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Archiv "Beschneidung: Was zu befürchten ist" (31.10.2008)

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A2328 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008

B R I E F E

falls muss die Zeremonie verschoben werden, bis das Kind bei guter Ge- sundheit ist. Die von den Verfassern angeführte Argumentation einer Ver- letzung der körperlichen Integrität sollte man nicht erneut diskutieren.

Es gibt ebenso viele Studien, die ei- nen eindeutigen Vorteil für die Ge- sundheit des Kindes nach der „Brit Mila“ belegen. Wenn dabei ein Blut- verlust von 0,5 ml auftritt, ist dies si- cherlich medizinisch unbedenklicher als die Entfernung von Tonsillen oder adenoiden Wucherungen, die einen erheblichen Anteil an Nachblutungen zur Folge haben und in der Tat Leben gefährden können. So ist in kontrol- lierten israelischen Studien kein Fall bekannt, wo es zum Tod eines be- schnittenen Säuglings nach einer Lege-artis-Beschneidung gekommen ist. Die Beschneidung ist integraler Bestandteil des jüdischen Religions- gesetzes, ebenso wie die Taufe in der christlichen Religion . . .

Dipl.-Oec.-Med. Dr. med. Wolfgang Ermes, Vorm Kleekamp 4–6, Beth Maimonides, 58840 Plettenberg

Sehr problematisch

Auch wenn die in dem Artikel darge- legten Gründe rechtlich stichhaltig sind – dies mag ich als Mediziner nicht zu beurteilen –, so ist die Aus- sage des Artikels, dass sich Ärzte strafbar machen, wenn sie Eingriffe aus religiösen Gründen durchführen, problematisch. Es wird dazu aufge- fordert, solche Eingriffe zu unterlas- sen, um sich nicht der Körperverlet- zung schuldig zu machen. Diese Ar- gumentation kann ich nachvollzie- hen bei Praktiken, die einen definiti- ven Schaden hervorbringen, wie zum Beispiel bei der sogenannten weibli- chen Beschneidung, die einer sexuel- len Verstümmelung gleichkommt.

Hier wird von vielen nationalen und internationalen Organisationen ein Ende dieser barbarischen Tradition gefordert. Offensichtlich wird dies in den betroffenen Ländern auch zu- nehmend umgesetzt. Es wird jeder einsehen, dass dieser Eingriff, ganz gleich mit welcher Begründung, den Strafbestand einer schweren Körper- verletzung erfüllt! Gänzlich anders ist es aber bei der traditionellen männlichen Beschneidung. Diese

wird sowohl im Judentum als auch im Islam praktiziert. Dass die Zir- kumzision von der zweitgrößten Re- ligionsgemeinschaft der Welt propa- giert wird, sollte als Argument Ge- wicht haben in einer rechtlichen Aus- einandersetzung. Es ist auch gut vor- stellbar, dass eine spezielle Auf- klärung der Eltern vor dem Eingriff gefordert wird. Diesen Eingriff aber komplett abzulehnen, halte ich für sehr problematisch! Die Konsequenz wird nicht sein, dass die Zirkumzi- sion in ein höheres Lebensalter ver- schoben wird, sondern sie wird wie- der verstärkt von Verwandten und anderen Beschneidungsfachleuten auf dem Küchentisch im häuslichen Umfeld stattfinden. Die Konsequen- zen im Hinblick auf Hygiene, Infek- tionsrisiko und Nachblutungskom- plikationen kann sich jeder ausma- len! Aus gutem Grund habe ich als Entwicklungshelfer des Deutschen Entwicklungsdienstes damals in Westafrika, am Schluss meines Auf- enthalts, die Zirkumzision kostenlos angeboten, um den entsprechenden Praktiken auf Marktplätzen und Hin- terhöfen entgegenwirken zu können.

Die zum Teil verheerenden Kompli- kationen mussten ja vom Kranken- haus aufgefangen werden, wenn die Patienten nicht vorher verstarben!

An solchen Zuständen kann hier nie- mand ein Interesse haben . . .

