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Archiv "Tradition und Moderne halten sich die Waage" (27.05.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung

79. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Tradition und Moderne halten sich die Waage

Bericht über die Diskussionen des 79. Deutschen Ärztetages über das Muster einer Berufsordnung für die deutschen Ärzte

Mehr als zwei Tage lang diskutier- ten die Delegierten des 79. Deut- schen Ärztetages in Düsseldorf die Entwürfe einer Neufassung der Be- rufsordnung für die deutschen Ärz- te, der Weiterbildungsordnung und der - die Weiterbildung in den einzelnen Bereichen beschreiben- den - Anlage zur Weiterbildungs- ordnung. Ein Buch mit 157 Seiten und rund 150 Anträge waren Bera- tungsunterlage.

Prof. Christiani, Vorsitzender des Ausschusses und der Ständigen Konferenz der Bundesärztekammer

"Berufsordnung für die deutschen

Ärzte" und Präsident der Landes- ärztekammer Schleswig-Holstein, brachte den Entwurf der neuen Be- rufsordnung ein (den Wortlaut sei- nes Referats wird das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in einer seiner näch- sten Ausgaben veröffentlichen);

Referent für die Weiterbildungsord- nung war Prof. Sewering, Bundes- ärztekammerpräsident und Vorsit- zender der Weiterbildungskonfe-

renz der Bundesärztekammer.

Erforderlich geworden war diese Sisyphusarbeit der Delegierten durch das "Facharzturteil" des Bundesverfassungsgerichtes von 1972, das die Länder gezwungen hat, die "Kammergesetze" neu zu erlassen. Solche Gesetze gibt es bisher in den Ländern Nordrhein- Westfalen, Saarland und Baden- Württemberg; in anderen Ländern liegen bisher Entwürfe vor, die sich weitgehend auf einen Musterent- wurf der Konferenz der leitenden Ministerialbeamten der Länder stützen. Damit konnte auch die bis- herige Zusammenfassung des Be- rufs- und des Facharztrechtes in einer "Berufs- und Facharztord-

nung" nicht mehr aufrechterhalten bleiben; die Weiterbildungsord- nung ist, wie Prof. Christiani sagte, nunmehr "freiberuflich selbstän-

dig" geworden.

In der Diskussion begann die leb- hafte Auseinandersetzung bereits

vor

dem ersten Paragraphen der Berufsordnung - ihm geht näm- lich das für den Arzt geltende "Ge- löbnis" voraus, das sich an den Text der "Genfer Deklaration" des Weltärztebundes anlehnt.

.... Ein Antrag, das Gelöbnis als

"Dokumentation einer elitären Ein- stellung" zu streichen, wurde ab- gelehnt; selbst die meisten jünge- ren Delegierten waren bereit, die Tradition bestehen zu lassen.

Vertrauenswürdig im gesamten Verhalten

Keine Gnade fand der Vorschlag des Vorstandes der Bundesärzte- kammer, die Generalklausel über das Verhalten des Arztes (§ 1 Abs.

3 der Berufsordnung) in bezug zu

dem "ihm im Zusammenhang mit

dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen" zu bringen: Eigentlich ist durch den Beschluß, den der Ärztetag hierzu faßte, die Verhal- tensvorschrift für den Arzt nun völ- lig generalisiert worden, denn der Arzt ist nunmehr "verpflichtet, sei- nen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich bei seinem Verhalten der Achtung und des Vertrauens wür- dig zu zeigen, die der ärztliche Be- ruf erfordert". Damit ist diese Ge- neral klausei von dem individuellen Vertrauensverhältnis zwischen dem einen Arzt und seinem Patienten gelöst.

1478 Heft 22 vom 27. Mai 1976 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Prof. Dr. Edmund Christiani bei seinem Referat über die Neufassung der Be- rufsordnung (Bericht auf diesen Seiten)

...,.. Etwas abgemildert wurde die Bestimmung über die gegenseitige Vertretung: Ärzte sollen (früher:

dürfen) sich in der Regel nur durch Ärzte des gleichen Gebietes oder Teilgebietes vertreten lassen.

.... Abgelehnt wurde der Vorschlag, auch die Verpflichtung zur wirt- schaftlichen Verordnungsweise in die Berufsordnung aufzunehmen.

Nicht nur Tradition, sondern auch die Tatsache, daß zu diesem Wort eine gefestigte Rechtsprechung vorliegt, war der Anlaß dazu, einen Antrag auf sprachliche Modernisie- rung der alten Vorschrift abzuleh- nen, daß der Arzt seinen Beruf nicht "im Umherziehen" ausüben darf.

Die Bestimmungen über die Zu- sammenarbeit der Ärzte unterein- ander und über den Schwanger- schaftsabbruch blieben unverän- dert (der Wortlaut der nunmehr geltenden Berufsordnung und der Weiterbildungsordnung wird dem- nächst im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT veröffentlicht werden).

