Von Arne A. Ambros, Wien
I. Einleitung
Beobachtungen zur Ausgestaltung und Funktion der belebten Natur
im koranischen Weltbild sind in der okzidentalen koranwissenschaft¬
lichen Literatur an vielen Orten und in großer Zahl mitgeteilt. Eine
zusammenfassende Darstellung dieses Bereichs liegt jedoch bisher
nicht vor, und diese Lücke möchte die vorliegende Untersuchung schlie¬
ßen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß unsere Studie durchaus
nicht Anspruch darauf erheben kann, wesentlich „Neues" zu erbringen,
hat sie es doch mit im einzelnen wohlbekannten Sachverhalten zu tun.
Deren Zusammenfassung und Konspekt werden dennoch nicht nutzlos
erscheinen, insbesondere da von dort aus verschiedentliche Ausblicke
möglich werden, die die im Primärtext ebenso wie in der darauf auf¬
bauenden Sekundärliteratur weit verstreuten Einzelheiten nicht sofort
nahelegen. Methodik und Ziel der Untersuchimg sind:
1. Zunächst die Zusammenstellung der die belebte Natur betreffen¬
den Lexik des Korans, mit Angabe der Frequenz der Lexeme und (i.a.
nur exemplarischem') Nachweis der Loci im Text;
2. sodann die Sichtung der Kontexte der Okkurrenzen der in 1. erho¬
benen Lexeme, die den „Stellenwert" dieser Lexeme erkennbar macht
(wobei die Zitation dieser Kontexte wiederum nur exemplarisch
erfolgt) ;
3. endlich die Abstraktion von allgemeinen Sachverhalten aus den in
2. studierten Kontexten und die Verdichtung dieser Sachverhalte zu
einem partiellen WeltbUd (scU. der Biosphäre als Teil der Schöpfung).
Zur Durchführung dieses Programms erschienen mehrere grundsätz¬
liche Einschränkungen notwendig und sinnvoll:
' Auf die vollständige Zitation aller Loci konnte angesichts der Verfügbarkeit
der diversen Konkordanzwerke verziehtet werden. (Neben der bekannten FLtj-
GELSchen Konkordanz sei dabei besonders verwiesen auf Hanna E. Kassis: A
Concordance ofthe Qur'an. Berkeley: Univ. of Califomia Pr. 1983.) Damit ist eine nutzlose Aufblähung der Studie vermieden.
A. Als textuelle Basis dient nur der Azhar-Text^. Es wurden keine
weiteren Qirä'ät überprüft, da für eine lexikosemantische Studie wie
die vorliegende von diesen keine dem Aufwand adäquate zusätzliche
Informationen zu erhoffen sind.
B. Die Studie ist synchronisch intendiert und stellt keine histori¬
schen Bezüge auf vor- und nachkoranische Verhältmsse her; insb. bleibt
die (sichere oder mögliche) Abhängigkeit des Textes von literarischen
o. a. Quellen jenseits des Horizonts der Untersuchung. (Diachronische
Entwicklungen innerhalb des Korantextes werden jedoch studiert; vgl.
dazu in V.)
C. Koranwissenschaftliche Sekimdärliteratur wird nur überaus spar¬
sam zitiert, da es hier (wie schon oben gesagt) primär um eine Synopsis
von Sachverhalten geht, die im einzelnen bereits vielerorts mehr oder
wemger extensiv notiert sind. All diese Orte nachweisen zu wollen,
hätte ein ebenso aussieht«- wie nutzloses Unterfangen bedeutet'.
D. Kein besonderes Augenmerk wird den kultischen Vorschriften
(Speise- und Jagdgesetze, Opferbestimmungen, Erwähnungen außer¬
islamischen Brauchtums) im Text gewidmet, da für diesen Bezirk aus¬
reichende Zusammenfassungen bereits vorliegen'*. Die in den betr. Pas¬
sagen vorkommende Lexik wird jedoch beim 1. und 2. Schritt (vgl.
oben) konsequent einbezogen.
E. Die Erhebung der für die Biosphäre relevanten Lexik unterlag den
folgenden besonderen Beschränkungen:
a. Prinzipiell wurden nur Substantive und substantivierte Adjektive
berücksichtigt, so daß z.B. Verben, die als Subjekt und/oder Objekt
eine Entität der Biosphäre voraussetzen (wie z. B. akala „essen") exklu-
diert blieben. (Adjektive, die sich attributiv oder prädikativ auf auf-
^ Der FLtJOELsche Text weicht bei den hier einzubeziehenden Versen nur
zweimal (und semantisch irrelevant) ab: in 11,40/42 (Azhar: min hdlin
aaw^oj/rai, Flügel: min kuUi zaw^ayni) und 56,21 (Azhar: wa-lahmi fay rin, F-lü- gel: wa-lakmin fayrin) ; vgl. Verf. : Die Divergenzen zwischen dem Flügel- und dem
Azhar-Koran. In: WZKM 78 (1988), 9-21.
' Passun sei nur auf den Kommentar- und Konkordanzband des PARETsehen
Koranwerks mit seinen ausfiilirhchen Literaturverweisen sowie zu den rheto¬
rischen Aspekten auf T. Sabbagh: La mitaphore dans le Coran. Paris: Adrien- Maisonneuve 1943, insb. 100-110, verwiesen.
" Vgl. insb. Erwin Gräf: Jagdbeute und Schlachttier im islamischen Recht.
Bonn: Selbstverl, des Oriental. Seminars der Univ. Bonn 1959. (Bonner Orienta¬
listisehe Studien. N.S. 7.) Dort insb. Kapitel „Jagdbeute und Sehlachttier ün Koran", S. 4-66.
zunehmende Lexeme beziehen, wiu-den für den Kontext sehr wohl, nicht jedoch als Lexeme berücksichtigt.)
b. Nicht berücksichtigt wurden Allgemeinbegriffe wie rizq „Lebens¬
unterhalt", tayyibät „gute Dinge", amwäl „Besitztümer", mäß s-samä-
wät wa-mä fi l-ar4 „was in den Himmeln und auf der Erde ist", obwohl
natürlich unter diese auch (oder sogar nur) Entitäten der Biosphäre
fallen.
c. Unter „Biosphäre" wird die Tier- und Pflanzenwelt verstanden.
Der Mensch und außer- bzw. übermenschliche rationale Wesen (Engel,
Dämonen, die Gottheit), die ja auch „lebendig" sind, wurden nur in
ihren Interaktionen mit Tier- und Pflanzenwelt berücksichtigt, ohne
jedoch Lexeme der Biosphäre zu konstituieren.
d. TeUe des Tier- (und Menschen-)Körpers sowie Pflanzenteüe wer¬
den wohl anhangsweise aufgelistet, nicht jedoch in die Analyse einbe¬
zogen, so daß prinzipieU nur „komplette Lebewesen" berücksichtigt
werden. (Zur Auswahl der Vegetationstemüni vgl. jedoch genauer in
rv. 1.) Gänzlich unberücksichtigt blieben Bezeichnungen von durch den
Menschen verfertigten Dingen (wie Gebrauchsgegenstände, TextUien,
Nahrungs- und Genußmittel u.dgl.) animalischer oder vegetabUischer
Provenienz.
e. Nicht berücksichtigt wurden §anna/^annät, sofem auf Eden oder
Paradies bezogen' und nicht näher beschrieben, und die änigmatischen
öt-Plurale am Beginn der Suren 37, 51, 77, 79 und 100 (die in einigen
Fällen vieUeicht Pferde beschreiben) .
Von allen in A. bis E. definierten prinzipieUen Einschränkungen
waren in bestimmten Einzelfallen Ausnahmen zu machen, die unten
jeweUs deutlich kenntlich gemacht sind.
Bemerkt sei noch, daß in Zitaten die FLüOELsche Verszahl, sofem
von der Verszahl des Azhar-Textes verschieden, rechts nach einem
Schrägstrich hinzugefügt wird, daß alle Übersetzimgen von Koranstel¬
len vom Verf. (möglichst wörtlich) erstellt wurden (bei kurzen Passagen
kann es dabei selbstredend zu Koinzidenzen mit anderen Übersefaun-
gen kommen) und daß der Kürze halber i. a. nicht vollständige Verse,
sondem nur die im gegebenen Zusammenhang relevanten TeUe von die¬
sen zitiert werden.
Die unter Berücksichtigung der oben explizierten Beschränkungen
erhobenen Lexeme der Biosphäre verteUen sich auf 335 Verse, dies
' Wir l)ezeicfmen mit „Eden" den Paradiesgarten der Schöpfungsgesefüchte, mit „Paradies" das eschatologisehe Paradies.
sind rund 5% der 6236 Verse des Azhar-Textes. Eine erste Beobachtung
ist fiighch, daß die Biosphäre keine als den Text semantisch-konzep-
tuell dominierend einzustufende Rolle spielt.
II. Generalia
Um einen wohlbekannten allgemeinen Sachverhalt vorwegzunehmen:
In koranischer Sicht ist die gesamte Natur, also auch die Biosphäre, fiir
den Menschen erschaffen, und zwar: 1. als Beweis göttlicher Weisheit
und Macht, 2. als Beweis göttlicher Güte und Fürsorge, 3. zur Wamung
vor göttlicher Strafe beim Endgericht. Dieser extreme Anthropozentris-
mus' kommt auch darin zum Ausdmck, daß wiederholt Vorgänge und
Verhalte in der Natur als äya „Zeichen (göttlicher Wirksamkeit)"
bezeichnet werden. Die Hinordnung der gesamten Schöpfung auf den
Menschen findet sich explizit in 2,29/27 h/Olaqa lahum mä ß l-ardi
^ami'an „(Gott) hat für euch erschaffen, was insgesamt auf der Erde
ist", in 22,65/64 aahfyara lakum maß l-artjli „(Gott) hat euch dienstbar
gemacht, was auf der Erde ist" und noch umfassender in 45,13/12 sali-
kara lakum mä ß s-samäwäti wa-mä ß l-ar^i ^ami'an „(Gott) hat euch
dienstbar gemacht, was insgesamt in den Himmeln und auf der Erde
ist". Die Superiorität des Menschen wird auch eindringlich bekundet in
\1, 10/12 wa-la-qadkarramnähaniädama. . .wa-fad4alnähum'aläkati-
rin mimma lialaqnä taJ^Han „und Wir haben die Nachkommen Adams
begnadet . . . und sie vorgezogen vielen von denen, die Wir geschaffen
haben", wobei, wie der Vergleich mit 24,45/44 (kuU dabba . . . fa-min-
hum) zeigt, unter den „vielen" vermutlich (zunündest:) auch Tiere zu
verstehen sind (trotz des Gebrauchs der i. a. nur auf rationale Wesen
bezogenen Pronominalform man). Vgl. auch noch 16,13 (mit lakum „für
euch"!).
