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Archiv "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung: Endlich gibt es Verträge – aber nicht unbedingt die richtigen" (12.06.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009 A1221

P O L I T I K

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ut Ding will Weile haben:

Mit diesem Spruch redet man sich schon mal heraus, wenn etwas ungebührlich lange dauert.

Thomas Ballast hat ihn benutzt, als er am 26. Mai den Mustervertrag der Ersatzkassen zur spezialisierten am- bulanten Palliativversorgung (SAPV) präsentierte. „Mehr erklärend als entschuldigend“ wolle er darstellen, welche Hürden zu nehmen gewesen seien, seit Angebote zur SAPV mit Wirkung zum 1. April 2007 ins So- zialgesetzbuch V geschrieben worden seien, so der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek): Hürden wie die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, Umsetzungsempfehlungen der Kas- sen, Verhandlungen mit der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die Bezahlung der verordnen- den Ärzte.

Aber nun, findet er, ist ein gutes Ergebnis herausgekommen. „Wir haben uns auf ein sehr offenes Modell verständigt. Denn die Ver- sorgungsrealität wird in der Stadt anders sein als auf dem flachen Land“, betonte Ballast. „Besonders

gut an dem Vertrag ist, dass er keine engen Regeln für die Zusammenset- zung der Leistungserbringer vor- gibt.“ Das heißt: Die Ersatzkassen verlangen zwar Qualifizierung und Erfahrung mit Palliativmedizin (sie- he Kasten „SAPV: Erfahrung ist Pflicht“). Dazu muss ein nachvoll- ziehbares Konzept der Ärztinnen

und Ärzte, Pflegenden, Sozialarbei- ter, Apotheker oder Psychologen kommen, die sich für eine Rund- um-die-Uhr-Einsatzbereitschaft zu

„Palliative Care Teams“ zusammen- tun. Doch ein starres Regelungs- werk für das Miteinander enthält der Vertrag nicht. Und die Umsetzung?

Läuft nach den Worten des vdek- Vorstands bereits in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Ballast lädt

andere Kassen ausdrücklich ein, sich dem vdek-Mustervertrag anzu- schließen: „Wir wollen keine exklu- siven Verträge abschließen, sondern möglichst einheitliche.“

Der vdek-Vorstand war im Früh- jahr nicht der Einzige, der in Sachen SAPV stolz Vollzug meldete. Auch Dr. med. Leonhard Hansen war zu-

frieden. „Mit diesem Vertrag vollen- den wir unsere erfolgreiche Initia- tive zur menschenfreundlichen Ver- sorgung von Patienten am Ende ihres Lebenswegs“, hatte Hansen, Vorstandsvorsitzender der Kassen- ärztlichen Vereinigung (KV) Nord- rhein, am 24. April erklärt. In seiner Region haben sich – bundesweit einmalig – alle Kassen auf einen SAPV-Abschluss einigen können.

Gut so, meint Hansen: „Palliativver- sorgung ist kein Feld für den Wett- bewerb.“ Wie viel vdek und wie viel anderes im Vertrag stecken, ist da vielleicht nicht so wichtig.

Im Moment wird in Nordrhein noch mit Palliative Care Teams ver- handelt. Doch die Richtung ist klar:

Werden SAPV-Leistungen von ei- nem ambulant tätigen Haus- oder Facharzt beziehungsweise von einem Krankenhausarzt verordnet, klärt das Team beim Patienten, was von wem zu tun ist, und sichert durch regel- mäßige Fallbesprechungen, dass je- der weiß, was der andere tut oder SPEZIALISIERTE AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG

Endlich gibt es Verträge – aber nicht unbedingt die richtigen

Todkranke sollen am Lebensende zu Hause versorgt werden können, und zwar von spezialisierten Arzt-Pflege-Teams. Das ist der Kerngedanke der SAPV. Nun gibt es erste größere Verträge, aber auch noch genug Kassen, die nicht in die Gänge kommen.

Wir wollen keine exklusiven Verträge abschließen, sondern möglichst einheitliche.

Thomas Ballast, vdek

Foto:Photothek

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lässt. Die Regeln sind streng: Jedes Team muss mindestens drei qualifi- zierte Palliativmediziner und mindes- tens vier qualifizierte Palliativpflege- kräfte einbinden, eine 24-Stunden- Bereitschaft garantieren und förmlich mit ambulanten Hospizen und Apo- thekern kooperieren.

„Ein loser Zusammenschluss genügt nicht“, stellte Cornelia Prü- fer-Storcks, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, kürzlich klar.