Dr. med. Benno Kretzschmar, St.-Georg-Klinikum Eisenach gGmbH, Mühlhäuser Straße 94–95, 99817 Eisenach

Was zu befürchten ist

Mit zunehmendem Störgefühl habe ich den Artikel von Stehr et al. gele- sen. Denn auch wenn rechtlich der Artikel sauber erscheint, so möchte ich – Christin mit zwei Kindern, ein Sohn, dieser nicht beschnitten, auch wenn wir, die Eltern, dies aus hygie- nischen Gründen durchaus erwogen haben – doch Folgendes zu bedenken geben: Die Beschneidung von Jun- gen ist im Judentum eine seit 3 800 Jahren bestehende Tradition, die den Eintritt des Kindes in den Bund mit Gott symbolisiert. Nach dem Gesetz sollen nur nicht gesunde Kinder erst nach dem achten Lebenstag be- schnitten werden. Grundlage ist das Buch Genesis, 17, 10–14, das übri-

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A2330 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008

B R I E F E

gens auch Teil der christlichen Bibel ist. Eine „problemlose Erweiterung“

des jüdischen Gesetzes (oder auch der Bibel!), wie Herr Stehr es vor- schlägt, um die Einwilligungsfähig- keit im späteren Leben zu erreichen, ist sicher nicht möglich. Religiöse Gesetze unterliegen eben keiner de- mokratischen Gesetzgebung, die fortwährend geändert werden kann.

Insofern kann Herr Stehr zwar mei- nen, dass man nicht zum Gläubigen zweiter Klasse würde, wenn man sein Kind später beschneiden ließe oder selbst später beschnitten würde, die Realität sieht, außer bei sehr libe- ralen Juden, aber sicherlich anders aus. Hierzu sei auf den Artikel in der

„Jüdischen Allgemeinen“ „Eine Fra- ge des Vertrauens – Arzt oder Mohel“

(21. 8. 2008, Nr. 34/08) verwiesen.

Speziell ausgebildete Fachmänner, sogenannte Mohel, die häufig auch Arzt sind, können die jüdische Be- schneidung vornehmen, oder aber man begibt sich in ein (jüdisches) Krankenhaus, was aus ärztlicher Sicht sicherlich vorzuziehen ist.

Muslime lassen ihre Kinder zumeist nicht als Neugeborene, sondern im Kindesalter beschneiden (vor dem 13. Lebensjahr). Hierfür können, entsprechend dem Mohel, sowohl ein sogenannter Sünnetci wie aber auch ein Krankenhaus infrage kom- men. Bei beiden Religionen wird heutzutage zumeist örtlich betäubt, eine Beschneidung ohne Betäubung wird glücklicherweise mehr und mehr abgelehnt. Für nahezu jeden Juden oder auch Moslem ist die Be- schneidung eine Selbstverständlich- keit, selbst wenn sie nicht gläubig sind. Nebenbei: In den USA ist aus hygienischen Gründen die Beschnei- dung der überwiegenden Mehrzahl der Jungen, welcher Religion auch immer, üblich und wird nur nicht ausgeführt, wenn die Eltern sich da- gegen aussprechen. Somit sind, bei Illegalisierung der Beschneidung aus religiösen Gründen, vermehrt Be- schneidungen außerhalb des Kran- kenhauses unter nicht hygienischen Standards zu befürchten, die dem Wohl des Kindes nun sicherlich am wenigsten dienen . . .

Priv.-Doz. Dr. med. Judith U. Harrer-Haag, Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Aachen, Pauwelsstraße 30, 52074 Aachen

Einleuchtende Worte

Noch nie habe ich eine so klare, ein- deutig und konsequent begründete Publikation zu diesem Thema gele- sen. Endlich wird um ein Delikt nicht mit Scheinbegründungen her- umgeeiert, sondern in einleuchten- den Worten die Strafbarkeit der Zir- kumzision aus religiösen Gründen bei nicht einwilligungsfähigen Jun- gen begründet. Ich – und sicherlich auch andere Leser – würde mich freuen, eine Stellungnahme dersel- ben Autoren zu lesen zu der Frage der Strafbarkeit der Beschneidung nicht einwilligungsfähiger Mädchen aus religiösen Gründen (andere Gründe dürften wohl kaum infrage kommen) . . .