Was nun innerhalb der erschaffenen Natur speziell die Biosphäre
anbelangt, so ist ihre Existenz als besonderer begrifilicher Bezirk durch
das Lexem hayy „lebendig; Lebewesen" nachweisbar. Dieses dient zwar
fünfmal zur Qualifikation der Gottheit und fünfmal (ebenso wie bei allen
fiinf Okkurrenzen der Pluralform ahyä') besteht spezieller Bezug auf
rationale Wesen. Die restlichen neun Okkurrenzen von hayy jedoch
haben allgemeine Referenz. Eine von diesen neun findet sich in der ein¬
zigen Feststellung des Korans, die die Biogenese allgemein betrifft
' Antlu-opozentrismus in der Betrachtung der Natur ist selbstredend nicht
dem Koran vorbehalten, sondem begegnet in vielen prä-neuzeitlichen WeltbU¬
dem; der koranische „Extremismus" ist jedoch bemerkenswert.
21 ZDMG 140/2
294
(21,30/31 wa-^a'ainä mina l-mä'i kulla SayHn hayyin „und Wir haben
aus dem Wasser jedes lebendige Ding gemacht"). Die übrigen acht
Okkurrenzen von hayy stehen in vier einander sehr ähnlichen Statuie¬
rungen der göttlichen Macht, Leben zu erschaffen und zu vernichten
(3,27/26 wa-tul}ri^ l-hayya mina l-mayyiti wa-tuliri^ l-mayyita mina
l-hayyi „und Du läßt hervorgehen das Lebendige aus dem Toten und
das Tote aus dem Lebendigen"; ganz ähnlich in 6,95, 10,31/32 und
30,19/18).
Eine allgemeine biologische Angabe findet sich sonst nur noch in
51,49 wa-min kulli Say'in l^alaqnä zawäayni „und von jedem Ding haben
Wir zwei Paarglieder erschaffen" (wo „Ding" sicherlich fiir „Lebe¬
wesen" steht). Daß bei dieser generellen Annahme einer Zweige¬
schlechtigkeit auch die Pfianzenwelt inkludiert ist, folgt aus 13,3 wa-
min kulli t-tamaräti fa'ala fihä zawäayni tnayni „und von allen Früchten
(i.e. fruchttragenden Pflanzen) machte Er auf ihr (der Erde) zwei
Paarglieder" und 55,52 fihimä min kulli fäkihatin zawzäni „in den beiden
(Gärten im Paradiese) gibt es von jeder Frucht(sorte) zwei Paarglie¬
der". (Diese allgemeine Zweigeschlechtigkeit der Vegetation ist offen¬
sichtlich von bestimmten Kulturpflanzen, ganz vorrangig der Dattel¬
palme, extrapoliert.)
Es läßt sich somit zunächst festhalten, daß der Koran zwar einen kla¬
ren Begriff von einem besonderen Bezirk des Belebten innerhalb der
Natur hat, über diesen jedoch nur ganz wenige spezifische Aussagen
(Monogenese, Zweigeschlechtigkeit) macht. (Bei dieser Monogenese
aus Wasser hat offen zu bleiben, ob an Phylogenese — etwa aus einem
Urozean — oder Ontogenese — aus Regenwasser bzw. Sperma — gedacht
ist.)
Es erhebt sich die weitere Frage, ob die vom modemen Standpunkt
selbstverständliche Dichotomie der Biosphäre in Tier- und Pflanzen¬
welt auch im Koran begrifflich nachweisbar ist.
Zunächst ist zu notieren, daß der Koran kein Lexem der allgemeinen
Bedeutung „Tier" (weder den Menschen ein- noch ausschließend)
kennt. (Das Wort hayawän, das später und bis heute im Arabischen das
„Tier" bezeichnet, findet sich im Koran nur einmal — 29,64 — in der
Bedeutung „Leben (im Jenseits)".) Am ehesten käme als Entsprechung
zu „Tier" noch das Lexem däbba in Frage, doch bezeichnet dieses (in
Einklang mit seiner Gmndbedeutung als substantiviertes Partizip von
dabba „kriechen, krabbeln, sich langsam dahinbewegen") primär das
„Landtier". Dies ergibt sich insb. aus 24,45/44 wa-llähu Ijalaqa kulla
däbbatin min mä'in fa-minhum man yamSi 'alä bafnihi wa-minhum man
yamSi 'alä riälayni wa-minhum man yamSi 'alä arba'in „und Gott erschuf
jede (Art von) dabba aus Wasser; unter ihnen gibt es nun solche, die auf
ihrem Bauche gehen, und solche, die auf zwei Füßen gehen, und solche,
die auf vieren gehen" sowie aus 2,164/159 wa-battaßhä min kulli däbba¬
tin „und Er verstreute auf ihr (Erde) jede (Art von) däbba" (gleichlau¬
tend in 31,10/9).
Nun finden sich zwar auch zwei Loci, an denen däbba auch den „Him¬
meln" zugeordnet wird: 16,49/51 wa-li-Uähi yas^udu mä Ji s-samäwäti
wa-mä fi l-ardi min däbbatin wa-l-malä'ikatu „und vor Gott werfen sich
nieder, was an däbba in den Himmeln und auf der Erde ist, sowie die
Engel" und 42,29/28 wa-mä batta fihimä min däbbatin „und was Er in
den beiden (i. e. in den Himmeln und auf der Erde) an däbba verstreut
hat". Doch wird man daraus nicht schließen dürfen, daß däbba auch
„Flugtier" inkludiert. Denn an der ersteren Stelle ist (wie auch Paret
in seinem Kommentar vermutet) sehr wahrscheinlich an eine chia¬
stische Zuordnung (Himmel/Engel — Erde/däö6a) zu denken, und an
der letzteren wird man dem Dualbezug (insb. angesichts der beiden sehr
ähnlichen weiter oben zitierten Stellen 2,164/159 und 31,10/9) schwer¬
lich bedeutungskonstitutive Funktion beimessen. (Möglicherweise ist
an den beiden Stellen auch an „außerirdische Landtiere" zu denken,
denn „die Himmel" sind ja keineswegs ausschließlich als Luftraum vor¬
gestellt.) Zu bedenken ist auch noch, daß dort, wo ausdrücklich vom
Biotop der Vögel die Rede ist, nicht as-samäwät „die Himmel", sondem
as-samä' „der Himmel" genannt wird (16,79/81 und 22,31/32). Schhe߬
lich werden in 6,38 däbba und tä'ir „Vogel" direkt opponiert.
Da weiters nirgendwo im Text eine Beziehung zwischen däbba imd
dem Biotop „Wasser" hergestellt wird, muß däbba dem Lande zugeord¬
net erscheinen. Es bleibt dann nur noch zu fragen, ob in der Tat alle
Landtiere unter döÄfca subsumiert sind. Dagegen könnte 35,27/25 spre¬
chen, wo an-näs wa-d-dawäbb wa-l-an'äm „die Menschen, die däbba' a
und die Herdentiere" koordiniert sind. Jedoch zeigt eine Stelle wie
55,68 fäkiha wa-nahf, wa-rummän „Früchte (fmchttragende Gewächse)
und Dattelpalmen und Granatapfelbäume", daß mit wa- im Sinne von
„und zwar insbesondere" auch Subspezies einer Spezies koordiniert
sein können. Da sonstige klare Belege fehlen, muß die Frage nach der
Reichweite von däbba unter den Landtieren auf sich beruhen bleiben,
wenn eine Deckimgsgleichheit von däbbaund „Landtier" auch am wahr¬
scheinlichsten ist.
Wenn ein Lexem „Tier" somit im Koran auch nicht aufzeigbar ist, so
erscheinen Land-, Flug- imd Wassertiere doch unter dem Aspekt, e߬
bares Fleich fiir den Menschen zu liefem, zusammengefaßt. So wird
lahm „Fleisch" wiederholt auf Landtiere bezogen (z.B. 2,173/168 lahm
21'
al-^imir „das Schweinefleisch"), jedoch einmal auch Flugtieren
zugeordnet (56,21 lahm fayr „Vogelfleisch") und zweimal als lahm (ariy
„frisches Fleisch" (16,14 aus Salzwasser, 35,12/13 aus Salz- und Sü߬
wasser) zu Wassertieren in Beziehung gesetzt. In demselben Sinne
bemerkenswert ist die Zusammenfassung von Land- und Wassertieren
in der Jagdterminologie, wenn ?ayd „Jagd, -beute" z.B. 5,96/97 einer¬
seits auf bahr „Gewässer", andererseits auf barr „Festland" bezogen wird.
Die hiemit nun gemusterte lexikalische Situation läßt die Frage
offen, ob der Koran einen Begriff „Tier", nachgeordnet dem — wie oben
gezeigt — sicher vorhandenen Begriff „Lebewesen", kennt. Allgemeine
Überlegungen mögen dies plausibel erscheinen lassen, ein sicherer lin¬
guistischer Nachweis ist jedoch nicht beizubringen.
Wie sieht es andererseits mit dem Begrifl" „Pflanze" aus?
Wie das spätere Arabisch kennt der Koran das Lexem nabät, welches
zunächst als Verbalabstralitum zu nabata „wachsen, sprießen" fungiert,
also „Wachsen, Wachstum" bedeutet. Sekundär konkretisiert bedeutet
nabät weiter „Pflanzen, Vegetation" (außerkoranisch auch individuali¬
siert „Pflanze"). Die Abstraktbedeutung liegt mit Sicherheit vor in
3,37/32 wa-anbatahä nabätan hasanan „und Er ließ sie (Maria) schön
heranwachsen" (mit nabät statt inbät als absolutem Objekt) und — ent¬
gegen z. B. der PARETschen Übersetzung — höchstwahrscheinlich auch
an der ähnlichen Stelle 71,17/16 wa-Uähu anbatakum mina l-arqii nabä¬
tan „und Gott hat euch aus der Erde hervorwachsen lassen" (wobei das
emphatisierende absolute Objekt unübersetzt bleibt) . Sicher konkreti¬
siert wird nabät andererseits gebraucht in 6,99 (nabät als Objekt von
aiira^a „hervorkommen lassen"), 7,58/56 (Subjekt von f}ara^a „hervor- konunen") , 10,24/25 und 18,45/43 (fa-htalata bihi nabätu l-ar^^i „da ver¬
mengte sich mit ihm (dem Wasser) die Vegetation der Erde") , 20,53/55
(azwä§ min nabät Sattä „verschiedene Arten von Pflanzen"), 57,20/19
(nabät welkt, wird gelb und brüchig) und 78,15 (habb wa-nabät „Samen-
kömer und Pflanzen" als Objekt von a/}ra^a). Sieben der insgesamt
neun Okkurrenzen von nabät repräsentieren somit die sekundäre Kon¬
kretbedeutung, die im wesentlichen dem modemen Oberbegriff „Pflan¬
zen" entspricht. Zum Unterschied von „Tier" kann somit ein abgegrenz¬
ter Bereich „Vegetation" als TeU der Biosphäre im Koran begrifflich
sicher nachgewiesen werden. In der Tat ist ja die Pflanzenwelt, insb.
durch ihre immobUe Lokalisation an der Erdoberfläche (Wasserpflan¬
zen entziehen sich weitgehend der vorwissenschafblichen Observation;
der Koran ignoriert sie gänzlich), ihren weitgehend einheitlichen
Lebensrhythmus imd ihre im Vergleich zur Tierwelt wesentlich gerin-
gere Artenvariation, leichter als die Fauna unter einen einheitlichen Oberbegriff zu subsumieren.