...,.. Eingefügt wurde allerdings ein neuer Paragraph 2 b, der von dem

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Die Information:

Bericht und Meinung

278 Delegierte, mehrere hundert Gäste, Präsidiumsmitglieder, Journalisten verloren sich fast im riesigen Saal der Stadthalle Düsseldorf, einer ehemaligen Messehalle. Dennoch: eindrucksvolle Bilder von der Arbeit des 79. Deutschen Ärztetages

Marburger Bund angehörenden Delegierten gewünscht wurde. Er verpflichtet die zur Weiterbildung ermächtigten Ärzte, im Rahmen ih- rer Möglichkeiten den ärztlichen Mitarbeitern auf Verlangen Weiter- bildung nach Maßgabe der Weiter- bildungsordnung zu vermitteln.

Diese scheinbare Selbstverständ- lichkeit ist weniger Ausdruck des Mißtrauens gegen die zur Weiter- bildung ermächtigten Ärzte als viel- mehr ein Instrument, auch gegen- über Krankenhausverwaltungen die Möglichkeiten der Weiterbildung durchzusetzen.

■ Vorschläge, in die Berufsord- nung eine Indikation zum Schwan- gerschaftsabbruch einzuführen, mußten scheitern, weil sie mit dem geltenden Gesetz in Konflikt gera- ten wären.

Anders war die Situation freilich bei Paragraph 4 der Berufsord- nung, der sich mit der Sterilisation befaßt. Hier gibt es keine gesetzli- che Regelung; der Entwurf der Bundesärztekammer enthielt die bisherige Regelung, wonach Steri- lisationen zulässig sind, wenn sie aus medizinischen, genetischen oder schwerwiegenden sozialen

Gründen indiziert sind. Hierzu gab es mehrere Anträge; die einen wollten die Vorschrift überhaupt beseitigen, die anderen wollten an ihre Stelle die Bestimmung setzen, daß der Arzt „unter Berücksichti- gung der Lebensumstände den Pa- tienten sorgfältig zu beraten und ihn eingehend über Alternativen und Folgen der Sterilisation aufzu- klären" habe. Prof. Christiani hatte bereits darauf hingewiesen, daß in diesem „rechtsfreien Raum" auch dann eine disziplinare Regelung möglich sei, wenn ansonsten eine strafrechtliche Bestimmung nicht existiere.

Ein Gesetzentwurf über die Sterili- sation hat zwar schon vorgelegen, ist aber bisher im Bundestag nicht behandelt worden.

■ Die Mehrheit der Ärztetagsdele- gierten für die Beibehaltung einer Regelung der Sterilisation war deutlich.

• Sehr knapp jedoch fiel die Ab- stimmung darüber aus, ob die „In- dikationslösung" oder die Bera- tungsvorschrift eingeführt werden solle: Diese Beratungsvorschrift wurde schließlich mit 111 gegen

107 Stimmen abgelehnt, so daß es bei der bisherigen Indikationsvor- schrift bleibt.

Völlig neu sind in der Berufsord- nung Einzelbestimmungen über die Fortbildungspflicht des Arztes. Der Paragraph 5 zählt nunmehr bei- spielhaft die geeigneten Mittel der Fortbildung auf, hält den Arzt an, von diesen Fortbildungsmethoden Gebrauch zu machen, und ver- langt, daß der Arzt eine diesen Be- stimmungen entsprechende Fort- bildung gegenüber der Ärztekam- mer in geeigneter Form nachwei- sen können muß.

Im einzelnen zählt der Paragraph 5 als „geeignete Mittel der Fortbil- dung" beispielhaft, jedoch nicht ausschließlich auf: Teilnahme an allgemeinen oder besonderen Fort- bildungsveranstaltungen (Kongres- se, Seminare, Übungsgruppen, Kurse, Kolloquien); klinische Fort- bildung (Vorlesungen, Visiten, De- monstrationen und Übungen); Stu- dium der Fachliteratur; Inan- spruchnahme audiovisueller Lehr- und Lernmittel. Der Arzt wird ver- pflichtet, von den aufgezeigten Fortbildungsmöglichkeiten in dem Umfange Gebrauch zu machen,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 22 vom 27. Mai 1976 1479

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Die Information:

Bericht und Meinung Berufsordnung

wie es "zur Erhaltung und Entwick- lung der zur Ausübung seines Be- rufes erforderlichen Fachkenntnis- se notwendig ist". Damit ist die Fortbildungspflicht des Arztes auf die besonderen Bedürfnisse seiner Praxis und seines Tätigkeitsgebie- tes abgestellt - allerdings kommt die in einer anderen Bestimmung konstituierte Verpflichtung zur Fortbildung für die Teilnahme am Notfalldienst hinzu.

~ Dieser Vorschlag des Ärztekam- mervorstandes wurde auch mit großer Mehrheit angenommen, ob- wohl in einer ausgiebigen Diskus- sion ernste Bedenken geltend ge- macht wurden: Die Nachweispflicht - dies war das schwerstwiegende Argument - sei der erste Schritt auf dem Wege zu einer "Approba- tion auf Zeit". Dem wurde entge- gengehalten, daß die Einführung einer "Nachweispflicht im eigenen Haus" der einzige Weg sei, zu ver- hindern, daß den Ärzten von außen eine Fortbildungspflicht und damit tatsächlich eine staatliche Appro- bation auf Zeit aufgezwungen wer- de.