Dr. med. Albrecht Pitzken,Oberdreispringen 2, 51429 Bergisch Gladbach

Ein juristisches Problem

Kein deutsches Gericht hat je ent- schieden, dass eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführte religiöse Beschneidung an einem Jungen eine rechtswidrige Tat, näm- lich eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB ist.

Es gibt derzeit auch kein speziel- les deutsches Gesetz, das die Vornah- me der Beschneidung verbietet und unter Strafe stellt.

Jeder ärztliche Eingriff ist tatbe- standsmäßig eine Körperverletzung nach § 223 StGB. Der ärztliche Ein- griff wird durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt und ist somit nicht strafbar. Die Frage ist also, ob die Personensorgeberechtigten oder der Minderjährige selbst (spätestens ab 14 Jahre) wirksam in den Eingriff einwilligen können, was sich an dem Kindeswohl orientiert. Nur dann ent- fällt die Strafbarkeit. Dieses juristi- sche Problem ist bis heute gerichtlich nicht geklärt. Ärzte, die religiöse Be- schneidungen durchführen, sollten vor dem Eingriff Folgendes unbedingt beachten:

– Durchführung eines ausführlichen Aufklärungsgesprächs bezüglich des Eingriffs mit schriftlicher Dokumen- tation und Unterschrift beider Perso- nensorgeberechtigten und gegebe- nenfalls des Jungen ab zwölf Jahre.

– Schriftliche Einwilligungserklä- rung beider Personensorgeberechtig-

ten und des Jungen ab zwölf Jahre.

Es ist abschließend festzuhalten, dass die Ausführungen des Kollegen Dr. Putzke zum Kindeswohl seine persönliche Meinung wiedergeben.

Er lässt unberücksichtigt, dass Be- schneidungen auf jeden Fall vorge- nommen und bei Strafbarkeit des Arztes nach § 223 StGB im „Unter- grund“ stattfinden werden, mit den bekannten gesundheitlichen Risiken für die Jungen.

Anni Demuth,Rechtsanwältin, Judith Ehret,Rechtsanwältin,

Wille Rechtsanwälte, Wilhelmshöher Allee 23, 34117 Kassel

SAUDI-ARABIEN

Eine Dermatologin schildert ihre Erfah- rungen in einem Krankenhaus in Riad (DÄ 36/2008: „Land ohne Gesetze“ von Shahrzad Amier).

Gute Vorbereitung nötig

Es ist wirklich erschreckend, wie es Frau Dr. Shahrzad Amier und ihrem Mann in Riad ergangen ist. Ich habe auch in Riad gelebt und weiß, dass es dort sehr streng zugeht. Strenger als in irgendeinem anderen Landesteil des Königreichs. Nur wundere ich mich, ob das Ehepaar kein Vorberei- tungsseminar für Saudi-Arabien ge- macht hat? Dann wären beide auf vieles hingewiesen worden und auf mögliche Problemfälle vorbereitet gewesen. Es ist tragisch, wenn ein Auslandsaufenthalt von Niederlagen und Gefängnisaufenthalten gepflas- tert ist. So weit sollte es nicht kom- men. (In Saudi-Arabien kann es übri- gens schnell passieren, dass man ins Gefängnis kommt. Wenn z. B. nach einem Unfall am Unfallort die Repa- ratur eines Verkehrsschilds nicht so- fort in bar bezahlt werden kann.) . . . Die Geschlechtertrennung, das will- kürliche Verhalten der saudischen Vorgesetzten und die überall präsen- ten Mutawiyin (Religionswächter) erfordern viel, viel Geduld und Tole- ranz. Umso erholsamer gestaltet sich das Leben in den Compounds für die westlichen Arbeitnehmer. Hier kön- nen Männer und Frauen gemischt Tennis spielen, einkaufen, sich ver-

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