Die Vegetation ist naturgemäß auf das engste mit dem Erdreich ver¬
bunden. Dieses wird im Koran nun viele Male als Lebewesen beschrie¬
ben. So ist insb. häufig von einer „Belebung der Erde nach ihrem Tode"
die Rede (vgl. ausfuhrlich in IV.2.A.). Vielsagend ist hier eine Schilde¬
rung, wie die Erde in Bewegung gerät: 22,5 wa-tarä l-ar^a hämidatanfa-
idä amcdnä 'alayhä l-mä'a htazzat wa-rabat wa-anbatat min kulli zaw^in
bahi^in „und du siehst die Erde leblos; wenn Wir dann aber das Wasser
auf sie herabsenden, erbebt sie und wächst an und läßt jede prächtige
Art hervorsprießen" (ganz ähnlich 41,39). Gewiß kann es sich an all die¬
sen Stellen um Metaphem handeln. Es erscheint uns jedoch zimiindest
als erwägenswert, daß das Erdreich selbst als lebendig und damit als
Teil der Biosphäre (und nicht bloß als anorganisch-unbelebtes Substrat
der Vegetation) In n ai htet wird. Die „Reichweite" der Biosphäre wäre
damit beträchtlich erweitert.
Fassen wir zusammen: Eine begriffliche Dichotomie „Tiere": „Pflan¬
zen" läßt sich im Koran nicht nachweisen. (Es finden sich demgemäß
auch keine Koordinativphrasen, die einem „Tiere und Pflanzen" ent¬
sprechen würden.) Vielmehr werden innerhalb der Biosphäre (Lexem
hayy) zunächst zwei Bezirke abgesteckt durch die Lexeme nabät und
däbba (im wesentlichen entsprechend „Vegetation" und „Landtiere"),
sicherlich in Übereinstimmung mit den dominierenden Observations-
möglichkeiten und utilitaristischen Prioritäten des Textpublikums.
(Wenn im folgenden von „Tierwelt" o. ä. gesprochen wird, so geschieht
dies also nur zur bequemen äußerlichen Zusammenfassung vom moder¬
nen Standpunkt aus.) Die genaue Ausdehnung der Biosphäre bleibt im
übrigen unbestimmt (eine exakte Grenzziehung zwischen hayy und
mchXrhayy gestattet der Textbefund nicht).
In den folgenden zwei Abschnitten werden nun die auf Tiere und
Pflanzen bezüglichen Lexeme des Korans gemustert und die Aussagen,
in die diese eingebettet sind, systematisiert.
III. Die Tierwelt
1. däbba „Landtier"
Das Lexem däbba (18 Okkurrenzen, davon viermal die Pluralform
dawäbb) ist bereits oben in II. diskutiert worden. Zusätzlich zu den
schon dort besprochenen Stellen ist zu bemerken:
a. Wie die gesamte Schöpfung unterhegt die däbba der Möghchkeit
jederzeitigen göttlichen Zugriffs und ist für üwen Lebensunterhalt gänz¬
lich auf Gott angewiesen: 11,6/8 wa-mä min däbbatin fi l-ardi ülä 'edä
Ilähi rizquhä wa-ya'lamu mustaqarrahä wa-mustawda'ahä kMun fi kitä¬
bin mubinin „es gibt keine däbba auf der Erde, für deren Unterhalt nicht
Gott sorgt; Er kennt ihren Ruheort und ihren Hinlegeort (die Referenz
dieser zwei Ausdrücke ist nicht klar); alles ist in einem deutlichen
Buche", 11,56/59 mä min däbbatin ülä huwa ähidun bi-nä^iyatihä „es
gibt keine däbba, die Er nicht an der Stimlocke hält (metaphorisch fiir:
in Seiner Gewalt hat)". In diesem Angewiesensein auf Gott wird die
däbba ausdrücklich dem Menschen gleichgestellt: 29,60 ka-ayyin min
däbbatin lä tahmüu rizqahä Uähu yarzuquhä wa-iyyäkum „wie viele däb-
ba'a kommen doch für ihren Unterhalt nicht (selbst) auf; Gott emährt
sie und auch euch".
b. An zwei Stellen werden die däbba' a in das durch die Sünden der
Menschheit erwirkte Strafgericht involviert: 16,61/63 wa-law yu'äh,idu
Ilähu n-näsa bi-ziümihim mä taraka 'alayhä min däbbatin „würde Gott die
Menschen für ihr Unrecht zur Verantwortung ziehen, dann ließe Er auf
ihr (der Erde) keine däbba zurück"; ganz ähnlich 35,45/44.
c. Als Ausdmck ihrer Unterwerfung prostemieren sich vor Gott auch
die däbba'a (16,49/51 und 22,18).
d. Der Artenreichtum der däbba'a ist Indiz für das Wirken Gottes:
2,164/159 wa-batta fihä min kuUi däbbatin „(und darin, daß) Er auf ihr
(der Erde) jede Art von däbba verstreut hat (liegen äyät)"; ähnlich
31,10/9, 45,4/3, 42,29/28.
e. Eine bemerkenswerte Parallelisierung mit dem Menschen findet
sich in 6,38: wa-mä min däbbatin fi l-ardi wa-lä tä'irin yafiru bi-§anä-
hayhi iUä umamum amtähikum mäfarratnä fi l-kitäbi min Say'in tumma
ilä rabbihim yuhSarüna „und es gibt keine däbba auf der Erde und kein
Flugtier, das mit seinen zwei Flügeln fliegt, ohne daß diese Gemein¬
schaften wir ihr büden; Wir haben im Buche keine Sache übergangen;
dann werden sie zu ihrem Herm versammelt werden"'.
Aus den Punkten a.-e. wird deutlich, daß der däbbakein „Eigenleben"
zukommt, daß ihre Erwähnung vielmehr in der Hauptsache dazu dient,
den Menschen betreffende Aussagen zu generalisieren und damit nach-
' Obwohl hier kein expliziter esehatologiseher Bezug besteht, hat diese merk¬
würdige SteUe den Ausgangspunkt für spätere Spekulationen betr. eine Auf¬
erstehung auch der Tiere gebUdet; vgl. EI^ (engl.) III 306a,41fl'. — Von einer Versammlung {§am' opponiert batt „Verstreuung") der däbba's als in der Macht Gottes stehend ist aueh in 42,29/28 die Rede.
drücklicher einzuschärfen. Trotz dieser „Gleichberechtigung" mit dem
Menschen ist die däbba damit diesem kerygmatisch durchaus anzillar.
Ein interessantes Detail ist der affektisch-negative Gebrauch von Sarr
ad-dawäbb „die bösesten däbba'a" in 8,22 und 8,55/57, mit denen die
verstockten Ungläubigen verglichen werden. Hier wird deutlich „tie¬
risch" als „untermenschlich" gefaßt und polemisch eingesetzt.
Spezialfälle liegen endlich vor in 27,82/84 (Erwähnung einer escha¬
tologischen däbba aus der Erde, die zu den Menschen sprechen wird*)
und in 34,14/13 (däbba der Erde, die den Stab des — bereits toten —
Salomon anfrißt').
2. an'äm „Herdentiere"
Mit 33 Okkurrenzen ist der Plural an'äm die mit deutlichem Abstand
häufigste Tier-Vokabel des Korans. Hinzu kommt eine Okkurrenz des
zugehörigen kollektivischen Singulars na'am. Abgeleitet von der Wur¬
zel n-'-m „weich, zart; angenehm, köstlich" (vgl. auch das Verb na'a/i-
ma „bequem, in Wohlstand leben") ist bei na'am/an'äm von einer
Grundbedeutung „Annehmlichkeit(en), Wohlstandsgüter" auszugehen:
Viehbesitz ist Garant (und Repräsentant) der Prosperität kat'exochen.
Welche Tiere unter an'äm fallen, ist in 6,143f/144f (nach welcher
Stelle die 6. Sure ihren Namen al-An'äm trägt) im Verein mit 39,6/8
definiert, nämlich (in der Reihenfolge des Textes) (ia'n „Schafe", vm'z
„Ziegen", ibil „Kamele", baqar „Rinder". Sonderbar berührt, daß die
Kamele, denen beim Textpublikum doch fraglos dominierende Bedeu¬
tung zugekommen sein muß, vergleichsweise selten individuell erwälmt
werden (vgl. unten in 3.) und zumeist unter an'äm subsumiert sind'".
Im Text erscheinen die an'äm als eine der weitest hervorragenden
Wohltaten Gottes an die Menschheit; die Erwähnung des vielfältigen
* Vgl. ausführlich EI^ II s.v. däbba.
' Zu dieser däbba vgl. neuerdings die Studie von Hebbebt Eisenstein:
Bemerkungen zur däbbat al-ard in Koran 34,14(13). In: WZKM 79 (1989),
131-7.
Irreführend EI^ (engl.) III 306a, 1 „camels deserve a special mention for 'they were created by Him for you' (XVI,5)", denn I.e. steht der Oberbegriff an'äm (und lakum gehört syntaktisch zum folgenden manäji', lücht zum voraus¬
gehenden lialaqahä, wie der Vergleich mit 23,21 und 40,80 zeigt) . — An drei Stel¬
len (5,1, 22,28/29, 22,34/35) erscheint die Phrase bahimat al-an'äm, offensicht¬
lich synonym mit bloßem an'äm; vgl. dazu Joseph Horovitz: Jewish Proper
Names and Derivatives in Üie Koran. 1925, Repr. HUdesheim: Olms 1964, 49 und
Arthur Jeffery: The Foreign Vocabulary ofthe Qur'än. Baroda: Oriental Inst.