„Wir wollen auch keine Abstriche an der Qualität machen. Im Rhein- land gibt es genug qualifizierte An- bieter. Wir möchten nicht, dass jetzt auf einmal Ärzte das Thema Pallia- tivversorgung entdecken, weil es ei- nen Vertrag gibt.“ Und damit end- lich Honorar, müsste man ergänzen.

Prüfer-Storcks betonte zugleich, das Angebot an Fachleuten sei von Re- gion zu Region sicher unterschied- lich. Und: Die spezialisierte ambu- lante Palliativversorgung sei natür- lich „kein Feld für Wettbewerb“.

Das beteuern alle. Aber man hat den gegenteiligen Eindruck. Ein

Grund für die schleppenden Ver- tragsabschlüsse ist sicher der Wett- bewerb. Manche Kassen wollen Ab- schlüsse, andere glauben es sich leis- ten zu können, sie weiter zu verzö- gern. Dazu kommt: Einige Kassen haben im Rahmen von Integrations- verträgen Versorgungslösungen vor Ort aufgebaut und wollen diese wei- terentwickeln, statt mit anderen Krankenversicherern über gemein-

same Verträge zu verhandeln. Dar- über hinaus taktieren Kassen und Palliative Care Teams vielerorts ge- rade wegen der Bezahlung.

Noch etwas spielt eine Rolle:

Leistungen der spezialisierten am- bulanten Palliativversorgung sollen für die schätzungsweise zehn Pro- zent der Sterbenden zur Verfügung stehen, die sie wohl benötigen. Das suggeriert, für die restlichen 90 Pro- zent sei im Rahmen einer allgemei- nen ambulanten Palliativversorgung bereits alles bestens geregelt. Doch das täuscht. Nach Darstellung der Deutschen Hospiz-Stiftung bekom- men nur vier von fünf Sterbenden entsprechende Hilfe.

Flächendeckend: kaum Geld Die ambulante Palliativversorgung kennt nur eines seit Jahren flächen- deckend, findet Dr. med. Thomas Schindler, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Pallia- tivmedizin (DGP): finanzielle Pro- bleme. „Diese Versorgungsform hat weder in ärztlichen Gebührenord- nungen noch im Rahmen von pfle- gerischen Leistungskomplexen und auch nicht bei der Vergütung weite- rer Gesundheitsberufe je eine nen- nenswerte Rolle gespielt“, erinnert er. Zwar wurde die Bezahlung in Ansätzen geregelt, seitdem verein- zelt Integrationsverträge nach § 140 SGB V für diesen Bereich abge- schlossen wurden. Doch diese Ver- träge seien allesamt „Insellösun- gen“ geblieben, wenigen Standorten und wenigen Versicherten der einen oder anderen Kasse vorbehalten.

In Nordrhein-Westfalen wur- den kürzlich kassenübergrei- fend SAPV-Verträge abge- schlossen. Wird es jetzt zü- gig so weitergehen?

C

Caarrll--HHeeiinnzz MMüülllleerr::Nein. Den SAPV-Verträgen messen immer noch viele Kassen keine große Bedeutung bei. Und jeder Tag ohne Vertrag spart Geld. Dabei sind es die Krankenkassen den Versicherten und ihren An- gehörigen schuldig, dass man schnellstmöglich Verträge schließt und Palliative Care Teams bildet. Gerade in ländli- chen Gebieten wäre das wich- tig. Dort ist das nächste Kran- kenhaus oft weit weg, und die ambulant tätigen Ärzte müssen große Gebiete betreuen.

Die Kassen befürworten ein- heitliche Verträge, verweisen

aber auch darauf, dass sich in den Bundesländern unter- schiedliche Strukturen gebil- det haben. Manche wollen zudem mit ihrem eigenen SAPV-Ansatz punkten.

M

Müülllleerr::Es ist schon ärgerlich, dass hier etwas dem Wettbe- werb unterstellt wird, was sich dafür nicht eignet. Man könnte regional einheitliche Verträge schließen, gleichzeitig aber Besonderheiten vor Ort be- rücksichtigen. Das gilt auch im Hinblick auf die Qualifikatio- nen. In größeren Städten sind vielleicht schon genug palliativ- medizinisch erfahrene Ärzte und Pflegekräfte vorhanden, aber nicht auf dem Land. Des- halb sind Übergangsregelun- gen zulässig, damit sich Team- mitarbeiter noch qualifizieren können. Das Schlimmste wäre,

wenn an einem Ort mehrere Palliative Care Teams beste- hen, aber jedes mit anderen Kassen Verträge hat. Dann reicht die Finanzierung viel- leicht keinem.

