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Archiv "Das UBO-Syndrom :Eine iatrogene Schädigung durch Kernspintomographie: Schlußwort" (19.05.1995)

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MEDIZIN

durch unnötige Operationen direkt schädigend. Eine besonders häufige Fehldiagnose ist die sogenannte Hirn- atrophie, von der es zur Diagnose ei- nes Morbus Alzheimer nicht weit ist.

Am Anfang solcher Fehldiagno- sen steht die ungenügende Überwei- sung ohne Angaben der wichtigsten Punkte von Anamnese und neurolo- gischem Befund. Wird die Kernspin- tomographie von einem sorgfältigen Neuroradiologen durchgeführt, wird dieser dann zumindest die Anamnese selbst erheben und eventuell den Überweiser telefonisch um nähere Daten bitten. Die Kernspintomogra- phie muß gezielt durchgeführt wer- den, eine sogenannte Standardtech- nik ist nur zu oft ungenügend. Es gibt eine Vielzahl von Sequenzen mit zahl- reichen und noch im Zunehmen be- griffenen Möglichkeiten der läsionel- len Charakterisierung, von dynami- schen, angiographischen und funktio- nellen Untersuchungen ganz abgese- hen. Auch Verlaufsuntersuchungen können notwendig sein.

Es gibt nicht „die Kernspintomo- graphie", wie es früher eine Schädel- aufnahme in drei Ebenen gab. Gerät eine ungenügende Aufforderung zur Untersuchung an einen Radiologen ohne spezielle oder gründliche neuro- radiologische Ausbildung, so ist eine ungenügende oder falsche Diagnose zu erwarten. Ein kritischer Kliniker sollte allmählich bemerken, in welche Praxen er besser keine neuroradiolo- gischen Untersuchungen schickt.

Mit den vor mehreren Jahren (zi- tierte Literatur von 1986 und 1987!) so getauften UBO weiß der Kundige heute eine ganze Menge anzufangen.

Und es ist nicht richtig, daß zwischen Ödem, Infarkt, gliöser Narbe, De- myelinisierung oder Entzündungen generell nicht unterschieden werden kann — oft kann ein Neuroradiologe dies durchaus. Wer es freilich nicht kann, ist „die Kernspintomographie".

Diese ist nichts weiter als eine phanta- stische, noch längst nicht ausgereizte Technik, die sicher noch manche dia- gnostischen Möglichkeiten bereithält und intelligent und wissend benutzt werden muß.

Daß zuviel untersucht wird, aus reiner Neugier, aus Faulheit oder mangelndem Wissen der Kliniker her- aus, ist leider wahr. Nur, der niederge-

DISKUSSION

lassene Radiologe kann sich schwer dagegen wehren — an der Klinik ge- lingt dies mit einem kollegialen Ge- spräch leichter.

Ein anderes Kapitel ist der Pati- entenwunsch. Ist ein Patient auch nach längerem Gespräch nicht davon zu überzeugen, daß eine Kernspinto- mographie unnötig ist und überdies einiges kostet, sollte man eine einfa- che Untersuchung durchführen.

Meist kann man dann dem Patienten seine Angst nehmen — oder man fin- det wirklich einen Überraschungsbe- fund. Patienten haben gelegentlich ein objektiv nicht verständliches, aber erstaunlich präzises Körpergefühl, das der Arzt besser nicht unbeachtet läßt oder von vornherein zur Einbil- dung erklärt Zu behaupten, diese oder jene sei eine „klinische Diagno- se", mag manchmal seine Berechti- gung haben, allerdings wird heute mit ebenso großem Recht das Überein- stimmen von klinischer Diagnose, Röntgendiagnose und Laboruntersu- chung verlangt. Die Diagnose auch ei- nes erfahrenen Neuroradiologen kann immer nur eine Annäherung an die mögliche Pathologie sein, die kli- nische Relevanz zu beurteilen, ist dann in der Tat Sache des überweisen- den Klinikers.