1938, 84 f.
Nutzens, den sie abwerfen, soll die Macht und die Güte der Gottheit ad
oculos demonstrieren und zur Dankbarkeit anhalten. An sieben Stellen
(16,5-7, 16,66/68, 16,80/82, 23,21f , 36,71-73, 40,79f , 43,12f./llf)
wird dieser Nutzen mehr oder wemger ausfuhrlich beschrieben: zum
Transport von Personen und Gütern (wo von den an'äm natürlich nur
die Kamele gemeint sein können) , zur Ernährung (Fleisch und Milch)
und zur Lieferung der Materialien für Beldeidung und Zeltbau. Beson¬
ders erwähnenswert ist das zimi Staunen einladende Exempel ('ibra)
der göttlichen Fürsorge bei der „reinen, wohlschmeckenden Milch", die
aus dem mit „Blut und Mist" gefüllten Tierleib hervorquillt (16,66/68).
(Das Exempel der Milch ist auch 23,21 angeführt.)
Die an'äm bieten auch die eine von nur zwei Gelegenheiten des
Korans, etwas in der Tierwelt ausdrücklich schön zu finden (16,6 wa-
lakum ßhä ^amälun „und ihr habt an ihnen Schönheit"); zur zweiten
Gelegenheit vgl. 16,8 in 4. unten. Andererseits erscheinen die an'äm in
3,14/12 neben Frauen, Söhnen, Edelmetall, Pferden und Anbauflächen
unter den irdischen Besitztümern, vor deren Überschätzung gewamt
wird.
Daß die an'äm ausschließlich utüitaristisch geschätzt, sonst aber als
„untermenschlich" verachtet werden, zeigt ihre affektisch-negative
Funktion als Secundum comparationis der verstockten Ungläubigen
(7,179/178 und 25,44/46 „irren ab weiter als die an'äm, 47,12/13 „fres¬
sen (sorglos) wie die an'äm"). Vgl. den analogen Gebrauch von dawäbb
oben in 1. (Ende).
Während, wie oben in 1. gezeigt wurde, der däbba so etwas wie Paral¬
lelität zur Situation des Menschen gegenüber der Gottheit prädiziert
wird, erscheinen also die an'äm ausschließlich als Ausbeutungsobjekt
des Menschen. Ihre alleinige Funktion im Koran ist, die Pfiicht zur
Dankbarkeit für die göttliche Güte zu begründen.
3. Die „Herdentiere" im einzelnen
a. Kamele: ibü „Kamele" begegnet außer in 6,144/145 (Definition
der an'äm) nur noch einmal: 88,17 a-fa-lä yanzurüna üä l-ibüi kayfah/U-
liqat „blicken sie denn nicht auf die Kamele, wie diese geschaffen sind?"
Diese Stelle ist auch die einzige, an der ein bestimmtes der an'äm-Tiere
eine Funktion (Hinweis auf Macht und Güte Gottes) analog zu der der
an'äm i. a. ausübt. Das Wort ^amal „Kamel" erscheint nur einmal (7,40/
38 mit dem aus dem NT - Mt 19,24, Mk 10,25, Lk 18,25 - übemomme¬
nen Vergleich mit dem „Kamel durch das Nadelöhr", wobei aber „ein
Reicher" durch „die Ungläubigen" ersetzt ist) ; der zugehörige Plural
^imäla findet sich eimnal (77,33 in einem fiir uns sonderbaren Vergleich
der Funken des Höllenfeuers mit gelben Kamelen) . Ausschließlich im
Kontext von Legenden" finden sich ba%r „Kamel" (zwei Okkurrenzen
in der Josefslegende Sure 12) und näqa „Kamelstute" (siebenmal, stets
im Bericht von der Aufsässigkeit der Tamüd und ihrer Bestrafung
wegen Frevels an dieser von Gott geschützten Kamelin trotz Wamung
durch ihren Propheten §älih) . Dem Begriffsfeld „Kamel" zugeordnete
Wörter sind noch 'iSär „im zehnten Monat trächtige Kamelstuten"
(81,4; selbst diese werden während der apokalyptischen Verwirmng der
Endzeit vemachlässigt werden) sowie (iämir „Schlankes, Hageres
(Reitkamel)" (22,27/28) und rikab „Reittier; (speziell) Reitkamel"
(59,6) (als Transportmittel bei konkretem Anlaß der Gegenwart).
b. Rinder: Abgesehen von 6,144/145 (Definition der an'äm) erschei¬
nen diese ausschließlich in aus dem AT stammenden Legenden (bzw.
einmal 6,146/147 in einem jüdischen Speiseverbot). Genannt werden
baqar „Rinder" (dreimal), baqara „Kuh" (viermal), baqarät „Kühe"
(zweimal) (im Kontext des Traums Josefs und eines von Moses
angeordneten Kuhopfers, nach welchem die 2. Sure ihren Namen al-
Baqara trägt) sowie 'i^l (zehnmal; von Abraham Gästen/Engeln vor¬
gesetzt und als das Goldene Kalb).
c. Schafe: Ihre Nennung entspricht genau der der Rinder. Es erschei¬
nen da'n „Schafe" (in der aw'äm-Definition 6,143/144), ganam „Schafe"
im Speiseverbot 6,146/147 und noch zweimal in Berichten über Moses
und Salomon, endlich na'^a „(weibliches) Schaf (dreimal) und dessen
Plural ni'ä^ (einmal) (Richtspmch Davids).
d. Ziegen: Diese werden bloß einmal als ma'z in 6,143/144 (Defini¬
tion der an'äm) genannt.
e. Unter den aw'äm-Lexemen sind noch die Termini technici der
unblutigen Tierweihe des vorislamischen Arabien (bahira, sä'iba,
wasila, hämi — alle je einmal in 5,103/102 und dort als nicht von Gott
instituiert bezeichnet und somit abgeschafft) zu nennen, deren genaue
Bedeutung nicht mehr bekannt ist, sowie die Bezeichnungen der
Schlachtopfertiere hady (siebenmal), qalä'id (zweimal) und budn (ein¬
mal), die in den islamischen Kult inkorporiert wurden (wobei die exak¬
ten Distinktionen gleichfalls nicht mehr bekannt sind) . Gemäß der Ein¬
schränkung von I. D. oben gehen wir auf diese Bezeichnungen nicht
weiter ein und notieren nur, daß alle Nennungen in medinensischen
'' Unter „Legende" subsumieren wir jeden (historiseh intendierten) Berieht
des Korans über Ereignisse, die vor der OfTenbarungsgegenwart (Lebzeit des
Propheten) liegen.
302
Suren lokalisiert sind und daß als die betreffenden Tiere meist Kamele,
jedoch auch Schafe zu verstehen sind.
f Spezielle aw'äjn-Bezeichnungen begegnen endlich zu 6,142/143
wa-mina l-an'ämi hamülatan wa-JarSan „(und Er erschuf) von den an'äm
Tragtiere und far& (unklar; vgl. die PARETsche Übersetzung)".
Zusammenfassend ersieht man, daß die hier in 3. genannten Tiere —
mit der einen Ausnahme von ibü in 88,17 — keine spezielle Funktion im
Sinnzusammenhang der koranischen Gesamtbotschaft ausüben. Fast
ausschließhch begegnen sie in Legenden und in nomothetischen Passa¬
gen (wo ihre Nennung zwangsläufig durch den „Stoff vorgegeben ist) .
Die Gesamtzahl von 60 Okkurrenzen refiektiert somit durchaus nicht
eine besondere Bedeutung dieser Tiere im einzelnen, was zumindest bei
den Kamelen verwundert (über welche man mehr Information hätte
erwarten sollen) . Was fiir die Botschaft des Korans relevant ist, wird
kumulativ über die an'äm ausgesagt — die einzelnen Tiere können
jedoch kein besonderes Interesse auf sich lenken.
4. Pferde, Esel, Maultiere
Die Rolle der Equiden im Koran ist überraschend bescheiden — über¬
raschend, wenn man bedenkt, welches Ansehen das edle Pferd (auch)
im alten Arabien genoß und welches Prestige sein Besitz daher verlieh.
Diesen Verhalt reflektieren jedoch nur zwei Stellen: 3,14/12 werden
unter den Besitztümern, die den Menschen begehrenswert erscheinen,
sub specie aeternitatis jedoch bedeutungslos sind, auch al-hayl al-
musawwama „die mit Marken versehenen Pferde"'^ genannt und in 16,8
werden als Hinweise auf die Schöpferkraft und Hidd Gottes wa-l-hayla
wa-l-bigäla wa-l-hamira li-tarkabuhä wa-zinatan „und die Pferde, die
Maultiere und die Esel, damit ihr sie reitet und als Zierde" angefiihrt.
Die letztere Stelle bietet neben der oben in 2. zitierten Kollokation von
an'äm und jamäl in 16,6 den einzigen Reflex einer von manifestem Nut¬
zen nicht direkt abhängigen, ästhetischen Freude am Tier. — Die hayl
„Pferde" werden daneben noch dreimal erwähnt, zweimal (8,60/62 und
59,6) als Kavallerie der Muslime im Kampf gegen Mekka und einmal
(17,64/66) als Reitertruppe des Satans.
" Zum Attribut musavmam vgl. nunmehr ausführlieh Tilman Seiden¬
sticker: Das Verbum sawwama. Ein Beitrag zum Problem der Homonymenschei¬
dung im Arabischen. München 1986. (Bayerische Akademie der Wissenschaften.
Phil.-Hist. Klasse. Sb. 1986, 4.) Danach kann das Fragezeichen der PARET¬
schen Übersetzung nun gestrichen werden.
Während bigäl „Maultiere" nur an der oben zitierten Stelle erschei¬
nen, wird der Esel noch viermal genannt: 2,259/261 figuriert ein himär
„Esel" in einer Legende; 31,19/18 wird die Häßlichkeit der Stimme des
Esels apostrophiert, werm der Weise Luqmän seinen Sohn ermahnt wa-
g4u4 min ^awtika inna ankara l-a^wäti la-^awtu l-hamiri „und senke
deine Stirrrme; die widerlichste Stimme ist doch die der Esel""; in 62,5
werden die mit der Thora beladenen Juden mit einem Esel verghchen,
der Bücher trägt (ka-matali himärin yahmilu asfäran) ; endlich werden in
74,50/51 die vor jeder Mahnung zurückschreckenden verstockten Un¬
gläubigen verglichen mit humurun mustanfiratun farrat min qaswaratin
„aufgeschreckte {Wild-)Esel, die vor einem Löwen davongelaufen
sind". Die letztgenarmte Stelle ist von besonderer Bedeutung, weü sie
— werm auch nur in einem Vergleich und bescheiden ausgestaltet —
einen der ganz wenigen Fälle von Deskription von Tierleben ohne
Bezug auf den Menschen im Koran bildet.