Einzelne Kassen fürchten wohl, künftig könnte eine Versorgung Schwerstkranker zu Hause zu schnell zur spe- zialisierten ambulanten Ver- sorgung deklariert werden.

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Müülllleerr::Wer einen Anspruch auf SAPV hat, ist definiert.

Wenn Zweifel bestehen, kann die Kasse die Verordnung ja überprüfen. Richtig ist aller- dings, dass auch die allge- meine palliativmedizinische Versorgung und deren Schnitt- stellen zur SAPV definiert wer- den müssten. Dafür setzen wir uns ein.

3 FRAGEN AN …

Dr. med. Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

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Kein Wunder, dass es nach der spezialisierten ambulanten Palliativ- versorgung auch kaum eine Kasse drängte. „Die Krankenkassen haben noch während des Gesetzgebungs- verfahrens dafür plädiert, dass die SAPV nicht ins Gesetz komme, weil sie überflüssig sei“, ärgert sich Schindler. Trotz ihrer abwehrenden Haltung sollten sie aber deren Um- setzung bewerkstelligen. Und das zu einer Zeit, in der sie angesichts der Gründung eines Spitzenver- bands der gesetzlichen Kranken- versicherung oder der Einführung des Gesundheitsfonds mit anderem beschäftigt waren. „Die SAPV kam also völlig unter die Räder“, sagt Schindler.

Das liegt auch daran, dass weder Sterbenskranke noch ihre Angehöri- gen Zeit finden aufzubegehren. Ärz- te und Pflegende, die sie betreuen, auch nicht. „Selbst die ,normale‘

Versorgung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen bei ihren Angehörigen ist fast immer zeit- und betreuungsintensiv. Alle, die re- lativ viele solcher Patienten betreu- en, geraten deshalb in eine ökono- mische Falle“, so Schindler.

Wie schwer es selbst Konzepte haben, die Fachleute loben, verdeut- lichte unlängst beim Hauptstadt- kongress Bettina Tews-Harms, die einen privaten Pflegedienst leitet und in Niedersachsen Vorsitzende des Gifhorner Palliativ- und Hospiz- netzes ist. „Zusammenarbeit kann man nicht erzwingen, so was muss wachsen“, betont sie. In Gifhorn und

seinem Umland mit rund 175 000 Einwohnern, zwischen denen in der südlichsten und denen in der nörd- lichsten Ecke 77 Kilometer liegen, ist etwas gewachsen, nämlich ein SAPV-Netz.

Gifhorn: Hausärzte als Partner Wenn ein Hausarzt einen Patienten zum Netz überweist, dann klärt eine Koordinatorin, was er braucht und wer sich kümmern kann. In ländli- chen Regionen wie rund um Gif- horn gibt es nicht überall genug Fachleute. Deswegen wird es dort kaum ohne Übergangsregelungen für die Qualifizierung gehen, meint Tews-Harms. Und nicht ohne die Basisversorger. „Wir wollen nicht, dass die Hausärzte gegen, sondern mit uns arbeiten“, erklärt die Pflege- expertin. Von 170 Hausärzten haben sie erst 25 fürs SAPV-Netz gewin- nen können, aber das nimmt sie gelassen: „Die, die wir gewinnen konnten, überweisen weiter.“

Eingebunden sind neben Haus- ärzten und spezialisierten Ärzten und Pflegenden auch Hospize und das Kreiskrankenhaus Gifhorn.

Muss ein Sterbenskranker noch ein- mal in die Klinik, dann kommt er gleich auf die Palliativstation und nicht in eine andere Abteilung. Zu- dem besteht das Netz darauf, dass gleich zu Anfang einmal ein Pflege- dienst zur Beratung ins Haus des Patienten kommt: „Die Leute trauen sich dann eher, sich zu melden.“

Ein Jahr lang haben sich viele en- gagierte Fachleute ohne zusätzliche

Vergütung am Gifhorner Versor- gungskonzept beteiligt, dann erst konnten sie einen Vertrag unter- zeichnen. Aber bislang nur mit der Deutschen BKK. Dass sie andere Patienten abweisen müssen oder in jedem Einzelfall mit der Kasse über eine Kostenübernahme verhandeln müssen, „ist ein Riesenproblem“, sagt Tews-Harms.

Nicht nur in Gifhorn. Zwar ist mittlerweile festgelegt, was die Ärz- te bekommen, die SAPV verordnen:

25 Euro für die Erst- , 15 Euro für die Folgeverordnung. Doch was einzelne Palliative Care Teams ge- nau wofür erhalten, ist Verhand- lungs- und oft auch offiziell Ge- heimsache. Kein Wunder, dass sich die Vertragsabschlüsse hinziehen.