Grundsätzlich kann ich den Auf- ruf von M. Stöhr zu mehr Vertrauen der Neurologen in ihre klinischdia- gnostischen Fähigkeiten nur unter- stützen. Dann dürfen die Indikatio- nen aber nicht von unerfahrenen Kol- legen erfolgen. Auch muß sich der Neurologe zu einer sorgfältigen klini- schen Untersuchung bequemen. Bes- sere klinische Arbeit, weniger Gerä- tediagnostik und weniger Medika- mentenverschreibung ist der Königs- weg zu einer besseren und billigeren Medizin. Diesen Weg werden aber nur wir Ärzte finden und gehen kön- nen. Dirigistische wirtschaftliche Ein- griffe in die Medizin können nur Ko- sten beschneiden, aber nicht das Pro- blem ihrer Entstehung lösen.

Prof. Dr. med. Hans Hacker Leiter der Abteilung Neuroradiologie am Klinikum der

Johann Wolfgang Goethe-Universität Schleusenweg 6-12

60528 Frankfurt/M.

Schlußwort

Der kleine Beitrag über das

„UBO-Syndrom" sollte nicht mißver- standen werden als Frontalangriff auf die Magnetresonanztomographie (MRT). Ebensowenig wollte ich da- mit ein neues Syndrom kreieren. Viel- mehr ging es mir darum, der gegen- wärtigen Überbewertung dieser ra- diologischen Methode entgegenzu- treten, ebenso wie der Neigung man- cher Radiologen, aus vieldeutigen Befunden harte Diagnosen zu prägen und den Patienten durch deren Mit- teilung nachhaltig zu verunsichern.

Wenn in mehreren Zuschriften auf die Sensitivität der MRT hinge- wiesen wird, muß an den Ausspruch von Huxley erinnert werden, die Me- dizin habe so große Fortschritte ge- macht, daß es immer schwerer falle, einen Gesunden zu finden. Aus dieser sarkastischen Formulierung ist zwi- schenzeitlich eine Tatsache gewor- den, und es muß mit allen Mitteln ver- sucht werden, Gesunde nicht wegen unspezifischer radiologischer Verän- derungen zu Kranken oder zumindest zu Krankheitsanwärtern zu stempeln.

So weist Dr. Schönbrunn in sei- ner Zuschrift zu Recht darauf hin, daß auch bei der kernspintomographi- schen Wirbelsäulen-Diagnostik völlig irrelevante Bandscheibenverände- rungen — wie sie bei 80 Prozent einer beschwerdefreien Population gefun- den wurden — häufig zu klinischen Diagnosen hochstilisiert werden.

Mit den Ausführungen von Prof.

Hacker bin ich voll und ganz einver- standen, wobei ich allerdings hinzufü- gen möchte, daß auch eine vor acht Jahren publizierte Arbeit noch zitier- fähig sein kann.

Herrn Dr. Wallner kann ich lei- der nicht folgen, wenn er eine MRT zu benötigen glaubt, um eine Borre- liose zu diagnostizieren.

Ebensowenig verstehe ich die Äußerungen von Herrn Dr. Keil, der bei Patienten mit dem klinischen Bild einer Multiplen Sklerose aufgrund negativer MRT-Befunde eine Migrä- ne diagnostiziert; eine negative MRT schließt die Diagnose einer Multiplen Sklerose selbstverständlich in keiner Weise aus.

Was schließlich die Mahnung von Herrn Dr. Engler betrifft, den in mei- A-1458 (64) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995

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DIZIN

nem Beitrag abgebildeten MRT-Be- fund weiter abzuklären, kann ich ver- sichern, daß dies geschehen und bei der Diagnose einer Migräne geblie- ben ist.

Im übrigen schreibt mir ein so er- fahrener Radiologe wie Prof. Rinck von der Universität Trondheim zum selben Fall: „Die in der Abbildung ge- zeigten Hirnveränderungen sind si- cherlich nicht normal, aber sind Krampfadern und graue Haare nor- mal?

Mit anderen Worten, je besser unsere diagnostischen Methoden wer- den, desto weniger wissen wir, was in- nerhalb des Normalbereiches liegt und was als pathologisch zu deuten ist.