Insgesamt belaufen sich die Okkurrenzen der Equiden auf 1 1 , also in
sehr deutlichen Kontrast zu den an'äm, die im allgemeinen und speziel¬
len zusammen 94mal genarmt werden.
5. Raubtiere
Vielleicht noch bemerkenswerter als die „stiefmütterliche" Behand¬
lung der Equiden ist die nahezu gänzliche Absenz der Fehden. Wenn
Raubkatzen auch im alten Arabien möglicherweise nicht die Rolle
gespielt haben, die ihr häufiges Figurieren in der Öähiliya-Poesie
zunächst vermuten ließe, so hätte man diese Wesen, die alle diatopisch
und diachronisch mit ihnen in Berührung kommenden Menschengrup¬
pen so tief beeindruckt haben, doch zumindest in Vergleichen und Meta¬
phem erwartet. Tatsächlich begegnet gerade einmal qaswara „ein Bei¬
name des Löwen" (vgl. oben in 4. zu 74,50/51) und in 5,3/4 wird im
Zusammenhang der Speiseverbote das von sabu' „Raubkatze" angefres¬
sene Tier unter Interdikt gestellt. (Katzenfreunde mögen bedauem, daß
ihr Lieblingstier, fiir das dem Propheten immerhin eine besondere Vor¬
liebe nachgesagt wurde, im Koran rüemals genarmt ist.)
Die Caiüden sind nur werüg besser vertreten. Erwähnt wird kalb
„Hund", bei vier seiner fiinf Okkurrenzen jedoch nur en passant im
Zusammenhang der Siebenschläferlegende in Sure 18. Die fiinfte
" Ob hier eine persönliehe Ästimierung vorliegt, ist ungewiß, da die Luqmän-
Sprüehe von älteren Vorlagen abhängen; vgl. Josef Horovitz: Koranische
UrUersuchungen. Berlin und Leipzig: de Gruyter 1926, 136.
304
Okkurrenz in 7,176/175 ka-matali l-kalbi in tahmil 'alayhi yalhal aw
tatrukhu yalhat „(ein bestimmter Ungläubiger ist) wie der Hund: der
hechelt (dich an) , magst du ihn attackieren oder in Ruhe lassen" ist
insofem interessant, als aus den Worten — einer der ganz wemgen Fälle
der Beschreibung von Tierverhalten! — eine viszerale Antipathie gegen
Hunde und damit so etwas wie eine persönliche Note zu sprechen
scheint. — Dreimal genannt wird di'b „Wolf (nur in der Josefslegende
Sure 12). Schließlich ist im Zusammenhang der Speiseverbote in 5,4/6
von jawärih „(wörtl.:) verwundende (Tiere)" die Rede, die zur Jagd
abgerichtet sind, also hier vermutlich Jagdhunde bedeuten (oder zumin¬
dest subsumieren).
Insgesamt zählt man für die Raubtiere insgesamt (einschließlich der
domestizierten) bloß 11 Okkurrenzen.
6. Sonstige Säugetiere
Fünfmal wird das Schwein genannt, davon viermal beim Verbot des
Genusses von Schweinefleisch ßahm al-fiinzir) und einmal im Plural (f^-
näzir) neben qirada „Affen" als Transformat von derart bestraften Sün-
dem (5,60/65). Bestrafung durch Verwandlung in qirada findet sich
noch zweimal (2,64/61 und 7,166); in allen drei Fällen sind die Bestraf¬
ten gesetzesuntreue Juden. — Der Elefant (fü) wird im ersten Vers der
nach diesem Tiere benannten Siu-e 105 genannt (der Überliefemng nach
von einer äthiopischen Expedition gegen Mekka ca. 570 mitgeführt). —
Bestimmte Säugetiere sind auch nüt dem Lexem ?ayd „Jagd; Jagd¬
beute, Wild" angesprochen (viermal in Sure 5 im Zusammenhang
bestinunter ritueller Jagdverbote).
7. Andere Landtiere
Nur im Kontext von Legenden kurz genannt werden tu'bän
„Schlange" (7,107/104 und 26,32/31) und hayya „Schlange" (20,20/
21) (in allen drei Fällen das Tier, in das der Stab des Moses verwandelt wird) sowie qummal „Läuse" und dafädi' „Frösche" (beide 7,133/130
unter den ägyptischen Plagen). In einem Legendenbericht über Salo¬
mon werden 27,18 naml „Ameisen" (zweimal) und nanda „Ameise"
erwähnt (danach der Name der 27. Sure an-Naml); die Ameisen spre¬
chen hier untereinander und werden von Salomon belauscht und ver¬
standen, 80 daß die Funktion dieses Details lediglich ist, die über-
menschliche Weisheit Salomons als besondere Gottesgabe herauszu¬
stellen'".
Eine der ganz wemgen Tierlebenschilderungen findet sich in 29,41/
40, wo diejenigen, die Hilfe bei jemand anderem als Gott suchen, ver¬
glichen werden ka-matali l-'ankabüti ttal^adat baytan wa-inna awhana
l-buyüti la-baytu l-ankabüti „wie die Spinne, die ein Haus genommen
hat; das schwächste Haus ist doch das der Spinne". Ob hier in der Tat
eine Verkennung der Fangnetzfunktion des Spinnengewebes als bloße
Behausung vorliegt, ist schwer entscheidbar. Wenn dem so sein sollte
(wofür spricht, daß die Spinne mit ihrem „Haus" ja i. a. sehr erfolgreich
ist und dieses damit eigentlich nicht als Sinnbild von Schwäche und
Gefahrdetsein naheliegen sollte) , dann ergibt sich hier ein bemerkens¬
wertes Indiz fiir die weite Distanz des Textes vom menschenunabhän¬
gigen Tierleben. (Nach dieser Stelle ist die 29. Sure benannt als al-
'Ankabüt.)
Schließlich ist noch hinzuweisen auf 81,5 wa-idä l-wuhüSu huMrat
„und wenn die wilden Tiere versammelt werden" (in einer apokalypti¬
schen Schilderung). Bei den wvhüS ist hier vermutlich primär, aber
nicht ausschließlich an Säugetiere gedacht. Zum „Versammeln der
Tiere" vgl. 6,38 und 42,29/28 sowie unsere Anm. 7.
8. fayr „Vögel"
Der Koran bietet 19 Okkurrenzen von tayr. Abgeleitet von der Wurzel
t-y-r „fliegen" bedeutet dieses Lexem zunächst allgemein „fliegendes
(Getier)"; an allen SteUen, da es verwendet wird, sind jedoch zweifels¬
frei speziell „Vögel" gemeint. Neben dem KoUektivum tayr steht eine
Okkurrenz von tä'ir „Vogel" (6,38 — vgl. oben in HI.I.e.); das Lexem
ß,'ir wird zudem noch viermal (z.B. in 7,131/128) in der Bedeutung
„Omen" gebraucht.
Die Fähigkeit zu fliegen, die der Mensch am Vogel stets bewundert
(vmd beneidet) hat, hat dieses Tier in der VorsteUung vieler (aUer?) Völ¬
ker mit einer der menschlichen vergleichbaren Rationalität ausgestat¬
tet. Reflexe dieser Tendenz, im Vogel mehr als bloß ein Tier zu sehen,
sind im Koran — wenngleich deriviert aus jüdischen QueUen — mehrfach
Dieser Bericht wird vermuthch auf einer jüdischen Vorlage beruhen, doeh
wirken die Vorschläge bei Abraham Geiger: Was hat Mohammed aus dem
Judenthume aufgenommen? 2. rev. Aufl., Leipzig: Kaufmann 1902, 186 und ihm
folgende Heinrich Speyer: Die biblischen Erzählungen im Qoran. Repr. Hüdes¬
heim: Olms 1961, 401 f nieht sehr plausibel.
bezeugt. Insb. David und Salomon haben ein besonderes „Naheverhält¬
nis" zur Vogelwelt: Salomons Heere bestehen aus al-jinn wa-l-ins wa-t-
<a2/r „Dämonen, Menschen und Vögeln" (27,17; vgl. 27,20) und Gott hat
ihn die Sprache der Vögel (mantiq at-tayr, 27,16) gelehrt; zusammen
mit den Bergen stinunen die Vögel in Davids Lobgesang ein (34,10; vgl.
21,79 und 38,19/18).
Das scheinbare Wunder des Vogelfluges, insb. des bewegungslosen
Schwebens unter Ausnutzung thermischer Luftströmungen, als Bekun¬
dung göttlicher Macht wird hervorgehoben in 67,19 a-wa-lam yaraw ilä
t- tayri fawqahum $äffätin wa-yaqbidna mä yumsihuhunna illä r-rahmänu
„und haben sie nicht geschaut auf die Vögel über sich, wie sie (die Flü¬
gel) ausbreiten und einziehen? Nichts hält sie außer dem Barmherzigen"
und ganz ähnlich 16,79/81. In 24,41 wird davon gesprochen, daß die
Vögel im Schwebeflug Gott lobpreisen (yusabbihu lahü . . . wa-t-fayru
^äffätin)^^. Damit kommt den Vögeln eine Textfunktion analog zu der
der däbba's im allgemeinen zu (auf welche bei keinem einzelnen der
Landtiere dann mehr ausdrücklich hingewiesen wird; vgl. oben in 1.).
Bemerkenswert ist, daß 56,21 lahm tayr „Fleisch von Vögeln" als
Speise der Seligen im Paradies genannt wird, während als solche sonst
nur Früchte (vgl. in IV.7.) sowie einmal (52,22) Fleisch ohne besondere
Qualifikation genannt werden. Ob dies etwa symbolische Bedeutung hat
(oder einfach darauf basiert, daß Geflügel beim Textpublikum als
besondere Delikatesse geschätzt war), bleibe dahingesteflt.
