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Archiv "Adrian Russo" (04.05.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Arzt — und Poet dazu

Adrian Russo

Adrian Russo, Arzt für Allgemeinme- dizin in 1 Berlin 65, Liebenwalder Straße 43, tritt zur Verteidigung des angegriffenen persischen Kollegen Madzuraj (Arzt-Poet-Spalte Nr. 32/

1976, Seite 2096) aus seiner Reser- ve. Er wurde im Mai 1920 geboren und ist erst seit 1956 Arzt.

Russo gehört zur Berliner Gruppe des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte, und schreibt dazu: „ . . in dieser Vereinigung hat das Ärztliche allemal Vorrang, wie auch bei den beiden berühmtesten Vorbildern Hippokrates (Der Eid) und Maimonides (Morgengebet ei- nes Arztes); oft haben Kolleginnen und Kollegen, auch solche, die ent- spannungshalber nicht schriftstel- lern, Eicr und ‚Morgengebet' in Ih- ren Zimmern ... hängen ...." Und er fügt, als Beispiel einer ganz ande- ren Richtung in der Lyrik als jener, der der angegriffene Kollege zuge- hört, ein eigenes Gedicht mit: „Es gibt in der germanophonen Lyrik den konservativen (Beispiel anbei ...) und den modernen Zweig...."

Ich lese, außer der tiefen Trauer um

„das Tote", den „Durchmord am Welteinheits-Kind" in diesen Zeilen sehr vieles angedeutet, das in den angeführten Briefzeilen vordergrün- dig formuliert wird.

Ein Kind im Untergang

Kein Lachen mehr aus diesem Kin- dermunde.

Wo sind die Eltern, die noch gestern waren, die guten Eltern, in den sieben Jahren voll tiefer Liebe, auch bei Ernst und Mahnung?

Die Tränen quellen wie aus einer Wunde.

Kein Mensch im Umkreis, der dies still bedauert.

Es wühlt in ihm beim Kind-an-Kind- gedrängel zur Badekammer hin herzreife Ahnung:

dort ist die Mutter bald mit mir im Bunde, mit meinem Vater auch, dem klugen, klaren.

Vor-Engel sind sie schon dem Ah- nungsengel, hinter sich habend dieses Druckge- schiebe zur Tür hinein, von allem voll ver- lassen.

Kein Mann im Umkreis, der die Tür vermauert.

Es schmerzt der Durchbruch seiner zweiten Zahnung und untertrifft das Denken an die Liebe der zarten Eltern, die schon nicht mehr sind, und auch das Denken an die Som- merkirschen;

vom vielen Weinen sind die Äuglein blind.

Abschließend dann: das Kammertü- renknirschen.

Das Gas. Der Durchmord am Welt- einheits-Kind.

Wer konnte solches Menschlein so hart hassen?

(Kaum heut' ein Arzt, der um das Tote trauert.)

Es fällt auf, wie viele Kollegen sich um „das Kind", um „Kinder" bemü- hen, seit die breite Öffentlichkeit, sprich: die gebärfähigen Frauen samt den zugehörigen Männern sich so kinderfeindlich zeigen, daß das biologische Ende für uns als Volk in unmittelbare Nähe gerückt scheint.

Bliebe anzumerken, daß kürzlich in der Züricher „Die Tat" ein Gedicht von Russo über das Straßburger Münster abgedruckt wurde.

Edith Engelke Jakobstraum

Furcht und Hoffnung sind es bei Spinoza, die das menschliche Ver- halten bestimmen. Heute würde man dafür ähnliche Begriffe einsetzen, z. B. Libido und Aggression als

„Triebe", oder man müßte die Emp- findungen benennen, die in demje- nigen hervorgerufen werden, der sich ihnen ausgeliefert weiß: Begier- de und Angst. Wo aber der einzelne sein Alleinsein bemerkt, wo die Angst ihn erfaßt, kann zugleich die Überwindung der Angst — und sei es durch den Bann in das Bild eines Traumes — sichtbar werden: Das 20.

Jahrhundert ist erreicht.

So sind die Bilder selbst wie ein Traum — ein Traum vom Einzelnen und dem Allgemeinen, von Einheit und Distanz —, ein Traum, den man immer wieder erzählt, der sich im Erzählen stets leicht verändert und der auf diese Weise weitergeträumt wird. Der Arzt aber sollte wissen, und kann es auch, daß er möglicher- weise in einen von höchsten Erwar- tungen des Heils oder Unheils vor- gebildeten Dialog eintritt, der heute dem Bewußtsein des Schläfers oder des Kranken weit näher kommen kann als in irgendeiner anderen, ei- ner früheren Zeit.

Um aber als Arzt helfen zu können, muß er sich zugleich dem Hineinge- nommenwerden, der Empathie, der Symbiose entziehen. Er muß zurück- treten können und seine Vorstellung vom menschlichen Körper und des- sen Funktionen zwischen sich und den Kranken stellen. Denn seine Hil- fe kommt vor allem aus der Beob- achtung des Kranken, aus der Kenntnis vieler Krankheiten und der daraus folgenden Beurteilung des Einzelfalles. Der Eintritt in den Dia- log mit dem, der verstört oder krank darniederliegt, erfolgt nicht bei allen Völkern und nicht zu allen Zeiten.

Aber heute und bei uns kann er er- folgen: zwar vor dem Hintergrund des Verstehens, aber aus der ärztli- chen Distanz.

Anschrift der Verfasserin:

Professor Dr. med. Dr. phil.

Marielene Putscher Robert-Koch-Straße 36 5000 Köln 41

1114 Heft 18 vom 4. Mai 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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