Die AOK Brandenburg beispiels- weise möchte zum Honorar derzeit nichts sagen. Man verhandele gera- de wieder mit Anbietern, heißt es.

Immerhin hat die Kasse gemeinsam mit der IKK Berlin-Brandenburg seit Jahresbeginn drei SAPV-Verträ- ge mit Teams in Neuruppin, Bran- denburg an der Havel sowie Bad Saarow abgeschlossen. Sie umfas- sen nicht nur die Versorgung dieser drei Städte, sondern auch die in der jeweiligen Region im Umkreis von rund 30 Kilometern. „Für das Land Brandenburg sind zwölf SAPV-Ver- sorgungsregionen vorgesehen, die wir bis spätestens 2010 aufgebaut haben wollen“, erläutert AOK-Spre- cher Jörg Trinogga. Und die anderen Kassen? Er gehe davon aus, dass sie sich den AOK-Verträgen einfach

SAPV: ERFAHRUNG IST PFLICHT

Für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) gelten die Spielregeln der gemeinsamen Selbstverwaltung: Vorgaben, die der Ge- setzgeber mit Wirkung zum 1. April 2007 in § 37 b und § 132 d SGB V fixierte, musste der Gemeinsame Bundesausschuss konkretisieren. Des- sen Richtlinie trat im März 2008 in Kraft, Umsetzungsempfehlungen der Krankenkassenverbände im Juni 2008.

>Anspruch auf SAPV haben danach Versicherte, die an einer unheil- baren, weit fortgeschrittenen Krankheit leiden und nur noch begrenzte Zeit zu leben haben. Zugleich müssen sie eine besonders aufwendige Versorgung benötigen. Ziel ist es, ihnen die letzten Wochen beziehungs- weise Monate in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen.

>Die SAPV umfasst ärztliche und pflegerische Leistungen sowie de- ren Koordination, insbesondere zur Schmerz- und Symptomkontrolle. Sie kann als Beratungsleistung, als unterstützendes Element der sonstigen

Versorgung oder als vollständige Patientenbetreuung erbracht werden.

Blaupause für entsprechende Versorgungskonzepte sind multiprofessio- nelle Palliative Care Teams.

>Die Teampartner, die im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung kooperieren – also beispielsweise Palliativärzte, spe- zialisierte Pflegedienste, ambulante Hospizdienste, Apotheker, Palliativ- stationen in Kliniken, Sozialarbeiter – , müssen gegenüber den Kranken- kassen darlegen, wie sie eine tägliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung be- wältigen wollen. Ziel ist zudem eine enge Zusammenarbeit mit Hausärz- ten, eventuell auch Fachärzten.

>SAPV-Ärzte und -Ärztinnen müssen über eine Zusatzweiterbildung Palliativmedizin verfügen (160 Stunden) und mindestens 75 Palliativ- patienten in den zurückliegenden drei Jahren versorgt haben. Übergangs- regelungen zur Qualifizierung sind aber möglich.

Sterbebegleitung verlangt Angehörigen viel mehr ab, als nur lange am Bett zu sitzen. Damit sie durchhalten, brauchen sie möglicherweise ein Palliative Care Team.

Foto:Photothek/Ute Grabowsky

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A1224 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 24⏐⏐12. Juni 2009 anschließen würden, sagt Trinogga

– entweder offen oder etwas leiser.

Anspruch auf schnelle flächen- deckende Verträge erhebt bereits die AOK in Sachsen-Anhalt. Sie hat sich mit fünf Managementgesell- schaften an den Standorten Dessau, Halle, Magdeburg, Stendal und Wernigerode geeinigt, deren Pallia- tive Care Teams Todkranke versor- gen. Formal handelt es sich um eine Kombination aus SAPV-Vertrag nach

§ 132 d SGB V und einem Integra- tionsvertrag. Interessant ist, dass die tagesbezogenen Komplexpauscha- len für die Teams (zwischen 90 und 181 Euro) teilweise auch Kranken- hausleistungen abdecken; ein Risi- ko, das andere nicht tragen wollten.

In Nordrhein ist Flächendeckung angeblich bald möglich. AOK-Vor- stand Cornelia Prüfer-Storcks hat für den kassenübergreifenden Vertrag auch Beträge genannt. Die Vollver- sorgung wird mit 225 Euro pro Tag vergütet, wobei Heil- und Hilfsmit- tel extra bezahlt werden, eine Teil- versorgung mit 40 Euro, eine Bera- tung, egal, ob durch den Arzt oder eine Pflegekraft, mit 20 Euro.