~ Neu ist auch der Paragraph 5 a, der den Arzt verpflichtet, sich hin- reichend gegen Haftpflichtansprü- che im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern.

~ Verschärft und präzisiert wurde die Bestimmung über die Vorlage von Arbeitsverträgen vor Abschluß bei der Ärztekammer. Die bisherige Vorschrift erhielt einen Zusatz, wo- nach Anstellungsverträge nur ab- geschlossen werden dürfen, wenn in ihnen die Grundsätze der Be- rufsordnung gewahrt sind und wenn ferner sichergestellt ist, daß der Arzt in seiner ärztlichen Tätig- keit keinen Weisungen von Nicht- ärzten unterworfen wird. Wörtlich heißt es dann: "Sofern Weisungs- befugnis von Ärzten gegenüber Ärzten besteht, sind alle Beteiligten zur gewissenhaften und verant- wortlichen Mitentscheidung ver- pflichtet." Dazu Antragsteller Prof.

Kanzow: "Einen Befehlsnotstand kann und darf es unter Ärzten nicht geben."

Die Bestimmungen über die Aufbe- wahrung von ärztlichen Unterlagen und Aufzeichnungen wurden durch einen neuen Absatz ergänzt, der auch die Grundsätze des Daten- schutzes hinsichtlich von Aufzeich- nungen in elektronischen Anlagen festhält

Normen für das kollegiale Verhalten

Abgelehnt (unter Beifall) wurde ein Vorschlag des Vorstandes der Bun- desärztekammer, das "kollegiale Verhalten" einfacher auszudrük- ken. Der Vorschlag lautete im Ent-

wurf: "ln Gegenwart von Patienten

sind Zurechtweisungen zu unterlas- sen."

~ Es bleibt bei der alten Fassung, die dieses Verhalten auch für die Gegenwart von Nichtärzten und mit einem besonderen Hinweis für den Dienst in den Krankenanstalten vorschreibt. Die Begründung dafür, daß die "alte" Fassung doch "mo- derner" sei, liegt gerade in der

"modernen" Organisation der

Krankenanstalten, in denen weit mehr als bisher Teams und Gremi- en gemischter Zusammensetzung tätig sind - auch hier gilt für die Ärzte untereinander die Vorschrift des kollegialen Verhaltens.

Bei dem Problem der Behandlung von Patienten anderer Ärzte (§ 13)

ging es darum, ob ein Arzt, der ei-

nen in der Behandlung eines ande- ren Arztes befindlichen Patienten behandelt, gezwungen sein soll, sich zu vergewissern, daß der Pa- tient auf die Behandlung durch den erstbehandelnden Arzt verzichtet hat.

Freie Arztwahl hat Vorrang

~ Angenommen wurde ein Antrag von Dr. Roos, der diese Pflicht be- seitigt - nicht allerdings die Ver- pflichtung, darauf hinzuwirken, daß dieser Arzt informiert wird. Das Verzichtsverlangen - so die Mei-

1480 Heft 22 vom 27. Mai 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

nung der Mehrheit der Delegierten - ist eine gewisse Beschränkung der freien Arztwahl und eine Behin- derung der Möglichkeit des Patien- ten, gerade in schwerwiegenden Fällen auch einmal eine zweite Meinung einzuholen. Mit den Über- weisungsvorschritten des Kassen- arztrechtes hat dies nichts zu tun;

unter Umständen muß, so erklärte ein KV-Vorsitzender, diese "zwei- te Meinung" eben vom Patienten auf eigene Kosten eingeholt werden.

~ Weitgehend neu formuliert ist auch der Paragraph 19 über den ärztlichen Notfalldienst Er legt fest, daß der niedergelassene Arzt zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet ist, er präzisiert die Voraussetzungen für eine Befrei- ung und kodifiziert auch die Ver- pflichtung zur Fortbildung für den Notfalldienst Im Prinzip gab es hiergegen keine Einwände; ledig- lich das Ausmaß der Befreiungs- möglichkeiten für Belegärzte war umstritten.

Kleine Änderungen betreffen die

"Schilderordnung" sowie ferner

die Meldepflicht für Arzneimittelne- benwirkungen. Der Paragraph 20 über "Werbung und Anpreisung"

ist ebenfalls aus der bisherigen Be- rufsordnung unverändert übernom- men worden; Prof. Christiani hatte bereits angekündigt, daß eine Mo- dernisierung der Bestimmungen über Veröffentlichungen und Zei- tungsberichte demnächst von der Berufsordnungskonferenz behan- delt werden wird, und zwei Anträge in dieser Richtung wurden dem Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen.

e

ln seinem Schlußwort stellte Prof. Christiani über die Debatte zusammenfassend fest, daß eine weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen unter den Delegier- ten zu registrieren sei. Dies sei eine gute Voraussetzung dafür, daß diese Musterberufsordnung auch von den Landesärztekammern möglichst unverändert übernom- men und von den Aufsichtsbehör- den der Länder genehmigt werden

kann. bt

Referenzen

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