Die Crux der Magnetresonanz- Bildgebung ist eine bisher nicht be-

DISKUSSION

kannte Sensitivität, die Gehirnverän- derungen zeigen kann, die entweder keine klinischen Symptome zeitigen oder vom Gehirn kompensiert wer- den können."

Zusammengefaßt sollte man aus der sehr interessanten Diskussion fol- gende Konsequenzen ziehen:

1. Die Indikation zu einer Kern- spintomographie sollte nach einer eingehenden klinischen Untersu- chung mit gezielter Fragestellung er- folgen.

2. Der Befund sollte dem über- weisenden Arzt — und nicht dem Pati- enten — mitgeteilt werden, und zwar beschreibend und nicht in Form einer aus methodischen Gründen meist nicht statthaften Diagnose. (Mögliche Ursachen etwaiger Veränderungen

können allenfalls in Abhängigkeit von ihrer Wahrscheinlichkeit angefügt werden).

3. Es ist ausschließlich Sache des überweisenden Facharztes, den MRT- Befund kritisch in die durch Vorge- schichte, klinische und sonstige appa- rative Befunde bestimmte Gesamt- konstellation als einen Baustein zur Diagnose einzuordnen.

Dabei muß man sich der großen Spannbreite des noch Normalen im- mer bewußt bleiben.

Prof. Dr. med. Manfred Stöhr Chefarzt der Neurologischen Klinik und klinischen Neurophysiologie des Zentralklinikums Augsburg Stenglinstraße 2

86156 Augsburg

Depressive Syndrome bei Kindern und Jugendlichen

Ein Aspekt offen

In der sonst interessanten Arbeit habe ich einen Hinweis auf sexuellen Mißbrauch im Kindes- und Jugendal- ter als wesentlichen ätiologischen Faktor in der Genese psychopatholo- gischer und sicher auch depressiver Zustände vermißt. Obwohl Nicht- Psychiater, sind mir bisher mehrere Patienten (zum Teil auch jüngere Er- wachsene) begegnet, bei denen diese Konstellation vorliegt.

Dr. Anno Diemer

Arzt für Kinderheilkunde und Röntgendiagnostik

Altonaer Kinderkrankenhaus 22708 Hamburg

Schlußwort

Bei der Ätiologie depressiver Zustände spielen abnorme Belastun- gen und Stressoren eine sehr große Rolle.

Selbstverständlich gehört zu die- sen außergewöhnlichen Belastungen

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Gotz-Erik Trott und Mitarbeitern in Heft 43/1994

auch körperliche Mißhandlung und sexueller Mißbrauch.

In einer Untersuchung bei jun- gen depressiven Erwachsenen, die Frau Ernst und Herr Angst in Zürich durchgeführt haben, wurde die Rate des sexuellen Mißbrauchs in dieser Patienten-Gruppe erhöht gefunden.

Da Mißhandlung und Mißbrauch zu den außergewöhnlichen Belastun- gen gehören, haben wir diesen Faktor neben vielen anderen nicht explizit angeführt, obwohl er natürlich eine bedeutende Rolle spielt.

In diesem Zusammenhang sei je- doch noch einmal darauf hingewie- sen, daß es ein zirkumskriptes psycho-

pathologisches Bild, das für eine statt- gehabte Mißhandlung oder einen Mißbrauch typisch wäre, nicht gibt.

Prof. Dr. med. Götz-Erik Trott Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität

Füchsleinstraße 15 97080 Würzburg

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Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im me- dizinisch-wissenschaftlichen Teil — ausgenommen Editorials, Kongreß- berichte und Zeitschriftenreferate — können grundsätzlich in der Rubrik

„Diskussion" zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie in- nerhalb vier Wochen nach Erschei- nen der betreffenden Publikation bei der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreib- maschinenseiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen) wissenschaftlich begrün- dete Ergänzungen oder Entgegnun- gen enthalten.

Für Leserbriefe zu anderen Beiträgen gelten keine besonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hin- weise). DÄ/MWR Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 20, 19. Mai 1995 (67) A-1459

Referenzen

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