Westfalen: keine reine Lehre Auch die Nachbarregion Westfalen- Lippe hat Mitte Mai vermeldet, dass ein kassenübergreifender SAPV- Vertrag abgeschlossen wurde. Nur ein paar sehr kleine Betriebskran- kenkassen haben nicht unterschrie- ben. Wie in Nordrhein hat auch dort die KV mitverhandelt; palliativme- dizinische Netze hatten um Unter- stützung im Verhandlungspoker ge- beten. Frank Ahrberg, bei der KV für Sonderverträge zuständig, ist zu- frieden: „Große, etablierte Palliativ- netze finden sich im Vertrag wieder;

neue Zusammenschlüsse werden

gefördert und erhalten ihre Start- chance.“

Anders als in Nordrhein können sich in Westfalen-Lippe auch Haus- und Fachärzte ohne die geforderte umfangreiche palliativmedizinische Qualifikation um ihre todkranken Patienten kümmern und erhalten da- für Zuschläge zu ihrem Honorar. Zu geringe allerdings, wie der Hausärz- teverband in der Region bereits mo- nierte. Einmalig gibt es eine Ein- schreibepauschale pro Patient von

50 Euro, dazu zusätzlich zur EBM- Position 25 Euro pro Hausbesuch.

Dauert dieser länger als eine Stunde, erhöht sich das Honorar auf 40 Eu- ro. Zur Seite stehen den Ärzten bei Bedarf ein palliativmedizinischer Konsiliardienst (PKD) und qualifi- zierte Pflegekräfte.

Die KV selbst räumt ein, dass ihr Vertrag kein reines SAPV-Werk ist, sondern eine Mischung für die all- gemeine wie die spezialisierte Pal- liativversorgung. „Den Palliativnet- zen und uns war es besonders wich- tig, engagierte Ärztinnen und Ärzte nicht durch unnötig hohe Anforde- rungshürden abzuschrecken“, be- tont Björn Kammering, Abteilungs- leiter im Geschäftsbereich Verträge.

Sind solche Verträge nun gut, weil pragmatisch? Oder schlecht, weil es nicht darum gehen sollte, wer mitmachen möchte, sondern darum, wer es kann? Schwer zu sa- gen, findet selbst die Deutsche Ge- sellschaft für Palliativmedizin (DGP). „Den Chancen, zu individu-

ellen und passgenauen Lösungen zu kommen, stehen erhebliche Risiken gegenüber“, heißt es in ihrer jüngs- ten Übersicht zu SAPV-Verträgen.

Eines der größten Risiken bestehe darin, „den qualitativen Anspruch an die SAPV durch eine gewisse Beliebigkeit zu unterlaufen“.

Dr. med. Ingmar Hornke, Leiter des Palliativteams Hanau, einem am- bulanten Palliativ- und Hospizzen- trum mit Sitz am Klinikum Hanau, kann nur zustimmen. Sein Team ist eines von sieben in Hessen, die bis- her den vdek-Mustervertrag unter- schrieben haben. Dass noch immer viele todkranke Menschen im Kran- kenhaus sterben, liegt seiner Mei- nung nach daran, dass Hausärzte die- sen Patienten angesichts der gegebe-

nen Strukturen nicht gerecht werden können. Vor Jahren hätten die Hausärzte argumentiert, sie versorg- ten ihre Patienten schon und es brau- che deswegen keinen Notarztdienst, erinnert sich Hornke. „So, wie es da- mals mit dem Notarztdienst war und wie sich dieser mittlerweile durchge- setzt hat, wird es mit der SAPV auch kommen“, ist er überzeugt.

DGP-Geschäftsführer Schindler meint, dass nicht nur die Kassen noch ein ganzes Stück Weg vor sich haben: „Viele haben im ambulanten Sektor nicht gelernt, in Teamstruk- turen zu denken“, kritisiert er. Und um Angehörigen von Sterbenden, aber auch deren Ärzten, die im Um- gang mit Schmerzen, Atemnot, Übelkeit oder anderen quälenden Symptomen überfordert sind, Si- cherheit zu geben, „braucht man Kollegen, die besonders qualifiziert und erfahren sind. Sie können Pa- tient und Angehörigen vermitteln, dass es Lösungen geben wird“. I Gisela Klinkhammer, Sabine Rieser Einsatz in der Dämmerung:Palliative Care Teams müssen den Kassen garantieren, dass rund um die Uhr jemand für den todkranken Patienten oder seine Angehörigen erreichbar ist. Wie, das können sie entscheiden.

So, wie sich damals der Notarztdienst durchgesetzt hat, wird es auch mit der SAPV kommen.

Dr. med. Ingmar Hornke, Palliativteam Hanau

Foto:dpa

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