Als Werkzeug eines strafenden Eingreifens Gottes fungieren Vögel in
105,3. Drei weitere Okkurrenzen von tayr gehören in biblische Legen¬
den (ein Belebungswunder in 2,260/262, in einem von Josef gedeuteten
Traum 12,36 und 12,41) und vier in Schüderungen (deriviert von Apo¬
kryphen zmn NT), wie Jesus aus Ton geformten Vögeln Leben ein¬
haucht (3,49/43 und 5,110). Endlich okkurriert tayr in 22,31/32 in
einem mcht recht klaren Vergleich des Polytheisten mit einem vom
Himmel Herabstürzenden, der von Vögeln verschleppt wird.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß tayr in der weit überwie¬
genden Mehrzahl der Fälle einen deutlichen Bezug zum jVußer-" od.
„Überirdischen" hat. Diese besondere Stellung der Vögel könnte
zumindest einer von den Gründen gewesen sein, daß ein dem modemen
entsprechender umfassender Tierbegriff im WeltbUd des Korans nicht
ausgeprägt ist (vgl. in H.).
" Vgl. dazu besonders den PARETschen Kommentar.
9. Flugtiere
Spezielle Vogelarten erscheinen nur in Legenden: salwä „Wachteln"
(drei Okkurrenzen in Berichten von der Speisung der Israeliten in der
Wüste, z.B. 2,57/54), guräb „Rabe" (zweimal im Bericht von Kain und
Abel, 5,31/34) und hudhud „Wiedehopf (als Bote Salomons in 27,20
genannt; die folgenden Verse berichten von Taten dieses Wiedehopfs
und lassen ihn mit einer längeren direkten Rede zu Worte kommen) .
An Fluginsekten figurieren: ba'üqUi „Mücke" (2,26/24) und dubäb
„Fliegen" (zweimal in 22,73/72) (beide Tiere als Sinnbüd des Gering¬
fügigen und Unbedeutenden), jaräd „Heuschrecken" (in 7,133/130 als
ägyptische Plage und in 54,7 als Secundum comparationis der am Jüng¬
sten Tage aus den Gräbem hervorwimmelnden Auferstandenen — ein
bemerkenswerter Vergleich, der persönliche Observation von Heu¬
schreckenschwärmen voraussetzt), faräS „Motten" (in 101,3 sind
„durcheinandergestreute Motten" das Vergleichsobjekt der Menschen
beim Eintreten der endzeitlichen Katastrophe) und endlich nahl „Bie¬
nen". Den Bienen wird in 16,68 f/70f ein ausführlicher göttlicher Auf¬
trag betreffend ihre Lebensweise und Wohnorte erteilt. Das Interesse
an den Bienen ist selbstredend durch den dort auch genannten „aus
ihren Bäuchen hervorkommenden Trank", den Honig, motiviert, der
„ein HeUmittel fiir die Menschen" ist. Es liegt an dieser Stelle also pri¬
mär ein Exempel ('ibra) fiir die göttliche Fürsorge für die Menschheit
vor, mag dieses auch Anlaß zu einer relativ ausfiihrlichen Tierleben-
schildemng bieten. (Nach dieser Stelle trägt die 16. Sure ihren Namen
an-Nahl.)
10. Wassertiere
Wassertiere spielen im Koran nur eine gänzlich marginale Rolle;
keine einzige Spezies wird namentlich bezeichnet. Genannt werden nur
hüt und nün beide „Fisch". Das erstere Wort okkurriert viermal im Sin¬
gular sowie einmal im Plural (hitän) und zwar stets im Zusammenhang
von Legenden (Jonas in 37,142 und als ßähib al-hüt in 68,48; Moses an
der Lebensquelle in 18,61/60 und 18,63/62; durch Fischfang gegen den
Sabbat frevelnde Juden in 7,163); das letztere erscheint nur einmal in
der Bezeichnung von Jonas in 21,87 als dü n-nün. Allenfalls ist noch auf
die schon oben in II. besprochenen drei Stellen zu verweisen, an denen
durch lahm tariy „frisches Fleisch" und ?ayd al-bahr „Jagd(beute) des
Meeres" auf den Fischfang Bezug genommen wird.
Erwähnt werden auch lu'lu' „Perlen" (sechsmal) und mardän „Koral¬
len" (zweimal) , doch muß als sehr unsicher gelten, ob der animalische
308
Ursprung dieser Pretiosen dem Tejrtpublikum bekannt war oder ob
diese nicht vielmehr in eine Beziehung zum Meer analog der der Edel¬
metalle und -steine zur Erde gesetzt wurden. Wie immer dem sei, han¬
delt es sich bei lu'lu' und mardän bloß um tierische Produkte, die im
Sinne von l.E.d. hier nicht zu berücksichtigen sind.
Das Desinteresse an Wassertieren ist fraglos dem Ambiente der pri¬
mär binnenländischen Textrezipienten (die wohl auch kaum Gelegen¬
heit zur Observation von Süßwasserfauna hatten) korreliert. Doch ist
andererseits zu bedenken, daß die See- und Flußschiffahrt im Koran
durchaus gut repräsentiert ist; so wird insb. die Möglichkeit, mittels
Schiffen Gewässer zu befahren, wiederholt (z.B. 2,164/159) als wun¬
derbares Zeichen (äya) der göttlichen Macht und Hidd apostrophiert.
11. Zusammenfassung
Die in I.-IO. näher besprochenen Wörter haben insgesamt 200
Okkurrenzen im Korantext, die sich wie folgt verteüen:
dabba/dawabb 18
na'am/an'äm 33
Kamele^^ 31
Rinder 19
Schafe, Ziegen 9
Pferde, Esel, Maultiere 11
sonstige Säugetiere 25
sonstige Landtiere 10
fayr/fä'ir 24
Vögel und Fluginsekten 13
Wassertiere" 7
Diese Zahlen müssen selbstredend im Kontext der obigen Ausführun¬
gen gelesen werden und dürfen keinesfalls dazu verleiten, aus einer
Häufigkeit auf eine dieser proportionale Importanz im Text zu schlie¬
ßen. (Es sei nur daran erinnert, daß Rinder ausschließlich in Legenden
figurieren, während die etwa gleichhäufigen tayr/tä'ir in Aussagen all¬
gemeiner Relevanz vorkommen.)
Die Nennungen von Tieren lassen sich zwanglos vier Bereichen zuwei¬
sen:
" Inid. hamüla, aber ausscfüießlich des dubiosen farS.
" Inkl. ^ayd al-bahr.
1. Legenden: Hier begegnet eine relativ große Zahl unterschiedlicher
Tiere, die jedoch nie näher beschrieben oder sonstwie individualisiert
werden. Die Tiere sind hier bloße Objekte, die eben in der „Story" vor¬
kommen und daher erwähnt werden müssen.
2. Nomothesie: Entsprechend den zu erlassenden Gesetzen und Ver¬
boten (Speise, Jagd, Tieropfer) sind einige wenige Tierarten zu nennen,
selbstredend wieder ohne näher charakterisiert zu werden.
3. Predigt: Hier fungieren die Tiere zur Demonstration der Macht,
Weisheit und Güte Gottes. Es herrscht lexikalische Stereotypie; nahezu
ausschließlich däbba/dawäbb, an'äm und tayr/tä'ir werden zu diesen
Zwecken gebraucht.
4. Vergleich: Der Vergleich menschlichen Charakters und Handelns
mit dem von Tieren wird nur limitiert eingesetzt; nur sieben Tiere
(dawäbb, an'äm, himär/humur, kalb, 'arikaimt.faräS, jaräd) dienen in ins¬
gesamt elf derartigen Komparationen. (Hinzu kommt der Sonderfall
des Vergleichs der Höllenfunken mit jimäla.) Auffällig ist, daß alle
diese Vergleiche (ausgenommen bloß der jaräd- und der jimäla-YeT-
gleich) zur negativen Charakterisierung als dumm, schwach u. dgl.
dienen. Diese Vergleiche bieten im übrigen den nahezu einzigen Anlaß,
— wenn auch nur ganz kurz — Tierverhalten zu beschreiben (humur/qas-
wara, kalb, 'ankabüt, jaräd). Ansonsten wird Tierleben nur noch in der
Beschreibung des Vogelfluges und des Bienenlebens angesprochen.
Diese in 4. genannten Sachverhalte harmonisieren mit folgenden
früher in diesem Abschmtt detailherten bzw. e sUentio residtierenden
Tatsachen:
a. Nur zweimal (an'äjw/Schönheit, Eqiüden/Zierde) wird eine ästhe¬
tische Freude am Tier bekundet, und auch dort niu- als Ausfluß mate¬
riellen bzw. ideellen (prestigiösen) Nutzens.
b. Ein Sprechen von Tieren findet sich viermal (davon zweimal in
direkter Rede: Wiedehopf und Ameisen, femer „Sprache der Vögel"
und Sprechen der apokalyptischen däbba) , stets in von fremden Quellen
derivierten Berichten (dreimal ist Salomon involviert).
c. Von diesen Sonderfällen in b. abgesehen findet sich nirgends ein
Ansatz zur Personifikation von Tieren.
d. Tiere werden nur überaus selten als Gegner oder Gefahr fiir den
Menschen erwähnt (Frösche, Läuse und Heuschrecken als ägyptische
Plagen; der Wolf in der Josefslegende) .
e. Tiere werden in keinen Bezug zur Paradiesvorstellung gebracht
(abgesehen von der je einmaligen Erwähnung von lahm und lahm fayr
als Speise).
22 ZDMG 140/2
310
f. Außermenschliche rationale Wesen (denen freilich in gewissem
Sinne die Vögel zuziu-echnen sind) interagieren nicht mit der Tierwelt,
insb. fehlen die theriomorphen Dämonen, die in den altarabischen Vor¬
stellungen (und auch später noch) eine ansehnliche Rolle spielen.
g. Es erscheint kein individuell benanntes Tier'*, wie denn auch Tiere
als individuell handelnde Subjekte so gut wie gänzlich fehlen (eine Aus¬
nahme: der Wiedehopf).
All dies läßt sich noch weiter verdichten: Der Koran sieht das Tier
ganz vorrangig als Objekt einer durch göttliche Güte ermöglichten Aus¬
beutung durch den Menschen, sekundär als Quelle der Mahnung an den
Menschen in seiner Beziehung zur Gottheit. Demgemäß werden Tiere
praktisch nur en masse und als Spezies betrachtet.
Wenn nun auch manche der damit explizierten Aspekte eine allge¬
meine arabische Einstellung zum Tier reflektieren", so steht die Tier¬
welt im Koran doch zu jener in der arabischen Literatur derselben
Epoche, der Gähiliya-Poesie, in einem Kontrast, wie er greller kaum
vorstellbar wäre. Diese Poesie, angesiedelt im Ambiente der Wüsten¬
steppe, ist ja überreich an detaillierten Deskriptionen von Gestalt und
Verhalten wilder wie domestizierter Tiere. Demgegenüber wird im
Koran eine ganz neue (eigentlich sehr modeme!) Einstellung manifest:
die des Städters, der kamn Gelegenheit zu direkter Tierbeobachtung
hat und dem Tiere nur dim;h ihren Nutzen Interesse abnötigen können.
