden Opera- tionen im Laufe der letzten zehn Jahre unverändert geblieben sei. Hier müsse allen Hochrisikopatienten eine optima- le Behandlung in einem auf das diabe- tische Fußsyndrom spezialisierten Zen- trum angeboten werden.

Sekundär: Blutzuckersenkung

Wichtig ist für Sawicki die konsequen- te Behandlung einer Hyperlipidämie.

„Nach einem vorausgegangenen Myo- kardinfarkt muss unbedingt ein Statin gegeben werden“, fordert er. „Simva- statin und Pravastatin sind zwar teurer als andere cholesterinsenkende Medi- kamente, doch in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit durch Langzeitstudien belegt. Deshalb sollte man auf sie als Medikamente der ersten Wahl zurück- greifen.“ Solche Empfehlungen wider- legten eindeutig den Vorwurf, dass von ihm ausgearbeitete Konzept sei nur ein „Sparprogramm“, betont Sawicki.

Außerdem würden nur nachweislich sichere Präparate empfohlen. Dadurch könnten künftig Vorfälle wie die mit Lipobay vermieden werden.

Dissens herrscht zwischen Sawicki und einigen Mitgliedern der Deutschen

Diabetes Gesellschaft bei der Frage der Blutzuckereinstellung. „Bei der überwie- genden Zahl der Patienten mit Typ-2- Diabetes führt eine Blutzuckersenkung auf HbA1c-Werte unter acht Prozent zu keiner Reduktion der Morbidität und Mortalität“, argumentiert Sawicki. Ein niedrigerer HbA1c-Zielwert sei bei einer Untergruppe von Typ-2-Diabetikern an- gezeigt, jedoch nicht generell. „Es gibt nicht nur eine Schuhgröße“, sagt Sawicki.

„Der Arzt muss sich bei jedem Patienten erneut Gedanken machen und das indi- viduelle Therapieziel festlegen – so steht es auch in den Empfehlungen des Koor- dinierungsausschusses.“ Dies sei ein be- deutender Fortschritt gegenüber den bis- herigen „Diabetes-Strukturverträgen“, die sowohl für Patienten mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes einen HbA1c- Wert von 7,5 Prozent festgeschrieben hätten. Ein solch starrer Wert könne im Einzelfall zu hoch oder zu niedrig sein.

Ein generelles Mikroalbuminurie- Screening hält der Kölner Internist für unzweckmäßig. „Zwei Drittel aller Pa- tienten mit Typ-2-Diabetes und einer Mikroalbuminurie haben keine diabe- tische Nephropathie“, erklärt er. Grün- de für die erhöhte Eiweißausscheidung seien stattdessen beispielsweise Harn- wegsinfekte, Arteriosklerose oder eine Herzinsuffizienz. „Es gibt keine spezifi- schen therapeutischen Konsequenzen, die sich aus einer vorliegenden Mikro- albuminurie ergeben“, betont Sawicki.

„Die Patienten werden nur verängstigt und glauben fälschlicherweise, dass sie künftig an die Dialyse müssen.“

Außerdem könnte jeder Arzt innerhalb des Disease-Management-Programms Diabetes seine Patienten auf Mi- kroalbuminurie testen lassen – und zwar ohne eine Begründung. Sawicki:

„Die ärztliche Therapiefreiheit wird durch die Empfehlungen nicht einge- schränkt.“ Dr. med. Eva A. Richter

Disease Management: Diabetes mellitus Typ 2 (II)

„Wichtig ist die Blutdrucksenkung“

Heftig kritisiert wurden die von der AOK in die Koordinierungsausschuss-

Verhandlungen eingebrachten Anforderungen zum DMP Diabetes mellitus Typ 2.

Referenzen

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