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Wochen der Entscheidung

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Bayerisches Ärzteblatt 2/2008 67 den Verträge werden weiter angewendet. Wir haben inzwischen von der AOK Bayern auch das klare Signal erhalten, dass sie die Vertragspartnerschaft mit der KVB erhalten will. Es ist uns allen klar, dass es schwierige und keinesfalls angenehme Ver- tragsverhandlungen werden, denn beide Seiten gehen mit klaren Vorstellungen in die Gespräche. Ohne unsere Taktik hier öffent- lich ausbreiten zu wollen: Wir setzen darauf, dass sich Qualität weiterhin lohnen muss und dass wir im Interesse der niedergelas- senen Ärzte und Psychotherapeuten in Bayern keinen einzigen Cent zu verschenken haben. Wir wollen das hohe Niveau, das wir hier sowohl in der Versorgung als auch in der Honorierung erreicht haben, zumindest halten.

Und wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Kollegen im Freistaat diesen Weg mit uns gehen möchte. Nach Redaktions- schluss dieser Ausgabe fand ja in Nürnberg eine groß angelegte Veranstaltung des Bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV) zum so genannten Systemumstieg statt. Das Für und Wider einer Zu- lassungsrückgabe ist an anderer Stelle bereits ausführlich dis- kutiert worden. Dennoch kann ich mir eine Anmerkung zu den vom BHÄV versandten Unterlagen zur Zulassungsrückgabe nicht ersparen. Wenn der BHÄV in seinen „Fragen-Antworten zum Systemumstieg“ schreibt, dass er in allen Verträgen den Passus aufnehmen werde, dass diese solange weiter gelten, bis neue vereinbart seien und es keine vertragslosen Zustände geben kön- ne, dann hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Man kann nicht das Beste aus Kollektiv- und Selektivvertragswelt nehmen und sich daraus eine neue, schöne Fantasiewelt bauen. Besser gesagt: Man kann es schon – man sollte es aber nicht, wenn man nicht die Existenzen von tausenden von Hausarztpraxen in Bayern massiv gefährden möchte.

Meine Meinung zur Korbaktion des BHÄV ist klar: Wer jetzt das schützende Dach des Kollektivvertragssystems verlässt, der ist auf sich allein gestellt. Er geht ein Experiment ungewissen Aus- gangs ein. Und er lässt – ich muss es so hart sagen – seine Pa- tienten im Stich. Ich zitiere aus einem Artikel in den „Nürnberger Nachrichten“ vom 12. Januar dieses Jahres: „Die KVB wäre dann nicht mehr für sie (also die Ärzte, die ihre Zulassung zurückgeben) zuständig und die Kassen müssten Verträge mit jedem einzelnen Berufsverband abschließen. Keine schöne Vorstellung für die Patienten, die sich vor jedem Arztbesuch erkundigen müssten, ob ihre Kasse auch einen Vertrag mit dem Mediziner hat.“ Es mag aus Sicht des einzelnen Arztes Gründe geben, sich über die Kassenärztliche Vereinigung zu ärgern. Es mag auf Seiten der Öffentlichkeit und der Patienten Unverständnis für die Notwen- digkeit einer solchen Einrichtung herrschen. Aber eines darf man nicht vergessen: Wenn man die Kassenärztlichen Vereinigungen als tragende Pfeiler unseres Gesundheitssystems herausbricht, dann ist der Einsturz vorprogrammiert. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen!

Wochen der Entscheidung

Da sage noch einmal jemand, in unserem Gesundheitssystem ste- cke keine Bewegung. Das, was sich in den letzten Wochen ereig- net hat, gleicht einem Erdrutsch.

Die Kernfrage dabei: Wer be- stimmt künftig über die Strukturen der medizinischen Versorgung?

Gehen wir chronologisch vor:

Anfang Dezember präsentierten wir – der Vorstand der Kas- senärztlichen Vereinigung Bay- erns (KVB) – gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Kas- senzahnärztlichen Vereinigung Bayerns im Rahmen eines Pres- segesprächs unsere Prognosen für die Entwicklung der ambu- lanten Versorgung im Freistaat. Sollte Bayerns Staatsregierung nicht doch noch das Ruder herumreißen und ihren Einfluss auf Bundesebene entsprechend geltend machen, dann werden allein den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten in Bayern ab dem Jahr 2009 500 Millionen Euro jährlich fehlen – ein Minus von durchschnittlich zehn Prozent pro Praxis.

Nicht nur wir Bayern sind davon betroffen, auch die Kollegen in Baden-Württemberg werden mit erheblichen Einbußen zu rech- nen haben. Aus diesem Bundesland kam Mitte Dezember der nächste Paukenschlag: Die Ausschreibung des hausärztlichen Versorgungsauftrags der AOK Baden-Württemberg für ihre Versicherten und die anschließende Entscheidung, über diesen Vertrag ausschließlich mit einem Konsortium aus dem dortigen Hausärzteverband und Medi verhandeln zu wollen. Vollmundig wird den Ärzten dort von der AOK versprochen, dass man „im Bereich der HZV (hausarztzentrierten Versorgung) über 2008 hinaus bereit ist, das bundesweit überdurchschnittliche Vergü- tungsniveau in Baden-Württemberg aufrechtzuerhalten“. Im Ge- genzug wird dann das passieren, was Selektivverträge nun ein- mal implizit in sich tragen, nämlich eine Auswahl. Eine Auswahl der hausärztlich tätigen Kolleginnen und Kollegen, die unter den im Vertrag vereinbarten Bedingungen zu arbeiten bereit sind. Die Krankenkasse wandelt sich – wie es so schön neudeutsch heißt – vom Payer zum Player und nimmt das Versorgungsgeschehen in die Hand.

Soweit sind wir in Bayern noch nicht. Aber auch die hiesige AOK hat noch im alten Jahr ihren Willen demonstriert, bewährte Struk- turen in Frage zu stellen. So sendete sie uns kurz vor dem Jah- reswechsel die Kündigung des Gesamtvertrags inklusive aller Strukturverträge zum 31. März 2008. Nachdem wir uns im Sys- tem des Kollektivvertrags bewegen, ist dadurch die Versorgung der AOK-Patienten ab April nicht in Frage gestellt. Die bestehen-

Dr. Gabriel Schmidt

1. Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KVB

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