(Die gesamte „nutzlose" Steppenfauna: Raubzeug und Greifvögel,
Gazellen, Strauße . . . wird ignoriert.) Mehr noch: Der Text entspricht
einem „mittelständischen" Publikum, das mit dem für die Poesie typi¬
schen aristokratischen Tierbezug (edle Rennpferde und -kamele, Jagd¬
geschehen) offensichtlich nicht angesprochen zu werden vermag. Auch
in diesem Sinne ist mit dem Koran eine neue Zeit angebrochen . . .
" Unbeschadet späterer exegetischer Bemühungen, im mjfteriösen ar-raqim
in 18,9/8 den Namen des Hundes der Siebenschläfer zu suchen.
" „. . . fast nie [scheinen] in Gedichten und sonst, die rein arabisehen
Ursprungs sind, Anzeichen eines persönlichen inneren Verhältnisses zu dem
Tier oder eine Persoiüfikation eines solchen vorhanden zu sein, wie in unseren deutschen Märchen und Fabeln . . . Die Werke, bei denen solehe Darstellungen sich finden, sind unter fremdem Einfluß entstanden", Eilhard Wiedemann:
Aufsätze zur arabischen Wissenschaftsgeschichte. 2. Hildesheim: Olms 1970, 368.
IV. Die Pflanzenwelt
1. Vorbemerkungen
Das methodische Vorgehen bei der Behandlung der Tierwelt, nur
„komplette Lebewesen" lexikalisch zu erheben und zu besprechen (vgl.
l.E.d.), läßt sich fur die Vegetation nicht konsequent aufrechterhalten.
Denn einerseits werden hier nur relativ wenige Arten spezifiert, ande¬
rerseits spielen Aggregationen (Gärten, Wiesen, Felder) und Pflanzen¬
teile (Früchte, Samenkörner) eine unübersehbar wichtige textuelle
Rolle. Wir lassen uns daher bei der Auswahl der näher zu besprechen¬
den Lexeme hier primär von der Häufigkeit im Text leiten. Die nicht in
die Diskussion einbezogenen Lexeme werden in einem Anhang aufge-
listet^".
Wie die Tierwelt hat auch die Vegetation im Koran ihre Hauptfunk¬
tion als Beweismaterial für die Macht und fürsorgliche Güte Gottes.
Demgemäß wird vor allem die kultivierte und daher nutzbringende
Vegetation betrachtet, doch involvieren nicht wenige Stellen (auch oder
ausschließlich) die wildwachsende Pflanzenwelt, so insb. dort wo vom
Nutzen der Pflanzen als Futter für die an'äm gesprochen wird (10,24/
25, 20,54/56, 32,27, 79,33, 80,32) oder wo die nach einem RegenfaU
aufschießende und dann bald wieder verdorrende Vegetation erscheint
(vgl. ausführlich im folgenden).
Allgemein fällt zunächst auf, daß der Text nicht weniger als elf aus¬
führliche Schilderungen irdischer Vegetation (im Kontext von Legen¬
den ebenso wie der Offenbarungsgegenwart) bietet. Diese sind über aUe
Offenbarungsperioden verteilt: 2,61/58, 6,99, 6,141/142, 16,10f,
18,32-34/31f, 23,19f, 26,147f, 36,33-36, 50,7-11, 55,llf./10f,
80,26-32. Daß sich für die Fauna nichts Entsprechendes beibringen
läßt (allenfalls kann auf 16,5-8 verwiesen werden), deutet auf eine
Grundeinstellung zur Pflanzenwelt hin, die von der zm- Tierwelt wesent¬
lich verschieden ist. Dazu gehört auch eine nicht nutzorientierte Freude
an der Schönheit von Pflanzen (vgl. HI.H.a. und unten 2.C.).
Wohlgedeihende kultivierte Vegetation erscheint passim als beson¬
ders erstrebenswerter Besitz^', ja als Inbegriff diesseitigen Glückes
Bei dieser Gelegenheit sei hingewiesen auf das ansprechend gestaltete Büefdein al-Isläm wa-l-l}u4ra al-bi'iya — masrad muta'addid al-lugät li-l-äyät al- karima 'an an-nabätät. al-Kuwajft: Maglis himäyat al-bi'a 1407 (/1986/7). Dort
sind 47 Koranstellen über Vegetationsphänomene mit engUseher und fränzösi¬
seher Übersetzung zusammengestellt.
" Vgl. den PARETsehen Kommentar zu 17,91/93.
28*
312
überhaupt. Die Apotheose dieser Vorstellung ist natürlich das (tierfreie!
vgl. III. 1 I.e.) Paradies, das als Garten- und Plantagenlandschaft mit
abundierendem Wasser geschildert wird. — Zur Vegetation im allgemei¬
nen sei noch an die Beobachtung der Zweigeschlechtigkeit erinnert
(vgl. in n.).
2. Die drei Hauptthemen
A. Das erste der drei koranischen Hauptthemen der Vegetation ist
die Beschreibung des Pflanzenwachstums als Bekundung der Macht
und Güte Gottes; insgesamt lassen sich dem nicht weniger als 40 Stel¬
len zuordnen. Zumeist (bei 29 SteUen) ist dabei ausdrücklich das von
Gott herabgesandte Wasser, der Regen, genannt, der als HUfsmittel zur
Belebung der toten Erde dient (vgl. in II.). Einige typische Belege:
16,65/67 wa-llähu amala mina s-samä'i mä'an fa-ahyä bihi l-ar^a ba'da
mawtihä „und Gott sandte vom Himmel Wasser herab und belebte
damit die Erde nach ihrem Tode"; 22,63/62 a-lam tara anna Iläha
amala mina s-samä'i mä'anfa-tu^bihu l-ar^u mul}do/rratan „hast du nicht
gesehen, daß Gott vom Himmel Wasser herabgesandt hat? daraufhin
wird die Erde grün"; ohne Erwähnung des Wassers: 80,26f tumma
äaqaqnä l-arda Saqqan fa-aribatnä fihä habban „dann haben Wir die Erde
gespalten und daraufhin in ihr Samenkörner sprießen lassen". — Dieses
Wunderzeichen der Belebung der toten Erde hat insoferne noch beson¬
dere Relevanz, als darin ein Garant für die endzeitliche Auferweckung
der Toten gesehen wird. An sieben der 40 Stellen (fünf davon mit
Erwähnung des Wassers) wird diese Aiü'erweckung angesprochen, so
z.B. 30,19/18 wa-yuhyi l-arda, ba'da mawtihä wa-ka-dälika tu^ra^na
„und Er belebt die Erde nach ihrem Tode und ebenso werdet ihr heraus¬
gebracht werden" und 41,39 wa-min äyätihi annaka tarä l-arda l^äSi'atan
fa-idä amalnä 'alayhä l-mä'a htazzat wa-rabat inna lladi ahyähä la-muhyi
l-mawtä „imd zu Seinen Wunderzeichen gehört, daß du die Erde ruhig
siehst; wenn Wir dann auf sie das Wasser herabsenden, erbebt sie und
wächst an; derjenige, der sie belebt hat, ist gewiß der Beieber der
Toten" (die weiteren fünf SteUen sind 7,57/55, 30,50/49, 35,9/10,
43,11/10, 50,11). — Ein Wunderzeichen wird auch darin gesehen, daß
ganz unterschiedliche Arten von Pflanzenwuchs mittels ein und dessel¬
ben Wassers (bi-mä'in wähidin) hervorgerufen werden (13,4).
B. Das zweite Hauptthema ist das beständige Gefahrdetsein der
Vegetation durch Umwelteinflüsse (Temperaturschwankimgen, Was¬
sermangel) und der damit verbundene Hinweis avü" die Vergänglichkeit
aUes Irdischen und auf den Umstand, daß dieses jederzeit unmittel-
barem göttlichem Zugriff ausgesetzt ist^^ Dieses Thema ist seltener
aufgegriffen als das erste (an nur 13 Stellen); an fünf Stellen werden
erstes und zweites Thema liombiniert. Typische Beispiele sind: 18,45/
43 ka-mä'in anzalnähu mina s-samä'i fa-l}talafa bihi nabätu l-ar^i fa-
a^baha haSiman tadrühu r-riyähu („d&s Leben im Diesseits ist) wie Was¬
ser, das Wir vom Himmel herabsandten; da vermengte sich mit ihm die
Vegetation der Erde; daraufhin wurde diese zu dürrem Zeug, das die
Winde fortwehen"; 39,21/22 tumma yuh,ri^ bihi zar'an mufitalifan
alwänuhü tumma yahi^ fa-tarähu mv^ßfarran tumma yaj'aluhü hufäman
„dann bringt Er mit ihm (dem Wasser) Saat verschiedener Arten her¬
vor; dann verdorrt diese und da siehst du sie gelb; dann macht Er sie zu
brüchigem Zeug"; vgl. insb. noch 3,117/113 und 87,4f
C. Das dritte, ebenfalls an 13 Stellen begegnende Hauptthema ist die
Mannigfaltigkeit und der Artenreichtimi der Vegetation. In diesem
Bereich reflektiert die Diktion an vier Stellen eine spontane Bewimde-
rung und Freude, die sich bezüglich des Animalischen nie nachweisen
läßt: 15,19 wa-anbatnä fihä min kuUi Say'in mautzünin „und Wir ließen
auf ihr (Erde) jedes harmonische^' Ding wachsen"; 26,7/6 a-wa-lam
yaraw ilä l-ar^i kam anbatnä ßhä min kulli zawjin karimin „vmd haben
sie nicht aiü" die Erde geblickt, wie viele edle Arten^" Wir auf ihr haben
wachsen lassen?" (ganz ähnlich 31,10/9); 50,7 wa-anbatnä ßhä min kuUi
zawjin bahi^in „und Wir haben auf ihr (der Erde) jede prächtige Art
wachsen lassen". Charakteristisch in diesem Sinne ist auch die Diktion in 10,24/25 idä aJ}adati l-ar<jhi zuJ^rufahä wa-zzayyanat „wenn die Erde ihren Schmuck nimmt imd sich verziert".
In den folgenden Sektionen mustem wir nun alle mehr als fünfmal
okkurrierenden Vegetationslexeme im einzelnen. (Das Lexem nabät
wurde bereits oben in II. diskutiert und scheidet hier aus.)
3. janna „Garten"
Mit 147 Okkurrenzen (einschließlich der Dual- und Pliu-alformen) ist
janna das mit weitem Abstand häufigste Lexem der Biosphäre über¬
haupt. Dies bemht auf der Bezeichnung von Eden und Paradies mit die¬
sem Worte, welches gemäß I.E. e. in dieser Funktion nicht untersucht
Vgl. den PARETsehen Kommentar zu 3,117/113.
" Wörtl. „gewogen"; wir glauben, dies jedenfalls als „wohlausgewogen" fas¬
sen zu müssen, vgl. aber den PARETsehen Kommentar zu diesem Vers.
zaw§ steht im Koran sowohl fur „Paar; Art" (die etymologisch primäre Bedeutung dieses Fremdworts letztlieh von grieeh. zeugos „Joch") als aueh für
„ein Glied eines Paares".
Arne A. Ambros
wird. Bezogen auf irdische Verhältnisse okkurriert janna nur 24mal,
davon siebenmal im Singular, fünfmal im Dual und zwölfmal im Plural
(jannät). Die in diesen Gärten wachsenden Pflanzen werden nur an vier
Stellen genannt: 2,266/268,17,91/93,23,19,36,34, stets mit min ?jaÄi-
lin wa-'inabiv/a'näbin „mit Dattelpalmen und Weinstöcken"; demnach
ist bei janna nicht etwa an einen Ziergarten, sondem an eine größere
Plantage zu denken (vgl. auch 25,8/9 jannatun ya'kulu minhä „(wörtl.:)
ein Garten, aus dem er ißt"). Die (irdische) janna ist damit ein Besitz,
der Lebensunterhalt und Wohlfahrt garantiert und mit dem daher die
Spendefreudigen verglichen werden können (2,265/267). Der Verlust
oder Ruin einer janna wird zur Demonstration der Macht Gottes
gebraucht (z.B. 2,266/268 und 34,16/15; vgl. oben 2.B.). Besonders zu
notieren sind die jannät Tna'rüSät wa-gayr ma'rüSät „Gärten mit und
ohne Pfahlwerkbau/Hütten"^' (6,141/142) und die mysteriöse gannat
al-ma'wä „Garten der Zuflucht" (53,15).
Obwohl nur selten okkmrierend sollen wegen ihrer semantischen
Nähe zu panna hier auch die Lexeme rawda und hadiqa notiert werden.
Rawda „Stelle mit üppiger Vegetation; Garten; Wiese" fmdet sich zwei¬
mal (im Singular in 30,15/14 und im Plural rawdät in 42,22/21) in
Schüdemngen des Paradieses. Hadiqa „(wörtl.:) Umzäuntes, Einge¬
friedetes; Garten" erscheint nur in der Pluralform hadä'iq und zwar
zweimal im Kontext irdischer Verhältnisse: 27,60/61 fa-anbatnä bihi
hadä'iqa däta bahjatin mä käna lakum an tunbitü Sajarahä „daraufhin
ließen Wir mit ihm (dem Wasser) prächtige Gärten wachsen, deren
Bäume ihr nicht wachsen lassen könntet" (vgl. oben 2.C.) und 80,30
hadä'iq gidb „üppig bewachsene Gärten" in einer längeren Vegetations-
schüderung, sowie ein drittes Mal in 78,32 koordiniert mit a'näh „Wein¬
stöcke" im Paradiese.
Kultivierte Aggregation von Pflanzen ist weiters in den beiden folgen¬
den Lexemen reflektiert:
4. hart „Saatfeld"
Das 13mal okkurrierende Lexem hart ist zunächst Verbalabstraktum
zu harata „(den Boden) pflügen, bebauen" und weiter konkretisiert die
Anbaufläche fiir Getreidepfianzen. Ein eschatologischer Bezug liegt nur
vor in 42,20/19 man käna yuridu harta l-äfiirati nazid lahüß hartihi wa-
man käna yuridu harta d-dunyä nu'tihi minhä wa-mä lahüß l-ä^irati min
na^ibin „wenn jemand das Saatfeld des Jenseits (bestellen) will, dann
geben Wir ihm auf seinem Saatfeld hinzu; wenn aber jemand das Saat-
Vgl. den PARETsehen Kommentar zu dieser Stelle.
feld des Diesseits (bestellen) will, dann geben Wir ihm davon und er hat am Jenseits keinen Anteil". An dieser Stelle ist Äart jedoch bloß Meta¬
pher fiir „Bemühung, Interesse" (also: „wenn jemand sein Augenmerk
auf das Jenseits/Diesseits richtet . . .") und dient nicht zur Schilderung
des Paradieses (wofiir die sicher voraussetzbare Assoziation mit harter
physischer Arbeit das Wort auch fraglos wenig geeignet macht) . Eine
bemerkenswerte Metapher liegt auch vor in 2,223 nisä'ukum hartun
lakum fa-tü hartakum annä Si'tum „eure Frauen sind ein Saatfeld für
euch; geht also zu (diesem) eurem Saatfeld, wo/wann auch immer ihr
wollt". — In 3,14/12 wird hart (an letzter Stelle) unter den dem Men¬
schen begehrenswert erscheinenden Besitztümern genannt (vgl. oben
bei an'äm und hayl).
5. zar' „Saat"
Das zehnmal (davon zweimal im Plural zum') gebrauchte Lexem zar'
ist primär Verbalabstraktum zu zara'a „säen", dann konkretisiert
„Gesätes, Pflanzen". Alle Singular-Okkurrenzen sind nahezu synonym
mit nabät (insb. als Objekt von ja'ala 18,32/31, af}raja 32,27 und
39,21/22, anbata 16,11 und anäa'a 6,141/142, stets mit Gott als Sub¬
jekt); die beiden Plural-Okkurrenzen (26,148 und 44,26/25) bedeuten
„Anbauflächen". Ein Bezug zum Paradies fehlt, wohl weil wie bei hart
die Assoziation mit harter Arbeit sich auswirkt. (Es darf nicht über¬
sehen werden, daß auch eine gedeihende panna schwere Arbeit impli¬
ziert, aber der panna dürfte mehr der Nimbus des Luxuriösen — zu erin¬
nem an die dort wachsenden a'näb „Weinstöcke"! — angehaftet haben,
während hart und zar' vermutlich mehr mit der Produktion von Grand-
nahmngsmitteln assoziiert wurden; diese Überlegung mag die aus¬
schließliche „Diesseitigkeit" von hart und zar' gegenüber panna erklä¬
ren helfen.) — Von besonderem Interesse ist noch die Stelle in 14,37/40,
wo das Gebiet um Mekka im Munde Abrahams als wädi gayr di zar' „ein
Tal ohne Saat(flächen)" genannt wird.
Den vom Menschen aus der Vegetation gezogenen Nutzen machen die
beiden folgenden Lexeme explizit.
6. tamar „Früchte"
Das Lexem tamar wird insgesamt 22mal verwendet, davon fiinfmal
als KoUektivum tamar, einmal als Individualsingidar tomaro und 16mal
als Plural tamarät. Eine nähere Bestimmung erfolgt nur einmal (16,67/
69 tamarät an-nal}il wa-l-a'näb „die Früchte der Dattelpalmen und der
Weinstöcke"). Ein Bezug auf das Paradies wird bloß zweimal her-
Arne A. Ambros
gestellt (2,25/23 und 47,15/17 als Speise der Seligen) ; in der weit über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle steht tamar fiir den „normalen" , von Gott
gewährten, aber auch diu-ch die jederzeitige Möglichkeit göttlicher
Ingerenz gefährdeten irdischen Lebensunterhalt. Typische Beipiele:
2,22/20 anzala mina s-samä'i mä'an fa-a}}rapa bihi mina t-tamaräti riz-
qan lakum „Er hat vom Himmel Wasser herabgesandt und mit diesem
als Lebensunterhalt fiir euch die Früchte hervorgebracht" (gleichlau¬
tend 14,32/37); 7,130/127 naq§ min at-tamarät „Mangel an Früchten"
als Strafe fiir die Ägypter.
7. fäkiha „Früchte"
Das Lexem fäkiha erscheint 14mal, davon elfmal in der kollektivi¬
schen Singularform/äiiAa und dreimal in der Pluralform fawäkih „Arten
von Früchten". Während tamar alle Früchte (insb. auch die Feld¬
früchte) subsumiert, steht fäkiha (in nicht gänzlich klarer Weise^' abge¬
leitet von der Wurzel f-k-h „fröhlich") wohl für „köstliches Obst". Dafür
spricht insbesondere, daß die fäkiha/fawäkih bei neun ihrer 14 Olikur-
renzen dem Paradies zugeordnet sind: ja sie sind die Paradiesesspeise
schlechthin für die Seligen, denen Fleischgenuß nur zweimal (vgl.
in. 1 I.e.) attribuiert wird. Näher qualifiziert wird fäkiha an keiner
Stelle. Ein Beispiel: 43,73 lakum fihä fäkihatun katiratun minhä ta'ku-
lüna „ihr (Selige) habt in ihm (dem Paradies) viele Früchte, von denen
ihr eßt" (ganz ähnlich, aber bezüglich irdischer Gärten, in 23,19)".
8. habb „Samenkörner"
Nach den Früchten sind unter den Pflanzenteüen noch die Samenkör¬
ner von besonderer Wichtigkeit: Zwölfmal findet sich im Text das
Lexem habb, davon siebenmal im kollektivischen (habb) und fünfmal im
individuellen (habba) Singular. Dreimal dient das Kom als Sinnbüd des
Winzigen, aber doch von Gott nicht Vemachlässigten: 6,59 wa-mä tas-
qutu min waraqatin iüä ya'lamuhä wa-lä habbatin fi zulumäti l-ar^i „und
kein Blatt fällt ab und kein Kom (ist) in den Finsternissen der Erde,
Gemäß dem Typus karata „betrüben" > kärita „Unglüekssehlag" würde das substantivierte Aktivpartizip fäkiha ein Verb *fakaha „erheitern, erquicken"
voraussetzen; beiegt seheint jedoch nur ein intransitiver Grundstamm fakiha
„heiter, vergnügt sein" zu sein (vgl. Lane 3432a).
" Aus den hier und in 6. notierten Zafüenverhältrüssen berecfmet man eine sichere und starke positive Korrelation zwisehen fawäkih und „paradiesisch"
(hzw. zwischen tamar und „irdisch") mitx^ (mit Yate-Korrektur) = 9.8 und Yule- KoefTizient = -fO.89 (vgi. die üi Anm. 38 und 40 zit. Lit.).